Die Ubier - Germanen oder Kelten?

Name Ubier

Heinrich Tischner schlägt folgendes vor
( Sprache, Völker-, Länder- und Gruppennamen: Schwaben, Suebi, Semnones, Alemannen )

und schreibt über den Namen Schwaben:

  • Germ. *Swēƀōswaren die 'Leute vom Fluss Συῆβος Swêbos, germ.*Swēƀaż = Havel'
  • Der Flussname ist Dehnstufe von ahd. swĕb 'Flut, Strudel',
    abgeleitet von ahd. swĕbēn 'branden, wogen, schweben, schwimmen' > nhd. schweben 'schwerelos dahingleiten'.
    Ein ähnlich breites Bedeutungsspektrum hat cymr. chwyfio 'sich bewegen', dazu chwyf 'Bewegung'
    Das Wort ist wohl eine s-Erweiterung (Abklang) zu mhd. weben 'sich hin- und herbewegen'.
  • dazu der Name der fränkischen Stadt Schwabach. [8]

wäre möglich wenn man die s-lose Form nimmt

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lat. uber wäre möglich (ist eine rein lateinische Bildung und ist mit skr. udhar, und unserem Euter verwandt - hat auch die Bedeutung fruchtbar, was für einen Stammnamen nicht unlogisch wäre).
 
Caesar zählt die Eburonen, anders als die Treverer, zu den Germani cisrhenani (CDBG II, 4, 10). Aber was heißt das schon? Die scheinbar andere Sprache, die sie im Vergleich zu den Galliern sprachen, könnte auch eine andere keltische Sprache gewesen sein. .

Die linksrheinischen Gebiete zählten in der Laténe-Zeit zu den Kerngebieten keltischer Siedlung. In diese Räume drangen germabnsche Stämme vor, wobei sich Überschichtungs- und Assimilationsvorgänge in unterschiedlicher Intensität vollzogen.

So kam es zu einer kelto-germanischen Mischung in diesen Gebieten, z.B. bei den Treverern, und sicherlich auch bei anderen linksrheinischen Stämmen. Heute lässt sich allerdings nicht mehr entscheiden, wie srark die keltische oder germanische Dominanz im Hinblick auf die Religion (Matronenkult!), die Kultur oder Sprache im 1.-2. Jh. n. Chr. war, denn das war von Stamm zu Stamm vermutlich unterschiedlich. Dass allerdings der keltische Anteil im Lauf der Zeit stark abnahm und der germanische wuchs, kann man voraussetzen.
 
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Caesar zählt die Eburonen, anders als die Treverer, zu den Germani cisrhenani (CDBG II, 4, 10). Aber was heißt das schon? Die scheinbar andere Sprache, die sie im Vergleich zu den Galliern sprachen, könnte auch eine andere keltische Sprache gewesen sein. Die Unterscheidung zwischen Germanen und Kelten verwischt im fraglichen Bereich so stark, daß man sich nicht dogmatisch festlegen sollte. Übrigens ist ja auch "Ariovist" ein keltischer Name, obwohl er als Germane gesehen wird, genauso wie bei den Kimbern keltische Namen herrschen.

Zur Herkunft des Namens von Ariovist:
Ariovists Name ist wohl germanischen Ursprungs
 
Heinrich Tischner schlägt folgendes vor
( Sprache, Völker-, Länder- und Gruppennamen: Schwaben, Suebi, Semnones, Alemannen )

und schreibt über den Namen Schwaben:

  • Germ. *Swēƀōswaren die 'Leute vom Fluss Συῆβος Swêbos, germ.*Swēƀaż = Havel'
  • Der Flussname ist Dehnstufe von ahd. swĕb 'Flut, Strudel',
    abgeleitet von ahd. swĕbēn 'branden, wogen, schweben, schwimmen' > nhd. schweben 'schwerelos dahingleiten'.
    Ein ähnlich breites Bedeutungsspektrum hat cymr. chwyfio 'sich bewegen', dazu chwyf 'Bewegung'
    Das Wort ist wohl eine s-Erweiterung (Abklang) zu mhd. weben 'sich hin- und herbewegen'.
  • dazu der Name der fränkischen Stadt Schwabach. [8]

wäre möglich wenn man die s-lose Form nimmt

Dieser Annahme steht entgegen, dass Sueben und Ubier parallel geannnt und unterschiedlich verortet werden.

lat. uber wäre möglich (ist eine rein lateinische Bildung und ist mit skr. udhar, und unserem Euter verwandt - hat auch die Bedeutung fruchtbar, was für einen Stammnamen nicht unlogisch wäre).

Es ist kaum anzunehmen, das Caesar ein Ethnonym einfach erfand. Geh al davon aus, dass es sich um die lateinische Wiedergabe eines germanischen Namens handelte.
 
hab noch ne andere ableitung gefunden

ebanōn `ausführen'; uobo m. `Landbebauer' (um 900), lant-uobo `Bauer' m. (um 900); uoben `Landbau üben, (aus)üben, verrichten, treiben, verehren' (9.Jh.); uoba f. `Feier' 13.Jh.)

also von uobo = Landbauer

(bei meinem lateinischen Vorschlag wirst wahrscheinlich recht haben)
 
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Nachtrag

bei der Googlesuche wird auf zwei Seiten zwischen uobo und Ubiern ein zusammenhang gezogen. Geht man dann auf die Seite landet man bei der Anmeldung, da ich mich nicht überall anmelden will kann ich leider den Link dazu nicht mitliefern.
 
Leo Weisgerber deutet Ubier als "die Hohen", verwandt wäre dann das heuitige Wörtchen "Über" und das lateinische "Super" (evtl. einige male als latinisierte Wiedergabe von Ubius in Eigennamen).
 
Ethnos, was ist das denn?

Lieber Geist,

erstmal danke für deinen sehr grundsätzlichen Einwand. Aber man wird anerkennen müssen, dass eine einfache Verleugnung von ethnischen Aspekten uns in dieser Frage leider auch nicht weiter führt. Sicherlich hast du Recht, dass ein Denken in Identitäten sich genauer oder besser hygienischer beschreiben lässt, aber wir müssen doch wohl trotzdem davon ausgehen, dass ein wichtiger Bestandteil dieser Identität die Bezugnahme auf Vorgängergenerationen war, und nichts anderes ist ja eigentlich "Ethnos'". Das zeigt sich besonders an den Schöpfungs- und Herkunftsmythen, die in der Eisenzeit weltweit verbreitet waren, ein zeitlich passendes Beispiel hierfür ist die propagandistische Bezugnahme auf die Abstammung von Venus durch Augustus.

Man sollte den ethnischen Aspekt erstmal komplett ausklammern.
Eigentlich sprechen wir doch die ganze Zeit von Identitäten und dies müssen nicht zwangsläufig mit Ethnien korrelieren.

Zum Thema Herkunft der mittelhessischen Sprachgruppen habe ich einmal folgenden nützlichen Verweis auf die Verbreitung von Toponymen in Matronennamen erhalten, den ich für lesenswert halte. Also auch hier ein deutlich ausgeprägter Bezug auf die eigentliche, keltische Vorgängergeneration, die im Falle von Waldgirmes auf dem Dünsberg gesiedelt haben muss.

Welchen Sprachgruppen die Gruppen in Mittelhessen angehörten ist ebenfalls nicht mehr zu klären, damit scheidet schon ein sehr wichtiges Kriterium für eine ethnische Deutung aus.

Des weiteren lehrt uns ein Blick in die Forschungsgeschichte, dass ethnische Deutungen innerhalb der Archäologie äußerst Problem behaftet sind.

Da hast du leider Recht. Mehr gibt es dazu eben nicht zu sagen. Man macht mit ethnischen Deutungen immer auch jenen die Tür auf, die sie für irgendwelche illustren Abstammungs- und Esoterikphänomene missbrauchen oder schlimmeres. Umso genauer ist man gefordert, sich auf diesem Gebiet zu äussern. Nochmal: Eine blosse Ablehnung von ethnischer Deutung wegen der spezifisch deutschen Hintergrundforschungsgeschichte bringt uns vermutlich auch nicht viel weiter.

In den neueren Forschungen versucht man dem Problem eher durch eine Herangehensweise über den Begriff Identität sich zu näheren.

Vgl. Soziale Gruppen - kulturelle Grenzen. Die Interpretation sozialer Identitäten in der Prähistorischen Archäologie (Hrsg. Stefan Burmeister, Nils Müller-Scheeßel), Tübinger Taschenbücher der Archäologie 5 (Münster, New York,München, Berlin 2006)
werde ich lesen.
 
Eine blosse Ablehnung von ethnischer Deutung wegen der spezifisch deutschen Hintergrundforschungsgeschichte bringt uns vermutlich auch nicht viel weiter.

Ich lehne das nicht aus dem Grund des spezifischen deutschen Forschungsgeschichtlichen Problem ab, das ist eher die Erklärung warum innerhalb der prähistorischen Archäologie in Deutschland solche Themen eher ungern, zumind. in der Vergangenheit, beleuchtet wurden.
Sondern ich möchte eher dafür werben erstmal kleinmaßstäbiger zu arbeiten, wenn man sich die Konstruktion der Neol. Kulturen als Bsp. ansieht, so werden dort aus Materialgruppen Kulturgruppen, schaut man man z.B. mit Hilfe eines semiotischen Ansatzes dann sich diese Kulturgruppen(Materialgruppen) genauer an (Vgl. A. Zeeb-Lanz, Überlegungen zu Sozialaspekten keramischer Gruppen. Bsp. aus dem Neolithikum SW-Deutschlands. In: (Hrsg. Stefan Burmeister, Nils Müller-Scheesel), Soziale Gruppen - kulturelle Gruppen. Tübinger Archäologische Taschenbücher Band 5), S.81ff.) so zerfallen diese auf der ersten Blick sehr homogenen Gruppen in viele kleinere Einheiten.
Der Blick von oben als vom Begriff der Ethnie verstellt leider zu oft den Blick auf die feinen Unterschiede und produziert in den Köpfen der heutigen Menschen ein Bild von den Kelten, den Germanen usw. Ich glaube aber nicht das diese doch sehr monolithischen Blöcke jemals so existiert haben, sondern ein Konstrukt aus der heutigen Zeit sind. Ähnlich äußerst sich u.A. auch S. Brather.

„Ethnische Interpretationen“ in der Archäologie setzen homogene und distinkte Gruppen voraus. Täten sie das nicht und nähmen z. B. flexible und wechselnde Gruppierungen an, gäbe es praktisch keine Möglichkeit der Identifizierung.
Quelle:„ETHNISCHE GRUPPEN“ UND „ARCHÄOLOGISCHE KULTUREN“. IDENTITÄT UND SACHKULTUR IN DER ARCHÄOLOGISCHEN FORSCHUNG

Das griechische Wort éthnos beschreibt die Abgrenzung durch Selbst- und Fremdzuweisung. Ethnische Gruppierungen definieren sich entweder aus der gemeinsamen Vergangenheit oder durch eine gemeinsame Zukunftsperspektive. Die Gemeinsamkeit zeigt sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder Lebensmitteln
Quelle Wiki
In der Gleichsetzung von „Ethnos“ und „archäologischer Kultur“ stecken aus heutiger Sicht drei schwerwiegende Irrtümer, wie jüngst Jones resümierte: 1. sind ethnische Gruppen nicht die bloße Summe materieller Gemeinsamkeiten, sondern manifestieren sich durch das Handeln ihrer Mitglieder; 2. haben sich archäologische Kulturen – trotz der ihrer Herausarbeitung zugrundeliegenden realen kulturellen Differenzen – in der Kumulation von Einzelmerkmalen als Konstrukt der Forschung herausgestellt; und 3. sind ethnische Gruppen keine homogenen und geschlossenen Einheiten, sondern leicht wandelbare Identitätsgruppen. Aus dieser Einsicht heraus bedarf es neuer Ansätze, zumal diese raltete Vorstellung den dynamischen Charakter von „Ethnien“ und „Kulturen“ übersieht.
Quelle:Ethnische Identitäten in der frühgeschichtlichen Archäologie referat / interpretation

Ethnische Interpretationen befriedigen in aller Regel nicht. Sie setzen eine Statik und Homogenität ethnischer Gruppen voraus, die es nicht gab. Meist werden Kulturräume als "keltisch" oder "germanisch" ausgegeben, wobei der linguistische Kelten- bzw. Germanenbegriff zugrundeliegt
Quelle:SFB 541 - Ethnische Interpretationen - UFG Freiburg

Die Quellen habe ich bewußt so ausgewählt, das jeder auch mal reinlesen kann, Fachbücher/-artikel kann ich gerne bei Interesse nachliefern.
 
Geistreich, Geistreich

Lieber Geist,

wie immer führt einen die Diskussion mit dir voran.
Immer wieder Waldgirmes und die wechselnden Identitäten seiner "Ur"Einwohner vor Augen, fand ich folgende Stelle hilfreich:

"In Grenzfällen und hinsichtlich der handelnden ethnisch-politischen Gruppen rsagt das ethnische Interpretationsmodell, weil nur wenige kulturelle Merkmale Besonderheiten aufweisen und nicht klar ist, welche davon möglicherweise ethnische Relevanz besaßen."

Also, wie von Dieter gefordert mit der nötigen Relevanz für Laien angereichert, stellt sich doch die Frage, was war für die Identität der Einwohner entscheidender: Die Abstammung, der Rechtsstatus, die landschaftliche Gebundenheit, die verwendeten Schmuckstücke - auf was wollte man sich berufen. Es galt, aus einem Kanon von dinglichen und nichtdinglichen Gegenständen, Ritualen und Handlungen einen gemeinsamen Boden zu kreiren, auf den man sich berief. Welche Rolle spielte dabei eine Herkunft als "Ubier", war vielleicht sogar die Auswahl des richtigen Schmuckstückes (z. B. der antiquierte Torques) viel wichtiger für Gemeinsamkeiten als die Abstammung?

Das sind eben die "Grenzfälle", und man muss schon sagen, manchmal kann man ganz frustriert vor seinem Material stehen, wenn man dessen Beschränktheit begreift.

Für Waldgirmes als möglichen "meltingpoint" der frühen Ubier vor ihrer Übersiedlung nach Köln (ganz schön gewagte Hypothese) müssen wir auf alle Fälle einen eigenen Rechtsstatus annehmen, das bezeugen die großflächigen römischen Verwaltungsbauten. Von hier sollte eine "Civitas" regiert bzw. kontrolliert werden. War dieser Rechtsanspruch für die Einwohner ein gemeinsames, abgrenzendes Merkmal?
Und wie steht es mit möglichen religiösen Ritualen, die z. B. in den sogenannten "Offiziershäusern" mit ihrer an gallorömische Umgangstempel erinnernden Architektur stattgefunden haben könnten?
Galten diese bereits germanischen Gottheiten, den keltischen Matronen oder vielleicht doch vor allem den Geburtstagszeremonien des "lebenden Gottes" Augustus? Und inwiefern war Religion eigentlich bestimmend für ethnische Identität? Wie immer stehen wir betroffen, der Vorhang zu und alle Fragen offen.

"Wenn sich auch die Fixierung auf die Frage, in wieweit sich „archäologische Kulturen“ und „ethnische Gruppen“ rbinden lassen könnten, als Sackgasse des nationalen Diskurses herausgestellt hat, so bleibt die Suche nach möglichen alternatin Erklärungen archäologischer Funde eine wichtige Aufgabe. Dabei kann es quellenbedingt nicht um ein globales Alternativ-modell gehen , denn die Entwicklung der Sachkultur ist nicht fest an andere kulturelle, soziale, wirtschaftliche oder politische Prozesse gebunden, sondern reflektiert diese allenfalls mittelbar. Deshalb ist jeder Einzelfall daraufhin zu befragen, welche Erklärung die jeweils größte Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann. Bieten sich für einen Sachrhalt mehrere Interpretationen an, so ist im Zweifel aus methodischer Vorsicht der geringeren, quellennäheren Interpretationsebene der Vorzug zu geben, um nicht zuviel in die Sachgüter hineinzulesen.

Also, mein lieber Geist, du siehst, der Verfasser schiebt die Verantwortung für die Klärung solcher Fragen wieder an uns Vorgeschichtler, und dabei lässt er uns mit unserer weitestgehenden Theorieabstinenz und unseren unsicheren Daten alleine. Deshalb begrüße ich Debatten wie diese hier.
 
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Und jetzt der wissentschaftliche Albtraum,wo haben Chatten gesiedelt?
Wo lag wenigstens eine ihrer Siedlungen
Was waren die Chatten,wo dran mache ich ihr Dasein fest?
Wie erkenne ich als Wissenschaftler Spuren chattischen Daseins.
Warum diskutieren die Vor-und Frühgeschichtler nicht mehr mit.
Jaja, Andrix, ich weiss, ich habe mich etwas zurück gehalten. Soll nicht wieder vorkommen.
Danke für deinen Einwand bezüglich der Chatten, genau damit habe ich nämlich mein Problem hier vor Ort. Wie willst du den Menschen verklickern, dass die Frage erheblich komplexer ist als die Summe der möglichen Antworten???
Dennis
 
@Maelonn, danke für den Versuch einer Zusammenfassung.
Eine kurze Antwort im Einzelnen:

"Ich ziehe daraus folgende Schlüsse:

1. Die Behauptungen der römischen Geschichtsschreiber, dass der Rhein die Grenze zwischen Germanen und Kelten (die Römer sprachen eigentlich immer von Galliern) gewesen sei, ist falsch. Jedenfalls dann, wenn man Germanen und Kelten als unterschiedliche ethnische Gruppen begreifen will. Indem sie die "Rheingrenze" postuliert haben, wollten die Römer offenbar nur eine Trennline zwischen (potenziellen) "Freunden" und "Feinden" ziehen. Welcher Ethnie Freunde oder Feinde angehörten, war den Römern herzlich egal."

Ich würde sogar noch weiter gehen: Bereits Caesar brauchte den Rhein als Grenze zweier Völker. Die einfache Begründung ist, dass er sonst keine Rechtfertigung in Rom gehabt hätte, um seinen erfolgreichen "gallischen Krieg" abzuschliessen. Seine völlig erschöpften Truppen standen am (militärtechnisch schon viel zu breiten) Rhein nach jahrelangem Krieg in Gallien. Die Alternative wäre es gewesen, zuzugeben, dass auch rechts des Rheins noch gallische bzw. sich als "gallisch" oder "keltisch" verstehende Populationen verblieben waren. Warum nun aber nicht auch denen noch den Garaus machen? Da war eine willkürliche, möglicherweise sogar hier einfach erfundene Trennung zwischen Kelten und Germanen doch die viel einfachere Lösung, vor allem vor dem Hintergrund, dass kaum ein Römer jemals einen der genannten Völkerstämme "live" gesehen hatte. Das ist natürlich nur eine gewagte Hypothese, die zum bewaffneten Widerspruch reizen soll.
 
Bitte zweimal um Entschuldigung:
Meine Anmerkungen sind irgendwie in den Text von Geist eingeflossen, ohne markiert zu werden, ich übe noch.
Und ausserdem hier der versprochene Link:
http://www.ippsch.de/database/alteuro.pdf

Also was der Herr Peter Paul Schweizer dort kurz und bündig behauptet, finde ich doch ein wenig bedenklich. Unter anderem stieß ich gleich am Anfang auf diese Stelle:

Ab 8000 v. Chr.: Mittel-, West-, Nord- und Osteuropa wird von
Südwesteuropäisch sprechenden halbnomadischen Hirten in Besitz
genommen, die eine einheitliche alteuropäische Namengebung der
Gewässer und Landschaftselemente einführen – die AEHT.
Woher die mesolithische Bevölkerung Europa stammt, ist im Gegensatz zu obiger Behaptung offen, unklar und strittig. Möglicherweise kam sie von nirgendwo her, sondern war die autochthone Bevölkerung Europas, die bereits während der jüngeren Altsteinzeit am Rande der Gletscher sammelte und jagte und sich nach deren Rückzug weiter in Europa ausbreitete. Möglicherweise gab es auch einen kräftigen Bevölkerungsschub aus Afrika, das zu mesolithischer Zeit ein außerordentlich günstiges Klima besaß.

Das alles ist hypothetisch und heute nicht mehr so eindeutig zu entscheiden, wie Herr Schweizer das darstellt.

Eine weitere Stelle lautet so:

Ab 5500 v.: Allmähliche Besiedlung von Indoeuropäisch (ieu.) sprechenden Ackerbauern von Südosten her; im 5. Jt. erreichen diese Agrareuropäer das Pariser Becken, im 4. Jt. Skandinavien. Sie ergänzen die AEHT um agrarische Elemente (Jungsteinzeit, Linearbandkeramiker

Woher die Indoeuropäer kamen, ist völlig ungewiss, strittig und Gegenstand zahlreicher Hypothesen. Genannt werden u.a. Osteuropa, Südrussland, Anatolien sowie Mitteleuropa. Andere Archäologen und Prähistoriker wie z.B. Alexander Häusler lehnen die Existenz von Indoeuropäern überhaupt ab und votieren für ethnisch völlig unterschiedliche Populationen zwischen Europa und Asien und eine Weitergabe indoeuropäischer Sprache(n) lediglich durch Kulturübertragung.

Ferner ist die Behauptung kühn, bei unseren hypothetischen Indoeuropäern von Ackerbauern zu sprechen. Frühe Ackerbauern - vermutlich aus Kleinasien stammend - schufen im 7. Jahrtausend v. Chr. die (Proto)Sesklo-Kultur (zentrale Funde in Nea Nikomedia und Sesklo), die sich mit der Starcevo- und Bandkeramischen Kultur nach Norden ausbreitete, wo sie um 5000 v. Chr. Mitteleuropa erreichte.

Ob das allerdings Indoeuropäer waren, wie Herr Schweizer behauptet, ist höchst unwahrscheinlich oder zumindest stark umstritten, da ihre Einwanderung - falls überhaupt - im allgemeinen erst ab dem 3. Jahrtausend v. Chr angenommen wird. Die Hypothese von Cavalli-Sforza, nach der die frühen Ackerbauern Indoeuropäer waren, gilt aus den genannten chronologischen Gründen als widerlegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sondern ich möchte eher dafür werben erstmal kleinmaßstäbiger zu arbeiten, wenn man sich die Konstruktion der Neol. Kulturen als Bsp. ansieht, so werden dort aus Materialgruppen Kulturgruppen, schaut man man z.B. mit Hilfe eines semiotischen Ansatzes dann sich diese Kulturgruppen(Materialgruppen) genauer an (Vgl. A. Zeeb-Lanz, Überlegungen zu Sozialaspekten keramischer Gruppen. Bsp. aus dem Neolithikum SW-Deutschlands. In: (Hrsg. Stefan Burmeister, Nils Müller-Scheesel), Soziale Gruppen - kulturelle Gruppen. Tübinger Archäologische Taschenbücher Band 5), S.81ff.) so zerfallen diese auf der ersten Blick sehr homogenen Gruppen in viele kleinere Einheiten.
Der Blick von oben als vom Begriff der Ethnie verstellt leider zu oft den Blick auf die feinen Unterschiede und produziert in den Köpfen der heutigen Menschen ein Bild von den Kelten, den Germanen usw. Ich glaube aber nicht das diese doch sehr monolithischen Blöcke jemals so existiert haben, sondern ein Konstrukt aus der heutigen Zeit sind. Ähnlich äußerst sich u.A. auch S. Brather.

Da gebe ich dir Recht: Massstab einer Betrachtung sollte im Idealfall der einzelne Fundplatz, meinetwegen das einzelne Dorf sein. Davon hat jede Untersuchung auszugehen. Auch rechtlich ist es doch so, dass wir z.B. für die Kelten eine Ordnung in einzelne Haushalte greifen können, die sich zu einem Dorf zusammenschliessen.
Alles weitere wird kompliziert, zum Beispiel die Frage, wie und wann sich diese einzelnen Orte/Bevölkerungen zusammen schlossen oder eben auch, als welche Ethnie sie sich begriffen haben. Ganz zu schweigen von der Frage, wie die gemeinsame Führung konstituiert war (Häuptling, "Fürst", Priesterkönig, etc.).

Und genau hier finde ich als Archäologe, dass eine reine Betrachtung auf der Basis römischer Schriftquellen ungenau ist und zu leicht manipulierbar (mir fehlt gerade ein Wort für "in der Antike durch verschiedene uns nicht bekannte Umstände manipuliert"). Ich empfinde diese Quellen einfach als unbefriedigend.

Vielleicht sollte man deinen Post auch in anderen solchen (ethnischen) Debatten auf dieser Seite einfügen (z.B. Treverer=Kelten? u.Ä.)
 
als welche Ethnie sie sich begriffen haben.

Hier stellt sich die Frage,ob man sich überhaupt als Etnie im heutigen Sinn begriffen hat oder eher als politischer Zusammenschluß auf regionaler Ebene.
Sprich: die Dörfer A,B,C,D ,die gut miteinander konnten und gleichgerichtete Interessen hatten nannten sich irgendwann in einem Oberbegriff Ubier, unabhängig von der ursprünglichen ethnischen Zugehörigkeit ihrer Bewohner.
 
Hier stellt sich die Frage,ob man sich überhaupt als Etnie im heutigen Sinn begriffen hat oder eher als politischer Zusammenschluß auf regionaler Ebene.
Sprich: die Dörfer A,B,C,D ,die gut miteinander konnten und gleichgerichtete Interessen hatten nannten sich irgendwann in einem Oberbegriff Ubier, unabhängig von der ursprünglichen ethnischen Zugehörigkeit ihrer Bewohner.

Prägnant auf den Punkt gebracht.
Das würde auch erklären warum man durch die Überlieferung (schriftl.) eine große Menge an Stammesbezeichnung hat und diese in relativ kurzem Zeitraum dann auch wieder verschwinden.
 
Fortgeführt

Ist doch schön zu sehen, wenn es voran geht.

Lieber Zaphod, genau so denke ich wird da ein Schuh draus.
Auf der untersten Ebene war die ethnische Bindung meines Erachtens nicht so wichtig wie familiäre oder traditionelle Bindungen. Ich glaube einfach nicht, dass wir in dieser frühen Zeit von ethnisch organisierten Großgruppen ausgehen müssen.

Auch die Einleitung zum gallischen Krieg macht mich misstrauisch: Wo finde ich die Dreiteilung Galliens im archäologischen Material? Um mal wieder einen linksrheinischen Blick zu erlauben.

Da ist es natürlich rechtsrheinisch, also in einem Gebiet, das die Römer kaum kannten und dessen Aufklärung nicht zu den Aufgaben des gallischen Krieges gezählt hat, noch schwerer.

Ich denke immer noch, wir kommen weiter, wenn wir die großen "Germanen" einfach weg lassen und uns wieder auf kleinere Massstäbe konzentrieren.
 
Irgendwo weiter oben in diesem Thread wurde eine Publikation zur Hunsrück-Eifel-Kultur vorgestellt, die ich sehr lobenswert fand. Daraus zitiere ich hier mal lustig:

[FONT=Garamond, serif]Hierfür müssen wir zunächst klären, was wir unter Kulturgruppe bzw. Kultur verstehen. Die[/FONT]
[FONT=Garamond, serif]Identifikation von Kulturgruppen mit Ethnien muß prinzipiell abgelehnt werden. Ethnien sind als[/FONT]
[FONT=Garamond, serif]relative und subjektive regionale Einheiten für unsere Zwecke ungeeignet. Aber auch der[/FONT]
[FONT=Garamond, serif]Kulturbegriff selbst weist durch seine ungenügende Definition grundsätzliche Schwächen auf.[/FONT]


Klärt das irgendwas?
 
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