Anklage

T

tacitus

Gast
Hallo!

Stimmt es das jemand, der vor ein Inquisitionsgericht gestellt wurde irgendwann, zu irgendeiner bestimmten Zeit (kann auch sein, dass das bei Hexenprozessen war), alle seine Feinde nennen durfte und wenn diese ihn der Ketzerei bezichtigt hatten die Anklage fallen gelassen wurde?

danke für eure hilfe
 
hi,
also, das ist mir neu, aber ich als Schülerin weiß nicht viel ;)
Aber die haben doch einfach verbrannt etc. ohne zu fragen. Hexen lügen immer, so nach dem Prinzip. Gab es jemals jemanden der freigesprochen wurde? Wenn das geklärt würde, könnte man ja auch deine Frage beantworten
 
Es gab die Möglichkeit der Freisprechung durch die Inquisition. Die meisten gestanden ihr Tun ja unter der Folter. Ab und an gab es ein paar, die die Folter aushielten und somit ihre Unschuld bewiesen. Sie waren aber weit in der Minderheit.
 
Nach der Wasserprobe war ein Freispruch möglich.
Die Verdächtige wird eine vorher bestimmte Zeit lang unter Wasser getaucht. Überlebt sie, war es ein Beweis für ihre Hexentätigkeit. Aber ertrank sie dabei, war es als ein Beweis für ihre Unschuld anerkannt und wurde freigesprochen. Sie dürfte dann christlich beerdigt werden. Nach den Gesetzen dieser Zeit war es formaljuristisch in Ordung.
So jedenfalls die Chronik in Derneburg.
 
Das mit den Feinden ist mir neu, man konnte allerdings frei gesprochen werden, wenn man den Abschwur leistete, so war das bspw. bei Galilei.
Was Hexenprozesse betrifft, musste formaljuristisch (natürlich nach der damalig geltenden Rechtslage) ersteinmal bewiesen werden, dass es sich um eine Hexe handelte, eine bloße Anklage reichte dazu noch nicht aus.
 
Ich hab im Hinterkopf, dass so etwas zumindest in qualiter et quando von Innozenz III - eventuell auch noch in den Ergebnissen des IV. Laterankonzils - steht, aber auf die Schnelle habe ich nichts genaues gefunden...

Vor allem nicht auf deutsch, auf Latein gibt es schon etwas, aber das ist mühsam...
 
askan schrieb:
Nach der Wasserprobe war ein Freispruch möglich.
Die Verdächtige wird eine vorher bestimmte Zeit lang unter Wasser getaucht. Überlebt sie, war es ein Beweis für ihre Hexentätigkeit. Aber ertrank sie dabei, war es als ein Beweis für ihre Unschuld anerkannt und wurde freigesprochen. Sie dürfte dann christlich beerdigt werden. Nach den Gesetzen dieser Zeit war es formaljuristisch in Ordung.
So jedenfalls die Chronik in Derneburg.

Wollte eben noch mal ergänzen: man wurde nicht einfach untergetaucht.
Vielmehr wurde der linke Daumen an den rechten Zeh, und der rechte Daumen an den linken Zeh gebunden. Dann wurde die mutmaßliche Hexe in einen Fluß gestoßen, üblicherweise in der Mitte des Flusses.
Das Paradoxe an der Methode ist, dass man den Frauen vorwarf, Hexen zu sein, wenn sie sich befreien konnten. Dies wäre nur mit teuflischer Macht möglich gewesen.
Nur, wenn man zum Grund des Flusses tauchen konnte und etwas Sand mitbrachte, war man frei.
Man glaubte nämlich, die vom Teufel Besessenen sind seelenlos und somit innerlich leer. Sie mussten demnach auf der Wasseroberfläche treiben oder manchmal heißt es auch, sie werden auch vom reinen, göttlichen Wasser abgestoßen und tauchten deswegen nicht unter.
Wenn sie also tauchen konnten und Sand als Beweis mitbrachten, waren sie unschuldig.
Das ist doch mal nett, nicht wahr?
 
Na, ganz so einfach war das auch nicht (wenn auch ein sehr beliebtes stereotypes Bild über die Hexenverfolgung).

Wenn die vermeintliche Hexe nicht unterging, dann war sie schuldig, weil das Wasser sie wegen ihrer Teufelsbündelei nicht annahm. Ging sie aber unter, dann war das ein Zeichen ihrer Unschuld - was nun aber ganz und gar nicht impliziert, dass Kläger und Richter mal eben mehrere Minuten abwarteten und die Beschuldigte erst dann wieder nach oben zerrten und ihr keine Gelegenheit zum Überleben gaben. Natürlich war das nicht der Gipfel des Humanismus in der Rechtsprechung, aber genausowenig ein abgekartetes Spiel, in dem die Beschuldigte nur verlieren konnte. Ganz im Gegenteil: Wasserproben waren durchaus beliebt, weil die Chance eines Freispruches hier wohl relativ hoch war.

Im Münsterland gab es ein Dorf (hab den genauen Ort jetzt nicht parat, kann aber bei Bedarf mal recherchieren), das auch aus weiter entfernten Gegenden Scharen von Leuten anzog, die sich dort "aufs Wasser werfen" ließen, um den Beweis ihrer Unschuld zu erbringen. Diese Beschuldigten müssen also (ohne einen gerichtlichen Zwang!) die Wasserprobe gewählt haben, um sich allein schon vom Gerücht der Hexerei zu befreien - was wohl kaum geschehen wäre, wenn die Wasserprobe ein erhöhtes letales Risiko beinhaltet hätte...
 
das finde ich interessant. dürfte ich den namen erfahren? und ich könnte mir schon vorstellen, dass diese methode gewählt wurde...es war doch bei weitem die freundlichste mit aussicht auf erfolg...was man von anderen folterartigen methoden ja nun nicht behaupten kann.
 
Ich werd mal nachschauen, gib mir aber ein paar Tage Zeit... (Was mir momentan dazu einfällt: Der Aufsatz dazu ist in den Westfälischen Forschungen abgedruckt, irgendeine Ausgabe aus den 1990er Jahren, und er ist von einer Frau geschrieben - für den Fall, dass du selber recherchieren willst!)
 
Herold schrieb:
Der Aufsatz dazu ist in den Westfälischen Forschungen abgedruckt, irgendeine Ausgabe aus den 1990er Jahren, und er ist von einer Frau geschrieben
Wohl
Gudrun Gersmann, Wasserproben und Hexenprozesse. Ansichten der Hexenverfolgung im Fürstbistum Münster. In: Westfälische Forschungen 1998, S. 449 – 481

In einem Tagungsbericht stellte sie in ihrem Vortrag „Die Wasserprobe als soziale Praxis, Reinigungsritual und Instrument adliger Hexenpolitik - Das Beispiel des Fürstbistums Münster“ eine besonders im 17. Jahrhundert verbreitete Praxis in Hexereiprozessen vor.
Die Praxis der Wasserprobe, deren ältestes Zeugnis sich im assyrischen Codex Hammurabi findet, ist auf die Tradition der Gottesurteile zurückzuführen, die 1215 kirchlich untersagt wurden. Die im frühneuzeitlichen Hexerei-Prozeß angewendete Wasserprobe ist hingegen eine neue Erscheinung: Sie gilt nicht mehr als Gottesurteil, sondern wird genutzt, um vor einem eventuellen Prozeßbeginn ein Indiz für die Folter zu haben. Die Wasserprobe war von der landesherrlichen Obrigkeit verboten, aber gerade in kleinen Adelsherrschaften wie im Münsterland sehr populär, was auf Profilierungsabsichten dieser gegenüber dem Landesherrn schließen läßt. Die Hexenverfolgung bot sich damit als Instrument zur Demonstration politischer Eigenständigkeit an.
http://www.uni-trier.de/hexen/tagungen/tagungen2000.html

Ein detaillierter Beitrag von ihr:
Wasserproben und Hexenprozesse
Ansichten der Hexenverfolgung im Fürstbistum Münster

Wurde hier publiziert:
Wasserproben
Der Link ist leider z. Zt. nicht direkt zugänglich
http://www.hexenforschung.historicum.net/etexte/wasserprobe.html
 
Ja, klasse, das war genau das, was ich meinte - auch wenn mir nicht bewusst war, dass das meiste Material im Netz steht. Danke schön! :hoch:
 
Ich fidne eher unwahrscheinlich das wenn man einmal engeklagt war wieder freigesprochen werden konnte. Da ja wenn an nur einen Feind hatte und der einen der hexerei bezichtigete man schon angeklagt wurde. Meiner meinung nach gab es eigentlich ekine möglichkeit wieder frei zukommen, denn auch wenn man Gestand wurde man getötet oder auch sonst gefolter bis man starb??
 
Es ist ein Irrglaube, dass Hexenprozesse immer mit dem Tod endeten. In Wahrheit wurden nur etwa 2% (!) aller Personen, die jemals der Hexerei beschuldigt wurden, auch tatsächlich hingerichtet, davon etwa die Hälfte in Deutschland.
 
Ich fidne eher unwahrscheinlich das wenn man einmal engeklagt war wieder freigesprochen werden konnte. Da ja wenn an nur einen Feind hatte und der einen der hexerei bezichtigete man schon angeklagt wurde. Meiner meinung nach gab es eigentlich ekine möglichkeit wieder frei zukommen, denn auch wenn man Gestand wurde man getötet oder auch sonst gefolter bis man starb??

Wie schon Ravenik schrieb, gab es durchaus Freisprüche und Freilassungen. So wurde die Mutter des Astronomen Johannes Keppler als Hexe angeklagt, allerdings wieder freigelassen. Besonders hartnäckig war Maria Holl aus Nördlingen, die dort das renommierte Gasthaus "zur Goldenen Krone" betrieb. Sie wurde denunziert und 62 (!) mal gefoltert. Sie wurde so übel malträtiert, dass sie nicht mehr richtig laufen konnte und sich von zwei Knechten in einem Stuhl tragen lassen musste. Dennoch blieb Maria Holl standhaft und legte kein Geständnis ab. Sie überlebte alle ihre Ankläger und verstarb erst 1634 im Alter von 84 Jahren.
 
Wird hier nciht ein bißchen viel durcheinander geworfen? Inquisition, Ketzerprozesse, Hexenprozesse....
Binsfeld gibt den Leuten auch die Möglichkeit, sich selbst anzuklagen und dann abzuschwören, was auch durchaus praktiziert wurde. Nur, wer einmal mit dem Stigma "Hexe(r)" rumlief, stand derartig unter Beobachtung, daß das nur eine kurzfristige Erleichterung war. Das galt für Selbstanzeige genauso wie für überstandene Tortur. An sich gehört das Abschwören aber zu den Ketzerprozessen, das Hexereidelikt galt vielen als derart verwerflich, daß keine Rekonziliation möglich war.
Überstand man die Tortur bei einem Hexenprozeß, mußte man theoretisch freigelassen werden, was aber zuweilen vermieden wurde. Berühmtes Beispiel ist die Kölner Postmeisterin Katharina Henot. In Bamberg hingegen war man so "kreativ" bei den Foltermethoden, daß man auf die Art sichergestellt hat, daß keiner davonkam.
Kramer, der Autor des Malleus Maleficarum, geht angesichts der Möglichket, die Tortur zu überstehen, sogar soweit, daß er sagt, es steht ganz im Ermessen des Richters, jemanden zu veruteilen, wenn er ihm schuldig erscheint. (Aber Kramer war ja auch nicht ganz dicht, wie sogar der Bischof von Brixen verlauten ließ: mihi delirare videtur).
Prozeßtheorie und Prozeßpraxis sind hier zwei sehr verschiedene Dinge.

Gruß
Kassia
 
Zurück
Oben