Einführung in die Geschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs

Imperator

Premiummitglied
Niederlande

Unabhängige Niederlande gab es erst seit dem 16. Jahrhundert; bis dahin befanden sich die einzelnen Fürstentümer, die das Gebiet bedeckten, in Personalunion mit dem Königreich Spanien. Das Vorgehen dieses traditionell katholischen Landes gegen die sich in den Niederlanden ausbreitende Reformation schürte viel Gegenwind. Zur Eskalation kam es, als König Philipp II. von Spanien als Antwort auf den Bildersturm des Volkes 1567 eine Armee ins Land schickte, um die Bevölkerung regelrecht zu terrorisieren. Die Folge war der Niederländische Freiheitskampf, seit 1572 unter der Führung Wilhelms I. von Oranien, des Statthalters von Holland und Seeland. Nur vier Jahre später schlossen sich ihm auch die südlichen, katholischen Provinzen an, die bis dato in Frieden lebten, jedoch zerbrach diese „Genter Pazifikation“ bereits nach nur zweijähriger Existenz aufgrund religiöser Streitigkeiten; an ihrer Stelle traten 1579 die im Süden gelegene Union von Arras, die sich Philipp anschlossen, während der die nördlichen Provinzen umfassende Union von Utrecht den Krieg fortführte und 1581 die Republik der Vereinigten Niederlande ausrief; innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre konnten die Spanier mit Unterstützung Englands und Frankreichs vertrieben werden. Doch erst 1648 wurde im Westfälischen Frieden die Unabhängigkeit der Republik anerkannt, die seitdem einen eigenen Weg ging.

Die Herrschaft lag beim Statthalter, der monarchisch regiert wurde und immer von einem Mitglied der Familie der Oranier besetzt war. Auch nachdem das Amt 1702 abgeschafft worden war, gab es einen Konflikt zwischen ihnen und den Patrioten, welche Reformen forderten. Unterstützung erhielten sie von den französischen Revolutionären, die 1794 das Land eroberten und die Batavische Republik errichteten, welche gänzlich von der Französischen Republik abhängig war. Als Napoleon I. die Macht an sich riss, wandelte er auch die Batavische Republik um; es entstand das Königreich Holland unter der Regierung von Louis Bonaparte, Napoleons Bruder. Als sich dieser gegen seinen kaiserlichen Bruder stellte, musste er 1810 abdanken; die Niederlande wurde Frankreich angeschlossen. Nach der Niederlage Napoleons fünf Jahre später wurde auf dem Wiener Kongress zusammen mit den südlichen Provinzen das Königreich der Vereinigten Niederlande unter den Oraniern begründet. Ein Konflikt zwischen Norden und Süden konnte nicht verhindert werden, so dass im Jahre 1830 in der so genannten „Septemberrevolution“ Belgien unabhängig wurde; sechzig Jahre später wurde auch das Großherzogtum Luxemburg aus der Personalunion mit der Niederlande entlassen.


Belgien

Belgien entwickelte sich aus den südlichen Provinzen der habsburgischen Hausmacht im Westen des Heiligen Römischen Reiches; im Gegensatz zur revolutionären Niederlande verblieben sie unter spanischer, später unter österreichischer Herrschaft. Im Wiener Kongress 1815 wurden sie jedoch mit den ehemals nördlichen Provinzen zum Königreich der Vereinigten Niederlande verschmolzen. Fünfzehn Jahre später starteten sie einen nur kurz währenden Unabhängigkeitskampf, die Septemberrevolution, der erfolgreich ausging; von allen Großmächten anerkannt, wurde im Jahr darauf Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld als Leopold I. zum König der Belgier gewählt. Die Niederlande anerkannten das Land erst im Londoner Protokoll von 1839.

Im Jahre 1865 starb Leopold I., sein gleichnamiger Sohn und Nachfolger führte eine aggressive Kolonialpolitik: zwanzig Jahre nach seiner Thronbesteigung wurde der Kongo-Freistaat auf der Berliner Kongokonferrenz als Leopolds persönlicher Besitz bestätigt. Der nun kommenden rücksichtslosen Ausbeutung des Landes folgte internationaler Protest, so dass der Kongo als Kolonie 1908 dem belgischen Staat übergeben wurde; als Leopold im Jahre darauf starb, reformierte sein Nachfolger Albert I. die Verwaltung der Kolonie von Grund auf.


Luxemburg

Luxemburg war einst eine Grafschaft, die 1354 zum Herzogtum erhoben wurde und deren Fürstenhaus einige Kaiser wie Karl IV. oder Sigismund stellte. Nach deren Aussterben 1437, fiel es an Burgund und nach dem Tod des letzten burgundischen Herzogs Karls des Kühnen 1477 in der Schlacht von Nancy erbten es die Habsburger, die es bis zur Französischen Revolution behielten. Der Wiener Kongress erhob es zum Großherzogtum in Personalunion mit dem Königreich der Vereinigten Niederlande.

Als Frankreich das Großherzogtum 1867 kaufen wollte, kam es zur so genannten Luxemburg-Krise, in deren Folge Luxemburg unabhängig (wenn auch weiterhin in Personalunion mit den Niederlanden) wurde, sich aber immerwährender Neutralität verpflichten musste. Erst im Jahre 1890 trennten sich die Wege der Niederlande und Luxemburgs, als König Wilhelm III. starb, neue Königin seine Tochter Wilhelmina wurde, Luxemburg aber an Adolf von Nassau fiel, da dort die weibliche Thronfolge nicht gestattet war.

Literatur:
Bernhart Jähnig, Ludwig Biewer, „Kleiner Atlas zur deutschen Territorialgeschichte“ (1991)
Ferdinand Seibst, Karl V. (1990)
Brigitte Vacha, „Die Habsburger“ (1996)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Geschichte zwischen 1450 und 1560

[Vielen Dank der Moderation!]

Ich ziehe mit von http://www.geschichtsforum.de/f44/g...teilung-des-weltreiches-karls-v-1556-a-24172/ hierher um. Dort hatte ich beim Lesen von Beiträgen gemerkt, wie kümmerlich mein Wissen um die kleineren westlichen Nachbar ist. Deshalb das Folgende:

Wie schon geschrieben wurde, habt die Genese der heutigen Benelux-Staaten viel mit dem Herzogtum Burgund zu tun. Lehrreich sind dazu folgende Artikel bzw. Karten:
Siebzehn Provinzen ? Wikipedia
Haus Burgund ? Wikipedia
Burgundischer Reichskreis ? Wikipedia

Maria, die Tochter Karls des Kühnen, heiratete den Habsburger Maximilian. Der erbte beim Tode seiner Frau 1482 die "gesammelten" Territorien, konnte allerdings nicht verhindern, dass das eine oder andere an Frankreich grenzende verloren ging.

Zu Luxemburg:

Maximilian wird infolgessen als Herzog von L. geführt (Liste der luxemburgischen Herrscher ? Wikipedia). Nicht ganz klar ist, inwieweit sein Sohn Philipp I. (Kastilien ? Wikipedia) - spätestens nach Erreichen der Volljährigkeit - hoheitliche Funktionen in Burgund wahrnahm; er starb jedenfalls - mittlerweise als erster Habsburger König von Kastilien, Leon und Granada geworden - früh im Jahre 1506. Sein Sohn Karl (V. als Kaiser) aus der Ehe mit der spanischen Infantin Johanna wurde 1516 spanischer König, also noch zu Lebzeiten seines Großvater Maximilian. Inwieweit nahm Karl sogleich besagte Funktionen wahr?

Man kann füglich sagen, dass L. (a) ab 1482 habsburgisch war und (b) zum HRR gehörte. Aber ab wann war es (auch) spanisch bzw. ab wann tauchten dort Spanier auf?

Nach Barbarossas Quelle fiel L. 1522 an die spanische Linie - war weiss Genaueres dazu?
 
Danke für den Hinweis, Barbarossa!

Wenn Karl (V.) bereits 1515 Herzog von Burgund wurde, ist jedenfalls ein Teil der Frage beantwortet.

Merkwürdigerweise stehen in Liste der Herrscher von Burgund ? Wikipedia (ganz unten) andere Daten. Seltsam z. B., dass es einmal Graf, ein andermal Herzog heißt und dass Margarete von Österreich vor Karl "eingeschoben" wird, so dass letzterer erst 1530 zum Zuge kommt. Da gilt es nachzufassen...
 
Die Liste in der dt. Tante Wiki scheint mir nicht ganz genau zu sein. Ich schiebe noch mal die franz. Madame Wiki ein:Liste des comtes et ducs de Luxembourg - Wikipédia

Die Erhebung zum Herzogtum erfolgte 1354 für Wenzel I., einem Halbruder Kaiser Karls IV., unter Zusammenfassung der Grafschaft Luxemburg mit einigen anderen umliegender Herrschaften.
wenzel_1_herzog_von_luxemburg_+_1383

Das Kaiser Karl V. 1515 Herzog geworden ist bezweifle ich auch. Vielmehr dürfte er schon 1506 mit dem Tod seines Vaters dieses burgundische Erbe angetreten haben, da der Großvater Maximilian nur de jure uxoris, also als Ehemann Marias von Burgund deren Titel führen konnte. Mit dem Tod Marias ging deren Besitz, also auch Luxemburg, auf deren Sohn Philipp und mit dessen Tod 1506 auf Karl über. Der Opa könnte allenfalls als Vormund für seinen Enkel die betrefenden Gebiete verwaltet haben. Genauso wie in Kastilien der mütterliche Opa Ferdinand von Aragon die Regentschaft führte bis er 1516 abtrat.
 
Luxemburg

Die Liste in der dt. Tante Wiki scheint mir nicht ganz genau zu sein. Ich schiebe noch mal die franz. Madame Wiki ein:Liste des comtes et ducs de Luxembourg - Wikipédia

Demzufolge hat es nach dem Todes Philipps des Guten 1467 überhaupt keine Herzöge von Luxemburg mehr gegeben, und zwar exakt bis zur "Renaissance" des Gebiets als politsche (Unter-) Einheit bzw. deutscher Bundesstaat aus dem Geist der Wiener Kongreßakte 1815.

Was bleibt, ist die Frage, ob z. B. Margarete die Funktion einer Regentin hatte und dies irgendwo auch titelmäßig verbürgt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Demzufolge hat es nach dem Todes Philipps des Guten 1467 überhaupt keine Herzöge von Luxemburg mehr gegeben

Oh, doch. Eben die Habsburger. Ihre Herrschaft über die sogenannten "niederländischen Provinzen" (Grafschaften Flandern, Hennegau, Holland, Herzogtümer Brabant, Limburg, Luxemburg ect.) leitet sich eben von den Erbansprüchen auf diese ab. Ist so auch in der franz. Liste beschrieben, nach 1444 zu Burgund, über diese zu Habsburg und nach 1549 zu den spanischen Habsburgern.
 
Oh, doch. Eben die Habsburger.
Täte mir leid, wenn wir aneinander vorbei schrieben. Die von Dir verlinkte Liste der Ducs endet bei "duc en titre" 1461 und bei "duc engagés" 1467. Dass das Gebiet durch Erbansprüche der verschiedensten Art an Habsburger österreichischer und dann spanischer Provenienz kam, ist unstreitig.
Meine Frage sollte lauten: Tauchte nach 1467 in der Titelei irgendeines Regenten die traditionelle Bezeichnung "Herzog von Luxemburg" nochmal auf oder wurde sie unter andere "Kronen" subsumiert? Regelrechte "Krönungen" zum Herzog von Luxemburg können wir wohl ausschließen.

Wie Du schon andeutest, wird 1549 (oder doch 1522?) der nächste Meilenstein in der Entwicklung erreicht. Dazu gibt es mehr Material.:winke:
 
Benelux und Reichskreise 1500

Ich wollte mich nützlich machen in Bezug auf die Benelux-Geschichte. Die burgundische Zeit überspringend (siehe dazu z. B. http://www.geschichtsforum.de/f45/karl-der-k-hne-24388/), hier etwas zum Meilenstein "1500".

In Zeumers Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit (Tübingen 2.A. 1913) ist auf S. 297-307 die "Regiments-Ordnung" Maximilians I. vom 2.7.1500 abgedruckt, worin erstmals verbindlich (und sogar funktionierend) die Einteilung in Reichskreise vorgenommen wird.

Ausgewiesen sind darin (§§ 6-11) sechs Reichskreise, wovon hier der fünfte interessant ist, der später "Niederrheinisch-Westfälisch" benannte:
"§10 Der fünfte Kreyß begreift die Bistumb, Fürstenbistumb, Land und Gebiet der Bischoffen von Paderborn, Lüttich, Utrecht, Münster, Oßnabrück, der Hertzogen von Jülich, Berg, Cleve, Geldern, der Grafen von Nassaw, Vianden, Vierenberg, Nieder-Eisenberg und die Niederland biß an die Maaß, sonst alle andre Prelaten, Grafen, Herren, Frey- und Reich-Städt, der Ort gesessen oder gelegen."
Lüttich, Utrecht und Geldern waren demnach "eingekreist", nicht aber das habsburgische Erbland Burgund, obwohl das schon im Kreisprojekt von 1438 vorgesehen und Burgund auch in den Reichsanschlag für die Türkenhilfe 1466 einbezogen war - nach Dotzauer (Die Deutschen Reichskreise 1383-1806, Stuttgart: Steiner 1998, S. 393) ein Beleg für "die faktische Unabhängigkeit, in die diese Gebiete [Burgund] seit dem Spätmittelalter hineingewachsen waren.

Was den obigen Begriff "Niederland" betrifft, so bin ich nicht sicher, was er genau bezeichnet. Weiß das jemand?
 
Benelux und Reichskreise 1512 bis ca. 1522

Die nächste Etappe der Entwicklung wurde 1512 erreicht: In diesem Jahr traten durch den Kölner Reichtagsabschied vom 26.8. zu den vorhandenen 6 weitere 4 Kreise hinzu (Zeumer, aaO., S. 308; vgl. die Karte http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/35/Imperial_Circles-2005-10-15-de.png):
§ 11. Und darauf haben Wir [Maximilian I.] mit samt den Ständen zehen Circkel geordnet, wie hernach folget: Nemlich sollen wir mit Unsern Erblanden zu Oesterreich und Tyrol etc. einen, und Burgund mit seinen Landen auch einen Circkel haben.
§ 12. Item sollen die vier Churfürsten am Rhein einen, und die Churfürsten von Sachsen und Brandenburg mit sampt Herzog Georgen von Sachsen und den Bischoffen, so in den Landen und Gezircken daselbst gesessen, auch einen Circkel haben.
Kreisfrei blieben (Dotzauer, aaO., S. 52) die Eidgenossen, die italienischen Gebiete, Böhmen (mit Mähren), Schlesien und der Deutsche Orden sowie die Kleinterritorien der freien Reichsritterschaft.

Zum Stichwort "Burgund mit seinen Landen" fasst Dotzauer (S. 393) zusammen, dass
Geldern, Friesland, Utrecht und Cambrai beim Niederrheinisch-Westfälischen Kreis belassen wurden. Im Mittelabschnitt und im Süden wurden die nichthabsburgischen Herzogtümer Lothringen und Savoyen sowie die lothringischem Reichstädte und Bistümer Metz, Toul und Verdun, weiter Stadt und Erzbistum Besançon sowie die Bistümer Lausanne, Sitten (Sion) und Genf dem Oberrheinischen Kreis zugewiesen. Lediglich die Grafschaft Burgund [= spätere Franche-Comté], allerdings von respektabler Ausdehnung, gehörte dem neugeschaffenen burgundisch-erbländischen Kreisgebilde an.
Die genaue Abgrenzung der Kreise sollte "zu nechtskünfftigem Reichs-Tag verhandelt werden", was auch teilweise geschah. Die Namen der Kreise wurden zuerst durch die "Sog. Erklärung des Landfriedens, erlassen vom Reichs-Regiment" vom 10.2.1522 festgelegt (Auszug bei Zeumer, S. 326 ff.).

Nach der ersten Enumeration der Reichsstände 1522/23 gehörten zu diesem Kreis "der Hertzog von Burgund, mit seinen Fürstenthümern zum Reich gehörig, Nassau-Bredau [-Breda], Herrn von Hein [Horn], Herrn von Egmont und Isselstein, Herrn von Bergen und Wahlen, Graf Oswald von Bergen" (D, S. 395); dies entspricht dem, was in einer Publikation von 1532 (Hernach volgend die zehen Krayß ? Wikisource, dort S. 16) festgehalten ist.

Bleibt die spannende Frage, welches die "Fürstenthümer" des burgundischen Herzogs waren. Einen Anhaltspunkt gibt Siebzehn Provinzen ? Wikipedia, wo freilich zu Recht darauf hingeweisen wird, dass die Auflistung "keinen feststehenden Charakter" habe. Für 1512 stellt sich die Situation wie folgt dar (siehe die Karte in Burgundischer Reichskreis): ? Wikipedia

  • Unstreitig gehörten zum burgundischen Kreis
    • die 3 Herzogtümer Brabant (mit Markgrafschaft Antwerpen), Limburg und Luxemburg
    • die 4 Grafschaften Holland, Seeland, Hennegau und Namur
    • die Herrschaft/Grafschaft Mecheln
    • die Grafschaft Burgund (nicht zu den "17 Provinzen" zählend!)
  • Schwierig ist der Fall der Grafschaften Artois und Flandern (ab 1521: mit der Herrschaft Tournai) zu beurteilen; diese waren nämlich bis 1529 Lehen der französischen Krone!
  • Nicht zum Kreis gehörten 1512 die 7 "Provinzen" Utrecht, (West-)Friesland, Geldern (mit Zütphen), Groningen, Ommelande, Drenthe (usw.) und Overijssel sowie, wie erwähnt, das Fürstbistum Cambrai.
Ein wenig unklar ist auch, wem um 1512 die nämlichen Titel zukamen. Bis zu seinem Tode am 25.9.1506 war es zweifellos Philipp der Schöne, der Sohn der Maria von Burgund und Maximilians. Und danach? In der Liste Liste der Grafen von Holland ? Wikipedia wird Maximilian geführt, in Artois ? Wikipedia sein Enkel Karl...
 
Ist Flandern nicht schon 1493 im Vertrag von Senlis dem Reich zugesprochen wurden?
Jein! Die Ablösung Flanderns von Frankreich vollzog sich offenbar in sehr differenzierter Weise, und zwar auch wegen der nervenden Angewohnheit französischer Könige, den Inhalt von Verträgen alsbald wieder in Frage zu stellen.

Dass das zum Reichs Karl des Kühnen gehörende Flandern an dessen Schwiegersohn Maximilian fallen sollte, war schon Gegenstand des Frieden von Arras (1482).* Im Vertrag von Senlis (1493) ging es mehr um das Artois. [*Linkfehler!]

Gleichwohl blieben französische "Oberlehnsrechte" bestehen, jedenfalls musste sich der gefangene König Franz im Frieden von Madrid 1526 (pastperfect a) abermals zur Preisgabe Flanderns verstehen; diesen Vertrag widerrief er, was erneut Krieg bedeutete, der 1529 mit dem Damenfriede von Cambrai ? Wikipedia endete.

Den "vorläufigen Endpunkt" 1529 bestätigen auch viele andere Darstellungen, z. B. Flandern: Das flämische Belgien: Die ... - Google Buchsuche (S. 24) und Staatsbildung und Hexenprozesse in Flandern: die Rolle des Pro-vinzialjustizrates "Rat von Flandern" (2. Abs.) sowie Michael Erbe, Belgien - Niederlande - Luxemburg, Stuttgart: Kohlhammer 1993, S. 84.
 
Benelux 1520 bis 1545

Zur Frage, wann wer welchen Titel erhielt, kann ich nachtragen, daß Karl von Gent (= Karl V.) bei seiner Taufe am 7.3.1500 "Herzog von Luxemburg" wurde. Er wurde schon am 5.1.1515 für volljährig erklärt und trat damit das burgundische Erbe an. Nachdem Ferdinand (Großvater mütterlicherseits) gestorben war, führte er seit dem 14.3.1516 den Königstitel.

Karl ist derjenige, der den Gebietsstand der "Siebzehn Provinzen" eigentlich erst geschaffen hat:*

  • Am 19.5.1515 verkaufte Herzog Georg von Sachsen seine Rechte auf Friesland an Karl; es dauerte freilich noch bis 1523/24, bevor das Land ihn anerkannte.
  • Das Hochstift Lüttich wurde 1518 faktisch ein habsburgisches Protektorat.
  • Im ersten Krieg gegen Franz I. eroberte er Tournai und schlug es im Februar 1522 der Grafschaft Flandern zu; die Verbindung von Flandern und Artois endete, wie gesagt, spätestens 1519.
  • Durch Verträge vom 12.2. und 21.10.1528 übernahm er Oberstift und Niederstift Utrecht, damit auch das zum Oberstift gehörende Oberijssel.
  • Groningen, Drenthe und die Ommelande wurden mit Vertrag vom 10.12.1536 angegliedert.
  • Wegen Geldern, dessen Herzog Karl schon 1536 seine Lehensabhängigkeit anerkannt hatte, musste Karl V. allerdings 1543 selbst in den Krieg ziehen, bis er es - mitsamt Zutphen - durch Vertrag vom 7.9.1543 endgültig gewann.**
  • Ziemlich kam durch einen weiteren Krieg gegen Franz I. im November noch das Hochstift Cambrai dazu.
Damit war das "Benelux-Ensemble" vollständig.*** Obwohl sich Karl in den ersten 20 Jahren seiner Regentschaft nur sporadisch in den burgundischen Territorien aufhielt, hat er häufig deutlich gemacht, dass sie für ihn eine besondere Rolle spielten. Das zeigt auch ein Blick in seine politischen Testamente (nach Fühner, S. 47 ff.): Das Gebiet sollte auf jeden Fall vereinigt bleiben, und zwar als spanische Sekundogenitur. In seinem seinem "Großen Politischen Testament" vom 18.1.1548 entschied er dann, dass sein Sohn Philipp neben den spanischen Königreichen auch die Niederlande erben sollte.

* Das Folgende nach Fühner: Die Kirchen- und die antireformatorische Religionspolitik Kaiser Karls V. in den siebzehn Provinzen der Niederlande 1515-1555. Leiden: Brill 2004, S. 26 ff.
** Eine interessante Geschichte, ausführlich abgehandelt in: Gelre - Geldern - Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern, hg. v. J. Stinner und K.-H. Tekath. Geldern: Verl. d. Histor. Vereins 2001
*** Eigenartig übrigens: Nicht nur, dass die Niederlande seit jetzt 108 Jahren nur weibliche Staatsoberhäupter haben; auch die damaligen Statthalter waren Frauen: 1507-1530 (mit Unterbrechungen) Karls Tante Margarete, 1531-1550 seine Schwester Maria.
 
Benelux 1548/49

Wer dem Bericht bis hierher gefolgt, wird sich vielleicht fragen: Welche waren denn letztlich jene berühmten "Siebzehn Provinzen", die das Benelux-Gebiet bzw. die "Niederlande" ausmachten? Es gibt da, wie erwähnt, gewisse Unschärfen, so dass ich hier Schillern das Wort gebe, der fürs Ende der Regierungszeit Karl V. folgende Liste aufstellt (Gechichte des Abfalls der Niederlande, Ersten Theils erster Band [= Sämmtliche Werke, 11. Band], Wien: Doll 1810, S. 72):

  • 4 Herzogtümer: Brabant (8), Limburg (9), Luxemburg (10), Geldern (13)
  • 7 Grafschaften: Artois (1), Hennegau (5), Flandern (2), Namur (4), Zütphen (13a), Holland (7), Seeland (6)
  • 1 Markgrafschaft: Antwerpen
  • 5 Herrlichkeiten: Friesland (12), Mecheln (3), Utrecht (11), Oberyssel (17), Gröningen (14)
Die Zahlen in Klammern habe ich hinzusetzt, um die Unterschiede zu der Auflistung in Siebzehn Provinzen ? Wikipedia zu zeigen: Dort wird Antwerpen zu Brabant gerechnet und Zütphen zu Geldern, dafür werden die Ommelande und Drenthe usw. als eigene Provinzen ausgewiesen. (Zu einer weiteren Variante siehe historicum.net: Glossar.)

Ein ganz entscheidendes Jahr für unser Thema ist sodann 1548. Karl V. hatte im Vorjahr einen Sieg über den Schmalkaldischen Bund errungen und fühlte sich stark genug, um das zu tun, was seine Schwester und Statthalterin Maria seit 1542 forderte, "die de facto bereits bestehende Lösung der Niederlande aus dem Reichsverband auch de jure vom Reichstag bestätigen [zu] lassen" (Fühner, S. 32).

Dies erfolgte auf dem "Geharnischten Reichstag" in Augburg. Mit dem "Burgundischen Vertrag" vom 26.6.1548 (Auszug bei Dotzauer, S. 565 ff.) "wurden die Niederlande im Einvernehmen mit den Reichsständen für immer von den Beschlüssen des Reichtags und vom Reichskammergericht eximiert, blieben aber im Genuß des Reichsschutzes, wofür sie einen erhöhten Verteidigungsbeitrag zu leisten hatten" (Reinhard, Reichsreform und Reformation 1495-1555 [= Gebhard, 10.A., Bd. 9], Stuttgart: Klett-Cotta 2001, S. 342).

Gegenstand des Vertrages waren die von Schiller genannten Provinzen, darüber noch das Herzogtum Lottrich (Lothringen), die Grafschaft Burgund (Franche-Comté) und die Herrschaften Falkenberg, Dalhain, Salin und Maastricht (Dotzauer, S. 404).

Gleichzeitig wurde die Zuordnung zu den Reichskreisen verändert: Hochstift Utrecht, Herzogtum Geldern sowie Friesland und Cambrai, die bisher zum Niederrheinisch-Westfälischen Kreis gehörten*, kamen zum Burgundischen Kreis, wobei lediglich für Geldern, Zütphen und Cambrai "die weiterbestehende Qualität des Lehensbandes mit dem Reich namentlich vermerkt" wurde, nicht aber für die andere Territorien (Dotzauer, S. 397, vgl. S. 405).

Den vorläufigen Abschluss bildete dann Karls "Pragmatische Sanktion" vom 4.11.1549 worin er "die siebzehn niederländischen Territorien der Habsburger und die Franche-Comté für immer verband und ein einheitliches Erbrecht festlegte" (Fühner, S. 33).

* Bezüglich Friesland und Cambrai bin ich mir nicht sicher. Vor allem die Zugehörigkeit Cambrais ist uneindeutig (Dotzauer, S. 69); noch um 1595 galt es jedenfalls als deutsche Reichsstadt (S. 420), ehe es 1678 französisch wurde.
 
Benelux 1549/56

Damit's nicht zu sehr ausufert und langweilt, rasch noch das Schlußkapitel.

Nachdem 1548 ein weiterer Schritt in Richtung Eigenstaatlichkeit der "Siebzehn Provinzen" getan war, folgte am 7.3.1551 in Augsburg die Belehnung des Infanten Philipp (Dotzauer, aaO, S. 407):
Geldern, Zutphen und Utrecht wurden dabei namentlich als Reichslehen genannt, die zu den anderen in den Ländern Lothringen, Brabant, Limburg und Luxemburg, Flandern, Burgund, Holland, Seeland, Namur und Zutphen, der Herren von Ost- und Westfriesland zusammen mit der Präfektur und des Burggrafiats von Cambrai traten.
Lothringen und Burgund gehören nicht zu den Siebzehn; Zutphen kommt in dieser Aufzählung doppelt vor; Artois, Hennegau, Gröningen, Antwerpen, Mecheln und Oberijssel fehlen - Grund?

Nicolett Mout zufolge (Die Niederlande und das Reich im 16. Jahrhundert 1512-1609. In: Alternativen zur Reichsverfassung in der frühen Neuzeit?, Hg. Press u.a., München: Oldenbourg 1995, S. 143-168 [155 f.]) galt auch Overijssel "zweifellos als Reichslehen; für die anderen Gebiete, die 'Burgundischen und Nidern Erblande', war die Lehensbildung zum Reich nicht so klar.

Mout schreibt auch, Philipp habe 1549 seines Vaters "Nachfolge als Herr der Niederlande angetreten" (S. 156) - vielleicht ein Mißverständnis: 1549 fand "nur" die große Besichtigungsreise von Vater und Sohn durch die Provinzen statt, zu deren Abschluß Philipp von den Ständen als gesetzlicher Thronfolger im Sinne der Pragmatischen Sanktion anerkannt wurde (Details zur Reise bei Geoffrey Parker: Der Aufstand der Niederlande, München: Callwey 1979, S. 10 f.)

Dass die Gebiete spätestens seit 1548 nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Reiches unterlagen, wurde schon erwähnt. Merkwürdig auch hier: Die vom Augsburger Reichstag am 25.9.1555 verabschiedete Kammergerichts-Ordnung (Auszug bei Zeumer, aaO, S. 371 ff.) bezog Lothringen, Lüttich, Geldern und "Niederland biß an und über die Maaß" ausdrücklich mit ein.

Jedenfalls gebot der Kaiser weiterhin - als Lehnsherr oder direkt - über alle diese Gebiete, bis er aufgrund innen-, kirchen- und außenpolitischer Niederlagen 1555 resignierte. Er verfuhr hierbei sozusagen nach der Subtraktionsmethode (Daten nach Reinhard, aaO, S. 349):

  • Am 25.10.155 übertrug er seinem Sohn das niederländische Erbe.
  • Am 15.1.1556 folgte ihm Philipp in den spanischen Königreichen mit ihren italienischen und überseeischen Nebenländern.
  • Am 12.9.1556, einen Tag vor seiner endgültigen Abreise nach Spanien, stellte er seinem Bruder und römisch-deutschem König Ferdinand schriftlich anheim, die Kaiserwürde zu einem selbstgewählten Termin zu übernehmen.
Seit 1555 also waren die Siebzehn spanisch bis zur Nord-Süd-Teilung 1579. Die danach übrig gebliebenen (nördlichen) Sieben schieden 1648 endgültig aus dem HRR aus, die südlichen kamen 1713 an Österreich.
 
@ jschmidt
Möchtest Du Deine Ausführungen nicht bis in die Zeit der 1780er fortsetzen? Leider kenne ich mich persönlich nicht so sehr gut mit der niederländischen Geschichte aus. Gerade aber die Zeit vom gewissen Niedergang bis 1800 würde mich brennend interessieren.
Wenn man sich anschaut, dass die Niederlande noch im Spanischen Erbfolgekrieg gewaltige Truppen finanzierten und dann im 1. Koalitionskrieg doch recht rasch zusammenbrachen, muss dazwischen doch eine sehr bewegte Zeit der Transformation gelegen haben, als sich in den Niederlanden eine Veränderung durchsetzte, welche den Staat von einem Global Player, der viele Truppen weltweit finanzieren konnte und auch vermochte sich noch im 17.Jh. gegen große Allianzen zur Wehr zu setzen, dann irgendwo einknickte. Ich weiß, dass es dazu manche erhellende Literatur gibt. Nur würde mich Deine Meinung dazu interessieren. Auch die Geschichte der österr. Niederlande scheint mir in dem Kontext spannend. :)
 
Möchtest Du Deine Ausführungen nicht bis in die Zeit der 1780er fortsetzen?:)
Danke für die Anregung! :winke:
Ich bin so wenig ein Benelux-Spezialist wie Du, aber bei Gelegenheit - reine Zeitfrage! - werde ich das aufgreifen. Man könnte einige "Wendejahre" näher betrachten: vom "Netherlands rule the waves" (um 1650) über den bösen Ludwig (XIV., um 1700) bis zum revolutionären Wetterleuchten (um 1780) sozusagen.
 
Danke für die Anregung!
Ich bin so wenig ein Benelux-Spezialist wie Du, aber bei Gelegenheit - reine Zeitfrage! - werde ich das aufgreifen. Man könnte einige "Wendejahre" näher betrachten: vom "Netherlands rule the waves" (um 1650) über den bösen Ludwig (XIV., um 1700) bis zum revolutionären Wetterleuchten (um 1780) sozusagen.
Die kurze Phase der Brüder de Witt bis hin zu ihrer grausamen Ermordung wäre natürlich ebenso spannend, wie dann die Entwicklung unter den Oraniern, bis sie sich quasimonarchisches Auftreten zulegten, um dann mit dem 1. Koalitionskrieg vertrieben zu werden.

Sehr gut gefiel mir die Akribie und das Abwägen in Deinen Beiträgen hier im Thread. Leider kann ich v.a. zu der Erhebung der Niederlande gegen die Spanier am wenigsten sagen. Dass sie dann nach dem Dreißigjährigen Krieg zum Hauptverbündeten der Habsburger mutierten, finde ich besonders beachtlich, wenn auch vielleicht aus der Geschichte der französischen Interessen in dem Teil Europas durchaus sehr erklärlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Geschichte der Niederlande (von dem Unabhängigkeitskampf bis heute) kann ich nur folgendes Buch empfehlen:

Christoph Driessen
Geschichte der Niederlande
ISBN: 9783791721736

:winke:
 
Zurück
Oben