Schwarzrotgoldene Landesflaggen

Simplicius

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Ich hoffe, dass mir hier jemand weiterhelfen kann: Warum nutzen die Staaten Waldeck, Reuß ältere Linie und Reuß jüngere Linie die schwarzrotgoldene Trikolore als Landesflagge?

Hatte das historische Gründe, oder lag es tatsächlich am Symbolgehalt als Flagge der zu schaffenden deutschen Einheit?

Vor allem: Weshalb wurden die Flaggen nie durch das jeweilige Landeswappen ergänzt? Wenn jemand S-R-G sah, dachte er doch unweigerlich an Deutschland, und nicht an Waldeck oder Reuß.
 
Wikipedia mag interessant sein, gibt aber nicht annähernd genug Informationen her. Ich weiß nach wie vor nicht, ob Reuß und Waldeck die Flagge als deutsche Flagge ansahen und sie deshalb, aus alldeutschem Patriotismus sozusagen, zugleich zur Landesflagge machten, oder ob die Flaggen nur zufällig gleich aussehen.

Im zweiten Fall bliebe aber die Frage, weshalb die beiden reußischen Staaten und Waldeck nicht wenigstens ihr Staatswappen in die Landesflaggen setzten, denn schließlich war Schwarz-Rot-Gold ganz klar mit der gesamtdeutschen Nation verbunden und ab 1848 ja auch Flagge des Deutschen Bundes. Und eigentlich müsste es den Waldeckern und Reußen aufgefallen sein, dass die Flagge des Ganzen (des Bundes) und die Flagge ihrer Länder identisch sind.
 
und ab 1848 ja auch Flagge des Deutschen Bundes
Ohne nun nachzuschauen, die Flagge müßte noch zusätzlich einen schwarzen Doppeladler auf Gold im linken Obereck aufweisen. :)

Und eigentlich müsste es den Waldeckern und Reußen aufgefallen sein, dass die Flagge des Ganzen (des Bundes) und die Flagge ihrer Länder identisch sind.
Mal ganz praktisch gedacht: Du hast ne Flagge, irgendwann hat jemand anders ne Flagge, die genauso aussieht. Warum solltest jetzt du deine Flagge ändern?!? (Abgesehen davon findest du auch heute noch Flaggengleichheit.) ;)
 
Die Farben der Fürstentümer Waldeck und Reuß leiten sich direkt von den Wappen ab.
Hierzu Meyer's Lexikon von 1909
Reuß (Tafel I). Geviert: 1 u. 4) In Schwarz ein goldener, rotbewehrter und rotgekrönter Löwe (Reuß). 2 u. 3) In Silber ein goldener Kranich (Kranichfeld)._– Landesfarben: Schwarz, Rot, Gelb.
Waldeck (Tafel I). Zweimal gespalten und zweimal geteilt mit Herzschild. Herzschild: In Gold ein schwarzer achtstrahliger Stern (Waldeck). 1 u. 9) In Silber ein rotes Ankerkreuz (Pyrmont). 2 u. 8) In Silber drei rote Schildchen (Rappoltstein). 3 u. 7) In Silber drei schwarze gekrönte Adlerköpfe (Hohenack). 4) In Blau ein gekrönter silberner Löwe mit Doppelschweif (Tonna). 5) Der Herzschild. 6) In Silber ein gekrönter roter Löwe mit Doppelschweif, das Feld mit blauen, schräg verstutzten Querschindeln belegt (Geroldseck)._– Landesfarben: Schwarz, Rot, Gelb.
Das eigentliche Waldecker Wappen besteht aus einem schwarzen Stern auf goldenem Grund. Rot sind die meisten anderen Figuren im großen Staatswappen.
Vor allem: Weshalb wurden die Flaggen nie durch das jeweilige Landeswappen ergänzt?
Die Verwendung von Wappen auf Flaggen war damals noch nicht üblich. Erst in den relativ neuen Landesdienstflaggen wird auch das Landeswappen auf der Flagge abgebildet.
 
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Die Farben der Fürstentümer Waldeck und Reuß leiten sich direkt von den Wappen ab.

Das ist grundsätzlich so. Gemeinhin weist die Hausflagge (welche über den Fürsten "zur Staatsflagge mutierte") Hauptfarbe und -metall des Stammwappens auf.
 
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Aber gab es da niemals eine Diskussion in Waldeck und Reuß darüber, dass es unsinnig sei, wenn ein und dieselbe Flagge das Land und die Gesamtnation symbolisiert?

Und gab es weiterhin vonseiten der deutschen Nationalisten keine Vorbehalte gegen Schwarz-Rot-Gold als gesamtdeutsche Flagge, weil die Farben doch vor allem für die drei Teilstaaten standen?
 
Aber gab es da niemals eine Diskussion in Waldeck und Reuß darüber, dass es unsinnig sei, wenn ein und dieselbe Flagge das Land und die Gesamtnation symbolisiert?

Und gab es weiterhin vonseiten der deutschen Nationalisten keine Vorbehalte gegen Schwarz-Rot-Gold als gesamtdeutsche Flagge, weil die Farben doch vor allem für die drei Teilstaaten standen?

Hm, der Bundesadler symbolisiert heute ja idR. Deutschland bzw. Bundesinstitutionen. Außerdem führen eine Vielzahl deutscher Städte (früherer Reichsstädte) den Reichsadler im Wappen, der ursprünglich ihre Stellung im HRR aufzeigte, nun aber Ähnlichkeit mit dem Bundesadler hat.
Sollten die Städte daher ihr Wappen ändern?
 
Mit meiner Erklärung von damals (siehe oben #5) bin ich nicht mehr zufrieden.

Der Fürst von Waldeck wählte die Farben Schwarz-Rot-Gold 1814, also zur Zeit der Befreiungskriege. Zur gleichen Zeit trug das später mythenbeladene Lützower Freikorps Schwarz-Rot-Gold.
Besonders herzuheben ist jedoch, dass die Waldecker noch vor den Deutschen die horizontale Trikolore wählten. Im 19. Jahrhundert existierten noch zahlreiche andere Anordnungen der deutschen Farben, z.B. die Flagge der Jenaer Urburschenschaft. Selbst beim Hambacher Fest wurden die Farben teilweise in umgekehrter Reihe angeordnet. Deutsche Nationalisten hatten also die Wahl zwischen verschiedenen Anordnungen der deutschen Farben und wählten ausgerechnet die Version, die genau wie die Flagge Waldecks aussieht.

Entscheidendes Argument für meine These einer gemeinsamen Entwicklung und Bedeutung von deutschem und waldeckischen Schwarz-Rot-Gold ist jedoch eine Strophe aus dem Waldeck-Lied.

Mein Waldeck schrieb:
Schwarz-Rot-Gold sind meine Landesfarben.
Dunkler Nacht folgt goldnes Morgenrot.
Für Alldeutschland Waldecks Söhne starben,
Deutsche Treu bewahrend bis zum Tod.
Mein Waldeck, lebe hoch! Mein Waldeck, lebe hoch!
Mein teures, liebes Waldeck, es lebe, lebe hoch!

Die Farben Waldecks sind hier zugleich mit den Befreiungskriegen und der nationalen Einigung verknüpft. Die Farbsymbolik erinnert stark an Lieder aus dem Vormärz und 1848 Revolution.

Zum Vergleich einige Lieder zur Thematik:

Hambacher Fest Lied
Schwarz sei der Trauer ew’ge Nacht,
Die rings ihn soll umgeben,
Solang’ er unter Fürstenmacht
Fortführt sein Sklavenleben.
Rot sei der Farben dunkle Glut,
Die rings er will entzünden.
Auf Thrones Schutt mit edlem Mut
Der Freiheit Reich zu gründen
Gold sei der heil’gen Wahrheit Licht,
Die rings er will verbreiten,
Dass finstrer Mächte Lüge nicht
Mehr hemmt den Gang der Zeiten​


Hoffmann von Fallersleben: Deutsche Farbelehre

Über unserem Vaterland ruhet eine schwarze Nacht,
und die eigene Schmach und Schande hat uns diese Nacht gebracht.
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?​


Freilgath: Schwarz-Rot-Gold

In Kümmernis und Dunkelheit,
Da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
Befreit aus ihren Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!​


Was hat die revolutionäre und teils republikanische Farbenlehre im Waldeck-Lied von 1890 verloren?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne die einschlägigen Wikipedia-Artikel und sie klären meine Frage nicht.
Ich frage insbesondere aufgrund des Waldeck-Liedes nach einem Sinnzusammenhang zwischen den Waldecker Farben und denen "Alldeutschlands".

Mit "Alldeutschland" ist eben nicht das Deutsche Reich von 1871 gemeint, sondern ein anderes, schwarz-rot-goldenes(?) Deutschland. Es handelt sich um ein Schlagwort der völkischen Bewegung (insbesondere Alldeutscher Verband) bezog sich Ende des 19. Jahrhunderts auf eine maximale Großdeutsche Lösung. Alldeutschland solle auch Österreich, die deutschsprachige Schweize, die Niederlande usw. umfassen. Der Text des Waldeckliedes entstand 1890.
 
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