Was du hier ansprichst, wird im Hinblick auf den Untergang des Römischen Reichs als Dekadenztheorie bezeichnet. Diese Ansicht ist in der verschiedensten Weise vertreten worden, am prominentesten wohl von Oskar Spengler in seinem "Untergang des Abendlandes".
Nach dieser Auffassung hatte die Antike bei ihrem Ausgang ihre Lebenskräfte verbraucht, sowohl in vitaler Hinsicht als auch in bezug auf ihre Fähigkeit, ihre Kräfte zu regenerieren. Das geschichtliche Leben ging eben zugrunde, wie alles in der Welt an das Ende und Ziel seines Daseins kommen muss. Der Schlussakt begann dementsprechend bereits mit dem 3. Jh. und setzte sich im 4. Jh. fort.
Diese "Dekadenz" lässt sich jedoch verschieden veranschaulichen und begründen. Der begriffliche Rahmen gibt unterschiedlichsten Deutungen einen großen Spielraum, und es lassen sich deshalb eine Menge von Theorien anführen. Im 18. Jh. hat z.B. der berühmte englische Historiker Gibbon die Auffassung vertreten, das Christentum habe die Menschen in ihren irdischen Kräften und Instinkten untüchtig gemacht; deshalb habe die antike Welt, nachdem sie so ihr eigenes Lebensgesetz aufgegeben habe, zugrunde gehen müssen.
Das Gegenstück zu einer derart spirituellen Erklärung ist die massiv biologische Argumentation, etwa in der Art, dass die römische Kaiserzeit mit ihren Wirren zur "Ausrottung der Besten" geführt und in dieser negativen Auswahl der Übriggebliebenen sich eine Art von umgekehrten Darwinismus entwickelt habe. Die Antike bot einigen eine billige Möglichkeit, den biologischen Zerfall durch "Rassenmischung" aufzuzeigen. Auch dies ein Gedanke des 19. Jh. (Gobineau), der dann durch die Nationalsozialisten eine anachronistische Wiederbelebung erfuhr.
Die Katastrophentheorie führt den Untergang in erster Linie auf die Völkerwanderung und die Germanisierung des Heers zurück. Sie sieht also besonders militärische Faktoren als maßgebend an.
In der Mitte liegen die verschiedenen Erklärungen, welche sich auf Tatsachen des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichs beziehen. Hier seien genannt die Landflucht, Verödung von Städten, unerträgliche Steuerlasten, Barbarisierung der Armee usw.
Zu diesem Thema ließe sich noch viel sagen, aber das wäre dann Bestandteil eines neuen Themas.