Die Varusschlacht - eine Erfindung um eine Massendesertion zu vertuschen?

Brittannicus

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Hallo!

Ich bin kein Experte - ich habe einige Spekulationen, was möglich sein könnte. Ich bezweifle, daß Kalkriese der Ort der "Varusschlacht" ist, denn es bisher überhaupt keine Beweise dafür, daß die Varus-Armee tatsächlich so wie bei den antiken Autoren beschrieben untergegangen ist, die ganze Schlacht wie auch der Besuch des Schlachtfelds durch Germanicus könnte eine Erfindung sein. Der Wert der Texte antiker Autoren besteht in dem atmosphärisches Bild und den geographischen Details, die den Zeitgenossen bekannt sind, und die sie deswegen nicht frei erfinden können. Was bei Tacitus kann man als wahr unterstellen?

Erstens den Verlust von drei Legionen unter Varus unter so unehrenhaften Umständen, daß die Wahrheit darüber ein Staatsgeheimnis bleiben mußte und auch nicht überliefert wird. Zweitens befand sich das ganze Heer in Aufruhr, ein kaiserlicher Bevollmächtigter (Germanicus) mußte losgeschickt werden, der die Revolte mit drakonischen Maßnahmen wieder unter Kontrolle brachte, die Situation blieb brenzlig.

Was wirklich passierte: Die Varus-Legionen, bestehend aus Einheimischen, hatten gemeutert und waren desertiert. Umgebracht wurden nur die römischen Vorgesetzten, Offiziere bis etwa zum Centurio, und die Struktur der Legionen zerfiel auch nicht. Es ging nicht um einen Aufstand der germanischen Völker, sondern eher um eine Art koloniale Empörung, vergleichbar mit dem Unabhängigkeitskrieg der nordamerikanischen Kolonien gegen die britische Krone. Für das Imperium drohte dabei ein Flächenbrand, der mit dem Verlust der gesamten transalpinen Gebiete (Gallien, Brittannien und Germanien) hätte enden können.

Also erhielt Germanicus den Befehl, die aufständischen Legionen am Rhein zu Räson zu bringen und die desertierten Legionen des Varus zu jagen und zu vernichten, was ihm 14/15 auch gelang, und zwar in offener Feldschlacht. Dafür spricht die "Auffindung" der verlorengegangenen Legionsadler: Natürlich waren die nicht "verloren" oder von den Germanen geraubt, sondern sie wurden gegen Germanicus' romtreue Legionen als Feldzeichen geführt und von diesen dann erbeutet. Germanicus' Soldaten töteten die Legionen des Varus (und wahrscheinlich auch ihre Familien) - der Untergang der Brukterer und Marser, und machten natürlich unter den "Verrätern" keine Gefangenen.

Das durfte auf keinen Fall bekanntwerden, die offizielle Sprachregelung war, daß die vernichteten Feinde "aufständische Germanen" waren, die die Legionen vernichtet und mit deren Waffen den Römern entgegengetreten waren und deswegen strengstens bestraft werden mußten - wegen der Schmach und Schande der Desertion und der damit versuchten Revolte gegen Rom wurden diese Legionen natürlich nie wieder aufgestellt, und alle Überlebenden der Meuterei blieben auf Lebenszeit aus Italien verbannt.

Wie unzuverlässig Tacitus als Chronist ist, kann man am Beispiel sehen: Der Ablauf der Varusschlacht (Angriff der Germanen aus Wäldern und Sümpfen heraus, fürchterliche Umstände - Regen, Baumriesen - ausweglose Lage im Hinterhalt zwischen unerklimmbaren Höhenzügen auf der einen Seite und endlosem unpassierbaren Morast auf der anderen) findet sich gleich dreimal, zuerst als Negativvorlage in der Varusschlacht selbst, für deren schrecklichen Ausgang das moralische Versagen des Befehlshabers ursächlich ist, der die Situation völlig falsch eingeschätzt und sich auf jede Weise falsch verhalten hat, dann in Tac. Ann. I 49, wo sich die römische Tapferkeit und die Umsicht des Feldherrn bewährt, und wieder in der Schlacht an den Pontes longi (Tac. Ann. I 64, und zwar bei den letzten beiden Gelegenheiten witzigerweise dort mit der identischen Marsch- und Schlachtordnung mit exakt der gleichen Aufstellung der gleichen vier Legionen), mit wachsendem Grad der Tugend des Führers. Das sind keine historischen Berichte, sondern fiktionale Topoi ohne echten historischen Hintergrund, und alle drei Schlachten dürften daher ziemlich frei erfunden sein.

Auch die Germanen können sich natürlich in unwegsamen Wäldern und Sümpfen nicht frei bewegen, die sind da genauso behindert wie römische Legionäre. Es ist völlig absurd, daß sich tausende von germanischen Kriegern durch unwegsames Gelände durchschlagen, um Legionen auf ihrer Heerstraße zu belagern.

Nur die Archäologie kann zuverlässig Auskunft geben:

Das A und O jeder Armee ist der Nachschub, auch bei den Römern, deshalb legten sie überall breite Heerstraßen an. Außer in Niedergermanien, da findet sich davon nichts. In Germanien wurde nicht marschiert, sondern mit Booten gefahren, auf Binnenwasserstraßen. Es gibt die bekannte Linie die Lippe hinauf bis Anreppen nahe Paderborn, auch verlegte Germanicus in diesen Raum Truppen emsaufwärts (das glauben wir Tacitus mal). Wie kam der Nachschub dann über Stock und Stein bis Hedemünden? Über Land sicher nicht, weseraufwärts auf Seeschiffen auch nicht.

Sondern mit Binnenschiffen: Die "Ems", über die Germanicus fuhr, war nämlich gar nicht unsere Ems, sondern die Hase - an ihrer Bifurkation wechselten die römischen Boote in die Else (Aliso!), fuhren hinab zur Werre (Werre, Werra und Weser sind identisch, die Römer nannten dieses Gewässer - es war für sie nur eines - "Visurgis") und kamen so zur Weser.

Deshalb "verwechselt" Tacitus die Ems und die Weser, d. h. Germanicus fährt die Ems hinauf und befindet sich "plötzlich" an der Weser. Gar nichts verwechselt: Genau das hat er getan. (Eine entsprechende Verbindung kann man zwischen Lippe und Ems vermuten. Damit wäre der Oberlauf der Ems aus römischer Sicht ebenfalls die "Lupia". So konnte der Nachschub für Hedemünden, Hameln und Minden ohne Umweg durch die gefährliche Tidenzone am Meer nicht nur über die Ems transportiert werden, sondern sicher und bequem vom Rhein aus über die Lippe/Ems und dann über die "Ems" (Hase) zur Weser.) Daß das nirgendwo geschrieben steht, liegt daran, daß es ein Staatsgeheimnis und den Autoren in Rom auch nicht bekannt war.

Zumindest an allen strategisch bedeutsamen Stellen dieser "Wasserautobahnen" mußte es Posten und Lager geben. Wenn eine große Verlegung von der Weser an den Rhein stattfand, wird sicher auch nördlich des Wiehengebirges eine rechte Flankensicherung (bei Tacitus Caecina mit seinen vier Legionen) und eine linke südlich des Teutoburger Waldes (die Reiterei, die "entlang der Küste" zum Rhein reiten sollte) vorhanden gewesen sein.

Einer dieser strategischen Punkte ist die Gegend bei Bramsche, wo der Weg entlang des Wiehengebirges auf die Hase trifft, dort könnte bei passender Gelegenheit den Schiffstransporten aufgelauert worden sein. Die Angreifer hatten aber nicht damit gerechnet, daß ihnen von Osten her Truppen in den Rücken fallen würden, die sie vor sich her trieben, wobei sie die sich gabelnden Fundspuren hinterließen.

Die Rasensodenwälle am Kalkrieser Berg waren Defensivstellungen zur Flankierung der etwas westlich zur Sperrung des Durchgangs dort aufgestellten Truppen. Die logische Reaktion des Angreifers wäre gewesen, sich gar nicht erst auf das Gefecht mit den dort postierten Verteidigern einzulassen, sondern sie südlich über den nicht sonderlich steilen Kalkrieser Berg zu umgehen (nördlich durch den Sumpf ging es nicht) und ihnen dann in die Flanke und in den Rücken zu fallen, und genau das sollte der Wall verhindern.

An den mehreren Lücken des wohl nicht durchgehend, sondern abschnittsweise sägezahnartig angelegten Walls waren sicher Verteidiger positioniert, die das Vorfeld beobachten und ggf. durch Ausfälle sichern sollten - man nahm wohl an, daß der Wall selbst hoch genug war, um ihn aus der ungünstigen Position von der Talseite her nicht überreiten oder erklettern zu können, aber die Angreifer haben Karren an ihn herangebracht und davor Kisten als "Treppe" aufgebaut, dort kam es zu einem heftigen Gefecht, bei dem die talseitige Wallkante zertreten und ein Maultier verschüttet wurde. Es gelang den "roten" Kräften, die Sperre der "Blauen" zu durchbrechen und bis zur Hase vorzustoßen, wo sie dann den Transport gesichert oder angegriffen haben: man weiß ja nicht, wer wer war.

Die Bäche durch Moore und Sümpfe waren für diese Transporte ausgesprochen vorteilhaft und dank berittener Flankensicherung vollkommen sicher vor Überfällen: Auch die Germanen konnten sich nicht durch die endlosen undurchdringlichen Sümpfe vorarbeiten.

Die Oberweser war eine strategische Schlüsselposition: Genau dort gehörte auf dem germanischen Schachbrett die Dame hin, von dort aus beherrschte sie die ganze Provinz, und genau dort hatten sich die meuternden Legionen festgesetzt, als es Germanicus gelang, sie durch den getrennten Anmarsch von mehreren Seiten her (evtl. von Norden durch die Porta Westfalica, über die Hase und durch das Werretal sowie die Lippe hoch und von Westen und Süden) anzugreifen und aufzuteilen und dann die beiden Kampfverbände (Brukterer und Marser) getrennt zu vernichten.

Und die archäologische Bestätigung? Die wird sehr schwierig: Überall, wo einst die römischen Wasserwege verliefen, befinden sich jetzt die großen Binnenschiffahrtskanäle. Ich würde in der Umgebung der Hase-Bifurkation suchen, dort sollte man noch am ehesten die Chance haben, auf den Äckern in den ehemaligen, jetzt trockengelegten Sümpfen Römerspuren zu finden; in regelmäßigen Abständen müssen sich an felsigen Vorsprüngen und Sandzungen auch Lager befunden haben.


Schönen Gruß und Spekulatius vom Brittannicus
 
Hallo Britannicus

Hallo!

Ich bin kein Experte - ich habe einige Spekulationen, was möglich sein könnte. Ich bezweifle, daß Kalkriese der Ort der "Varusschlacht" ist, denn es bisher überhaupt keine Beweise dafür, daß die Varus-Armee tatsächlich so wie bei den antiken Autoren beschrieben untergegangen ist, die ganze Schlacht wie auch der Besuch des Schlachtfelds durch Germanicus könnte eine Erfindung sein.

Eine sehr gewagte These aber schauen wir uns einmal ein paar Punkte an:

Erstens den Verlust von drei Legionen unter Varus unter so unehrenhaften Umständen, daß die Wahrheit darüber ein Staatsgeheimnis bleiben mußte und auch nicht überliefert wird. Zweitens befand sich das ganze Heer in Aufruhr, ein kaiserlicher Bevollmächtigter (Germanicus) mußte losgeschickt werden, der die Revolte mit drakonischen Maßnahmen wieder unter Kontrolle brachte, die Situation blieb brenzlig.

Ein "Staatsgeheimnis" dieser Größenordnung wäre in der Antike sicherlich nicht sehr lange geheim geblieben, vor allem nicht, wenn tausende Legionäre in die Niederschlagung irgendwelcher Meutereien verwickelt waren. Außerdem waren selbst Meutereien einzelner Legionen in der Kaiserzeit nicht wirklich ungewöhnlich.

Was wirklich passierte: Die Varus-Legionen, bestehend aus Einheimischen, hatten gemeutert und waren desertiert. Umgebracht wurden nur die römischen Vorgesetzten, Offiziere bis etwa zum Centurio, und die Struktur der Legionen zerfiel auch nicht.

Die Legionen bestanden nicht aus Einheimischen, sondern aus römischen Bürgern, die aus dem gesamten Reich stammen konnten. Einheimische Kontingente findet man nur bei den Hilfstruppen.

Wenn du alle Offiziere bis zum Centurio hinrichten lassen willst, dann beschränkt sich diese Aktion nur auf Leutnante (Optiones) und Hauptmänner und die sind nicht unbedingt die führenden Köpfe eines Heeres von mehreren 10000 Mann.

Britannien kam erst in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. zum römischen Reich, aber das nur nebenbei.

Wie unzuverlässig Tacitus als Chronist ist, kann man am Beispiel sehen: Der Ablauf der Varusschlacht (Angriff der Germanen aus Wäldern und Sümpfen heraus, fürchterliche Umstände - Regen, Baumriesen - ausweglose Lage im Hinterhalt zwischen unerklimmbaren Höhenzügen auf der einen Seite und endlosem unpassierbaren Morast auf der anderen) findet sich gleich dreimal, zuerst als Negativvorlage in der Varusschlacht selbst, für deren schrecklichen Ausgang das moralische Versagen des Befehlshabers ursächlich ist, der die Situation völlig falsch eingeschätzt und sich auf jede Weise falsch verhalten hat, dann in Tac. Ann. I 49, wo sich die römische Tapferkeit und die Umsicht des Feldherrn bewährt, und wieder in der Schlacht an den Pontes longi (Tac. Ann. I 64, und zwar bei den letzten beiden Gelegenheiten witzigerweise dort mit der identischen Marsch- und Schlachtordnung mit exakt der gleichen Aufstellung der gleichen vier Legionen), mit wachsendem Grad der Tugend des Führers. Das sind keine historischen Berichte, sondern fiktionale Topoi ohne echten historischen Hintergrund, und alle drei Schlachten dürften daher ziemlich frei erfunden sein.

Was Unwetter und Stürme als literarische Topoi angeht gebe ich dir Recht. Der Todeskampf einer Legion wird natürlich noch dramatischer, wenn er in Wind und Regen stattfindet, als bei wolkenlosem Himmel und Sonnenschein.


Wenn du annimmst, dass die Varuslegionen später von Germanicus in einer offenen Feldschlacht vernichtet wurden, wie erklärst du dir dann die zahlreichen archäologischen Funde in Kalkriese, die auf einer Marschroute von etlichen Kilometern gefunden wurden und deutlich auf ein Defilee-Gefecht hinweisen. Dieses Schlachtfeld stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Jahr 9 n. Chr., das beweisen die zahlreichen gefundenen Münzen. Auch die Art der Funde deutet darauf hin, dass hier eine römische Armee den Kürzeren gezogen hat. Es finden sich auffällig viele Teile von Helmen und Rüstungen, die, wie man annimmt, von Objekten stammen, die beim Plündern des Schlachtfeldes beschädigt wurden. Und nicht zuletzt haben wir auch die Massengräber, von denen uns die antiken Autoren berichten, dass sie von Germanicus Jahre später angelegt wurden. Untersuchungen an den Knochen haben ergeben, dass diese Leichen zuvor mehrere Jahre an der Oberfläche gelegen haben.

Viele Grüße
Cato
 
Ich bezweifle, daß Kalkriese der Ort der "Varusschlacht" ist, denn es bisher überhaupt keine Beweise dafür, daß die Varus-Armee tatsächlich so wie bei den antiken Autoren beschrieben untergegangen ist, die ganze Schlacht wie auch der Besuch des Schlachtfelds durch Germanicus könnte eine Erfindung sein. Der Wert der Texte antiker Autoren besteht in dem atmosphärisches Bild und den geographischen Details, die den Zeitgenossen bekannt sind, und die sie deswegen nicht frei erfinden können. Was bei Tacitus kann man als wahr unterstellen?̂

Das sind jetzt aber zwei ganz verschiedene Thesen: a) Kalkriese ist nicht der Ort der Varusschlacht (aber die Varusschlacht an sich ist historisch) und b) die Varusschlacht ist unhistorisch.
Was letzteres angeht kann man festhalten, dass es plötzlich drei Legionen, die epigraphisch nachgewiesen sind, nicht mehr gab! Und nicht zuletzt haben wir den Kenotaph des Marcus Caelius, von dessen Bruder gestiftet: Falls man die Knochen seines in der Varusschlacht gefallenen Bruders fände, solle man sie doch hier bei der Colonia Ulpia (=Xanten) bestatten.
Desweiteren ist Tacitus nicht die einzige Quelle zur Varusschlacht, im Prinzip ist er sogar nur eine Quelle dazu, wie das Schlachtfeld sechs Jahre nach der Schlacht aussah. Ihn hierin anzuzweifeln dürfte zuviel der Q-Kritik sein.

Was wirklich passierte: Die Varus-Legionen, bestehend aus Einheimischen, hatten gemeutert und waren desertiert. Umgebracht wurden nur die römischen Vorgesetzten, Offiziere bis etwa zum Centurio, und die Struktur der Legionen zerfiel auch nicht. Es ging nicht um einen Aufstand der germanischen Völker, sondern eher um eine Art koloniale Empörung, vergleichbar mit dem Unabhängigkeitskrieg der nordamerikanischen Kolonien gegen die britische Krone. Für das Imperium drohte dabei ein Flächenbrand, der mit dem Verlust der gesamten transalpinen Gebiete (Gallien, Britannien und Germanien) hätte enden können.

Zunächst: Britannien wurde erst einige Jahrzehnte später römisches Gebiet.
Desweiteren waren die Legionen in der Prinzipatszeit noch homogen römisch, nur die Auxiliareinheiten waren germanisch. Es gibt die These, dass die Varusschlacht zunächst aus einer Revolte der Auxiliareinheiten heraus entstand; diese These ist zwar plausibel, aber an den bekannten Quellen nicht nachzuweisen und basiert auf der Rolle, die Arminius innehatte. Aber die Auxiliareinheiten waren eben nur die Auxiliareinheiten und nicht die gesamte Legion. Somit ist dann auch die folgende These von der Hand zu weisen:

Also erhielt Germanicus den Befehl, die aufständischen Legionen am Rhein zu Räson zu bringen und die desertierten Legionen des Varus zu jagen und zu vernichten, was ihm 14/15 auch gelang, und zwar in offener Feldschlacht. Dafür spricht die "Auffindung" der verlorengegangenen Legionsadler: Natürlich waren die nicht "verloren" oder von den Germanen geraubt, sondern sie wurden gegen Germanicus' romtreue Legionen als Feldzeichen geführt und von diesen dann erbeutet. Germanicus' Soldaten töteten die Legionen des Varus (und wahrscheinlich auch ihre Familien) - der Untergang der Brukterer und Marser, und machten natürlich unter den "Verrätern" keine Gefangenen.

Das durfte auf keinen Fall bekanntwerden, die offizielle Sprachregelung war, daß die vernichteten Feinde "aufständische Germanen" waren, die die Legionen vernichtet und mit deren Waffen den Römern entgegengetreten waren und deswegen strengstens bestraft werden mußten - wegen der Schmach und Schande der Desertion und der damit versuchten Revolte gegen Rom wurden diese Legionen natürlich nie wieder aufgestellt, und alle Überlebenden der Meuterei blieben auf Lebenszeit aus Italien verbannt.

Das wird dann auch dem Tacitus nicht gerecht, der ein Kritiker des Kaiserhauses war. Warum hätte ausgerechnet er - oder auch Sueton - sich an eine offizielle Sprachregelung halten sollen, die er ablehnte?

Wie unzuverlässig Tacitus als Chronist ist, kann man am Beispiel sehen: Der Ablauf der Varusschlacht (Angriff der Germanen aus Wäldern und Sümpfen heraus, fürchterliche Umstände - Regen, Baumriesen - ausweglose Lage im Hinterhalt zwischen unerklimmbaren Höhenzügen auf der einen Seite und endlosem unpassierbaren Morast auf der anderen) findet sich gleich dreimal, zuerst als Negativvorlage in der Varusschlacht selbst, für deren schrecklichen Ausgang das moralische Versagen des Befehlshabers ursächlich ist, der die Situation völlig falsch eingeschätzt und sich auf jede Weise falsch verhalten hat, dann in Tac. Ann. I 49, wo sich die römische Tapferkeit und die Umsicht des Feldherrn bewährt, und wieder in der Schlacht an den Pontes longi (Tac. Ann. I 64, und zwar bei den letzten beiden Gelegenheiten witzigerweise dort mit der identischen Marsch- und Schlachtordnung mit exakt der gleichen Aufstellung der gleichen vier Legionen), mit wachsendem Grad der Tugend des Führers. Das sind keine historischen Berichte, sondern fiktionale Topoi ohne echten historischen Hintergrund, und alle drei Schlachten dürften daher ziemlich frei erfunden sein.

Du vermischt da verschiedene Quellen, unter anderem Cassius Dio. Tacitus schreibt nichts von Regen oder Höhenzügen.

Auch die Germanen können sich natürlich in unwegsamen Wäldern und Sümpfen nicht frei bewegen, die sind da genauso behindert wie römische Legionäre. Es ist völlig absurd, daß sich tausende von germanischen Kriegern durch unwegsames Gelände durchschlagen, um Legionen auf ihrer Heerstraße zu belagern.
Einheimische kennen aber in aller Regel die Wege durch Sümpfe und Wälder, die Fremde nicht kennen. Es ist völlig egal, ob die Schlacht so stattgefunden hat, wie uns die Verfasser der Quellen berichten (keiner davon war dabei, nur Velleius Paterculus wenigstens Zeitgenosse), plausibel ist das schon, dass die Germanen, die keine 40 kg Gepäck schleppen mussten und sich auskannten, in Wäldern und Sümpfen erhebliche Vorteile gegenüber den Römern hatten.
 
Nur zwei Anmerkungen nach überfliegen.

Zu Britannicus' Theorien ist ja bereits einiges gesagt. Allerdings ist der Vergleich des Unabhängigkeitskampfes der 13 Kolonien noch nicht passend beachtet, denn dieser Vergleich hinkt nicht nur.
Römische Provinzen generell, und den nunmal noch immer seltsamen Status Germaniens im besonderen mit eben jenen gegründeten territorialen Kolonien zu vergleichen schließt sich m.E. fast aus und führt uns in die an anderer Stelle geführte "Freiheitskampfdiskussion" zurück.

Cato: römische Offiziere unterhalb der Stabsoffiziere gibt es nur die centuriones. Optiones wurden zwar in der Vergangenheit gerne als "Leutnante" übersetzt, aber das sind sie de facto nicht. Sie fungieren zwar als Stellvertreter der centuriones, werden aber als principales (Unteroffiziere) gelistet und stehen rangmäßig unter den signiferi, welche ebenfalls noch principales sind.
Dazu haben sie eine ganze Reihe Sonderaufgaben, etwa der optio carceris (ich denke der Name erklärt sich selbst). Auch das valetudinarium (in etwa Krankenhaus) unterstand einem optio.
Sowenig wie man jeden centurio mit einem Hauptmann vergleichen kann (der primus pilus bspw. gehört schon halb zum Stabdsdienst) so kann man den optio eben nicht als Leutnant bezeichnen.

"Richtige" Offiziere sind also nur: Centurionen, Tribunen, Präfekten und Legaten.
 
Nur zwei Anmerkungen nach überfliegen.

Cato: römische Offiziere unterhalb der Stabsoffiziere gibt es nur die centuriones. Optiones wurden zwar in der Vergangenheit gerne als "Leutnante" übersetzt, aber das sind sie de facto nicht. Sie fungieren zwar als Stellvertreter der centuriones, werden aber als principales (Unteroffiziere) gelistet und stehen rangmäßig unter den signiferi, welche ebenfalls noch principales sind.
Dazu haben sie eine ganze Reihe Sonderaufgaben, etwa der optio carceris (ich denke der Name erklärt sich selbst). Auch das valetudinarium (in etwa Krankenhaus) unterstand einem optio.
Sowenig wie man jeden centurio mit einem Hauptmann vergleichen kann (der primus pilus bspw. gehört schon halb zum Stabdsdienst) so kann man den optio eben nicht als Leutnant bezeichnen.

"Richtige" Offiziere sind also nur: Centurionen, Tribunen, Präfekten und Legaten.

Danke für die Korrektur. Natürlich ist es schwierig, die Ränge des römischen Heeres mit denen moderner Armeen zu vergleichen. Ich habe das auch nur deshalb gemacht, um darauf hinzuweisen, wo der Dienstgrad des Centurionen in etwa anzusiedeln ist. Es erschien mir nämlich so, als wäre das in dem Post, auf den ich mich bezogen habe, nicht ganz klar.

Du hast natürlich Recht, dass der Optio als Principalis zum Unteroffizierskorps gehörte auch wenn er der direkte Stellvertreters des Centurios war. Aus heutiger Sicht betrachtet wäre er aber, wenn ich den Centurio zum "Kompaniechef" mache, in seiner Funktion wohl eher mit einem Leutnant oder Oberleutnant vergleichbar und würde in unserem Verständnis zu den niederen Offizieren gerechnet werden.

Viele Grüße
Cato
 
Hallo!

Cato: römische Offiziere unterhalb der Stabsoffiziere gibt es nur die centuriones. Optiones wurden zwar in der Vergangenheit gerne als "Leutnante" übersetzt, aber das sind sie de facto nicht. Sie fungieren zwar als Stellvertreter der centuriones, werden aber als principales (Unteroffiziere) gelistet und stehen rangmäßig unter den signiferi, welche ebenfalls noch principales sind.
Dazu haben sie eine ganze Reihe Sonderaufgaben, etwa der optio carceris (ich denke der Name erklärt sich selbst). Auch das valetudinarium (in etwa Krankenhaus) unterstand einem optio.
Sowenig wie man jeden centurio mit einem Hauptmann vergleichen kann (der primus pilus bspw. gehört schon halb zum Stabdsdienst) so kann man den optio eben nicht als Leutnant bezeichnen.

"Richtige" Offiziere sind also nur: Centurionen, Tribunen, Präfekten und Legaten.
Entschuldigung, hier liegt wohl ein Mißverständnis vor: mit "nur die römischen Vorgesetzten, Offiziere bis etwa zum Centurio" meinte ich natürlich "vom General bis zum Centurio (Hauptmann) herab", also die höheren Offiziere.

Das ist natürlich nur eine Vermutung, die nur dann einen Sinn hat, wenn es innerhalb der Truppe ethnische Gegensätze zwischen Mannschaften und Offizieren gibt - wenn es zutrifft, daß ethnische Germanen nur in Auxiliareinheiten dienten und die Legionäre selbst nicht-germanische römische Bürger waren, ist diese ganze Vorstellung nicht haltbar, vielmehr läge dann kein ethnischer Konflikt, sondern eine echte Meuterei vor, also ein Abfall der Legionen vom Kaiser.


Schönen Gruß vom Brittannicus
 
Hallo!

Ein "Staatsgeheimnis" dieser Größenordnung wäre in der Antike sicherlich nicht sehr lange geheim geblieben, vor allem nicht, wenn tausende Legionäre in die Niederschlagung irgendwelcher Meutereien verwickelt waren.

Das ist eine unüberprüfbare Behauptung. So gut waren die Konmmunikationsverbindungen nicht.

Außerdem waren selbst Meutereien einzelner Legionen in der Kaiserzeit nicht wirklich ungewöhnlich.

Die Legionen bestanden nicht aus Einheimischen, sondern aus römischen Bürgern, die aus dem gesamten Reich stammen konnten. Einheimische Kontingente findet man nur bei den Hilfstruppen.
Gut, wenn das zutrifft, dann ist das ein starkes Argument gegen eine geschlossene Desertion aus ethnischen Gründen. Aber kennt man die Zusammensetzung der betreffenden Legionen wirklich? Ich halte es für plausibel, daß Truppen jeweils aus den eroberten Kolonien aufgestellt wurden.

Wenn du alle Offiziere bis zum Centurio hinrichten lassen willst, dann beschränkt sich diese Aktion nur auf Leutnante (Optiones) und Hauptmänner und die sind nicht unbedingt die führenden Köpfe eines Heeres von mehreren 10000 Mann.
Gemeint waren die führenden Offiziere "bis zum Centurio herab", von denen ich annehmen würde, daß sie auch bei Einheiten aus "Fremdenlegionären" römische Bürger aus alteingesessenen römischen Familien waren.

Britannien kam erst in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. zum römischen Reich, aber das nur nebenbei.
Seit Caesar war es römisches Einflußgebiet.

Wenn du annimmst, dass die Varuslegionen später von Germanicus in einer offenen Feldschlacht vernichtet wurden, wie erklärst du dir dann die zahlreichen archäologischen Funde in Kalkriese, die auf einer Marschroute von etlichen Kilometern gefunden wurden und deutlich auf ein Defilee-Gefecht hinweisen.
Was wurde wo gefunden? Insgesamt ist die Fundmenge viel zu gering, um daraus auf den Untergang von drei Legionen zu schließen, und räumlich sehr konzentriert, zum einen vor der Befestigung am Hang des Kalkrieser Bergs, zum anderen die beiden Ausläufer nach Westen hinter Engstelle.

Diese Fundsituation paßt ganz hervorragend zu meiner Ablaufskizze, daß es ein relativ kleines Gefecht beim Angriff auf die Zuganggsperre am Hang des Kalkrieser Bergs gegeben hat und anschließend die Angreifer durchgebrochen sind und die Verteidigungsstellung vor dem Bramscher Hafen bzw. hypothetisch dort zu suchenden Militärposten eingenommen haben.

Mein wesentliches Argument (ich mußte meinen ursprünglich konzipierten Beitrag wegen Überlänge um gut ein Drittel kürzen) ist Dir offenbar entgangen: Unabhängig von der Überlieferung haben wir archäologische Befunde (Hedemünden u. a.) für eine starke Militärpräsenz an der Oberweser, die strategisch auch sinnvoll ist, wenn man sich die Karte ansieht. Für diese Präsenz ist die entsprechende Logistik notwendig, und die bisher vertretene Ansicht war, daß die wohl von Anreppen aus über den Landweg (dorthin auf dem Wasserweg über die Lippe) und von der Nordsee aus über die Weser erfolgt ist.

Ich habe dagegen darauf hingewiesen, daß man die Existenz eines "natürlichen Mittelandkanals" vermuten kann: Versorgung der Oberweser auf dem Wasserweg vom Rhein aus und über die Ems. Dazu mache ich zwei Annahmen: Im Moorgebiet im gemeinsamen Quellbereich von Lippe und Ems gab es zwischen beiden befahrbare Wasserverbindungen (natürliche oder eben kleine Gräben wie z. B. in der Nordheide bzw. der Gegend zwischen Bremen und Worpswede) - es geht um etwa 5 km zwischen Wiedenbrück und Lippspringe, ein gut 1 m tiefer und wenige Meter breiter Graben reicht für "Schwerlastverkehr" mit naves actuariae völlig aus, das ginge auch für Truppenverlegungen selbst sehr bequem, wenn die Tragtiere der Manipel zum Treideln eingesetzt werden - wodurch Transporter vom Rhein her kommend direkt emsabwärts weiterfahren können, und zweitens gibt es in die Weserfestung ebenfalls einen direkten Binnenschiffahrtszugang von der Ems aus über die Hase und die Else zur Weser.

Wenn, wie ich annehme, "Amisia" nicht die Ems von Wiedenbrück aus ist, sondern ab Meppen flußauf die Hase, dann ist Bramsche eine wichtige strategische Position zum Ein- und Ausschiffen in Richtung Minden (wer weiß, vielleicht gab es seinerzeit im Bereich des heutigen Mittellandkanals auch schon schiffbare Gräben - wo Sumpf ist, ist auch Wasser), der zudem ein möglicher Angriffspunkt war. Dort würde ich ein dauerhaftes befestigtes Lager (nicht gleich ein Legionslager) erwarten und mich nicht wundern, daß in dessen Nähe Kampfspuren zu finden sind.

Namensgebung der Gewässer: Es ist anzunehmen, daß die Römer zusammenhängenden Gewässern einheitliche Namen geben. Demgemäß würde nach meiner Annahme "Lupia" sowohl die Lippe als auch den Oberlauf der Ems beschreiben (sie mündet dann aus römischer Sicht in Rhein und Ems), "Amisia" ist die Ems (Hase) von ihrer Quelle nördlich des Teutoburger Walds bis an die Nordsee, und "Visurgis" ist das Flußsystem Werra / Weser / Werre, das mit der "Ems" über die Else in Verbindung steht. (Und solche wichtigen strategischen Informationen hängt man natürlich nicht an die große Glocke.) Ob die Römer die Weser im weiteren Verlauf abwärts zur Nordsee überhaupt kannten und benutzten, ist doch gar nicht bekannt, es gibt dazu keine archäologischen Funde und keine Überlieferung.

Die Idee der Versorgung der Oberweser über See ist jedenfalls ziemlich absurd: Die Tidenzonen vor der Wesermündung sind extrem tückische Gewässer, die regelmäßig zu Schiffbruch geführt haben müßten, und der Weg weseraufwärts ist ohne die Flußregulierung der Neuzeit lang und beschwerlich und durch viele Untiefen behindert. Da sind bestimmt keine regelmäßigen Versorgungstransporte gefahren, höchstens ab und zu mal ein paar Abenteurer und Händler. Ohne Seehafen an der Unterweser ist das schlicht undenkbar (Gezeiten, Sturmfluten), es müßten ferner entsprechende Legionslager analog zu denen an der Lippe in regelmäßigen Abständen vorhanden sein: Für alles keine Überlieferung und keine archäologischen Anhaltspunkte vorhanden.

Dieses Schlachtfeld stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Jahr 9 n. Chr., das beweisen die zahlreichen gefundenen Münzen.
Es wurde oft genug diskutiert, daß die Münzen gar nichts beweisen, nicht einmal die Existenz von "diesem" Schlachtfeld, denn es kann sich um Funde aus verschiedenen Kampfhandlungen handeln. Wenn Bramsche ein Militärposten war, dann ist die Gegend eine gut frequentierte.

Auch die Art der Funde deutet darauf hin, dass hier eine römische Armee den Kürzeren gezogen hat. Es finden sich auffällig viele Teile von Helmen und Rüstungen, die, wie man annimmt, von Objekten stammen, die beim Plündern des Schlachtfeldes beschädigt wurden.
Die Funde zeigen, daß es sich um Kampfhandlungen mit Beteiligung von Römern handelt - hat das jemand bezweifelt?

Und nicht zuletzt haben wir auch die Massengräber, von denen uns die antiken Autoren berichten, dass sie von Germanicus Jahre später angelegt wurden.
Was denn für Massengräber? Die paar Dutzend Toten? Da fehlen aber noch 20.000.


Schönen Gruß vom Brittannicus
 
Hallo!

Das sind jetzt aber zwei ganz verschiedene Thesen: a) Kalkriese ist nicht der Ort der Varusschlacht (aber die Varusschlacht an sich ist historisch) und b) die Varusschlacht ist unhistorisch.

Ich meinte b.

Was letzteres angeht kann man festhalten, dass es plötzlich drei Legionen, die epigraphisch nachgewiesen sind, nicht mehr gab!
Die gibt es auch nach einer Desertion nicht mehr.

Und nicht zuletzt haben wir den Kenotaph des Marcus Caelius, von dessen Bruder gestiftet: Falls man die Knochen seines in der Varusschlacht gefallenen Bruders fände, solle man sie doch hier bei der Colonia Ulpia (=Xanten) bestatten.
Das steht da doch gar nicht. Das steht "bellum Varianum" ([ce]cidit bello Variano - fiel im Varianischen Krieg), das kann alles mögliche heißen.

Desweiteren ist Tacitus nicht die einzige Quelle zur Varusschlacht, im Prinzip ist er sogar nur eine Quelle dazu, wie das Schlachtfeld sechs Jahre nach der Schlacht aussah. Ihn hierin anzuzweifeln dürfte zuviel der Q-Kritik sein.
Die Berichte können alle auf die gleiche veröffentlichte Falschmeldung (oder das gleiche Mißverständnis) zurückgehen.

Zunächst: Britannien wurde erst einige Jahrzehnte später römisches Gebiet.
Caesar war 40 Jahre früher dort.

Desweiteren waren die Legionen in der Prinzipatszeit noch homogen römisch, nur die Auxiliareinheiten waren germanisch. Es gibt die These, dass die Varusschlacht zunächst aus einer Revolte der Auxiliareinheiten heraus entstand; diese These ist zwar plausibel, aber an den bekannten Quellen nicht nachzuweisen und basiert auf der Rolle, die Arminius innehatte. Aber die Auxiliareinheiten waren eben nur die Auxiliareinheiten und nicht die gesamte Legion. Somit ist dann auch die folgende These von der Hand zu weisen:
Gut, wenn die Mannschaften wirklich keine Einheimischen waren, dann ist das ein gewichtiges Argument, aber es haben im gleichen Zeitraum lt. Tacitus eben auch Legionen am Rhein rebelliert.

Das wird dann auch dem Tacitus nicht gerecht, der ein Kritiker des Kaiserhauses war. Warum hätte ausgerechnet er - oder auch Sueton - sich an eine offizielle Sprachregelung halten sollen, die er ablehnte?
Weil er die Wahrheit vielleicht auch nicht kannte.

Du vermischt da verschiedene Quellen, unter anderem Cassius Dio. Tacitus schreibt nichts von Regen oder Höhenzügen.
Von Regen nicht, aber selbstverständlich sind die genannten Gefechte des Germanicus zwischen Höhen und Sumpf.

Einheimische kennen aber in aller Regel die Wege durch Sümpfe und Wälder, die Fremde nicht kennen.
Das kann man getrost zu den Märchen rechnen.

Es ist völlig egal, ob die Schlacht so stattgefunden hat, wie uns die Verfasser der Quellen berichten (keiner davon war dabei, nur Velleius Paterculus wenigstens Zeitgenosse), plausibel ist das schon, dass die Germanen, die keine 40 kg Gepäck schleppen mussten und sich auskannten, in Wäldern und Sümpfen erhebliche Vorteile gegenüber den Römern hatten.
Nein, ist es nicht: Drei Legionen kann man nicht mit einer Handvoll Freischärler vernichten, dafür ist in jedem Fall ein etwa gleichstarkes Heer erforderlich, und das benötigt eine unfängliche Logistik. Das ist ein weiteres Argument, warum die ganze Varusschlacht unhistorisch ist: Die Geschichte der Angriffe auf die marschierenden Truppen in ungünstigem Gelände ist eine literarische Erfindung.


Schönen Gruß vom Brittannicus
 
Hallo Britannicus,

Das ist eine unüberprüfbare Behauptung. So gut waren die Konmmunikationsverbindungen nicht.
Außerdem waren selbst Meutereien einzelner Legionen in der Kaiserzeit nicht wirklich ungewöhnlich.

Meine Behauptung basiert auf reiner Logik. Tausende Legionäre können so ein "Staatsgeheimnis" nie für sich behalten. Dass Soldaten mit ihren Taten prahlen und gerne darüber plaudern, kann sich jeder vorstellen, besonders in lockerer Atmosphäre in einem Wirtshaus. Außerdem hast du im Heer noch zahlreiche Nichtkombattanten von Sklaven über Huren bis zu den Familien der Soldaten. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass bei einer so großen Anzahl involvierter Personen ein solches "Geheimnis" bewahrt werden konnte. Diese These funktioniert in meinen Augen nicht.

Seit Caesar war es römisches Einflußgebiet.

Das ist so nicht richtig. Zwar machte Caesar während seines gallischen Krieges zwei Expeditionen nach Britannien, von einem römischen Einflussgebiet kann aber nicht die Rede sein. Nach dem Abzug der Römer wurde die Insel wieder weitgehend sich selbst überlassen. Erst 43 n. Chr. wurde unter Kaiser Claudius mit der systematischen Eroberung begonnen.

Zitat:
Einheimische kennen aber in aller Regel die Wege durch Sümpfe und Wälder, die Fremde nicht kennen.
Das kann man getrost zu den Märchen rechnen.
Wieso Märchen? In der Nähe meines Hauses befindet sich ein Wäldchen. Dadurch verläuft ein kleiner Trampelpfad, der zum Nachbardorf führt und nicht als solcher beschildert ist. Ich als Einheimischer kenne diesen Weg, aber ich bin sicher, dass du ihn nicht kennst. In der Antike wird es sich nicht anders verhalten haben.

Nein, ist es nicht: Drei Legionen kann man nicht mit einer Handvoll Freischärler vernichten, dafür ist in jedem Fall ein etwa gleichstarkes Heer erforderlich, und das benötigt eine unfängliche Logistik. Das ist ein weiteres Argument, warum die ganze Varusschlacht unhistorisch ist: Die Geschichte der Angriffe auf die marschierenden Truppen in ungünstigem Gelände ist eine literarische Erfindung.

Diese Behauptung ist sehr gewagt und nur unzureichend begründet.
Dass die Beschaffenheit des Geländes sehr großen Einfluss auf den Verlauf einer Schlacht haben kann ist hinlänglich bekannt, dafür gibt es zahlreiche Beispiele.
Auch technologisch unterlegene Armeen können, wenn sie taktisch gut geführt werden und über eine gute Kampfmoral verfügen, weiter entwickelte Gegner schlagen. Auch hierfür finden sich Belege in der Geschichte. Ein Beispiel aus der Neuzeit wäre der Vietnamkrieg. Hier kann man auch noch einmal den erstgenannten Aspekt, die Bedeutung des Geländes, sehen. Aber wenden wir uns wieder der Antike zu.

Zur Darstellung wichtiger Funde aus der Varusschlacht, wie etwa der Münzen, und deren Deutung empfehle ich dir das Buch "Die Varusschlacht" von Rainer Wiegels.
 
Zuletzt bearbeitet:
Um es mal zusammen zu fassen, Britannicus:
Du bist der Ansicht, dass die Varusniederlage erfunden wurde, um die Meuterei von 3 Legionen zu vertuschen.
Da gibt es eine Reihe von Denkfehlern. Ich belasse es mal bei einigen besonders augenfälligen:
1. Eine Meuterei fand nur wenige Jahre danach statt, die in einem Teil vehement unterdrückt, im anderen mit sehr peinlichen Momenten verbunden wieder in den Griff bekommen wurde. Die Chronisten dieser Vorgänge sind z.T. die gleichen Personen, wie im Varusfall. Die peinlichen Momenten passieren zudem zumindest in Tacitus' Fall den Favoriten dieser Schreiber. WENN sie also vertuschen würden, müßte man annehmen, dass dies die richtige Stelle dafür wäre.
2. Traditionslinien: Historiker und Philologen beschäftigen sich mittlerweile eine geraume Zeit damit, zu analysieren, wer von wem welche Information abschrieb. So kann man mitunter recht gut bestimmen, dass z.B. Polybios gerne mal von Fabius Pictor abschrieb usw.
Die Vertuschung wäre dann wohl vom Zeitzeugen Paterculus ausgehend auf die anderen Autoren zu lesen, aber bei deren Darstellungen gibt es gravierende Unterschiede. Wenn du jetzt nicht behaupten willst, dass diese sich beständige künstlerische Freiheiten genommen haben (was sicherlich auch vorkam, aber bei weitem nicht das hier anzunehmende Ausmaß hatte) dann stimmen verschiedene Berichte zumindest in der reinen Sachlage überein.
3. Übereinstimmung von Schrift und Fund. Varus war vor Ort, das berichten die schriftlichen Quellen und die Funde lassen sich in diese Richtung lesen.
Drei Legionen werden als Totalverlust zusammen mit mehreren Kohorten aus der Schlacht geführt, Germania damit als nicht mehr gesichert betrachtet, das Tor ins "richtigseitige" Rheinland steht bedenklich auf. In den gleichen Zeitraum fällt die Aufgabe der Siedlung Waldgirmes, diese wird überhastet verlassen, eine wertvolle Statue des Augustus wird zurück gelassen (ohne Bedrohungslage wohl kaum möglich).
4. Verfahrensweise von Militär und Autoren:
Am Beispiel der Legio I Germanica, die gerne mal die falsche Seite in Bürgerkriegen und Aufständen ergriff, wird klar, dass meuternde Truppen nicht mit Stumpf und Stil vernichtet wurden. Sie wurde aufgelöst und auf andere Truppen verteilt, Todesurteile scheinen kaum ausgesprochen worden zu sein.
Die Legio XXI Rapax existierte sogar scheinbar ohne größere Strafe weiter und verschwindet dann wohl in einem Feldzug (was mitunter als Strafaktion gesehen wird). Beide Fälle wurden übrigens berichtet. Genauso wie diverse Gegenkaiser, Bürgerkriege, Meutereien & Aufstände.
Was sollte also an diesem Fall anders sein, dass er Vertuschenswert erscheint? Zumal die Schande der Niederlage in einem Hinterhalt die Soldaten keineswegs besser stellte, als die Schande gemeutert zu haben.

Wie gesagt, dass nur einige Ausszüge.
Zur ethnischen Zusammensetzung: die Legionen bestanden aus Bürger. Es existieren diverse "duty roster", die uns zeigen, wie der Alltag und in etwa die Zusammensetzung aussah.
Im rheinischen Gallien und im "römischen" Germanien gab es in den Jahrzehnten vor Varus nicht genug römische Bürger, um daraus drei Legionen zu rekrutieren.
Caesar z.B. hatte auf die latinisierten Gallier der Gallia cisalpina zurückgegriffen, was nicht protestlos ablief. Latinisches Bürgerrecht entspricht nicht dem der vollwertigen Bürger.
 
Nana ,
die Decima vergessen ?
Dabei wurde jeder 10. hingerichtet , nicht nur nach Meutereien eine beliebte Strafe .
Laut Tacitus ,soll Germanicus bei seinen Feldzügen das Schlachtfeld gefunden und die Leichen verbrannt haben , also keine grossen Massengräber .
Ein Blechteil mit der Markierung " legio prima " , bei Klakriese gefunden bringt neue Diskussionen aber keinen entgültigen Beweis , es könnte schliesslich während der Besattungen verloren worden sein .
 
Drei Legionen kann man nicht mit einer Handvoll Freischärler vernichten, dafür ist in jedem Fall ein etwa gleichstarkes Heer erforderlich, und das benötigt eine unfängliche Logistik. Das ist ein weiteres Argument, warum die ganze Varusschlacht unhistorisch ist: Die Geschichte der Angriffe auf die marschierenden Truppen in ungünstigem Gelände ist eine literarische Erfindung.

Die Theorie scheint mir nicht haltbar. Dazu waren die Folgen der Varus-Niederlage und der letztlich erfolglosen Rachefeldzüg des Germanicus zu weitreichend. Wären die drei angeblich abtrünnigen Legionen vernichtet worden, hätte kein Grund bestanden, die Provinz-Pläne nicht weiter zu verfolgen. Es muss also noch jemanden gegeben haben, der die Römer bekämpfen konnte. Es ist auch nicht denkbar, dass drei abtrünnige Legionen in der Region mehrere Jahre lang als Verband weiter bestehen konnten. Dazu hat Germanien nach allem was wir wissen zu wenig Überschüsse produzieren können. Deshalb mussten die Legionen ja jeweils mit einem großen Tross von außen versorgt werden. Die meuternden Legionen hätten sich also aufteilen müssen und wären auf die Versorgung durch die einheimische Bevölkerung angewiesen gewesen. Dass germanische Stammeskrieger gegen die Legionen grundsätzlich nicht bestehen konnten, ist auch nicht richtig. Immer wieder haben sie solche Siege errungen. Zum Beispiel Caesar und Lollius haben je eine Legion verloren. Und dass die leichtbewaffneten Germanen in dem schweren Gelände beweglicher waren als Legionäre, die wie Maulesel bepackt waren, ist wohl eigentlich auch unstrittig. Genau deshalb haben die Legionen ja solche Hilfstruppen mitgeführt.

Ich verstehe auch nicht ganz, welche Frage Deine Theorie denn beantworten soll. Auch mit den gängigen und plausibleren Theorien lassen sich alle Fragen beantworten. Die Schlachtfelder am Harzhorn und bei Kalkriese unterscheiden sich einfach grundlegend. Im einen Fall (Harz) finden die Archäologen Spuren des Kampfgeschehens selbst. Im anderen Fall finden sie fast nur Spuren der Geschehnisse danach (systematisches Leichenfleddern). Und übriggeblieben sind fast nur Kleinteile, die beim gewaltsamen Plündern abgerissen und übersehen wurden.

MfG
 
Laut Tacitus soll Germanicus bei seinen Feldzügen das Schlachtfeld gefunden und die Leichen verbrannt haben, also keine grossen Massengräber.

Nein, von Verbrennung steht in den Quellen nichts, nur von Inhumierung. Gängig war es wohl, dass die Römer ihre Toten verbrannten, aber dies galt wohl vor allem gerade gestorbenen, nicht Personen, die sechs Jahre nach ihrem Tod beerdigt wurden. http://www.geschichtsforum.de/f28/brandbestattung-der-r-mer-23958/

Germanicus soll einen Grabhügel errichtet haben, der aber von den Germanen wieder zerstreut wurde. Außerdem bezweifle ich, dass er wirklich alle Knochen zentral bestatten ließ.

Ein Blechteil mit der Markierung "legio prima", bei Kalkriese gefunden, bringt neue Diskussionen aber keinen endgültigen Beweis, es könnte schließlich während der Bestattungen verloren worden sein.

Auf der Schwertscheide steht "LPA", was man mit einiger Wahrscheinlichkeit als Legio Prima Augusta interpretieren kann. Andere Interpretationen würde ich aber nicht ausschließen, etwa die Initialen eines Römers.

Aber Du hast natürlich Recht, die Interpretation Legio Prima Augusta ist kein wirkliches Argument gegen die Lokalisierung der Varusschlacht bei Kalkriese, es wäre allerdings ein starkes Indiz für die Anwesenheit der ersten Legion vor Ort, wie Du richtig sagst auch im Kontext des Germanicus-Besuchs auf dem Schlachtfeld.
 
Auch technologisch unterlegene Armeen können, wenn sie taktisch gut geführt werden und über eine gute Kampfmoral verfügen, weiter entwickelte Gegner schlagen.

Zumal die Germanen zu dieser Zeit eine Durchschnittsgröße von 1,70 m gegenüber 1,55 m bei den Römern aufwiesen. Wurde anhand von Knochenresten herausgefunden.
Ansonsten finde ich die These von Brittannicus in Bezug auf die örtlichen Gegebenheiten sehr interessant. Was die Schlachtthese ansich betrifft kann ich mir keinen Grund vorstellen, warum man eine glorreiche Niederschlagung einer meuternden Armee verschweigen und daraus eine schändliche Niederlage machen sollte?
 
Nana ,
die Decima vergessen ?
Dabei wurde jeder 10. hingerichtet , nicht nur nach Meutereien eine beliebte Strafe .
Nana, das Ansehen dieser Strafe vergessen und worüber ich schrieb? Die decimatio wurde zwar auch in der Kaiserzeit noch mitunter angewandt "erschien dann aber als ein Relikt einer längst vergangenen Epoche". (DNP Artikel zur decimatio)
Soll heißen, ich habe sie nicht aufgelistet, weil auch sie nicht zur völligen Auflösung der Truppe führte, und ihre Anwendung in Relation so selten ist, dass die Erwähnung der Eingliederung in andere Truppen sinnvoller erschien.

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Strafmöglichkeiten und die bereits erwähnten beinhalten weitere, etwa die Aberkennung der Feldzeichen usw. usf. Aber ich denke, wir können es hierbei bewenden lassen.
 
El Quijote schrieb:
Und nicht zuletzt haben wir den Kenotaph des Marcus Caelius, von dessen Bruder gestiftet: Falls man die Knochen seines in der Varusschlacht gefallenen Bruders fände, solle man sie doch hier bei der Colonia Ulpia (=Xanten) bestatten.
Oder besser bei Castra Vetera. Die Colonia wurde erst unter Trajan gegründet, um die 100 Jahre später.
;)
 
Ich denke, Brittannicus' Sicht der Dinge spiegelt das Naheliegende wieder.

Ich will die Existenz der "Varusschlacht" nicht völlig ausschliessen;

allerdings ist es imho verwegen, aufgrund von Schilderung antiker Klatschmäuler, die grossteils keine Zeitzeugen sind, in romantischer bzw. wilhelminischer Tradition die Kämpfer der "Freiheit" hier im Kampf mit der militärischen Dampfwalze zu sehen, die gottlob den Kürzeren gezogen hat.

Warum es bei dem damalig vorhandenen militärischen Material von Vorteil gewesen sein soll, wenn einige "einheimische" (?) Kämpfer das Gelände kannten (die übrigen Zigtausend naturbedingter Lage jedoch nicht), erschliesst sich mir auch nicht.

Bez. des Vietnamvergleichs: Die USA hätten den Konflikt militärisch relativ leicht gewinnen können; die Niederlage war politischer Natur.


Zumal die Germanen zu dieser Zeit eine Durchschnittsgröße von 1,70 m gegenüber 1,55 m bei den Römern aufwiesen. Wurde anhand von Knochenresten herausgefunden.
...

Wirklich?

M.W. gehen die Zahlen auf Junkelmann zurück (sorry, wenn ich mich irre) und sind nicht unumstritten.



LG
 
... allerdings ist es imho verwegen, aufgrund von Schilderung antiker Klatschmäuler, die grossteils keine Zeitzeugen sind, in romantischer bzw. wilhelminischer Tradition die Kämpfer der "Freiheit" hier im Kampf mit der militärischen Dampfwalze zu sehen, die gottlob den Kürzeren gezogen hat.

Dazu haben einige Mitglieder mE bereits kompetente Ausführungen - die sich auch nicht gerade romantisch verklärt lesen - in diesem Thread gemacht :fs:

Wirklich?

M.W. gehen die Zahlen auf Junkelmann zurück (sorry, wenn ich mich irre) und sind nicht unumstritten.

Ich hätte darauf wetten können, daß diese Zahlen bzw. die Aussage, daß die Germanen im Durchschnitt etwa einen Kopf größer waren als die Römer, auf Skelett- und Moorfunde zurückzuführen ist bzw. sind.
 
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