Selbstbestimmungsrecht der Völker und Ukraine?

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Gast0815

Gast
Hallo,

Ich hätte da eine dringende Frage zu meiner Hausarbeit
Warum wurde das Selbstbestimmungsrecht (nach Wilson) nach dem 1. Weltkrieg in der Ukraine nicht verwirklicht so wie es in Polen beispielsweise passiert ist? Und hat Wilson überhaupt bei seinem Selbstbestimmungsrecht an die Ukraine gedacht? Ich finde dazu überhaupt keine Literatur.
Wäre echt super nett wenn ihr mir weiterhelfen würdet.
 
Wenn Wilson vom Selbstbestimmungsrecht redete, hatte er vordergründig die Völker der Kriegsgegner (Mittelmächte), besonders Österreich-Ungarns im Sinn. Für die Siegermächte der Entente galt das selbstverständlich nicht.
 
Das Selbstbestimmungsrecht galt eben nicht für die Mittelmächte. Wilson konnte sich gegen seine Kollegen Clemenceau und George nicht durchsetzen.

Zu beachten ist auch, das die 14 Punkte von Wilson zunächst vom Deutschen Reich nicht angenommen wurden. Wilson hat sein Programm ja schon zu Beginn des Jahres 1918 vorgestellt und die deutsche Reichsregierung kam im Oktober, nach dem Diktatfrieden von Brest mit Russland ,und nach der gescheiterten Großoffensive im Westen, auf die 14 Punkte zurück.
 
@Turgot: Das Selbstbestimmungsrecht galt eben nicht für die Mittelmächte.
Für wen denn dann? Sagen wir es mal so: Das Selbstbestimmungsrecht galt nicht für das zur Annexion durch Ententestaaten vorgesehene Territorium der Mittelmächte. Das war ja die Crux. Gerade mit dieser Forderung, wenn sie denn angenommen, wäre k.u.k. zerlegt und erledigt gewesen - so wie es dann auch kam. Und wer bitteschön hat denn die Südtiroler, Elsässer, Sudetendeutschen oder Siebenbürger (damals mehrheitlich Ungarn und Deutsche) gefragt? Von den Völkern in den Kolonien mal ganz abgesehen, die waren von Wilson jedenfalls sowieso nicht gemeint.
Wilsons Politik zeugt imho von einer gewaltigen Naivität und Unkenntnis der europäischen Verhältnisse. Da stand Truman in Potsdam, wo er sich von Stalin über den Tisch ziehen liess, ganz in alter US-Tradition.
 
balticbirdy schrieb:
Für wen denn dann?

Wilson war nicht mehr willens das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für das Deutsche Reich und Österreich - Ungarn gelten zu lassen. Er hatte auch keine Chance dies gegen Frankreich und Großbritannien durchzusetzten. Das hätte wohl etwas anders ausgesehen, wenn die Mittelmächte im Januar 1918 auf Wilson sein Angebot eingegangen wären. Aber zu jenem Zeitpunkt war man ja im Rauschzustand; hatte man doch gerade Russland besiegt und war dabei einen brutalen Diktatfrieden auszuhandeln. Es musste jetzt "nur" noch der Westen besiegt werden und zwar bevor die USA entscheidend eingreifen würden.
Die Mittelmächte haben sich mit Brest und den unbeschränkten U-Boorkrieg viele Sympathien verscherzt gehabt.

Allerdings bleibt zu konstatieren, dass das Agieren Wilson nach der Bitte des Reichskanzlers Max von Baden um die Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen wohl doch etwas fragwürdig war.
 
Ist jetzt zwar "what if", aber ich bin der Ansicht, dass es für Wilson, hätte er es wirklich gewollt, schon mehr durchzusetzen gab. Frankreich und England waren durch 4 Jahre Krieg zermürbt und hätten ohne die Amerikaner den Frühling und Sommer 1918 wohl nicht überstanden. Beide hatten erhebliche Schulden für die Kriegsmateriallieferungen der USA.
Die Frage ist eher warum Wilson seinen bisherigen Allierten drohen sollte, um dem Kriegsgegner zu helfen. Wäre allerdings für die Welt im nachhinein besser gewesen.
 
Danke!
Und warum galt das Selbstbestimmungsrecht jetzt nur für die Mittelmächte, ich dachte es ging Wilson um alle Völker?

Weil Wilson Machtpolitiker genug war, um zu wissen, das die siegreichen USA den ur-amerikanischen Völkern kein Selbstbestimmungsrecht zugestehen würde, das siegreiche Frankreich nicht der Bretagne, das siegreiche Großbritannien nicht den Iren usw. usf. Nur den besiegten Kriegsgegnern konnte man die Beachtung dieses Rechts vorschreiben. Diesen besiegten Kriegsgegnern konnte man ebendieses Selbstbestimmungsrecht sogar verwehren, wie man am alliierten Verbot einer deutsch-österreichischen Vereinigung sieht.
 
Danke!
Da steht jetzt aber was von Westukrainischer Volksrepublik. Also hat es dann doch eine unabhängige Ukraine gegeben. Das hab ich irgendwie noch nicht so ganz verstanden.

Und warum galt das Selbstbestimmungsrecht jetzt nur für die Mittelmächte, ich dachte es ging Wilson um alle Völker?
Also hier werden wohl grundlegende Sachverhalte ein wenig „verzwirpelt“.

Als Grundsätzlich ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker natürlich auf die Gesamtheit von Nationen bezogen. Mit diesem Selbstbestimmungsrecht wollte man nun nicht die europäischen Nationen in die Zeit der „Grafschaften“ zurückführen.

Sicherlich lagen die Grundsätzlichen Bestrebungen von einzelnen Völkern vor allem in den Gebieten zwischen Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn.

Bei letzterem sagt ja schon der Name aus, das hier zwei Nationen vereint sind.
Der 1. WK hatte seinen Brandherd aus dem Balkan und der Bestrebung der Ö.-U. Regierung sich immer mehr Völker in die Donaumonarchie einzuverleiben.

Dazu gehörte auch Polen, das man sich nach 1814 zwischen, damals noch Preußen, Russland und Ö.-U. aufteilte.

Doch auf Russland konnte man dieses Selbstbestimmungsrecht nicht mehr anwenden, denn hier haben die revolutionären Ereignisse des Jahres 1917 eine ganz andere Situation geschaffen. Spätestens mit dem Einsetzten des Bürgerkrieges gab es für die Alliierten nur ein Thema, bezüglich Russland, die bolschewistische Revolution zu zerschlagen und das Gespenst des Kommunismus oder Bolschewismus zu vernichten.

Noch wichtiger war aber auch ein Übergreifen der Revolution auf andere Länder zu verhindern.

Somit unterstützten die Alliierten auch die Konterrevolution, allerdings nicht mit dem nötigen Nachdruck.

Aber die Errichtung des Völkerbundes war die große Errungenschaft die aus dem Selbstbestimmungsrecht resultierte und eine Basis des Miteinader schaffen sollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also soweit ich weiß war im Vertrag von Brest-Litowsk die Gründung eines Staates Ukraine vorgesehen. Der gesamte Vertrag von Brest-Litowsk sollte auf den Selbstbestimmungsrecht der Völker basieren, sie auch hier:

Friedensvertrag von Brest-Litowsk – Wikipedia

Beim 14-Punkte-Programm bezieht sich Wilson unter Punkt 6 auf Russland und seine Zukunft:
[...]
Die Rußland von seinen Schwesternationen in den nächsten Monaten gewährte Behandlung wird der Prüfstein ihres guten Willens, ihres Verständnisses für seine Bedürfnisse im Unterschied zu ihren eigenen Interessen und ihres verständigen und selbstlosen Mitgefühls sein.

14-Punkte-Programm – Wikipedia
 
Der gesamte Vertrag von Brest-Litowsk sollte auf den Selbstbestimmungsrecht der Völker basieren,

Da hast Du etwas falsch verstanden, ...

die Ostphantasien der Obersten Heeresleitung zielten auf "deutschen Lebensraum" und Satellitenstaaten, zB

Borowsky, Peter: Deutsche Ukrainepolitik 1918 unter besonderer Berücksichtung der Wirtschaftsfragen.

Und schau mal hier:
Ostimperium und Weltpolitik - Gedanken zur Langzeitwirkung der “Hamburger Schule� - H-Soz-u-Kult / Forum / Artikel
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist doch wohl nicht ernst gemeint?

Ich habe eine Quelle zitiert, die hast du völlig außen vor gelassen, als du deinen Beitrag verfasst hast. Außerdem: Was interessiert die Ideologie, wenn sie nicht mit Hinblick auf "deutschen Lebensraum" (was wohl eher in noch rechtere Kreise gehört) ausgeführt wurde? Warum hat das Reich diese Länder dann nicht gleich geschluckt? Ein Satelliten-Staat hätte früher oder später auch für Probleme gesorgt. Mal abgesehen davon, dass die Macht des Reichs schon 1918 stark geschwächt war und es wahrscheinlich ihre militärischen Druckmittel, wenn sie den Krieg über den Oktober hinaus geführt hätte, gar nicht hätten ausreichen können um diese Gebiete in Schach zu halten, hätten sie Ärger gemacht.

Ich halte mich an den Vertragstext. Was dahinter für Ideologien bzw. Absichten steckten, ist schon wieder nur Spekulation. Bei dem Text von Borowsky fehlen mir dagegen wirklich handfeste, stichhaltige Beweise für Aussagen des Auswärtigen Amtes. Da hätte ich gerne die Quellen, die sind ja unter den Anmerkungen nicht verzeichnet. Nicht, dass ich jetzt die Arbeit von Borowsky anzweifeln will. Bloß da ich das Buch jetzt nicht vor mir liegen habe (und es auch nicht bei google Books ganz lesen kann) und so die Nachweise für diese Aussagen des Auswärtigen Amtes hinsichtlich der Ukraine-Politik nicht recherchieren kann, hilft mir das herzlich wenig.
 
Ein Satelliten-Staat hätte früher oder später auch für Probleme gesorgt.

Das ist natürlich reine Spekualtion.


Mal abgesehen davon, dass die Macht des Reichs schon 1918 stark geschwächt war und es wahrscheinlich ihre militärischen Druckmittel, wenn sie den Krieg über den Oktober hinaus geführt hätte, gar nicht hätten ausreichen können um diese Gebiete in Schach zu halten, hätten sie Ärger gemacht.

Und trotzdem hat es erstmals zu einer ganz leichten personellen Überlegenheit für "Michael" gereicht. Die Briten und Franzosen hat diese Offensive zunächst erhebliche Probleme bereitet, aber die permanenten amerikanischen Verstärkungen gaben dann u.a. schließlich doch den Ausschlag für die Allierten.
 
Das ist natürlich reine Spekualtion.

Ohne militärischen Druck aus Berlin hätte die Ukraine m. M. n. schnell versucht, die Klammern eines solchen abgeschwächten Satelliten-Daseins abzuschütteln, insbesondere, weil sie die Besatzer ja offensichtlich, wie aus der Quelle hervorgeht, auch nicht sonderlich mochten.





Und trotzdem hat es erstmals zu einer ganz leichten personellen Überlegenheit für "Michael" gereicht. Die Briten und Franzosen hat diese Offensive zunächst erhebliche Probleme bereitet, aber die permanenten amerikanischen Verstärkungen gaben dann u.a. schließlich doch den Ausschlag für die Allierten.

Das Reich hat trotz dieser Offensive den Krieg schon Jahre zuvor praktisch verloren. Diese Offensive hatte ja schließlich nur das Unvermeidliche hinausgezögert, das durch taktische Fehler der Obersten Heeresleitung hervorgerufen wurde.
 
Ich habe eine Quelle zitiert, die hast du völlig außen vor gelassen, als du deinen Beitrag verfasst hast. ...
Ich halte mich an den Vertragstext.

Den Text hatte ich schon im Blick. Papier ist geduldig, und zum "Abschluss" gehören Zwei.

Wenn Du den Quellentext vorliegen hast, solltest Du ihn kritisch hinterfragen und analysieren: Quellenkritik. Welche Ziele verfolgten beide Parteien? Ich will Dich nun nicht damit langweilen, dass es natürlich Unmengen an weiterem Quellenmaterial speziell zu diesem Thema gibt, die die Interpretation des Vertragstextes erst ermöglichen.

Weiterführende Darstellungen hatte ich Dir genannt, davon ausgehend ist reichlich Literatur zu ergoogeln.

Vielleicht doch noch eine reichhaltige Fundstelle zu den Zielen, dem Ablauf und den Verhandlungen (wenn Du auf Quellen abstellst): Der Friede von Brest-Litowsk, Quellen zur Geschichte der Parteien und des Parlamentarismus, Reihe I, Band 8.
 
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