Der mongolische Traum
Hier geht es um die Frage, was Dschinghis Khan zu seinen Eroberungen motivierte. Dazu hatte ich einmal einen Artikel gelesen, doch leider habe ich versäumt, mir diese Quelle zu notieren. Überhaupt ist das eine Crux mit historischen Quellen. So wird gesagt, dass die politischen Pläne Dschinghis Khans schon zu seinen Lebzeiten aufgezeichnet wurden und das halte ich für glaubhaft. Ich glaube wohl weniger, dass es heute noch möglich ist, davon Originale zu finden. Wahrscheinlich waren das wieder mal Abschriften, die zu späterer Zeit angefertigt wurden.
Zum besseren Verständnis beginne ich mit Dingen, die historisch gesichert sind. So hatten die Mongolen bereits eine Post und über 1.000 Km hinweg dauerte die Zustellung eines Briefes ungefähr 5 Tage. Rechnerisch wären das 200 Km am Tag und das war nur möglich, weil unterwegs die Pferde ausgetauscht wurden. Dazu gab es Stationen mit Ställen, in welchen ermüdete Pferde eingestellt wurden. Umgekehrt musste die Station auch frische Pferde bereithalten und zusätzlich mussten alle Pferde mit Futter und Wasser versorgt werden. Auch erschöpfte Reiter mussten einmal ausgetauscht werden und für diese Menschen gab es Rasthäuser mit allen notwendigen Einrichtungen. Aufgrund der spärlichen Mauerreste lassen sich Pferdestationen und Rasthäuser nicht mehr eindeutig unterschieden, doch ist erwiesen, dass die Mongolen solche Einrichtungen bereits kannten. Für den Transport von Waren konnte man das gleiche Prinzip auch auf Packpferde anwenden. Solche Pferde sind naturgemäß langsamer und dann hätte man eben in kürzeren Abständen Stationen bauen müssen.
Die antike Seidenstraße ist heute noch bekannt und Teile dieser Straße führen nahe am Siedlungsgebiet der Mongolen vorbei. Dschingis Khan wird wohl gewusst haben, welche wirtschaftliche Bedeutung die Seidenstraße hat. Dazu meine Schätzung - steht nicht in der Quelle - nach dem Prinzip von Station und Pferdewechsel hätte Dschinghis Khan 1.000 Seidenstraßen einrichten und die Kapazität der Seidenstraße um den Faktor 1.000 steigern können. Dazu hätten wiederum 1.000.000 solcher Stationen gebaut werden müssen. Wäre das gelungen, dann hätten die Mongolen nahezu den gesamten Handel zwischen Europa und Asien kontrollieren können. Folgende Gedanken von Dschinghis Khan sind wiederum überliefert. Um den Handel zu erleichtern, sollte es einheitliche Gesetze und eine einheitliche Sprache geben. Gemeint waren natürlich die mongolischen Gesetze und die mongolische Sprache. Ebenso wollte der Herrscher sämtliche Zölle abschaffen und durch eine einheitliche Steuer ersetzen. Das wäre also eine gigantische Freihandelszone geworden und so gesehen war Dschinghis Khan der Vordenker der Globalisierung.
Der große Plan hatte nur einen winzigen Haken. Die Stationen zum Pferdewechsel waren nämlich aus Steinen gemauert. Die Mongolen waren dagegen ein Reitervolk und nicht gerade Maurer. Demnach haben die Mongolen ihre Stationen nicht eigenhändig gebaut. Für die Arbeiten am Bau benutzten sie vielmehr Angehörige anderer Völker, welche sie zuvor unterworfen hatten. So muss sich der Khan das wohl vorgestellt haben: zuerst unterwerfen wir andere Völker und dann teilen wir die Menschen zur Arbeit ein und dann bekommen wir unser Handelsimperium. Wäre dieser Plan umgesetzt worden, dann wäre die Mongolei heute noch Weltmacht.
Von diesem Plan wurde aber nur Punkt eins umgesetzt. Andere Völker wurden tatsächlich unterworfen. Punkt zwei wurde nur unvollständig umgesetzt. Ja, es gab vereinzelt solche Routen, doch reichten die bei weitem nicht aus, um ein blühendes Imperium zu schaffen. Es erwies sich als unerwartet schwierig, qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren. Deshalb bezeichne ich die Sache als einen mongolischen Traum. Da bin ich wieder beim berühmten “was wäre wenn?” Was wäre wenn es die Mongolen geschafft hätten, nach den Vorstellungen Dschinghis Khans reich zu werden? Am Anfang wird wohl manch ein Mongole davon geträumt haben. Dieser Traum erfüllte sich jedoch nicht und danach ging den Feldzügen die Luft aus. Die Mongolen kehrten deshalb in ihre Heimat zurück, weil sie von ihren Eroberungen keinerlei Nutzen hatten.
Damit will ich auch ein Klischee aus dem Mittelalter korrigieren. Angeblich waren die Mongolen blutrünstige Teufel gewesen, denen es Spaß macht, fremde Menschen abzuschlachten. Also ein Volk von Sadisten? Da wundere ich mich aber, weil die heutigen Mongolen recht friedfertig sind. Ihre früheren Fähigkeiten werden heute als Sport betrieben. So die Fähigkeit, von einem galoppierenden Pferd aus mit Pfeil und Bogen zielsicher treffen zu können. In der heutigen Mongolei werden dafür Zielscheiben verwendet und dabei ist noch eine Schwierigkeit eingebaut: die Reiter müssen über eine Wand hinwegschießen und ihr Ziel blind treffen können.
Okay, was ihre sportlichen Fähigkeiten anbelangt, so sind sie auch heute noch stolz auf ihre Vergangenheit. Jeder waschechte Mongole behauptet, dass wir Europäer ihren Sport nicht nachahmen können. Dennoch waren sie kein Volk von Massenmördern und das sind sie heute auch nicht. Der Traum von einem Handelsimperium dürfte ihre Phantasie sehr viel mehr beflügelt haben. Selbst der einfachste Mongole kannte noch das 1x1 der Seidenstraße. Aha - da kommt Silber aus Rom und im Gegenzug Seide aus China. Das wollen wir auch und am liebsten in tausendfacher Vergrößerung.