Oberschlesien

Ingeborg schrieb:
Hier gab es früher auch mehr aus dem Französischen übernommene Worte in der Alltagssprache. Oder nur im Osten?
Ich erinnere mich jedenfalls an Bemerkungen von Oma wie: "Na, jeh mittem Besen und feech dem Angtree" (Entree = Flur), oder "Wo hab ich dem Pengsnee?" (Poince-nez = hier: Brille).

Ja, aber da haben wir unsere "Buddel" auch her.

:D Entrée oder Angtree wird heute/wurde früher auch im Oberschlesischen benutzt. So erzählt z.B. meine Mutter, dass ihre Oma dass die ganze Zeit benutzte. Mit der Brille weiß ich das jetzt nicht.

Nungut, aber die Ähnlichkeit zwischen "butelka" und "bouteille" ist doch größer als die mit "Buddel". Klar, dass es im Deutschen auch viele ähnliche Wörter gibt, mir ist eben nur aufgefallen, dass die Polnischen dem Französischen in Aussprache und Schrift viel ähnlicher sind.
 
Zu den Wasserpolaken:

Jana337 schrieb:
Eine der mir bekannten Erklärungen, die aus dem 18. Jahrhundert stammt, hat tatsächlich mit der Oder zu tun. Der Begriff selbst entstand im 17. Jahrhundert und soll sich ursprünglich auf die Holzflößer an der Oder bezogen haben. Später verbreitete er sich auf alle slawischen Bewöhner Oberschlesiens.
Jana

Das kann ich bestätigen, denn ich habe im Brockhaus Konversations Lexikon 14. Auflage 16. Band aus 1895 folgenden Eintrag gefunden

Wasserpolaken, ursprünglich Bezeichnung der Flößer auf der Oder, die meist oberschles. Polen waren. Der Name ging dann überhaupt auf die Polen in Oberschlesien und Österreich-Oberschlesien über.

:winke:
 
El Quijote schrieb:
Ich denke eher, dass das Wort französisch, nicht tschechisch beeinflusst ist, vgl. die Sansculotten.

Ich habe etwas gefunden:
Prestiti dall'italiano, alcune volte tramite mediazione tedesca, riguardano frutta e verdura: salat, kapusta, celer, petrzel, datle; bluma, "prugna" viene dal tedesco (Pflaume << lat. prunus). Nell'ambito del vestiario vi sono prestiti da varie fonti; alcune parole denotano la località di origine, come damasek (damasco); kosile (camicia) è dal lat. casula; kalhoty (a.c. kali(h)oty << it. caligotte << lat. caliga); dal francese bota, bluza, kravata, kostym; svetr dall'inglese. Quelle

Also aus dem Italienischen. Schwer zu sagen, woher genau der unmittelbare Einfluss auf den schlesichen Dialekt gekommen ist.

Jetzt weiß ich endlich, wieso das Wort kalhoty im Plural ist, auch wenn es um eine Hose geht: Caligotte waren zwei getrennte Teile. :)
 
Da fallen mir die alten Walen-geschichten ein. Die Walen waren italienische Händler bzw Kundschafter die den deutschen Länder nach verwertbaren Rohstoffen erkundeten. Im Harzland hiessen sie Venediger.
 
mandi schrieb:
Auch ich möchte zu diesem Thema einen kleinen Beitrag hinzu fügen. Ich bin ja Geboren in der Niederschlesischen Oberlausitz Stadt Görlitz. deshalb kenn ich die Geschichte von Schlesien und Oberschlesien recht gut. Ich hoffe damit kann ich Euch helfen...

Die preußische Provinz Schlesien hatte 1925 einen Flächeninhalt von 26625 qkm mit knapp 3160000 Einwohnern und war eingeteilt in die Regierungsbezirke Breslau und Liegnitz. Der Regierungsbezirk Oppeln ( da ist meine Mutter geboren) war seit 1919 als eigene Provinz Oberschlesien abgehandelt. Niederschlesien grenzte bis 1939 im Norden an Brandenburg und Polen., im Westen an Sachen, ostseits an Oberschlesien und im Süden an die Tschechoslowakei. Schon in alter Zeit war das Herzogtum in Ober- und Niederschlesien geteilt. Die Herzöge waren ein Zweig aus polnischen Königshauses der Piasten. Von vorübergehenden Teilungen abgesehen, bildeten sich folgende selbstständige Fürstentümer: Teschen, ratibor, Troppau, Jägerndorf, Oppeln, Breslau, Liegnitz, Glogau, Schweidnitz, Sagan, Steinau, Brieg, Oels, Münsterberg, Jauer, Krossen, daneben waren noch die Bischöfe von Breslau und von Neisse sowie mehrere adlige Landesherren in Schlesien. Die Piastenherzöge Heinrich der I. und Heinrich der II. bemühten sich im Anfang des 13. Jahrhunderts, deutsche Kolonisten ins Land zu holen, um ihr Land kulturell zu heben. Leider fiel Heinrich II. schon 1241 in der Schlacht gegen die Mongolen bei Liegnitz. Während die schlesischen Herzöge anfänglich vom Polenkönig abhängig waren, gelang es in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, den Königen des damals deutschen Böhmens nach und nach die Lebensoberhoheit zu gewinnen. König Kasimir III. von Polen verzichtete 1335 im Vertrag von Trentschin "für ewige Zeiten" auf Schlesien. Damit wurde die schlesische Bedeutung des schlesischen Städte, insbesondere Breslaus, dessen große gotische Kirchen damals entstanden. 1526 kam Schlesien mit Böhmen unter die Habsburger. Das Land wurde nicht mehr von Prag, sondern von Wien aus beeinflusst. In der österreichischen Zeit entstanden die bedeutenden Barockbauten des Landes. Als Friedrich II., der Große, die von Maria Theresia nicht anerkannten Erbansprüche mit Gewalt durchgesetzt hatte, gab es ein größeres preußisches und ein kleineres österreichisches Schlesien.

Die preußische Provinz Oberschlesien hatte 1925 einen Flächeninhalt von 9702 qkm und rund 135 0000 Einwohner. Bis 1939 wurde Oberschlesien im Norden und Osten von Polen, im Süden von der Tschechoslowakei und im Westen von dem niederschlesischen Regierungsbezirk Breslau begrenzt.
Die preußische Provinz Schlesien war in drei Regierungsbezirke eingeteilt: Breslau, Liegnitz und Oppeln. Mit Ausnahme der der beiden kleinen Stücke von Österreichisch-Schlesien deckte sich der durch seine Kohlen- und Erzlager ausgezeichnete Regierungsbezirk Oppeln so ziemlich mit dem alten Herzogtum Oberschlesien, dass im 14. Jahrhundert von acht Fürsten aus dem Stamme der Piasten regiert wurde. Die Volksabstimmung nach dem 1. Weltkrieg am 20. März 1921 ergab 706993 Stimmen für daas Verbleiben bei Deutschland und 479349 Stimmen für die für die Abtretung an Polen. Mit 60%iger abgebender Stimmen für Deutschland war somit ein klares Bekenntnis des oberschlesischen Volkes abgelegt worden. Oberschlesien hätte demnach in seinen alten Grenzen bei Deutschland verbleiben müssen. Trotz dieser Tatsachen wurde Oberschlesien geteilt, nachdem eine durch den Völkerbundsrat am 29. August 1921 eingesetzte Kommission einen Grenzvorschlag ausgearbeitet hatte. Am 20. Oktober 1921 erfolgte die Bekanntgabe der Entscheidung: Zwei Drittel der oberschlesischen Industrie wurde Polen zugesprochen. Deutschland verlor damit drei Jahre nach der Beendigung des 1. WK noch 3221 qkm mit ca. 900000 Einwohnern, darunter 264000 Deutsche. Der Rest erhielt vom preußischen Ministerium den Titel: Provinz Oberschlesien und am 1. Juni 1926 ein Wappen. Bei diesem sind das Sensenblatt und die Hämmer verständliche Abzeichen der Landwirtschaft und Bergbau; ein goldener Adler war das Wappen des Herzogtums Oberschlesien, den man hier zur Erinnerung an die Zerstückelung geteilt hat. Der Oberschlesische Adler kommt schon früh in den Siegeln einiger Städte vor, im 13. Jahrhundert bei Oppeln und Ratibor, bei Tost im 15. Jahrhundert. Vereinzelt tritt auch der niederschlesische schwarze Adler in Gold auf. Auffallend ist, dass nur die Stadt Leobschütz den gekrönten silbernen Löwen von Böhmen füjrte, obwohl alle oberschlesischen Fürsten im Jahre 1327 den König Jahann von Böhmen, einziger Sohn des deutschen Kaisers Heinrich VII., als ihren Oberherrn anerkannt hatten und schleißlich gelungen war, ganz Schlesien der Krone Böhmen unterzuordnen.

Gruss Mandy

Hier möchte ich anfügen, dass 1945 die Deutschen aus Oberschlesien von den Russen vertrieben wurden und die von den Russen vertriebenen Polen aus Ostpolen (heute Weissrussland und Ukraine) angesiedelt wurden.
 
Stimmt, das war wohl größtenteils so. Ich hatte mal ein Gespräch mit einer Vertrieben in der Zeitung gelesen, da sagte sie, sie wäre speziell von Polen vertrieben worden und zitierte dann deren Befehle. Das war russich...tja, erst muss man ein bisschen nachdenken...:pfeif:
 
Martas schrieb:
Stimmt, das war wohl größtenteils so. Ich hatte mal ein Gespräch mit einer Vertrieben in der Zeitung gelesen, da sagte sie, sie wäre speziell von Polen vertrieben worden und zitierte dann deren Befehle. Das war russich...tja, erst muss man ein bisschen nachdenken...:pfeif:

Ein Bekannter, der aus Oberschlesien stammt, hat mal gesagt (schlesischer Humor?): "1945 haben uns die Polen befreit ... von allem, was wir hatten."
 
Hab ich ja nix gegen...Oberschlesien...da hört man viel, nur darf ich meine persönlichen Kenntnisse mit einbauen:

Meine Oma+Familie kommt aus Oberschlesien. Sie ist nach dem Krieg dort geblieben. Sie ist nicht angegriffen worden. Sie hat keinen Besitz verloren. Daher kann ich manche Zeitzeugenberichte nicht verstehen.

Das war auch kein Versuch polnische Verbrechen zu rechtfertigen
 
Martas schrieb:
Meine Oma+Familie kommt aus Oberschlesien. Sie ist nach dem Krieg dort geblieben. Sie ist nicht angegriffen worden. Sie hat keinen Besitz verloren. Daher kann ich manche Zeitzeugenberichte nicht verstehen.

Dann solltest du deine Oma mal fragen, wie das abgelaufen ist damals und dich tiefer informieren.

Wer a) für die Polen interessant war, b) nicht besonders "NS-belastet" war und schließlich c) Pole wurde, also seine deutsche Staatsangehörigkeit gegen die polnische austauschte, konnte bleiben.

Einer meiner Großväter wurde gefragt, ob er Pole werden wollte. Er lehnte es ab sein Vaterland zu verleugnen und durfte mit seiner Familie packen. Einen Tag später mußte er den Hausschlüssel beim örtlichen Kommandanten abgeben und mit Handgepäck losgehen. Das Handgepäck wurde natürlich nochmal nach Wertsachen durchgesehen...
Den weiteren Verlauf der Geschichte erspare ich dem Forum - ich bin ja nicht Heinz. Nur so viel: Die Familie kam nie komplett in Trizonesien an. :mad:
 
Arne schrieb:
Wer a) für die Polen interessant war, b) nicht besonders "NS-belastet" war und schließlich c) Pole wurde, also seine deutsche Staatsangehörigkeit gegen die polnische austauschte, konnte bleiben.

Einer meiner Großväter wurde gefragt, ob er Pole werden wollte. Er lehnte es ab sein Vaterland zu verleugnen und durfte mit seiner Familie packen. Einen Tag später mußte er den Hausschlüssel beim örtlichen Kommandanten abgeben und mit Handgepäck losgehen. Das Handgepäck wurde natürlich nochmal nach Wertsachen durchgesehen...
Den weiteren Verlauf der Geschichte erspare ich dem Forum - ich bin ja nicht Heinz. Nur so viel: Die Familie kam nie komplett in Trizonesien an. :mad:

Komisch, nach Erzählungen einiger Bekannter ist es aber nicht so abgelaufen, oder wenigstens zum großen Teil nicht. Also sag ich damit nur, dass ich das nicht bestätigen kann. Meine Oma wurde nicht gefragt, sie blieb da, ging auf eine polnische Schule und wurde letztendlich eingebürgert.
Vertreibung ja, aber gerade in Oberschlesien durften viele bleiben.
 
Meine Grossmutter wurde auch gefragt, ob sie bleiben wollten da meine Familie die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, als sie ablehnten als einzige Einheimische im Dorf zu bleiben wurdn sie auch einige Tage später morgens aus ihrem Haus geprügelt und zum Bahnhof geschafft.
 
Da scheint es aber sehr unterschiedliche Methoden gegeben zu haben. Ich kenne da auch Leute, die man rausgeschmissen hat und viele, die friedlich bleiben durften. Vielleicht, oder besser sicher, kam das auf die Leute an, auf die man gestoßen ist, ein systematisches Vorgehen kann man in der Vertreibung ja nicht erkennen.
Viellicht hängt es auch mit den genauen Wohnorten zusammen. Wo wohnte deine Großmutter?
 
Martas schrieb:
Komisch, nach Erzählungen einiger Bekannter ist es aber nicht so abgelaufen, oder wenigstens zum großen Teil nicht.

Spätaussiedler oder Vertriebene?

Meine Oma wurde nicht gefragt, sie blieb da, ging auf eine polnische Schule und wurde letztendlich eingebürgert.
Sie war also minderjährig. Ihr Vater dürfte für sie entschieden haben.
In Oberschlesien sind tatsächlich viele nicht vertrieben worden, weil sie für die Polen als Grubenarbeiter für den Kohlenabbau wichtig waren - zumindest wurde mir das so erzählt. Andere Berufsgruppen (mein Großvater hatte ein Transportunternnehmen und Getreidemühlen) waren verzichtbar.
 
Vertriebene, Spätaussiedler kenn ich auch, aber das zählt hier ja nicht.
Naja, aber mein Urgroßvater war Chemielaborant, also, sagen wir, durchaus verzichtbar (so angesehen, oder wichtig war es ja nicht von seiner Position her). In meiner Familie erfüllte keiner einen nötigen Job.
Außerdem relativieren wir hier leider wieder.

*Nachtrag:
Grubenarbeiter hatte man in Polen doch genug, da bin ich mir eigentlich recht sicher, dass dort kein Mangel herrschte.
 
Martas schrieb:
*Nachtrag:
Grubenarbeiter hatte man in Polen doch genug, da bin ich mir eigentlich recht sicher, dass dort kein Mangel herrschte.

Ja? Die Polen aus Ostpolen, die ja selbst aus ihrer Heimat wegen Stalin vertrieben und in Schlesien angesiedelt wurden, waren meines Wissens vorwiegend landwirtschaftlich geprägt...:grübel:
 
Das ist Oberschlesien! Seit je her ein Mischmasch der Völker und Kulturen. Da war es 100% nicht so.
Man kann ja nicht sagen, dass man alle vertrieben hat und dann die Polen aus dem Osten angesiedelt hat. In den neuen Gebieten lebten mit Sicherheit nicht nur die Ostpolen, vor allem in Oberschlesien nicht, da gab es auch im deutschen Teil polnische Grubenarbeiter, oder wenigstens welche mit polnischer Herkunft. Außerdem war der deutsche Teil des heutigen GOP relativ klein.
 
Klar, Oberschlesien war schon immer recht gemischt bevölkert. War ja auch während der Abstimmungszeit in den 20er Jahren recht zersplittert. Trotzdem hätten die deutschen Kohlenleute gefehlt - soweit ich weiß...

Martas schrieb:
Außerdem war der deutsche Teil des heutigen GOP relativ klein.

Was ist GOP?
 
Meine Großeltenr wurden auch nicht groß gefragt, die halt "polonisiert". Sie sind nicht geflüchtet, da meine Urgroßmutter zu der Zeit zwei kleine Kinder hatte-meine Oma und meinen Großonkel. Die Zügen standen, waren verstopft und es war bitter kalt.
Besitz hatten wir nicht. Also alle bekamen automatisch die polnische Staatsbürgerschaft, in der Schule wurde dann polnisch gesprochen, also mussten sie zwangsweise polnisch sprechen.
Die Deutschstämmigen blieben eh unter sich, teils weil man einfach nichts mit den "Gorole" zu tun haben wollte, anderesseits weil die Polen auch nichts mit "Hanesse" zu tun haben wollten.
Ja, das mit dem Grubenarbeitern kann ich bestättigen, meinen Onkel haben sie auch nicht rausgelassen, weil er Steiger war. Also Steiger ist wohl auch ein Beruf, den nicht jeder machen kann bzw. will.

Ja, also Oberschlesien war wohl schon immer ziemlich durchmischt.
 
Zitat:"Also Steiger ist wohl auch ein Beruf"

Naja, Steiger ist ein Experte in seinem Beruf, eine unentbehrliche Fachkraft.

Zitat:"Sie sind nicht geflüchtet, da meine Urgroßmutter zu der Zeit zwei kleine Kinder hatte-meine Oma und meinen Großonkel. Die Zügen standen, waren verstopft und es war bitter kalt"

Ich denke das war damals kein Grund für Schonung. Während der Deportation sind in meiner Famlie mehr Leute umgekommen als in den Kriegsjahren zuvor.
 
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