Untergang Pompeji

Der Abschreibfehler, von dem Alberto Angela in dem von Carolus verlinkten TV-Bericht spricht - er zeigt den Codex Oratorianus von von "kl. Nouēbris" die Rede ist - ist durchaus möglich.

Zur Erinnerung die wohl häufigst überlieferte Version:

"Nonum kal. septembres hora fere septima mater mea indicat ei apparere nubem inusitata et magnitudine et specie."

Das kennen wir doch alle, dass wir mit den Gedanken schon weiter sind und deshalb ein falsches Wort an einer Stelle einbauen, oder dass wir beim lesen in der Zeile verrutschen. Letzteres passiert insbesondere geübten Lesern (ungeübte Leser lesen Buchstabe für Buchstabe, geübte Leser fliegen mit den Augen über den Text und lesen statt Buchstaben graphische Bilder von Worten).
 
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Es handelt sich bei der Münze um eine Münze dieser Prägereihe:
 

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Ich habe mir gerade den RAI-Beitrag angesehen. Die Münze wäre für mich das überzeugendste Indiz für den Herbst. Leider sieht man kein Kaiserbildnis darauf. Vespasian hatte den gleichen Namen wie Titus. Die Kleidung überzeugt mich nicht. Die Frau ,die eine Art Schal um den Hals geschlungen hat, kann sich damit auch vor Glut und Asche geschützt haben. Im vergangenem Oktober war ich in Pompeji und es war, obwohl es geregnet hat noch ziemlich warm und keiner musste sich deshalb dicker anziehen. Ich denke, dass die Temperaturen vor 2000 Jahren auch nicht so viel kälter waren.

Jetzt haben wir uns wieder überschnitten. Es ist wirklich Titus
 
Der Abschreibfehler, von dem Alberto Angela in dem von Carolus verlinkten TV-Bericht spricht - er zeigt den Codex Oratorianus von von "kl. Nouēbris" die Rede ist - ist durchaus möglich.

Zur Erinnerung die wohl häufigst überlieferte Version:

"Nonum kal. septembres hora fere septima mater mea indicat ei apparere nubem inusitata et magnitudine et specie."

Das kennen wir doch alle, dass wir mit den Gedanken schon weiter sind und deshalb ein falsches Wort an einer Stelle einbauen, oder dass wir beim lesen in der Zeile verrutschen. Letzteres passiert insbesondere geübten Lesern (ungeübte Leser lesen Buchstabe für Buchstabe, geübte Leser fliegen mit den Augen über den Text und lesen statt Buchstaben graphische Bilder von Worten).

Das hört sich ziemlich plausibel an. Ich habe noch mal eben die entsprechenden Artikel in der Wiki (mit Quellen) überflogen, und Plinius ist wohl der einzige, der zum Datum des Vulkanausbruchs sich äußert. Und wenn dann ein mittelalterlicher Kopist das auch noch falsch abschreibt...
 
Das Problem was sich ergibt ist, dass der Codex Oratorianus spätmittelalterlich ist (um 1450). Es wäre ein Handschriftenstemma anzulegen, um zu überprüfen, ob es sich um eine unabhängige üBerliefeurng handelt; das ist aber möglicherweise schon passiert: Johnson, Dora. The manuscripts of Pliny's letters. In Classical Philology 1912, S. 66 ff.
 
Das hört sich ziemlich plausibel an. Ich habe noch mal eben die entsprechenden Artikel in der Wiki (mit Quellen) überflogen, und Plinius ist wohl der einzige, der zum Datum des Vulkanausbruchs sich äußert. Und wenn dann ein mittelalterlicher Kopist das auch noch falsch abschreibt...
Die Daten, wann Titus welches Amt bekleidet hat, stammen doch wohl auch aus Abschriften. So kann man sich bei überlieferten Daten nie ganz sicher sein.
 
Die Daten, wann Titus welches Amt bekleidet hat, stammen doch wohl auch aus Abschriften. So kann man sich bei überlieferten Daten nie ganz sicher sein.

In meinem Beitrag bezog ich mich ausschließlich auf das Datum des Ausbruchs. Und da ist wohl Plinius ein Monopolist. Es gibt wohl auch keine Überlieferung über andere Ereignisse, die mit der "Oktober-Theorie" kollidieren könnten. Wenn z. B. in den Quellen stehen würde, daß Kaiser Titus Mitte September ein Hilfsprogramm für die Region gestartet hätte, wäre das für die "Oktober-Theorie" sehr problematisch.

Was das Amt des Imperators angeht, so stammt die Information nicht aus Abschriften, sondern aus Inschriften:

Laut dieser italienischen Darstellung wurde 1974 eine Münze mit der Inschrift "Kaiser Vespasian Titus Caesar Augustus, Pontifex Maximus, zum neunten Mal mit der tribunizischen Macht ausgestattet, zum fünfzehnten Mal Imperator, im siebten Konsulat, Vater der Nation". Diese Münze kann laut der Darstellung auf einen tpq 8. September 79 datiert werden, da Titus für den 7. und 8. September 79 noch inschriftlich zum vierzehnten Mal als Träger des Imperiums genannt ist.

Der von El Quijote zusammengefaßte italienische Wiki-Artikel nennt als Aufbewahrungsorte der Inschriften Sevilla und London (British Museum). Um die Texte der Inschriften zu erfahren, müßte man wohl in den bereits erwähnten Aufsatz von Grete Stefani einsteigen.

(Jetzt könnte man natürlich noch in Zweifel ziehen, ob die Inschriften-Schreiber denn immer wußten, wann Titus ein bestimmtes Amt innehatte.) :grübel:
 
IDer von El Quijote zusammengefaßte italienische Wiki-Artikel nennt als Aufbewahrungsorte der Inschriften Sevilla und London (British Museum). Um die Texte der Inschriften zu erfahren, müßte man wohl in den bereits erwähnten Aufsatz von Grete Stefani einsteigen.
:grübel:
Ich habe gestern schon mal versucht, die Inschrift bzw. den Gegenstand, worauf sie ist, auf der Website des British Museum zu finden. Leider erfolglos.
 
Ich habe gestern schon mal versucht, die Inschrift bzw. den Gegenstand, worauf sie ist, auf der Website des British Museum zu finden. Leider erfolglos.

ich halte es für vielversprechender, diesen Artikel von Grete Stefani aufzuspüren. Da werden wahrscheinlich diese beiden Inschriften erwähnt sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dann auch noch eine Referenz auf die lateinische Inschriftensammlung gesetzt, so daß man sich dann die Inschrift online ansehen kann. Ich schätze mal, daß sind Weiheinschriften für Gebäude, Altäre oder andere Monumente, die das Datum enthalten und die aktuelle Titulatur des Kaisers Titus.

Viel interessanter fände ich den Artikel von Stefani (mit Übersetzung) oder Untertitel für diesen italienischen TV-Beitrag aus Beitrag #15.
 
Schwer beeindruckt und hoch erfreut über eine neue nichtmilitärische Diskussion möchte ich einen kleinen Beitrag zu dieser Unterhaltung leisten:

Der Aufsatz von Grete Stefani ist möglicherweise auch auf Deutsch erhältlich, und zwar hier:

Stefani, Grete / Borgongino, Michele: Das Datum des Vesuvausbruchs, in: Leben im römischen Europa. Von Pompeji nach Bliesheim-Reinheim. Hrsg. von Jean-Paul Petit und Sara Santoro. Paris: Editions Errance, 2007, S. 43 - 46 (= Pompeji 44)

Hier das Inhaltsverzeichnis zum Buch als PDF.

PS: In München konnte ich das Buch nicht finden. Angeblich hat es das DAI in Rom, na denn...
Aber, wie ich gerade sehe, es gibt Exemplare an der HU Berlin, UB Passau, UB Nürnberg-Erlangen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Um die Inschrift habe ich mich auch bemüht, allerdings erfolglos. Hier die Datenbank der CIL: http://oracle-vm.ku-eichstaett.de:8888/epigr/epigraphik_de

In einem französischen Numismatikerheft steht etwas über die beiden Inschriften:

  1. die eine ist ein in Ägypten gefundenes Militärdiplom, das im British Museum aufbewahrt wird (CIL XVI 24).
  2. die andere Inschrift ist eine Kopie eines Briefes des Kaiser Titus an die Stadt Munigua (Aufbewahrungsort ist das Archäologische Museum von Sevilla).
Ansonsten bringt der Artikel nichts, was nicht auch schon vorher im Thread erwähnt wurde (Bekleidung für den Herbst, Weinpresse, Herbstfrüchte & Abschreibfehler beim Brief des Plinius)
 
  1. die andere Inschrift ist eine Kopie eines Briefes des Kaiser Titus an die Stadt Munigua (Aufbewahrungsort ist das Archäologische Museum von Sevilla).
Das ist dann vermutlich dies hier:
Pubblicazione: CILA-02-04, 01052 = AE 1962, +00147 = AE 1962, 00288 = AE 1972, 00257 = AE 2004, +00053 = AE 2004, +00389
Provincia: Baetica Località: Villanueva del Rio / Munigua <a HREF=&quot;Google Maps JavaScript API Example del Rio / Munigua&latitude=37.626537&longitude=-5.690918&quot; target=&quot;_blank&quot;>Villanueva del Rio / Munigua</a>
Imp(erator) Titus Caesar Vespasianus Aug(ustus) pontif(ex) max(imus) / trib(unicia) potest(ate) VIIII imp(erator) XIIII co(n)s(ul) VII p(ater) p(atriae) salutem / dicit IIIIvir(is) et decurionibus Muniguens(ium) / cum ideo appelaverit{is} ne pecuniam quam debebatis Servilio / Pollioni ex sententia Semproni Fusci solveretis poenam iniustae / appelationis exsigi a vobis oportebat sed ego malui cum in/dulgentia mea quam cum temeritate{i} vestra loqui et sester/tia quinquaginta millia nummorum tenuitati publicae / quam praetexitis remisi scripsi autem Gallicano amico / meo proco(n)s(uli) pecuniam quae adiudicata est Pollioni nume/rassetis ex die sententiae dictae usurarum vos co<m=N>puta/tione{m} liberaret / reditus ve<c=S>tigali{or}um vestrorum quae conducta habui{e}sse Pol/lionem indicatis in rationem venire aequom est ne quid / hoc nomine rei publicae a<b=P>sit vale(te) / dat(um) VII Idus Septembr(es)
 
Schwer beeindruckt und hoch erfreut über eine neue nichtmilitärische Diskussion möchte ich einen kleinen Beitrag zu dieser Unterhaltung leisten:

Der Aufsatz von Grete Stefani ist möglicherweise auch auf Deutsch erhältlich, und zwar hier:

Stefani, Grete / Borgongino, Michele: Das Datum des Vesuvausbruchs, in: Leben im römischen Europa. Von Pompeji nach Bliesheim-Reinheim. Hrsg. von Jean-Paul Petit und Sara Santoro. Paris: Editions Errance, 2007, S. 43 - 46 (= Pompeji 44)

Hier das Inhaltsverzeichnis zum Buch als PDF.

PS: In München konnte ich das Buch nicht finden. Angeblich hat es das DAI in Rom, na denn...
Aber, wie ich gerade sehe, es gibt Exemplare an der HU Berlin, UB Passau, UB Nürnberg-Erlangen...

Das ist dann vermutlich dies hier:

Suupi!:yes::yes::yes:
Wer suchet, der findet!

Ich suche jetzt erst mal mein Lateinwörterbuch, damit ich weiß, was Titus den Munigua-Leuten geschrieben hat. Aber da geht es doch auch wieder um schnöden Mammon, um Schulden und Bestrafen:evil:. Widerlich!
 
OK, das Buch gibt es doch auf Französisch.
Kann man hier über PN Scans verschicken?
Falls nicht und wer den Aufsatz unbedingt haben möchte und keine Probleme mit der französischen Sprache sieht, kann sich gerne "vertrauensvoll" mit Mail-Adresse (zwecks Zusendung) an mich wenden. Link zum Download darf ich ja nicht setzen. Vorausgesetzt das Buch ist nicht wieder verschollen.
 
Das ist sicher richtig.

Ich denke aber, Galeotto hat nicht unrecht wenn er meint, dass so ein einschneidendes Erlebnis nicht so schnell vergessen und mit einem anderen Datum versehen werden kann.

Der Ausbruch hat sicher viele Menschen sehr beeindruckt. Einfach gesagt, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass so ein großes Ereignis auf ein anderes Datum gelegt wird.
Dass ein solches Datum vergessen wird, kann ich mir auch nicht vorstellen. Es gab immerhin auch in einigen Privathaushalten bereits Kalender, in denen positive Ereignisse datumsmäßig in weißer und negative in schwarzer Farbe (dies atri = schwarze Tage) festgehalten wurden. In diese privaten Kalender wurde auch übernommen, was in den offiziell in den Städten aufgestellten Stein-Kalendern (erhalten in 40 Fragmenten) markiert war. Und der Vesuv-Ausbruch war sicherlich ein Ereignis, das vermerkt wurde, wie der 18. Juli (Niederlage gegen die Gallier).

Eine falsche Monatszuordnung könnte entstanden sein, wenn man bedenkt, dass z. B. der Oktober, unser heutiger 10. Monat damals von „octo, octavus“ – 8. Monat abgeleitet wurde. Der August war ursprünglich „Sextilis“, der 6. Monat.

 
Schwer beeindruckt und hoch erfreut über eine neue nichtmilitärische Diskussion möchte ich einen kleinen Beitrag zu dieser Unterhaltung leisten:

Der Aufsatz von Grete Stefani ist möglicherweise auch auf Deutsch erhältlich, und zwar hier:

Stefani, Grete / Borgongino, Michele: Das Datum des Vesuvausbruchs, in: Leben im römischen Europa. Von Pompeji nach Bliesheim-Reinheim. Hrsg. von Jean-Paul Petit und Sara Santoro. Paris: Editions Errance, 2007, S. 43 - 46 (= Pompeji 44)

Hier das Inhaltsverzeichnis zum Buch als PDF.

PS: In München konnte ich das Buch nicht finden. Angeblich hat es das DAI in Rom, na denn...
Aber, wie ich gerade sehe, es gibt Exemplare an der HU Berlin, UB Passau, UB Nürnberg-Erlangen...

OK, das Buch gibt es doch auf Französisch.
Kann man hier über PN Scans verschicken?
Falls nicht und wer den Aufsatz unbedingt haben möchte und keine Probleme mit der französischen Sprache sieht, kann sich gerne "vertrauensvoll" mit Mail-Adresse (zwecks Zusendung) an mich wenden. Link zum Download darf ich ja nicht setzen. Vorausgesetzt das Buch ist nicht wieder verschollen.

Nein, das Buch ist nicht verschollen und Amalawintha hat mir den Aufsatz schon zukommen lassen, wofür ich mich hier noch mal bedanken möchte.:winke:

Leider haben die Autoren die Literaturhinweise nur am Ende eingesetzt, aber ohne Referenz zum Text.

Zwar haben wir die meisten Punkte schon hier im Thread gehabt, trotzdem sei der Aufsatz hier noch einmal kurz zusammengefaßt:
Nach der antiken Überlieferung durch Plinius, den Jüngeren fand der Ausbruch des Vesuvs an dem neunten Tag vor den Kalenden des Septembers (d. h. 24. August) des Jahres 79 n. Chr. statt. Bereits im 18. Jhdt. wurde dieses Datum zugunsten eines späteren Zeitpunktes im Herbst in Zweifel gezogen. Neben einer anderen Überlieferung des Plinius-Briefes, in dem die Kalenden des November (d. h. 24. August) genannt werden, wurden archäologische Funde angeführt: Herbstfrüchte, Teppichstoffe und Heizgeräte. Trotz dieser Befunde folgte man der herkömmlichen Datierung auf Ende August.

Erst 1990 wurde dies wieder in Frage gestellt, als man auf den Opfern der Katastrophe Spuren von warmer Kleidung und einer Fellmütze feststellte. Diese alleine hätten allerdings noch als Schutzkleidung gegen die Auswirkung des Vulkanausbruchs interpretiert werden können.

Die Plinius-Briefe werden in verschiedenen, anderen Versionen überliefert, bei denen das Datum zwischen Ende Oktober und Anfang November reicht. Es gibt eine weitere Schriftquelle von Cassius Dio (2. /3. Jahrhundert), die in Form einer mittelalterlichen Zusammenfassung von Joh. Xiphilin und Joh. Zonaras erhalten geblieben ist. Nach dieser Quelle hat sich die Katastrophe mitten im Herbst ereignet.

Archäobotanische Untersuchungen unterstützen die Herbsthypothese: gefundene Früchte sind Herbstfrüchte, der Wein war schon geerntet und in großen Gefäßen eingebracht und der Hanf für die Aussaat war schon geerntet (was bis heute im Herbst geschieht).

1974 wurde eine Münze entdeckt, die frühestens nach dem 7. bzw. 8. September 79 eprägt worden sein kann.

Unter den unterschiedlichen Textvarianten der Plinius-Briefe ist am wahrscheinlichsten die, die als Datum den 24. Oktober angibt.

Zusammenfassend ist der Ausbruch des Vulkans höchst wahrscheinlich am 24. Oktober 79 n. Chr. erfolgt.


 
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Sehr interessant, man sieht wie schwierig es ist bei einer solchen Untersuchung alle Wissenschaften unter einen Hut zu bekommen.
 
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