Luftkrieg: Bombardierung von Dresden 1945

Warum ist eigentlich in den Medien, vielleicht auch im öffentlichen Bewußtsein, die Bombardierung Dresdens stärker vertreten, als die Bombardierung Hamburgs mit seinen ca. 35.000 Toten? Wegen der Frauenkirche?
(btw. In HH wurden auch Kirchen zerstört)
 
Warum ist eigentlich in den Medien, vielleicht auch im öffentlichen Bewußtsein, die Bombardierung Dresdens stärker vertreten, als die Bombardierung Hamburgs mit seinen ca. 35.000 Toten? Wegen der Frauenkirche?
(btw. In HH wurden auch Kirchen zerstört)


Vermutlich wohl eher wegen des Zeitpunktes des Angriffs, denn 1943 war Deutschland wohl stark geschwächt, aber immer noch zu koordinierter Gegenwehr fähig, während 1945 während des Zeitpunktes des Angriffs auf Dresden der Krieg militärisch längst entschieden war und der Angriff ein reines Terrorbombardement war.
 
Ja, danke, habe per PN freundlicherweise nun auch gelernt, warum HHs Bombardierung doch ein wenig anders war, als das Dresdens. Zeitpunkt, Ziele, usw.
 
Für diejeniegen, die keine PN bekommen haben:
Hamburg bot 1943 mit seinem Hafen, seiner Industrie (z.B. U-Boot-Werften) und Infrastruktur ein Ziel, dass eine gewisse strategische Bedeutung hatte. Also konnte man sich britischerseits bei Hamburg noch "herausreden".

Das konnte man von Dresden als reiner Kulturstadt mit ein wenig mittelständischer Feinmechanik nicht gerade behaupten. Dazu kommt, dass der Dresdenangriff eine mit Flüchtlingen vollgestopfte Stadt traf, für diese Leute gab es keinerlei Luftschutzvorsorge.
 
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Für diejeniegen, die keine PN bekommen haben:
Hamburg bot 1943 mit seinem Hafen, seiner Industrie (z.B. U-Boot-Werften) und Infrastruktur ein Ziel, dass eine gewisse strategische Bedeutung hatte. Also konnte man sich britischerseits bei Hamburg noch "herausreden".

Das konnte man von Dresden als reiner Kulturstadt mit ein wenig mittelständischer Feinmechanik nicht gerade behaupten.

Naja. In Dresden gab es umfangreiche "kriegswichtige" Industriebetriebe, die Stadt war Garnisonsstadt und zur Festung erklärt worden. Zudem stellte sie einen bedeutsamen Verkehrsknotenpunkt dar.

Dresden konnte also durchaus als legitimes militärisches Ziel betrachtet werden.

Das eigentlich kritikwürdige ist daher nicht der Angriff selbst, sondern dass er durchgeführt wurde, obwohl er

eine mit Flüchtlingen vollgestopfte Stadt traf,

und für den Ausgang des Krieges nicht mehr entscheiden war.
 
Naja. In Dresden gab es umfangreiche "kriegswichtige" Industriebetriebe, die Stadt war Garnisonsstadt und zur Festung erklärt worden. Zudem stellte sie einen bedeutsamen Verkehrsknotenpunkt dar.

Dresden konnte also durchaus als legitimes militärisches Ziel betrachtet werden.
@floxx78, mit genau diesen Argumenten könnte man böswilligerweise auch die Bombardierung Warschaus, Rotterdams oder Stalingrads durch die Luftwaffe rechtfertigen.

Die "kriegswichtige" Industrie befand an der Peripherie der Stadt und hat vergleichsweise wenig abbekommen - zudem war sie nicht das Ziel des Angriffs.

Im Februar 1945 funktionierte das Transportwesen ohnehin nicht mehr, die Zuliefererprodukte kamen in der Rüstung gar nicht mehr an. Es ist zu bezweifeln, dass in Ermangelung von Zieloptik aus Dresden auch nur ein Panzer weniger an die Front gelangte. Die durchschnittl. monatliche Panzerproduktion Deutschlands betrug 1945 ganze 247 Stck. (1944 = 705).
 
Für diejeniegen, die keine PN bekommen haben:
Hamburg bot 1943 mit seinem Hafen, seiner Industrie (z.B. U-Boot-Werften) und Infrastruktur ein Ziel, dass eine gewisse strategische Bedeutung hatte. Also konnte man sich britischerseits bei Hamburg noch "herausreden".

Das konnte man von Dresden als reiner Kulturstadt mit ein wenig mittelständischer Feinmechanik nicht gerade behaupten. Dazu kommt, dass der Dresdenangriff eine mit Flüchtlingen vollgestopfte Stadt traf, für diese Leute gab es keinerlei Luftschutzvorsorge.

Im Vorfeld das schrecklichen Angriffs auf Hamburg, wies Professor Tizard Churchill und Portal daraufhin,das die Bedeutung Hamburgs mehr im Handel als in der Produktion liege, außer beim Schiffs- und U-Bootbau. Der Hafen könnte nach dem Krieg aber wichtig sein, daher sei es besser Hamburg nicht zu zerstören, auch weil von dort Deutschland besser verwaltet werden könnte. Portal meinte dazu, das sich in Hamburg mit Hilfe des Bombardement die antipreußischen und antisowjetischen Regungen schneller zum Durchbruch verhelfen würden.Außerdem sehe man Hamburg ein wichtige Industriestadt, deren Zerstörung das siegreiche Kriegsende beschleunigen würde. (1)



(1) DRZW Band 7, S.37, Stuttgart 2001
 
@floxx78, mit genau diesen Argumenten könnte man böswilligerweise auch die Bombardierung Warschaus, Rotterdams oder Stalingrads durch die Luftwaffe rechtfertigen.
Die "kriegswichtige" Industrie befand an der Peripherie der Stadt [Hamburg] und hat vergleichsweise wenig abbekommen - zudem war sie nicht das Ziel des Angriffs.

Die Diskussion um die Bombardierung Dresdens hat vor allem den Hintergrund der militärischen Sinnlosigkeit im Februar 1945, als es nichts mehr zu beschleunigen gab und das alliierte Vormarschtempo im Wesentlichen von der eigenen Logistik abhing. Der andere Aspekt ist die Instrumentalisierung der Opferzahlen in der Diskussion bis in Größenordnungen über Hiroshima.

1. Böswilligkeit
Damit gleitet die Diskussion zu Dresden in moralische Kategorien ab, wie hier auch deutlich wird. Humanität im Krieg? Wertung nach der scheinbaren (wie eigentlich greifbaren?) Effizienz, mit der man den Tod bringt, den Krieg früher oder später beendet? Unterscheidung nach Todesarten, Verstümmelungen, etc? Krieg als gebremstes Töten - etwa auf der Basis Stand Erster Weltkrieg?

Der Kategoriewechsel von Recht nach Moral (war es nicht "effizient" im Sinne der Kriegsführung, war es also "inhuman") überspringt das Problem des fehlenden Luftkriegsrechts, zugleich die unentschieden gebliebenen Versuche der Staatengemeinschaft, die Bombardierungen von Städten im nächsten industriellen Völkerkrieg zu verhindern! Überspitzt: Kriegsrecht sollte nicht Humanität ins Sterben während der Kriegshandlungen bringen, sondern vielmehr Kriege nach Regeln unter gegenseitigem Versprechen auf Schadensbegrenzung führbar machen, wofür wie beim "versuchten" Luftkriegsrecht die tatsächlichen Rücksprachen mit Militärs über akzeptable Schranken wichtiger waren als alle sonstigen Überlegungen. Das vergessen leider manche Rechtshistoriker, und überspringen das Scheitern ebenso leicht, wie sie mittelalterlich anmutende Regeln der LKO von "belagerten" Städten auf den neuzeitlichen Völkerkrieg beziehen wollen (dazu sehr nachdenkliche Betrachtungen in Addison/Crang: Firestorm, The Bombing of Dresden 1945). Humanität nach Abschluss von Kampfhandlungen/Waffenstillstand ist dann wieder eine andere Kategorie.


2. "Bombardierung"
Was unterscheidet die Bombardierungen aus der Luft von solchen von Land oder See? Im Ergebnis: nichts. Letztere hat man bei sog. "undefended towns" als verboten angesehen (Art. 1 Haag IX). Sind sie aber irgendwie geartet "nützlich" für die gegnerische Kriegsführung, entfällt der Schutz nach vorheriger Ankündigung (Art. 2, siehe auch Saloniki). Was bitte, ist nicht nützlich im industriell geführten Krieg?

Was unterscheidet dann weiter die Ziviltoten der Bombardierung eigentlich von denjenigen in Folge der Blockade? Die angebliche Humanität im Sterben? Oder der von Friedrich dramatisch vorgetragene Irrwitz, wie sich interdisziplinäre Überlegungen für den optimalen Feuersturm anstellen lassen?


3. Das Ziel
... ist dann "die" Stadt, und zwar in Gänze. Oben wird bei Hamburg der Hinweis auf die industrielle Peripherie gebracht. Dabei ist aber zu berücksichtigten, und deshalb geht mE der Hinweis fehl, dass aufgrund der nächtlichen H2S und OBOE-Zieljustierungen mittels Pathfinder-Bomber in 1943 ohnehin keine Genauigkeit erreichbar war. Grossangriffe mit 300+ Bombern waren 1943/44 keine Präzisionsangriffe, wie die OBOE-Angriffe auf Thyssen/Essen oder der H2S-Angriff auf Skoda/Pilsen zeigt. Recht trivial ist der Sachverhalt, dass technisch - außer bei geographisch nachts herausstechenden Einzelzielen wie die große Wasserfläche vor Staudämmen - die Zielführung nur den Flächenangriff, und den noch sehr ungenau, ermöglichte.

Es gab kein Ziel "in" Hamburg, "Hamburg" war das Ziel - mit der damals üblichen Forderung auf 2/3 der Bombenlast im Dreimeilenradius um den theoretischen Zielpunkt, der lediglich die größtmögliche Stadtfläche im Kalkül berücksichtigte, weil man eine Streuung nicht vermeiden konnte.

4. Rotterdam 1940
Ist ein spezieller Fall, siehe
http://www.geschichtsforum.de/f68/bombardierung-rotterdams-14367/

5. Warschau 1939
hat dieselbe militärische Überflüssigkeit wie Dresden, deutscherseits zeitgenössisch übrigens damit begründet (man war wegen der wachsweichen Zusagen zur Beschränkung des Luftkriegs nach dem Roosevelt-Apell in Schwierigkeiten, sich zu exkulpieren), dass man eine totale Kriegsmobilisierung der polnischen Bevölkerung vor sich habe, die den zugesagten Schutz der Städte "aufhebe". Die oft lapidar behauptete "Truppenbindung" vor Warschau, die schnell zugunsten der Westfront habe aufgehoben werden müssen, ist eine Legende.

6. Stalingrad (und Leningrad und Hunderte anderer Land- und Luftbombardements).
... war ein zu diesem Zweck - strukturierter - Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung, insoweit auch moralisch unvergleichbar mit dem 1939-1945 langsam eskalierten Bombenkrieg im Westen.



Bzgl. Hamburg ist nochmals die Zielproblematik 1943 aufzugreifen, auch ein Unterschied zu Dresden. Sodann ist die industrielle Bedeutung in Korrelation zur technischen Reichweite der Navigationssysteme 1943 zu stellen: Blohm&Voss als nachts zwar nicht sicher erreichbares Punktziel, aber mit einem Jahres-Bausoll von 52 U-Booten (was 1942/43 eine Hausnummer war), daher der Flächenangriff, die Werften als Grund, die Stadt als Ziel. Die alliierten Zielvorgaben zum Bombenkrieg in Casablanca waren: Flugzeugindustrie, Treibstoffindustrie, U-Boot-Bau, Kugelllager. Dem wandte man sich 1943/1944 im Schwerpunkt jeweils versuchsweise zu, wobei die Treibstoffindustrie aufgrund der Luftlage und der Möglichkeiten der Navigationssysteme (siehe auch zB den Fehlschlag bei Skoda) erst Anfang 1944 an die Reihe kam.


Es bleibt mE nur die traurige Erkenntnis, dass diese Bombardierungen keiner klaren völkerrechtlichen Regelung unterworfen waren. Der Rest ist eine Folge der Enthemmung und Eskalation von Wielun über Coventry/Mannheim nach Dresden und Hiroshima, wobei von vornherein natürlich zweifelhaft ist, ob sich untergehende Diktaturen bei "Vergeltungsangriffen" überhaupt an solche Regeln gehalten hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
, wobei von vornherein natürlich zweifelhaft ist, ob sich untergehende Diktaturen bei "Vergeltungsangriffen" überhaupt an solche Regeln gehalten hätten.

Gutes Stichwort, die Vergeltung
Die V1 hat auch mit Mühe London getroffen, mit Beschuss von militärischen Anlagen war da gar nichts.
Aber siegreiche Demokratien halt auch nicht. Siehe Atombomben.
 
Was unterscheidet die Bombardierungen aus der Luft von solchen von Land oder See? Im Ergebnis: nichts. ... Was bitte, ist nicht nützlich im industriell geführten Krieg? ... Was unterscheidet dann weiter die Ziviltoten der Bombardierung eigentlich von denjenigen in Folge der Blockade? Die angebliche Humanität im Sterben? ...
Ich paraphrasiere das so: Letztlich ist es gleichgültig, wer stirbt und auf welche Weise, weil sich alles der ultima ratio - Gewinnen des Krieges bei Optimierung der (eigenen) Opfer - unterzuordnen hat. Zusatz: Kriegführende können das je nach Situation und Befindlichkeit verbinden mit dem Ausdruck des Bedauerns oder der klammheimlichen Freude ob der "Kollateralschäden".

Überspitzt: Kriegsrecht sollte nicht Humanität ins Sterben während der Kriegshandlungen bringen, sondern vielmehr Kriege nach Regeln unter gegenseitigem Versprechen auf Schadensbegrenzung führbar machen... Es bleibt mE nur die traurige Erkenntnis, dass diese Bombardierungen keiner klaren völkerrechtlichen Regelung unterworfen waren. Der Rest ist eine Folge der Enthemmung und Eskalation von Wielun über Coventry/Mannheim nach Dresden und Hiroshima...
Mit dem Willen zur "Schadensbegrenzung", so meinte man früher, steht und fällt der Anspruch, auch in Kriegszeiten als zivilisierte Nation zu gelten.

Art. 22 HLKO 1907 hatte das generalklauselartig so formuliert: "Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes" und bezüglich "unverteidigter Städte" usw. untersagt, sie "mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen" (Art. 25); eine angreifende Truppe solle vor Beginn der Beschießung die Behörden des zu beschießenden Objekts benachrichtigen (Art. 26).

Sicherlich ist das idyllisch, meinetwegen auch "mittelalterlich" - es trägt dem Prinzip Rechnung, "selbst in diesem äußersten Falle [des Krieges] den Interessen der Menschlichkeit und den sich immer steigernden Forderungen der Zivilisation zu dienen" bzw. an (ungeschriebenen) völkerrechtlichen Grundsätzen festzuhalten, "wie sie sich ergeben aus den unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens" (Präambel).

Nazideutschland hat den erwähnten "Anspruch" schon sehr bald verwirkt, nicht nur durch seinen Luftkrieg, und trägt insoweit zweifelsfrei die Hauptschuld an der tatsächlichen "Enthemmung und Eskalation". (Im Folgenden lasse ich den zu Recht so genannten "Vernichtungskrieg" im Osten außer Betracht.)

Um einen deutschen Sonderweg handelt es sich freilich insoweit nicht: Kein Geringerer als Churchill hat 1919, so berichtet der vielgescholtene Jörg Friedrich (Der Brand, S. 64 f.) als Rüstungsminister "einen Tausendbomberangriff auf Berlin vorgesehen. ... Die Idee habe schlechterdings in der Bereitschaft bestanden, die Zivilisation zu Staub zu verdampfen. 'Zum ersten Mal bietet sich einer Gruppe gesitteter Menschen die Möglichkeit, die andere Gruppe zu vollständiger Hilflosigkeit zu verdammen. ... Vielleicht wird es sich das nächste Mal darum handeln, Frauen und Kinder und die Zivilbevölkerung überhaupt zu töten.'" [Zitiert wird aus Churchill: Thoughts and Adventures, 1925.]

Eine solche Handlungsweise kann dann als "effizient" bezeichnet werden, wenn sie dazu beiträgt, die Dauer des Krieges und die Zahl der (eigenen) Opfer, die zu seinem Gewinnen erforderlich sind, zu optimieren. Ob dabei moralische Erwägungen des Typs "Trifft die konkrete Handlung Schuldige oder Unschuldige?" eine Rolle spielen sollten, ist eine zweite Frage. Churchill hat auch darüber nachgedacht: Er hatte (nach Friedrich: Das Gesetz des Krieges, S. 742) "im Mai 1942 ... alle deutschen Städte, die Rüstung produzierten, zum Kriegsgebiet ausgerufen. Vier Wochen vor dem Hamburg-Angriff am 26. Juni 1943 warfen die Briten Flugblätter über Deutschland ab. Die Reichsregierung habe dem Volk Churchills Frontziehung verschwiegen: 'Dieses Gebiet ist ein Schlachtfeld und wird es bis zur vollständigen Vernichtung seiner Kriegsindustrien bleiben. Was Frauen und Kinder betrifft, so haben sie auf einem Schlachtfeld nicht zu suchen.'"

Völkerrechtler und Militärhistoriker diskutieren seit jeher die Frage, ob (auch) der alliierte Bombenkrieg - jedenfalls in der Endphase (Dresden) - den Tatbestand eines Kriegsverbrechens erfüllte. Der wohl allseits geschätzte Manfred Messerschmidt (1970-1988 Leitender Historiker am MGFA) hat mir letztes Jahr bei einem Vortrag in Saarbrücken seine Auffassung dargelegt: Ja, es war ein Verbrechen! Die Frage ist, wo die Schwelle der militärischen Notwendigkeit, den Krieg zu gewinnen oder die Zahl der (eigenen) Opfer zu optimieren, überschritten wird.

Abstrakt wird man wohl sagen können: Sie wird jedenfalls dann überschritten, wenn evident ist, dass die Maßnahme als solche, z. B. das Töten von Frauen und Kindern bzw. von Zivilisten überhaupt - hier als Bestandteil des "moral bombing" -, ihren objektiven Zweck nicht erfüllen kann. Fraglich ist, ob man daneben so etwas wie ein Verhältnismäßigkeitsprinzip oder gar "moralische" Aspekte ins Spiel bringen kann.
 
Sind sie aber irgendwie geartet "nützlich" für die gegnerische Kriegsführung, entfällt der Schutz nach vorheriger Ankündigung (Art. 2, siehe auch Saloniki). Was bitte, ist nicht nützlich im industriell geführten Krieg?

Ganz so einfach ist das nun auch nicht.
In der Tat unterscheidet sich eine Bombadierung durch die Luftwaffe nicht wesentlich von selbiger durch Artillerie. Die LKO bildete damit anerkanntes Gewohnheitsrecht, das auf dieses Problem richtigerweise analog anzuwenden war.
Auch wenn man sie mittelalterlich findet, was ich nicht ganz nachvollziehen kann, nachdem die ersten totalen Kriege ja bereits im 19. Jahrhundert, noch bevor die LKO entstand, gefochten wurden und die LKO eine völkerrechtliche Reaktion hierauf ist.
Und damit gilt auch die Begrenzung nach Art. 27 LKO:
"Bei Belagerungen und Beschiessungen sollen alle erforderlichen Massnahmen
getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der
Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude sowie die Krankenhäuser und Sammelplätze für
Kranke und Verwundete so viel als möglich zu schonen, vorausgesetzt, dass sie
nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zwecke Verwendung finden."

Bereits Art. 22 LKO stellt ausdrücklich fest:
"Die Kriegsparteien haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur
Schädigung des Feindes."

Die Bombardierungen wie die Dresdens galten der Zivilbevölkerung. Die Beschädigung militärischer Ziele war dem untergeordnet.

Da wir hier schon beim Recht sind, möchte ich darauf verweisen, welche Bedeutung der Individualisierung des Opfers durch den Straftäter im deutschen Strafrecht zukommt:
A will B töten, verwechselt diesen aber mit dem C, welcher dann von A getötet wird.
Rechtsfolge: Strafbarkeit aus versuchter Tötung des B und fahrlässiger Tötung des C.
Auch im Recht spielen moralische Elemente somit durchaus eine Rolle. Die Motivation des Täters bleibt nicht außer Betracht und führt zu einer anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhalts.

5. Warschau 1939
hat dieselbe militärische Überflüssigkeit wie Dresden, deutscherseits zeitgenössisch übrigens damit begründet (man war wegen der wachsweichen Zusagen zur Beschränkung des Luftkriegs nach dem Roosevelt-Apell in Schwierigkeiten, sich zu exkulpieren), dass man eine totale Kriegsmobilisierung der polnischen Bevölkerung vor sich habe, die den zugesagten Schutz der Städte "aufhebe". Die oft lapidar behauptete "Truppenbindung" vor Warschau, die schnell zugunsten der Westfront habe aufgehoben werden müssen, ist eine Legende.

Das ist so nicht richtig:
http://de.wikipedia.org/wiki/Warschau#Zweite_Republik
http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Zusatz/Luftwaffe/Bombenkrieg.htm
http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/warschau/index.html
Die Unterschiede sind erheblich!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo jschmidt und elysian,

erstmal Danke für die Hinweise, auf die ich noch eingehen werde.

Vorab: Das hier verstehe ich allerdings nicht, gehört aber wohl auch nur am Rand zum Thema Dresden.
Das ist so nicht richtig: ...
Die Unterschiede sind erheblich!
Wir können aber gerne dort
http://www.geschichtsforum.de/f68/warschau-das-erste-bombenopfer-4888/index3.html
weitermachen. Zur Klarstellung: Beide Hinweise (deutsche völkerrechtliche Begründung/behauptete Totalisierung polnischer Kriegsführung/Roosevelt - Kräftebindung) geben natürlich den damaligen falschen Stand bzw. die deutsche Propaganda wieder.
 
Dann formuliere ich es anders:
Die Fälle Warschau und Dresden führen aufgrund der mannigfaltigen Unterschiede im Sachverhalt notwendig zu einem hinkenden Vergleich, der die behauptete wesensgleiche militärische Überflüssigkeit nicht trägt.
 
Ja. Dass aber gerade Irving dies nicht macht, ist erstaunlich.
Na, bereits seit 1971 spricht David Irving wieder von 100.000 Bombenopfer in Dresden, wie man im Prozess gegen Debora Lipstadt aufgelistet hat: Irving vs. Lipstadt

Man sollte sich auch mal vergewissern, wie diese überhöhten Angaben/Behauptungen entstanden waren:

  • Eine erste vage Schätzung der Opferzahl findet man bereits im Tagebuch des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) am 15. Februar 1945. Dort wird nämlich von "schätzungsweise 60 000 Tote" berichtet.
    (Quelle: Kriegstagebuch des OKW 1940-1945, Bd. IV, 1. Halbbd., Seite 970)

  • Gleichzeitig entstand aber der Bericht des Höheren SS- und Polizeiführer (ca. 35.000 Opfer), der aber in dem OKW-Tagebucheintrag noch nicht berücksichtigt wurde. Dieser Bericht des Höheren SS- und Polizeiführers wurde in der Lagemeldung 1.404 einen Monat später bestätigt (beide hier in Auszügen).

  • In Dresden, aber auch in der Weltöffentlichkeit sprach man jedoch später von 250.000 Opfern. Denn seit dem 22. März 1945 kursierte in Dresden - heimlich von Hand zu Hand weitergegeben - in Abschrift der "Tagesbefehl Nr. 47", in dem von 202.040 Toten berichtet wurde. Es wird sogar empfohlen, von den Angaben Gebrauch zu machen, "da die Gerüchte die Wirklichkeit weit übertreffen".
    (Quelle: Weidauer, Walter: Inferno Dresden. Dietz-Verlag, 6. Auflage 1987)

  • Fast Gleichzeitig, am 23. März 1945, tauchte ein "Geheimer Tagesbefehl" in Berlin auf, der inhaltlich mit dem "Tagesbefehl Nr. 47" identisch war. Er wurde bestimmten Stellen zugeleitet, von denen mit Sicherheit angenommen werden konnte, dass über sie die Angaben in das neutrale Ausland gelangten.
    (Quelle: Irving, David: Der Untergang von Dresden)

  • Dieser "Befehl" wurde aber auf Initiative Goebbels im Reichspropagandaministerium ausgeheckt und die Zahlen quasi gefälscht.
    Richard H. S. Crossman, der im zweiten Weltkrieg Leiter der englischen psychologischen Kriegführung gegen Deutschland war, beschrieb 1963 in einem Artikel des "Esquire" diese Kampagne und stellte dann weiter fest: "In seiner Geheimpropaganda tat Dr. Goebbels sogar noch mehr in dieser Richtung" (Aufbauschen der Zahl der Opfer. Anm. Rodriguez), "indem er der neutralen Presse erfundene, höchst vertrauliche Abschätzungen bekanntgab, dass die Verluste wahrscheinlich 250 000 erreicht hätten".
    (Quelle: Richard H. S. Crossman: Apocalypse at Dresden. In: Esquire, 1963, November-Ausgabe)

  • Goebbels erfuhr nämlich von einer Sitzung des englischen Parlaments vom 6. März 1945, in der der Abgeordnete Richard Stokes eine aufsehenerregende Rede gehalten hatte, die die Art der Luftkriegsführung der Royal Airforce gegen Wohnviertel und der Zivilbevölkerung kritisierte. Es sagte, "es sei seltsam, dass die Russen anscheinend große Städte einnehmen könnten, ohne sie in Trümmer zu legen"
    (Quelle: Irving, David: Der Untergang von Dresden)

  • Goebbels wollte die politische Lage zu Gunsten der NS-Führung Deutschlands nutzen. Die Fälschungen der "Tagesbefehle" erziehlten in ihrer Wirkung auf die Weltöffentlichkeit, dass sich erregte Proteste gegen die barbarische Kriegsführung der Briten Luft machten.
    Somit überdauerte die Zahl von angeblich 250.000 Opfern der Bombardements auf Dresden die Jahre, hartnäckige (und beweislose) Gerüchte hielten sich, entgegen der Erfahrungen und Resultaten der Enttrümmerung der Stadt. ...

  • Dann kam David Irving ins "Spiel": Er berief sich wohlwissentlich in seinen Büchern auf den gefälschten "Tagesbefehl Nr. 47" und auf frei erfundene Zeugen! Das gab er sogar in einem Artikel in der Londoner "Times" am 7. Juli 1966 zu. Er gab an, dass sein Lektor vom Siegbert Mohn Verlag, Dr. Dieter Strauß, bewußt die Unwahrheit gesagt hatte, da er, Irving, seinem Verleger das Recht zur Textänderung einräumen musste, damit dieser die von ihm verlegten Bücher im entsprechenden politischen Programm verkaufen konnte.


    Die Motive hierfür dürften offensichtlich sein: Irving schrieb in der Londoner "The Times": "Die Bombardierung Dresdens 1945 ist in den letzten Jahren von einigen Leuten als Beweis dafür angeführt worden, dass eine konventionelle Bombardierung mehr Verwüstung anrichten kann als nukleare Angriffe, und andere haben daraus falsche Schlußfolgerungen zu ziehen gesucht. Mein eigener Anteil an diesem Vorwurf ist groß... Die ostdeutschen Behörden ... haben mir jetzt eine Kopie des 11 Seiten umfassenden endgültigen Berichts verschafft, den der Bezirkspoliziechef etwa einen Monat nach den Angriffen auf Dresden geschrieben hat, und über die Glaubwürdigkeit dieses Dokuments gibt es keinen Zweifel ... Der Verfasser des Dokuments, der Höhere SS- und Polizeiführer Elbe, war für ziviele Verteidigungsmaßnahmen in Dresden verantwortlich, muß dazu bemerkt werden. Seine Zahlen sind sehr viel niedriger als die von mir zetierten ... Ich habe kein Interesse daran, falsche Legenden zu wecken oder zu verewigen, und ich denke, es ist wichtig, daß der Bericht in dieser Beziehung richtiggestellt werden sollte".
    (Quelle: The Times, London, 07.07.1966)

    Irving revidierte seine Zahlen entsprechend der verifizierbaren und nachgewiesenen Zahlen herunter - um sie, nach seiner seltsamen Wandlung zur Rechten Szene, erneut in die Höhe zu treiben...
Naja. In Dresden gab es umfangreiche "kriegswichtige" Industriebetriebe, die Stadt war Garnisonsstadt und zur Festung erklärt worden.
  • ZB.:Fabrik G. Heyde (Rüstungsproduktion), Dresden N23, Kleiststrasse 10.,
  • der Betrieb Zeiß-Ikon-AG: 5.000 Arbeiter, davon 2.600 Zwangsarbeiter, 895 KZ-Häftlinge, 300 Juden, 59 Kriegsgefangene,
  • oder der Betrieb Universelle, Zwickauer Strasse, ebenfalls ein wichtiger Rüstungsbetrieb: 4.000 Arbeiter, davon 3.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus 11 Ländern.
In diesen Betrieben wurden unter anderen der Panzermotor HL-230, 10,5 cm Granaten, Preßrohlinge sowie allerlei Munition hergestellt.
Die Zwangsarbeiter dieser Betriebe wohnten im Gemeinschaftslager Trachenberger Platz oder im Lager "Kiesgrube" in Dresden-Klotzsche.
(Quelle: Geheimes Kriegstagebuch der Rüstungsinspektion IVa, Dresden. Stadtarchiv Dresden.)

Bezeichnend ist aber, dass die größten Dresdner Rüstungsbetriebe, das Industriegelände in Dresden Nord, die Kasernen, die Luftkriegsschule, der Flugplatz und andere militärische Einrichtungen bei den Bombardements um den 13. Februar 1945 nicht angegriffen worden sind. Selbst das große Benzinlager an der Elbe im Nordwesten der Stadt war nicht im Zerstörungsplan der Bomber enthalten...



Saludos!
 
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