Da hast Du mich ertappt, ich habe einfach mal frei für mich dahin definiert, daß innere Freiheit die geistige sei, auch in ihrer Äußerung, und äußere die körperliche.
Ok, wie wäre es denn dann mit der (üblicheren) Unterscheidung in positive und negative Freiheit zur Klassifizierung der Freiheitsgrade im 18. und 19. Jahrhundert? Negative Freiheit meint die Freiheit von etwas (Fremdbestimmung bspw.) und positive Freiheit meint die Freiheit zu etwas und ist damit die Steigerung der ngeativen Freiheit, in der die Möglichkeiten, die durch die passive Freiheit eingeräumt werden auch tatsächlich genutzt werden können. Hier wäre dann auch wieder der Anknüpfpunkt zu Humboldt aber auch zu Kant zu sehen: die negative Freiheit ist eingeräumt, aber nur durch Bildung können diese Freiheiten auch entsprechend genutzt werden.
Um aber vielleicht auch nochmal einen anderen Pfad einzuschlagen und nochmal mit Wielands Aussprüchen zu hadern: Wie verträgt sich das Lob der Sicherheit und Freiheit mit solchen Auswüchsen wie der teilweise sehr rigorosen Rekrutierungspraxis und dem Soldatenhandel?
Kommt darauf an wie man Wieland in dem Zusammenhang gewichtet. Die Auszüge die du zitierst nennt jschmidt nach Winkler verfassungspatriotisch. Man könnte sich also fragen, in wie weit die Verfassungsurkunden des HRR einen für die Menschen aneinanderbindenden Charakter hatten und wenn sie diesen Charakter hatten, welche Gesellschaftsschichten das auch genau so wahr genommen haben.
Wieland hat zwar nicht unrecht, wenn er sagt dass man im deutschen Reich die in Frankreich mühsam erkämpften Rechte bereits hatte, nur sollte man hier hinterfragen, wer diese Rechte hatte und wie sie gelebt wurden. Ich deute in meinem Beitrag #7 bereits an, dass die von Gesetzes wegen zugesicherten Freiheiten nicht jeder hatte, da die entsprechenden Verfassungen oft nur so genannte "Bürgerverfassungen" waren, also auch nur für die Bürger des jeweiligen Landes galten, was schon mal einen Großteil der Einwohner von den gesetzlich zugesicherten Freiheiten ausschloss. Grundsätzlich kann man also festhalten, dass eine Minderheit negative Freiheit genoss. Man hatte zwar grundsätzlich die Möglichkeit entsprechende Freiheitsbeschränkungen einzuklagen, der Klageweg war aber lang und müßig und i.d.R. auch erfolglos, die tatsächliche positive Freiheit war also mehr Glückssache.
Ach, ich würde den Soldatenhandel gar nicht mal so weit außen vor lassen, vor allem aber davor die oft sehr fragwürdigen Rekrutierungsmethoden. Wenn Wieland ja schreibt, daß jeder gegen widergesetzliche Handlungen geschützt sei, dies aber durch teilweise Zwangsrekrutierung ad absurdum geführt, ist das ein interessanter Widerspruch, der sich die Frage stellen lassen muß, ob Wieland hier einfach unangenehme Aspekte ausblendet?
Um auf dein konretes Beispiel des Soldatenhandels einzugehen (ich picke mir direkt mal Hessen-Kassel raus): in Hessen-Kassel gab es bereits die Wehrpflicht, das Ausheben der Soldaten war also gesetzlich geregelt (hier gilt der jursitische Grundsatz lex specialis vor lex generalis - das spezielle Recht zur Wehrpflicht kann also das generelle Recht der Freiheit einschränken). Im Rahmen des Subsidienvertrages zwischen Hessen-Kassel und Großbritannien war eine feste Anzahl Soldaten festgelegt. Wurden diese nicht durch Freiwilligenanwerbung (der finanzielle Reiz für die Soldaten war durchaus vorhanden) gedeckt, so wurden eben unter Verweis auf die Wehrpflicht Wehrpflichtige ausgehoben, was in der Bevölkerung durchaus das Gschmäckle von Presskommandos gehabt haben wird, sie das also als Einschränkung ihrer Freiheiten im Sinne von staatlicher Willkür empfunden haben (ich frage mich gerade, wie bekannt die Gesetze des Landes unter der Bevölkerung waren?). Zudem wurden gerade in Hessen-Kassel, um die Landeskinder zu schonen, Ausländer "angeworben" (= soll heißen durchaus auch gepresst), diese fielen schließlich nicht unter den Schutz der jeweiligen Landesverfassung. Ausländer in Hessen-Kassel war auch, wer aus Hessen-Darmstadt stammte. Also alles vom Grundsatz her irgendwie legal und eben nicht die zugesicherten Freiheitsrechte der Bürger einschränkend.
Die Frage ob Wieland hier unangenehme Auspekte ausblendet würde ich davon abhängig machen, von wem Wieland spricht, der seiner Meinung nach all die Freiheiten bereits hat, wie er die juristische Praxis interpretiert und schlussendlich auch davon, zu wem er spricht. Wieder einmal aus dem Bauch raus, nein er blendet es nicht aus, es ist für seine Betrachtungen nur schlicht nicht relevant. Er sieht hier vielleicht noch nicht mal die Freiheitsbeschränkungen für sein Publikum.
Nichts desto trotz wurde natürlich am Soldatenhandel bereits zur Zeit der Aufklärung starke Kritik geübt, weil er eben nach Sicht einiger Aufklärer sehr wohl die Freiheiten der Menschen beschränkte (allerdings eben nicht im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten). Zu nennen wäre hier bspw. Schubart (er nennt es "Menschenschatzung" und prangert sowohl die Praktiken in Hessen-Kassel als auch in Württemberg an, allgemein ist er einer der schärfsten Kritiker der Freiheitsbeschränkungen im Württemberg dieser Zeit).
Das ist ein spannender Aspekt: Ich habe mich ja vom Winkler aus in diese Frage hineinbegeben. Während Wieland meiner Meinung nach noch betont, wie sehr die Reichsverfassung die Freiheit des Einzelnen schützt (oder zumindestens schützen sollte), geht der spätere Diskurs zum Beispiel bei Fichte dahin, daß es die Freiheit der Nation ist (die er herbeizuschreiben sucht), die Vorrang hat und Ziel des Freiheitskampfes ist und der sich das individuelle Wohl unterzuordnen hat.
Und damit wären wir endgültig in der historischen Rechtsphilosophie angekommen. Freiheit hat immer auch eine Grenze, die Frage ist nur, wo im historischen Kontext die Grenze gezogen wurde und wie die Rangreihenfolge einzelner Teilaspekte die die Freiheit des Einzelnen betrafen, sortiert wurde. Ein mMn entscheidender Faktor ist hier auch die Rechtssicherheit, weil nur Rechtssicherheit auch klar macht wie die eigenen Spielräume sind. Rechtsunsicherheit führt oft zur Wahrnehmung von Willkür und das bedeutet wiederum, dass man sich in seinen Freiheiten auf ungerechte Weise eingeschränkt fühlt.
Wie stellt sich die Situation auf der untersten Ebene dar, d.h. auf der des "Landmanns". Hat Wieland einen Blick dafür? Betrifft ihn das überhaupt?
Ich würde hier sogar noch einen Schritt weitergehen und hinterfragen, für wen Wieland Freiheit überhaupt als erforderlich ansieht, wem er sie quasi zugesteht und wem nicht. Zudem wäre es an der Stelle interessant welchen Maßstab er an die Freiheit anlegt. Reicht ihm die negative Freiheit und die theoretishe Möglichkeit des Rechtsweges bereits aus, um die Menschen als grundsätzlich frei zu bezeichnen, oder betrachtet er auch die tatsächliche, also die positive Freiheit des einzelnen.