Die letzten Heiden Europas

Gegenkaiser

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Bekanntlich ist das Christentum ein nahoestlicher Exportschlager und hat sich in Europa vom Mittelmeerraum allmaehlich nach Norden und Osten ausgedehnt.

Waehrend die Christianisierung innerhalb des roemischen Reichs und bei den Germanen noch weitgehend friedlich verlief, haben spaeter die christianisierten Germanen das Heft in die Hand genommen und oestlich der Elbe die nicht weniger effiziente Feuer-und-Schwert-Bekehrung der Slawen in Angriff genommen.

Resultat: Europa ist christlich. Meine Frage waere jetzt:

- Welches Volk (oder Stamm) in Europa war eigentlich das letzte heidnische Volk in Europa?

- Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen? Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten?
 
Bekanntlich ist das Christentum ein nahoestlicher Exportschlager und hat sich in Europa vom Mittelmeerraum allmaehlich nach Norden und Osten ausgedehnt.

Waehrend die Christianisierung innerhalb des roemischen Reichs und bei den Germanen noch weitgehend friedlich verlief, haben spaeter die christianisierten Germanen das Heft in die Hand genommen und oestlich der Elbe die nicht weniger effiziente Feuer-und-Schwert-Bekehrung der Slawen in Angriff genommen.

Resultat: Europa ist christlich. Meine Frage waere jetzt:

- Welches Volk (oder Stamm) in Europa war eigentlich das letzte heidnische Volk in Europa?

Meiner Kenntnis nach könnten das die Samen in Lappland sein.

- Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen? Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten?


Bei den Germanen sollten das die Goten gewesen sein, wobei man berücksichtigen muss, dass man unter Christanierung die Taufe des Königs und der Oberschicht zu verstehen hat. Natürlich können eventuell linksrheinsch lebende (romaniserte) Germanen vorher christlich gewesen sein.

Deine letzte Frage verstehe ich nicht, was hat die Frage der Christianiserung mit der Überschreitung zweier Flüsse zu tun?
 
- Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen?
Bei den Germanen sollten das die Goten gewesen sein, wobei man berücksichtigen muss, dass man unter Christanierung die Taufe des Königs und der Oberschicht zu verstehen hat. Natürlich können eventuell linksrheinsch lebende (romaniserte) Germanen vorher christlich gewesen sein.
Ich stimme zu, es werden die Goten gewesen sein. Allerdings würde ich von der Missionierung über das Königtum gerade bei den Goten absehen. Die ersten bekannten germanischen Christen waren die Gothae Minores, um Wulfilas. Das waren Terwingen (die Terwingen bildeten die Grundlage für die Ethnogenese der West/Visigoten), die sich vor ihrem heidnischen König ins oströmische Reich geflohen hatten. Wir sehen hier also, dass die Annahme des Christentum eine Personenentscheidung war und keine der Ethnie.


Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten?

Deine letzte Frage verstehe ich nicht, was hat die Frage der Christianiserung mit der Überschreitung zweier Flüsse zu tun?

Das ist doch offensichtlich: Rhein und Donau waren Grenzflüsse des römischen Reiches, in der Völkerwanderungszeit schon fast nur noch Sollgrenzen und damit in der Antike auch Grenzen des Einflussbereiches der Kirche, die sich ja lange vorwiegend in den Unterschichten der römischen Stadtbevölkerung ausbreitete.
 
Ich stimme zu, es werden die Goten gewesen sein. Allerdings würde ich von der Missionierung über das Königtum gerade bei den Goten absehen. Die ersten bekannten germanischen Christen waren die Gothae Minores, um Wulfilas. Das waren Terwingen (die Terwingen bildeten die Grundlage für die Ethnogenese der West/Visigoten), die sich vor ihrem heidnischen König ins oströmische Reich geflohen hatten. Wir sehen hier also, dass die Annahme des Christentum eine Personenentscheidung war und keine der Ethnie.






Das ist doch offensichtlich: Rhein und Donau waren Grenzflüsse des römischen Reiches, in der Völkerwanderungszeit schon fast nur noch Sollgrenzen und damit in der Antike auch Grenzen des Einflussbereiches der Kirche, die sich ja lange vorwiegend in den Unterschichten der römischen Stadtbevölkerung ausbreitete.



Mir geht es hier auch um dem Zeitraum des Fragestellers. Dieser erstreckt sich über Jahrhunderte. Es dürfte kaum feststellbar sein, wann welcher Stamm den Rhein/die Donau überschritt (vollständig oder nur teilweise). Wenn der Fragesteller das präzisieren würde, könnte man vielleicht auch präzise(re) Antworten herauszuarbeiten. Deine Ausführungen zu den Goten (Terwingen) sind exzellent.
 
Bei manchen Stämmen wissen wir es sogar recht genau: Sueben, Alanen und Vandalen überschritten den Rhein Weihnachten/Jahreswechsel 406. Von Vandalen und Sueben weiß ich, dass sie arianische Christen waren, wie im übrigen auch die Goten (bei den Gothae Minores ist das umstritten, Wulfilas hat es abgestritten, aber einige Forscher sind der Meinung, dass aus seinen Schriften das arrianische Gedankgengut nur so hervorquillt), ich weiß aber nciht, wann und wo sie Christen wurden, ob schon vor oder erst nach Überschreitung des Rheins.
 
Ich dachte nicht, dass das missverstaendlich sein koennte.

Frage reloaded> Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen? Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten und auf roemischem Staatsgebiet siedelten?
 
Ich dachte nicht, dass das missverstaendlich sein koennte.

Frage reloaded> Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen? Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten und auf roemischem Staatsgebiet siedelten?

Zwischen 375 und 568 sind eine Menge Völker kreuz und quer durch Europa gewandert, das erschwert die Beantwortung der Frage ungemein (eigentlich macht sie sie fast unmöglich). Wir können für einige Völker (z.B. die Franken) den Übergang vom Heidentum zum Christentum ungefähr bestimmen (Childerich/Chlodwig) oder für die Sachsen (Widukinds Taufe), aber das geographisch festzumachen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. 375 dürfte es jedenfalls unter den meisten rechtsrheinischen, germanischen Stämmen nur eine kleine Minderheit von Christen gegeben haben. Zwischen arianischen Christen und katholischen Christen zu unterscheiden, führt, glaube ich, nicht weiter (Christen sind das ja alle, irgendwie).
 
Mir geht es bei der zweiten Frage um die Kulturscheide zwischen dem ehemaligen RR und den barbarischen Gebieten, eine Grenze, die fuer mindestens das ganze Fruehmittelalter von grosser Bedeutung blieb.

Also, klar ist, dass die Sachsen rechtsrheinisch bekehrt wurden. Und die Franken linksrheinisch, also nachdem sie in den roemischen Kulturkreis eingetreten sind. Und die anderen Voelker?
 
...- Welches Volk (oder Stamm) in Europa war eigentlich das letzte heidnische Volk in Europa?...

Der letzte Pruzzenaufstand wurde 1274 vom Deutschen Orden niedergeschlagen. Das Land der Aufständischen war danach nahezu entvölkert und wurde weitgehend dem Ordensstaat angegliedert. Der Deutsche Orden selbst kümmerte sich nach der Übernahme der Herrschaft nicht mehr sonderlich um die Missionierung der letzen Pruzzen und wurde daher auch von Seiten der Kirche gerügt. Entlegene Dörfer der Pruzzen blieben auch noch lange nach der Eroberung durch den Deutschen Orden ohne christliche Mission.

Als offiziell "letzte Heiden in Europa" verblieben die Litauer. Diese wurden von 1305 bis 1409 in über 300 Kreuzzügen vom Deutschen Orden bekämpft. ("Die Reise" = gesellschaftliches "Event" des europäischen Adels). Ab 1385 traten die Litauer zum christlichen Glauben über. Beraubt, seines "gesellschaftlichen Events" erklärte der Deutsche Orden die, nun christlichen, Litauer, Kraft eigener Machtfülle, per Anordnung, zu Heiden und bekämpfte sie weiter. Das führte im Grunde auch zum Niedergang des Deutschen Ordens.

Unbemerkt und unbehelligt von den Kreuzzügen im Baltikum (Pruzzen, Estland, Lettland, Litauen) hatten die Samen, ein Volk am Polarkreis, überdauert. Ihre Christianisierung begann erst ab etwa 1603 (erste christl. Kirche in Lappland). Wie weit es hier gelungen ist, den schamanischen Geisterglauben zu verdrängen vermag ich nicht zu beurteilen.

Aber ich glaube, dass, auch bei uns, der "Aberglaube" noch nicht besiegt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es kommt darauf an wie weit man sich Europa denkt!

Die letzten Heiden in Europa waren (sind ) die Lappen, obwohl sie schon lange christianisiert sind, gab es das Schamanentum bei ihnen bis ins 20. Jh.

wenn man sich Europa bis an den Ural denkt, dann kommen noch weitere Völker dazu, wie zum Beispiel Samojeden (mit den Lappen verwandt), Nenzen (arktische Rentierjäger), Mordwinen (Finnen im Ural) und Tschuwaschen.
Die Tschwaschen (ein Turkvolk im südl. Ural) sind zwar je nach geografischer Verteilung orth. Christen odr Muslime, aber sie haben heute noch einen ausgeprägten Glauben an Naturgeister und sind Omen-gläubig.
Auch "normale" Russen in ländlichen Gebieten sind noch sehr geister- (bzw )ABergläubisch. In Bauernhäusern sieht man noch häufig kleine Nischen am Eingang, wo man kl. Häppchen & wässerchen für die Domovoi (Hausgeister) hinterlegt.
 
Wie Gegenkaiser schon zu Beginn des Threads erwähnt hat, gehören auch die Litauer zu den Völkern, die man als eines der letzten europäischen heidnischen Völker bezeichnen kann.
Ich möchte noch etwas hinzufügen. Betrachtet doch einmal den Teil der europäischen Geschichte, der noch nicht so lange wie eure Ansätze zurückliegt - ja, sogar mehr oder weniger die Gegenwart. Wenn ihr von solch spezifischen Völkern sprecht, solltet ihr auch beachten, dass es noch heute überwiegend heidnische( heute nennt man es wohl eher atheistische) Völker gibt. Um eine Antwort zu erhalten, muss man sich geographisch nicht einmal sehr weit von Litauen entfernen. Die Esten, bekanntlich "gleich um die Ecke" angesiedelt, sind zu 70 % atheistisch. Meiner Meinung nach ist das eine überaus deutliche Mehrheit.
Resultat: Letztes heidnisches Volk in Europa sind und bleiben die Esten. Aufgrund der extremen Armut in Estland verlieren aber sogar immer mehr Bewohner des kleinen europäischen Landes alle Hoffnungen und wenden sich letztendlich (wenn vorhanden) von ihrer Religion ab. Der aktuelle statistische Wert von 70 % scheint also schon in naher Zukunft weiter in's Extreme zu gehen.
 
Äh... Heiden und Atheisten sind aber zwei völlig unterschiedliche Paar Schuh. Ein Heide sieht in den Dingen das Mystische, Götter und Geister, die er anbetet und denen er opfert, während der Atheist die Existenz übergeordneter Wesen leugnet. Wenn 70 % der Esten also aus Sowjetzeiten als Atheisten hervorgegangen sind, kann man sie kaum als letzte Heiden Europas bezeichnen.
 
Betrachtet doch einmal den Teil der europäischen Geschichte, der noch nicht so lange wie eure Ansätze zurückliegt - ja, sogar mehr oder weniger die Gegenwart. Wenn ihr von solch spezifischen Völkern sprecht, solltet ihr auch beachten, dass es noch heute überwiegend heidnische( heute nennt man es wohl eher atheistische) Völker gibt. Um eine Antwort zu erhalten, muss man sich geographisch nicht einmal sehr weit von Litauen entfernen. Die Esten, bekanntlich "gleich um die Ecke" angesiedelt, sind zu 70 % atheistisch. Meiner Meinung nach ist das eine überaus deutliche Mehrheit.

Abgesehen davon, daß Heidentum und Atheismus zwei verschiedene Dinge sind - worauf bereits hingewiesen wurde -, bedarf es da ein wenig mehr Sorgaflt hinsichtlich des Kontextes der Christianisierung.
Estland wurde bereits im 13. Jh. erfolgreich von Dänemark aus missioniert, und ab 1356 - mit der Unterwerfung durch den Deutschen Orden - verstanden sich die Esten gar als Deutschbalten.
Anm.: Außerdem geht es hier um die Christianisierung im hohen bis späten Mittelalter - jegliche Denkanstöße in Richtung des atheistisch geprägten Zurückdrängens des christlichen Glaubens in der UdSSR erübrigen sich von vornherein, weil sie in diesem Kontext unhistorisch sind.

Wenn wir also das Mittelalter betrachten, bleiben die Litauer das letzte heidnische Volk, denn ihre eigentliche Christianisierung setzte erst nach der Union von Krewo (1386; Beginn der Polnisch-Litauischen Union) ein.
 
Lithauischer Bischoff Michał Giedroyć schrieb in 1587 :
"...in meinem ganzem Bischoffstum gibt es keine einzelne Persone, die ein mal in ihrem Leben zur Beichte gegangen ist! Niemand kann sich bekreuzigen, niemand kann die Grund-Gesetze unserer Glaube!"
Bischoff konnte naturlich in seinem heiligen Zorn viel ubertreiben, aber das zeigt so wie so, dass Heidentum nach 200 Jahren nach Krewo-Union ganz alltaglich war.
 
...Die Tschwaschen (ein Turkvolk im südl. Ural) sind zwar je nach geografischer Verteilung orth. Christen odr Muslime, aber sie haben heute noch einen ausgeprägten Glauben an Naturgeister und sind Omen-gläubig.
Auch "normale" Russen in ländlichen Gebieten sind noch sehr geister- (bzw )ABergläubisch. In Bauernhäusern sieht man noch häufig kleine Nischen am Eingang, wo man kl. Häppchen & wässerchen für die Domovoi (Hausgeister) hinterlegt.

So etwas findet man auch im "urchristlichen" Westeuropa, wenn auch getarnt in allen möglichen formen: Faciamo il corno!
 
Hallo und Verzeihung für das Hervorkramen dieses Themas. Dem hier geschriebenen kann ich soweit folgen und hielt die Samen in Finnland auch für das Volk, das sich am längsten der Mission entzog. Allerdings gibt es eine finno-ugrische Volksgruppe im europäischen Teil von Russland, die bis heute noch eine heidnische Kontinuität hat (was neuheidnische Bewegungen ja ausklammert).

Ich spreche von den Mari aus Mari El, die noch in Hainen opfern und ein polytheistisches Götterbild haben.

Das Volk der Mari in der russischen Wolga-Republik Marij El bezeichnet sich selbst als das «letzte heidnische Volk Europas». Es spricht mit den Geistern des Wassers und der Sonne. Christliche Missionare wollen ihnen das austreiben.
WOZ - - Europas Waldmenschen:: Unweit von Moskau hat ein Volk seinen heidnischen Glauben bis heute verteidigt

Hoch interessant.
 
Je nachdem wie genau man deinen Link liest.:winke:
Der Christianisierung durch die russisch-orthodoxe Kirche, die nach der gewaltsamen Eingliederung der Region in das russische Reich im 16. Jahrhundert einsetzte, haben sie nur wenig Widerstand entgegengesetzt. Viele Mari flüchteten gegen Osten. Die meisten, die in der Wolga-Region blieben, wurden getauft. Das hiess aber nicht, dass sie ihre alten Riten vergassen: Sie fügten ihrem Götterhimmel einfach den christlichen Gott hinzu. Sie gingen zur Messe und fuhren gleichzeitig fort, im heiligen Hain ihre alten Götter anzubeten.
Also waren sie doch christianisiert, wenn auch nur oberflächlich mit starkem Hang zum Snykretismus.
 
Heiden gab es noch lange in Europa. Das deutet schon der Name Heiden (die in die Heide flüchten) oder Pagani (die in Dörfern/Gehöften leben) an. Genau datieren kann man das aber nicht.

In Nordeuropa hielten sich lange germanisch-heidnische Vorstellungen. Im griechisch-römischen Raum in Mittelmeernähe (und Nahostnähe) brach das Christentum schneller durch und die letzten Heiden mussten sich für ihre Riten in Waldlichtungen zurückziehen.

Es gab aber immer wieder Gedanken an eine Revitalisierung des Heidentums, so im 15. Jhd. durch Plethon, der den Niedergang des (Ost-)Römisch-Byzantinischen Reiches miterleben musste und in neuerer Zeit durch Vlassis Rassias, der in Griechenland die YSEE für moderne (griechische) Heiden gegründet hat.
 
Welcher germanische Stamm hat sich als erster christianisieren lassen?

Die Franken waren der erste germanische Stamm, der christianisiert wurde. Der heidnische König Chlodwig I. konvertierte um 498 zum Christentum (exaktes Datum ist umstritten), mit ihm die gesamte fränkische Elite und mit einiger Verzögerung das gemeine Volk, das seinen Herren zu folgen hatte.

Übe die Christianisierung der Ostgoten ist wenig bekannt. Spätestend zur Zeit von Theoderich - also um 500 - sollen sie arianisch gewesen sein.

Gab es zur Zeit der Voelkerwanderung (375-568) Staemme, die christlich wurden, bevor sie Rhein und Donau ueberschritten?

Zu nennen wären u.a. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Wandalen, Franken. Die Langobarden konvertierten erst ab etwa 600 unter König Agilulf zum arianischen Christentum, sodass diese Konversion eigentlich nicht mehr in die Zeit der Völkerwanderung fällt.
 
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