Alkoholprohibition in den USA 1919-1932

Ich rede sie nicht klein. Ich protestiere lediglich dagegen, zu behaupten, die Prohibition wäre allein auf dem Mist der Frauen gewachsen, die ihren Männern nichts gönnten. Mir ist es mit Sicherheit nicht peinlich Frau zu sein, ich kreische immer noch wie eine Doofe, wenn ich eine Spinne sehe, egal, wie sehr mein Partner mich auslacht. Die Frauenbewegung war wichtig und sie hat viel erreicht (wenn auch bisweilen Befremdliches - früher gab es in den USA waiter und waitress, heute gibt es waitperson )

Der Punkt, der hier genannt wurde, dass vor allem die Frauen die treibende Kraft hinter der Prohibition gewesen wären, ist schlicht und einfach falsch, und darauf wollte ich hinaus. Sie haben mit Sicherheit ihren Teil dazu beigetragen, aber der wird nicht die große Mehrheit ausgemacht haben.

Die Frauenbewegung an sich hatte mit der Prohibition nicht viel am Hut. Es ging um die Gleichberechtigung der Frau, und nicht um ihre Dominanz innerhalb der Ehe (denn das wäre es, würde die Frau ihrem Mann verbieten, weiterhin Alkohol zu trinken). Ich würde sogar annehmen, dass in dem Falle die Regierung, die das Prohibitionsgesetz verabschiedete, gewaltig über das Ziel hinausgeschossen ist. Der "Trend" den Frauen mehr Rechte zu geben, ließ wohl die falsche Schlussfolgerung zu, man erwartete, dass die Männer sich selbst kasteien, indem sie keinen Alkohol mehr trinken, nur weil ein paar Radikale Frauenrechtlerinnen darauf pochten. Die große Mehrheit wird ihre Ziele woanders gesteckt haben.

Bei der Frauenbewegung ging es schließlich nicht um die Erniedrigung des Mannes, sondern um die Gleichsetzung der Frau mit dem Mann, das ist ein himmelweiter Unterschied, Hurvinek. Doch natürlich ist es klar, dass die Masse der männlichen Arbeiter auf die bösen Suffragetten schimpften, vermittelte doch jeder man hätte die Prohibition nur den Frauenrechtlerinnen zu verdanken. So einfach ist es aber eben nicht.

Meiner Ansicht nach waren wie o.a. gerade die Großindustriellen die treibende Kraft, wie es auch heute noch ist: wer am Geldhahn sitzt, hat den längeren Hebel...


Und auch hier, kein Wort zum Apfel und zur Erbsünde.

OT: Da müssen schon ein paar ein arg schlechtes Gewissen haben, dass sie den eigentlichen Kern des Problems total umgehen.:cool:
 
Was mich mal interessieren würde, ist, ob es statistische Erhebungen oder Studien über das Trinkverhalten in den USA von 1919- 1933 gibt. Es wird ja oft behauptet, es sei niemals mehr und schärfer getrunken worden, als zur Zeit der Prohibition, was allerdings leichter behauptet, als bewiesen werden kann. Sicher, es gab wohl mit Sicherheit Leute, die eigentlich sich nicht für alkohol interessierten, aber "speakeasies" aufsuchten, um sich einen Drink zu gönnen. Es gibt ja moderne Parallelen, etwa Statistiken, die belegen, dass der Cannabisgebrauch in Deutschland und Frankreich trotz oder wegen repressiver Gesetze unter Jugendlichen deutlich höher ist, als in den Niederlanden mit einer liberalen Politik. Die Versorgung müsste eigentlich schon zurückgegangen sein, zumal sich Alkohol noch schwerer schmuggeln läßt, als Marihuana, dass einem bei einer Razzia wie ein Heuballen vorkommt.

Andererseits konnte die Versorgung jederzeit gewährleistet werden, zumal die Prohibition von vielen Amerikanern als ein Nonsens angesehen und der Polizei- und Justizapparat deftig geschmiert wurde. Deshalb stellte man ja die "Untouchables" unter ihrem Chef Elliott Ness auf.

Interessant ist natürlich auch, was Alkoholiker taten, um ihre Sucht bei deutlich höheren Preisen weiterhin befriedigen zu können.

Einen weiteren interessanter Aspekt habe ich schon weiter oben angeschnitten, denn nicht zuletzt durch die Prohibition und die damit verbundene Illegalisierung schwanden kulturelle Berührungsängste zwischen Schwarzen und Weißen. In den Roaring Twenties wurde Jazz und Blues auch für Weiße akzeptabel, wie ja dann auch Weiße wie Mezz Mezzrow oder Woody Guthrie Musik mit Stilelementen des afro- amerikanischen Sounds machten.


Insgesamt ist die Prohibition aber auch als Anti- Drogenbewegung zu sehen. Es gab bereits in den Jahren um 1910 Bestrebungen, den Opiumhandel zu kontrollieren. Heroin, Kokain und Morphium waren ins Gerede gekommen. In Ägypten bezahlten manche Unternehmer ihre Arbeiter mit Heroin, das noch immer in großem Stil von Bayer geliefert wurde. Mariuhuana wurde 1914 auf die Harrison Act gesetzt, 1917 Heroin, das ja aus Deutschland kam, verboten wobei gleichzeitig massiv Stereotype und Vorurteile gegen chinesische Einwanderer mobilisiert wurden.


Durch die Belastungen des Krieges war Kokainismus und Morphinismus sehr verbreitet, nicht zuletzt im zaristischen und revolutionären Rußland, wo der Kokainismus während des Bürgerkrieges die zweite "Volkssucht" nach dem Wodga war. Allerdings war der illegale Heroinhandel noch marginal. Burroughs schreibt in seiner Erzählung "Junkie", dass noch während des Krieges 1944/45 praktisch kein Heroin verfügbar war und das einzige Opiat Morphium auf Rezept war.

Letztlich war aber der illegale Handel mit Betäubungsmitteln noch nicht so massiv, wie nach dem 2. Weltkrieg und es war vor allem die Prohibition, mit der die massive Aufrüstung des Polizeiapparats, vor allem des FBI und des Federal Bureaus of Narcotics legitimiert wurden, die in den folgenden Jahren wie Krebsgeschwüre wucherten und womit eine schleichende Unterhöhlung von Bürgerrechten einherging, die nicht zuletzt in den 50er Jahren durch McCarthys "Hexenjagd" deutlich sichtbar wurde.
 
Es wird ja oft behauptet, es sei niemals mehr und schärfer getrunken worden, als zur Zeit der Prohibition, was allerdings leichter behauptet, als bewiesen werden kann.

Das ist wie mit folgendem:
Frischgebackene Erst-Eltern schieben ihren Kinderwagen das erste Mal durch die Straßen und stellen fest, dass ganz viele Kinderwagen in den Straßen geschoben werden.
Erklärung:
was man bisher keiner großen Beachtung schenkte wird nun verstärkt wahrgenommen.

Auch diese Erklärung kann helfen:
Ist auch mit trockenen Trinkern so. Die ersten Wochen und Monate nehmen sie trinkende Personen auf Straßen und bei Feierlichkeiten (usw.) wahr und meinen, es würden sehr viele Personen trinken. Dabei haben sie vorher nie die diesbezügliche Umwelt wahrgenommen.

Ich meine damit, dass die Wahrnehmung sich verstärkt.
Ob zu Zeiten des Verbotes von Alkoholkonsum mehr getrunken wurde, weiß ich auch nicht. Eigentlich dürfte es keine Quellen dazu geben, da die US-Wirtschaft in der Prohibition kein Alkohol-Handelsumsatz haben dürfte.
 
Das ist wie mit folgendem:
Frischgebackene Erst-Eltern schieben ihren Kinderwagen das erste Mal durch die Straßen und stellen fest, dass ganz viele Kinderwagen in den Straßen geschoben werden.
Erklärung:
was man bisher keiner großen Beachtung schenkte wird nun verstärkt wahrgenommen.

Auch diese Erklärung kann helfen:
Ist auch mit trockenen Trinkern so. Die ersten Wochen und Monate nehmen sie trinkende Personen auf Straßen und bei Feierlichkeiten (usw.) wahr und meinen, es würden sehr viele Personen trinken. Dabei haben sie vorher nie die diesbezügliche Umwelt wahrgenommen.

Ich meine damit, dass die Wahrnehmung sich verstärkt.
Ob zu Zeiten des Verbotes von Alkoholkonsum mehr getrunken wurde, weiß ich auch nicht. Eigentlich dürfte es keine Quellen dazu geben, da die US-Wirtschaft in der Prohibition kein Alkohol-Handelsumsatz haben dürfte.


Lokale Prohibitionsgesetze hatte es bereits vor dem 1. Weltkrieg gegeben, und es gab "dry counties" wo der Verkauf von Alkoholika eingeschränkt oder ganz verboten wurde, und es hatte die Prohibition durchaus prominente Fürsprecher, denen man einschlägige Sachkenntnis nicht absprechen konnte. Dazu gehörte Jack London, der sich in seiner autobiographischen Erzählung "John Barleycorn" mit der fatalen Wirkung des Alkohols als Zeichen von Männlichkeit auseinandersetzte, denn es gehörte London ja einer Zeit an, in der Alkohol zu trinken als männlich galt. Dabei wurden vor allem scharfe getränke konsumiert, so dass der Gründer der Heineken Brauerei ein alkoholisches Getränk auf den Markt bringen wollte, dass erschwinglich und weniger schädlich als Hochprozentige wie Genever, Rum oder Arrak sein sollte.
Der Kampf gegen den Dämon Alkohol war gegen Ende des 19. Jhds ein Lieblingsthema von Pastoren, Medizinern und Demagogen gleichermaßen. Auf der Berliner Kongokonferrenz 1885 wo Grenzen mit dem Lineal gezogen wurden, ohne die geringste Rücksichtnahme auf ethnische und kulturelle Grenzen, wo die Privatkolonie des Königs der Belgier Leopolds II. als philanthropisches Projekt anerkannt wurde, in der man Afrikanern die Hände abhackten, wenn sie nicht genug Kautschuk sammelten- auf dieser Konferenz, zu der kein einziger Afrikaner als Teilnehmer eingeladen wurde, ließen sich die Kolonialherren über die furchtbaren Wirkungen des Alkohols auf die Schwarzen aus, denen von oben Nüchternheit verordnet wurde, um besser Zwangsarbeit leisten zu können, die die Kolonialherren verlangten, die die Afrikaner bekanntlich vor arabischen Sklavenhändlern retteten.

Doch zurück zur Prohibition 1920-1933 in den USA. Medizinisch war sie stellenweise erfolgreich, und es lässt sich nachweisen, dass die Zahl der an Leberzirrhose Erkrankten deutlich abnahm. Dem steht allerdings der Verfall der amerikanischen Brau- und Brennereikultur entgegen, und in Kalifornien waren weite Weinanbaugebiete verödet.
 
Was viele nicht wissen, aber im Bezug auf dieses Thema interessant ist: In der "Hochphase der deutschen Anti-Alkoholbewegung" zur Zeit der Weimarer Republik kam es im Zuge der Bestrebungen, ein reichsweites Gesetz zur Bekämpfung des Alkoholkonsums durchzusetzen, beinahe zur Möglichkeit für die Gemeinden im Reich, Prohibition auf Gemeindeebene durchzusetzen.

So wurde 1925 ein Entwurf für ein verschärften Schankstätten-Gesetz auf Antrag der SPD und des Bevölkerungspolitischen Ausschuss in den Reichstag eingebracht. Bedeutendes Kernelement des Gesetzes waren dessen Bestimmungen zur Neuregelung des Gemeindebestimmungsrechts: Nach einem Antrag von einem Fünftel der Abgeordneten und mit Zustimmung einer Zweidrittel-Mehrheit hätte auf lokaler Ebene Alkoholkonsum verboten werden können.

Verschiedene alkoholgegnerische Verbände hatten dabei an einigen Orten Probeabstimmungen organisiert und teilweise Zustimmungsraten von 60-90 Prozent erreicht.
Allerdings muss man sagen, dass sich an den Abstimmungen vornehmlich die von der Bewegung mobilisierten Alkoholgegner beteiligten, weswegen die Abstimmungsergebnisse als nicht unbedingt repräsentativ angesehen werden müssen.
So wurde bei der anschließenden Reichstags-Abstimmung das Gesetz auch abgelehnt. Allerdings relativ knapp mit 199 zu 165 Stimmen.

Dies zeigt, dass auch in Deutschland die Zwischenkriegszeit eine "relativ trockene" Phase der Geschichte gewesen ist.
 
Verkaufsszahlen kann ich dir keine nennen. Vielleicht wirst du hier fündig:
Torp, Claudius: Konsum und Politik in der Weimarer Republik. Göttingen 2011

Verbrauchswerte für die Zwischenkriegszeit:
In der Phase der sog. „relativen Stabilität“ ab 1924 stieg der Alkoholverbrauch bis 1929 mit ca. 5,5 Litern Reinalkohol pro Person und Jahr auf den höchsten Stand der Zwischenkriegszeit. Das wars dann aber auch. In den Krisenzeiten wurden teilweise unter 2 l p. P. u. J. verbraucht

Dazu mehr hier: Nahrungskultur - Bürger im Staat 4/2002
 
Und weil hier viel über die Ursprünge der Anti-Alkohol Bewegung diskutiert wurde:

Die Anfänge der Anti-Alkoholbewegung sind in den kirchlichen Mäßigkeitsbestrebungen, vor allem des Mittelalters, zu finden. (Obwohl sich nicht wenige Kirchenvertreter kein bisschen mäßigten)
Zu Beginn der Moderne kam dann noch ein bürgerliches Motiv gegen den übermäßigen Alkoholkonsum dazu: Die Mäßigung des (in der Industrialisierungsphase ausgearteten) Trinkverhaltens im Dienste einer effizienten Anpassung an die Erfordernisse des modernen Arbeitsalltags.

Allerdings gilt es hier auch zwischen Abstinenz- und Mäßigungsbewegung zu differenzieren. Im deutschen Kaiserreich waren die bürgerlichen Alkoholgegner meist in der Mäßigungsbewegung organisiert, dabei vor allem im "Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke". Die Abstinenzlervereinigung hatten meist einen kirchlichen Hintergrund. Beispiele waren/sind das Blaue Kreuz, der Templer Orden und die AA.
Zur Zeit der Weimarer Republik näherten sich beide Strömungen dann wieder einander an.

Die Frauenbewegung allerdings spielt hier nur eine Nebenrolle, zumindest in Deutschland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Prohibition kann auch als kultureller Konflikt gesehen werden, zwischen der traditionellen, protestantischen eher ländlichen Bevölkerung und der modernen, urbanen, laizistischen Welt der Städte. Zwischen Protestanten und (scheinbar trinkfreudigen) katholischen Immigranten aus Irland, Italien, Bayern. Zwischen Wandel und Konservatismus.
Womit wir bei einem prominenten Anwalt der Prohibition sind: Der Ku-Klux-Klan war ein engagierter Verfechter der Prohibition. Der Klan kämpfte nicht nur gegen Schwarze. Dort wo er gut etabliert war, setzte er sich auch für eine traditionelle Auslegung der evangelischen Lehre ein, gegen sexuelle Ausschweifungen und gegen ……. Trunkenheit!
Daneben war er für Bibelunterricht in den Schulen und für das Unterstrafestellen von Scheidungen. Tea-Party mit Kapuzen.
Durchgesetzt wurde das 18. Amendment mit Unterstützung auch der städtischen Mittelklasse aus den im Thread bereits angeführten Gründen. Die verlor aber schnell das Vertrauen in „the noble experiment“. Die verheerenden Folgen für die Städte waren schnell sichtbar. Dass die Prohibition bis 1933 hielt, sagt viel über den Einfluss der „Heartlands“ auf die amerikanische Politik aus.
In der Demokratischen Partei führte die Kontroverse um die Prohibition und der Abkehr vom Klan zum Wandel weg von einer regionalen Redneck-Partei hin zur Partei der Ballungszentren und der Immigranten.
Die Frontlinien der Prohibtion sind in der heutigen US-Politik noch deutlich sichtbar.
 
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