Vielleicht schilderst du einmal die Entwicklung des Stammesherzogtums aus deiner Sicht und erläuterst Übereinstimmungen und Unterschiede. In deinem Post finde ich dazu leider keine oder zu wenig Ansatzpunkte.
Erstens kann ich keine Entwicklung DER Stammesherzogtümer schildern, da man jedes Herzogtum einzeln betrachten muß. Zweitens bin ich erstmal nur auf Grundsätzliche Dinge eingegangen, aus welchem Grund ich auch die von mir kürzlich gelesene Literatur angegeben habe, die eben das "jüngere" Stammesherzogtum ausschließen.
Mich würden wirklich neuere Aufsätze oder Monographien interessiern, in denen die Theorie der "jüngeren" Stammesherzogtümer vertreten werden. Immerhin hast du geschrieben, dass die meisten Historiker diese Theorie vertreten.
Zur Widerlegung der Theorie der Stammesherzogtümer muß man wie gesagt die einzelnen Herzogtümer betrachten und kann sie nicht wie früher über eine Kamm scheren, also gehe ich jetzt mal auf das "Stammesherzogtum" der Burchardiner ein:
Wir sind wohl beide der Meinung, dass wenn es ein Stammesherzogtum in Schwaben gab, es zur Zeit Hermann I. und Liudolfs zumindest ausgesetzt war und spätestens mit dem Tode Hadwigs 994 geendet hat, nachdem Otto III. direkt auf ihr Erbe zugegriffen hatte (also Fiskus Bodman mit dem Hohentwiel und die Schutzschirmschaft über St. Gallen und die Reichenau; Breisach war an ihren Bruder Heinrich den Zänker gegangen).
Widukind und die anderen Quellen zeigen uns allerdings deutlich wie das Verhältnis von Burchard I. zu Heinrich I. gestellt war:
Er mußte nach Hessen ziehen und unterwarf sich dort mit all seinen Leuten (also Vasallen) und Burgen. Er bekam im Gegensatz zu Arnulf keinen Freundschaftsvertrag, hatte kein Reich und bekam auch keine Kirchenherrschaft. Er war also spätestens 919 kein Stammesherzog mehr, sondern eindeutig ein Amtsherzog.
Für das Stammesherzogtum der Schwaben käme also maximal die Zeit von 915, nach dem Sieg von Wahlwies wird nach den Alamannischen Annalen Erchanger zum dux erhoben, und eben 919 in Frage.
Erchanger wird von den Besiegten und Siegern der Schlacht bei Wahlwies, das zum Fiskus der Pfalz Bodman gehörte, zum dux erhoben. Das Bündnis von Burchard dem Jüngeren (der spätere Herzog) und Erchanger hat also die Königspartei um Bischof Salomon III. von Konstanz besiegt und erklären jetzt Erchanger zum "dux". Auch Hermann von Reichenau berichtet 150 Jahre später, dass nachdem "der Herzog Burchard auf seinem Landtag bei einem Aufruhr erschlagen" wurde, "an seiner Stelle Erchanger das Herzogtum an sich riß". Diese beiden Stellen waren also die einzigen "Belege" für die Macht der "jüngeren" Stammesherzöge.
Allerdings wird Burchard in den zeitgenössischen Quellen der Geschichtsschreiber nie dux genannt. Die einzige Quelle wäre eine Urkunde, allerdings ohne den Zusatz wovon. Allerdings war auch schon sein Vater der dux von Rätien, also der Führer der Markgrafschaft Rätien, die zu diesem Zeitpunkt nur eine Grafschaft umfasste.
Auch Erchanger wird in keiner anderen Quelle, selbst als er zum Tode verurteilt wurde, nicht mehr dux genannt. Außerdem muß man davon ausgehen, dass Burchard sich bereits nach Wahlwies aus dem Bündnis gelöst hatte. Erchanger war also auch nur der militärische Führer bei Wahlwies. Von einem Stammesherzogtum kann bei ihm also auch nicht die Rede sein.
Auch die geographische Lage zeigt eindeutig, dass es sich beim Herzogtum Schwaben nicht um ein "Stammesherzogtum" handelte. Es bestand aus Teilen Burgunds, Alamannien/Schwaben und Rätien, zeitweise kam auch noch das Elsaß hinzu. Auch die Grenzen waren den politischen Ereignissen unterworfen, wie z. B. nach dem Sieg bei Winterthur (also dem Gewinn von Zürich) und der Schenkung Basels an Rudolf II. von Hochburgund. Wo ist hier also die Kontinuität des alamannischen "Stammes"? Vielmehr wurde sich auf das durch die Karolinger erschaffene regnum Alamannia bezogen.
Genauso schließen die Wirkungsgebiete der Burchardinger ein Stammesherzogtum aus. Die einzigen Vororte waren die vom König verliehenen Lehen, also das Fiskus Bodman, die Reichsabteien und ihre eigenen Grafschaften. Obwohl sie als Amtsherzöge dem restlichen Land vorgestellt waren, hatten sie trotzdem nur die wirkliche Herrschaft über einen Teil des Landes in der Hand. Die restlichen Gebiete wurden wie überall von den Grafen oder Bischöfen verwaltet, die allerdings vor allem erst einmal dem König unterstellt waren.