Aufklärung und Liberalismus

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Gast

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Hallo Freunde der Geschichte,

ich habe da mal eine kurze Frage bezüglich des Verhältnisses zwischen Liberalismus und Aufklärung. Kann ich die Aufklärung als eine philosophische Richtung betrachten, deren Inhalt den Liberalismus, als politische Bewegung mitbegründet hat? Oder sind beide Denkweisen vom selben Schlag (also politisch oder philosophisch oder xxx) und damit zwei Gegenüberstehende Denkweisen, die allerdings Gemeinsamkeiten haben?

Wäre euch sehr dankbar für etwas Unterstützung.
 
Eine Trennung zwischen philosophischer Aufklärung und politischem Liberalismus trifft m.E. nicht ganz die Sache. Liberalismus ist zwar klar eine politische Richtung und fußt auch auf den Gedanken der Aufklärung, allerdings bezieht sich der Begriff auf einen engeren Zusammenhang, meißt wirtschaftlich-politischer Natur. Aufklärung ist zu nichten rein philosophisch, sondern hatte auch viele praktische Auswirkungen auf Öffentlichkeit und Gesellschaft (Bildungsbürgertum, Lesezirkel, Printwesen, etc.). Die Aufklärung beinhaltete auch politische Richtlinien und zog staatstheoretische und -praktische Entwicklungen nach sich. Ich würde die Aufklärung als Bedingung zum Liberalismus verstehen, jedoch nicht versuchen deren Themenfelder zu trennen und beide Positionen nebeneinander zu stellen. Der Liberalismus war nur eine unter vielen anderen Denkströmungen, die durch die Aufklärung ermöglicht wurden.
 
Dann eben noch einmal exzerpiert...

1. Der Liberalismus bezieht sich eben nicht nur auf wirtschaftspolitische Aspekte.
Vom bereits verlinkten Liberalismus - Lexikon die wichtigsten Punkte - auch in Bezug zur Aufklärung:
Liberalismus schrieb:
... ist eine politische Weltanschauung, die die Freiheiten des einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt und jede Form des geistigen, sozialen, politischen oder staatlichen Zwangs ablehnt. Die vier wichtigsten Prinzipien des Liberalismus sind: a) das Recht auf Selbstbestimmung auf der Basis von Vernunft und Einsicht, b) die Beschränkung politischer Macht und c) die Freiheit gegenüber dem Staat, d) die Selbstregulierung der Wirtschaft auf der Basis persönlichen Eigentums.
Als eine Hauptströmung der Moderne geht der Liberalismus auf zentrale Ideen der Aufklärung zurück...

2. Der Konservativismus stellt in seinem Ursprung eher eine Gegenbewegung dar: Konservatismus - Lexikon
Konservativismus schrieb:
... ist eine politische Weltanschauung, die die Stärken der Tradition hervorhebt, die herrschende politische Ordnung bewahrt bzw. stärkt und die vorgegebene Verteilung von Macht und Reichtum vor Kritik schützt. Die drei wichtigsten Prinzipien des Konservativismus sind daher Identität, Sicherheit und Kontinuität.
Der politische Konservativismus ist antimodernen Ursprungs; er entstand als Gegenbewegung zu den Ideen der Aufklärung und der Prinzipien von Vernunft und Kritik. Gegen diese setzt der Konservativismus auf die Festigung und den Vorrang des Glaubens und eine damit verbundene (göttliche oder weltliche) Ordnung, die (im Gegensatz zur Forderung nach Gleichheit in der Französischen Revolution) das hierarchische Element betont...
Fortschritt und Veränderung werden nicht grundsätzlich ausgeschlossen, bedürfen zunächst aber allgemeiner Zustimmung und Bewährung. Bei aller Vielfalt ist ein positives Verhältnis zum Umgang mit der Macht und der Ausübung von Macht ein wesentliches Element konservativen Denkens...
Allerdings teilt der Konservativismus wirtschaftspolitisch zentrale Punkte (individuelle Verantwortung, privatwirtschaftliche Prinzipien, technischer Fortschritt) mit dem Liberalismus, welche wiederum auf aufklärerischen Ideen beruhen bzw. von diesen abgeleitet wurden.
 
Der Konservatismus profitierte doch sicherlich auch von der Aufklärung, wenn auch in geringerem Maße.

Ja, mit Sicherheit! Er übernahm aufklärerisches Denken und benutzte dieses um konservative Wert- und Systemvorstellungen neu zu untermauern. Das beste Beispiel hierfür dürfte wohl Edmund Burke sein, der in seinen Texten der Vernunft und der logischen Argumentation einen hohen Stellenwert zubilligte um die alte Ordnung (Englisches Politiksystem seit 1688 - Glorious Revolution) gegen die "Unvernunft" der französischen Revolutionäre zu verteidigen. Der Konservatismus stellte demnach inhaltlich/politisch eine Gegenreaktion zur Aufklärung dar (Burke verstand unter Vernunft nicht das, was etwa Kant darunter verstanden wissen wollte), ging aber in seiner Argumentationsstruktur und auch in seiner thematischen Auswahl mit der Aufklärung einher.
 
Dann eben noch einmal exzerpiert...

1. Der Liberalismus bezieht sich eben nicht nur auf wirtschaftspolitische Aspekte.
Nein, so war das auch nicht intendiert. Dennoch gibt es trotz gemeinsamer Ideen von Aufklärung und Liberalismus (Lexikon Punkt A), wesentliche Unterschiede zwischen beiden Denkrichtungen (Punkte C und D). Die Geistesbewegung der Aufklärung und deren historische Umsetzung umfasst einfach ein viel weiteres Feld als der primär am politischen ausgerichtete Liberalismus.
 
Burke ist ein gutes Stichwort. Aber auch Voltaire war Aufklärer, vielleicht auch der Größte den es je gegeben hat, und bejubelte doch auch immer mal den Absolutismus (z.B. von Louis XIV).:)
 
Aber auch Voltaire war Aufklärer, vielleicht auch der Größte den es je gegeben hat, und bejubelte doch auch immer mal den Absolutismus (z.B. von Louis XIV).:)

Ich persönlich betrachte Voltaire auch als den größten Aufklärer, den es gegeben hat, aber das ist nur meine individuelle Meinung, so daß diese andere evt. nicht teilen werden - was ebenso in Ordnung ist.

Voltaire verehrte dabei jedoch - falls ich mich irre, korrigiere mich bitte - v.a. den Dichter, Schriftsteller und Künstler Louis XIV. sowie den aufgeklärten Absolutismus unter Friedrich II. (dessen Personifikation mit dem "guten König" er aufgab, nachdem er sich mit ihm überworfen hatte).
Natürlich betrachtete Voltaire die Monarchie auch als beste Staatsform; logischerweise aber unter der Prämisse des "guten Königs" bzw. vernunftgeleiteten Monarchen (hier greift wieder seine Sympathie für den aufgeklärten Absolutismus).

Was bzgl. Liberalismus interessant, ist bei Voltaire seine Auffassung, daß es stets arme und reiche Menschen geben wird und deswegen nur eine Gleichheit vor dem Gesetz, aber eben nicht eine Gleichheit in gesellschaftlichem Status und persönlichem Besitz möglich und erstrebenswert sei.
Diese Ansicht findet sich im Liberalismus durchaus wieder...

Daß Voltaire darüberhinaus nicht ganz so einfach zu positionieren ist, zeigt ja auch sein Verhältnis zu Kirche und Religion. Er war einer der entschiedensten Kritiker der (katholischen Kirche), blieb aber Zeit seines Lebens dennoch Katholik; und daß man ihn seitens der katholischen Kirche, aber auch im Nachgang gern als Atheisten bezeichnete, ist einfach falsch, denn Voltaire war Anhänger und Vertreter des Deismus - und war für einen toleranten Monotheismus.
Auch dies sind übrigens Anschauungen, welche sich mE durchaus mit liberalen, ja auch neoliberalen Positionen vereinen lassen...
 
@ timotheus
Ich sehe bei Voltaire (wie auch bei Burke) eben konservative und liberale Aspekte nebeneinander. Bei Voltaire dachte ich an das "Siècle de Louis XIV", wobei Voltaire Louis XIV eben als Mäzen heraushebt. Dabei sieht man Voltaire ja immer wieder als Günstling verschiedener Könige und erfolgreichen Hofmann, wenngleich ihm seine Spottlust natürlich immer wieder zum Verhängnis wurde. Doch gerade das zeigt für mich, dass er bei allem Lob auf Louis XV und andere Herrscher durchaus unabhängig blieb. Wenn ich mich recht erinnere, hatte Voltaire die Revolution von 1771 begrüßt und den König dafür gelobt. Das kann man nun wieder als einen Ausdruck von Liberalismus oder Konservatismus sehen. Das macht aber eben auch den wirklich hohen aufklärerischen Geist aus, dass er sich davon nicht beirren lässt, wenn ihn die Vernunft auch einmal konservative Ansichten begrüßen lässt...
 
Ich sehe bei Voltaire (wie auch bei Burke) eben konservative und liberale Aspekte nebeneinander...

Dem wollte ich auch nicht widersprechen; und die bisherigen Ausführungen haben ja mE auch deutlich gemacht, daß sich selbst die politischen Weltanschauungen Liberalismus und Konservativismus nicht zwangsläufig gegenseitig bzw. gegensätzlich ausschließen müssen.

Dennoch muß Edmund Burke als Vordenker des Konservativismus betrachtet werden, während eben der Liberalismus ohne den Vordenker Voltaire - und übrigens auch ohne den Vordenker Jean-Jacques Rousseau - so nicht hervorgetreten wäre.
Anm.: Vereinfacht ausgedrückt würde heutzutage ein Burke wohl als Vertreter des liberalen Konservativismus (und damit zum politischen Konservativismus) einzuordnen sein und ein Voltaire als Vertreter des konservativen Liberalismus (und damit zum politischen Liberalismus) - aber das mit der Aktualität will ich an der Stelle einmal nicht weiter vertiefen.

Aber wie bereits erwähnt, läßt sich Voltaire wohl wirklich nicht ganz einfach fassen: auf seine Nähe zur Monarchie und zur Aristokratie - wenn eben auch unter aufklärerischen bzw. vernunftgeleiteten Vorzeichen - hatten wir ja schon verwiesen. Dennoch bedeutete das wiederum nicht, daß er nicht ebenso durchaus gewisse Sympathie für die Republik hegte.
 
Vielen Dank, ihr habt mir sehr weitergeholfen. Habe meinen Abschnitt über die Definition der Aufklärung nun vollendet.

Freut mich, dass meine Frage zu so regen Diskussionen geführt hat.
 
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