Was löste die Domestizierung von Pflanzen durch den Menschen aus?

kwschaefer

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Noch in den 1950-ern gingen die Archäologen davon aus, dass die Domestizierung von Pflanzen nur an zwei Stellen der Erde stattgefunden habe, und zwar im Nahen Osten und in Amerika. Inzwischen sind mindestens 10 Gebiete auf der Erde archäologisch nachgewiesen, an denen, unabhängig voneinander, Pflanzen domestiziert wurden.

Es wird nun diskutiert, ob es einen gemeinsamen externen Auslöser für die Domestizierung von Pflanzen gab. Dafür spricht, dass etwa gleichzeitig, rund 10000 Jahre BP, im Nahen Osten erste domestizierte Varianten von Emmer, Einkorn und Gerste in zunächst kleinen Anteilen auftauchen, und an zwei Stellen in Mittel- und Südamerika das gleiche für zwei verschiedene Squash-Arten gilt. Die bei den Ausgrabungen in Abu Hureyra in Syrien gefundenen, etwas größeren Roggen-Körner, datert auf ~13000 Jahre BP, werden heute wohl nicht mehr für eine domestizierte Variante gehalten. Als älter sind lediglich domestizierte Varianten der Feige aus 11400 BP bekannt, die aber nicht in ein ackerbauliches Umfeld passen.

Es werden verschiedene Auslöser für die Domestizierung von Pflanzen genannt.

Einmal soll die scharfe Kälteperiode der Jüngeren Dryas als Auslöser gewirkt haben.
Eine andere Meinung sieht den starken Anstieg des Kohlendioxid-Gehaltes der Atmosphäre von 180 ppm auf 280 ppm in wenigen tausend Jahren am Übergang von Pleistozän zu Holozän als Trigger, weil dieser einen dramatischen positiven Effekt auf die Photosynthese und die Pflanzenproduktivität gehabt habe.
Ausgehend von der These, dass der Mensch immer die für ihn günstigste, wirtschaftlichste Variante der Nahrungsmittelversorgung wählt, ist in einer neueren Studie versucht worden, die Verhältnisse im tropischen Tiefland Südamerikas zu simulieren. Dabei wurde, unter Berücksichtigung der sich ändernden Verfügbarkeit pflanzlicher und tierischer Nahrung, errechnet, etwa 10000 BP habe das Vordringen der Wälder in vorher offene Gebiete ein Ausmaß erreicht, dass Ackerbau vorteilhafter wurde als Nahrungsmittelsuche.

Andere Archäologen glauben, dass diese Meinungen den Veränderungen der Umweltverhältnisse ein zu großes Gewicht in Bezug auf Verhaltensänderungen des Menschen beimessen. Soziale und symbolische Aspekte des menschlichen Verhaltens seien für eine Veränderung der Beziehungen des Menschen zur Natur verantwortlich zu machen. So habe etwa das Entstehen eines religiösen Symbolismus den Ackerbau im Nahen Osten möglich gemacht.

Meines Erachtens hat es verschiedene Auslöser für die Domestizierung von Pflanzen gegeben. Das sollte sich schon aus dem unterschiedlichen Zeitpunkt der Domestizierung ergeben. Hirse wurde etwa 8000 BP in Nordchina domestiziert, ebenso wie Reis in Südchina und Manioc und Erdnuss im Tiefland Südamerikas, Yam und Taro etwa 7000 BP in Neuguinea und die Sonnenblume 5000 BP im Osten Nordamerikas.

Sicher ist der Übergang zum Ackerbau eine der zentralen Fragestellungen der Archäologie. Ob es aber gelingt, für ein Phänomen, dass welteit aufgetreten ist, eine einheitlliche Erklärung zu finden?
 
ich kenn mich jetzt nicht gut damit aus, aber um einen ansatz zur diskussion deiner frage zu liefern:
man muss die klimaveränderungen schon als ausschlaggebenden faktor sehen, sie haben den prozess der evolution der kultur des menschen geprägt und beschleunigt. zwar gibt es regional und überregional extremst viele faktoren die die klimaausprägung an diesen orten gänzlich unterschiedlich beeinflussen, jedoch ist das weltweite klima immernoch ein gesamtgebilde, dass sich nicht einfach in kleine einheiten zerteilen lässt, die man getrennt von einander (also auch ohne gegenseitige beeinflussung) betrachten kann.
um dir vielleicht mehr stoff zu deinen überlegungen liefern zu können. wir hatten dieses semester ein seminar zur "entwicklung der menschlichen subsistenz". dort gab es auch ein thema zu den "pflanzergruppen". ziel war es die erarbeiteten themengebiete per wikipedia-software ins internet zu stellen. da wir uns aber nochmal mitte oktober treffen werden, kommt die homepage erst ende des jahres online. ich werde dann aber den link hier reinstellen.
 
Nicht nur der Auslöser für die Domestizierung von Pflanzen ist noch unklar, im Hinblick auf manche, insbesondere tropische, Pflanzen hat die Forschung sogar noch kaum begonnen.
Unklar ist auch der Weg und die Zeitspanne zwischen der Nutzung und Kultivierung wilder Pflanzen durch den Menschen und dem Auftreten physischer und physiologischer Veränderungen an den Pflanzen, die Anzeichen für die Domestizierung sind.

Noch vor etwa 10 Jahren sahen die meisten Archäologen den Übergang vom Jäger- und Sammlerdasein zum Ackerbau als einen revolutionären Bruch des Lebensstils an, auf den dann sehr kurzfristig die Domestizierung der angebauten Pflanzen erfolgt sei. Man folgte dem Ergebnis einer britischen Studie, die hierfür einen Zeitraum von 200 Jahren, möglicherweise sogar nur 20 bis 30 Jahren, ermittelt hatte. Die Studie benutzte ein mathematisches Modell, um die Auswirkung des unterstellten Erntewerkzeugs Sichel auf die bevorzugte Selektion solcher Getreidehalme nachzubilden, die zum Erntezeitpunkt noch Ähren bzw Körner auf dem Halm trugen.
Hierdurch sollten diejenigen, die Ähren bzw Körner vorher abwarfen, verloren gehen und nur die zu Saat verwendet worden sein, die die Ähren hielten.
Experimentelle Untersuchungen mit wilden Weizen, Roggen und Gerste zeigten indes, dass eine durchgreifende Domestizierung keinesfalls schnell erfolgen konnte, weil durch zu Boden gefallene Körner der Wildversion die Aussaat immer wieder verunreinigt wurde.
Gestützt wurde dieses Ergebnis auch durch die Ohalo II-Ausgrabungsstätte in Israel. Auf 23000 Jahre BP radiocarbondatiert - also noch in der letzten Eiszeit -, wurden dort in einer Siedlung über 90000 Pflanzenreste gefunden, Eicheln, Pistazien, wilde Oliven und große Mengen an wilden Weizen und Gerste. Sogar mikroskopische Reste von Gerste zwischen großen Steinen wurden gefunden, die darauf hindeuten, dass bereits Mehl hergestellt worden sein könnte. Damit muss man wohl die Meinung aufgeben, dass der Mensch schon kurz nach der Nutzung wilder Getreidearten mit der Kultivierung und Domestizierung begann.
Dass der Prozess der Domestizierung längere zeit in Anspruch genommen haben dürfte, zeigt auch ein Vergleich des domestizierten Anteils an Funden an drei Ausgrabungsstätten unterschiedlichen Alters:
Nevali Cori (Türkei) 10500 BP 10%; el-Kerkh (Syrien) 8500 BP 36%; Kosakh Schama (Syrien) 7500 BP 64%.

Der vom Menschen ausgeübte Selektionsdruck war also über sehr lange Zeiträume nur schwach. Erst als der Mensch dazu überging, die domestizierten Pflanzen ganz getrennt von wilden anzubauen, und sie damit physisch und genetisch isolierte, konnte dieser Prozess sich beschleunigen.

Diese Überlegungen gelten natürlich primär für die Nutzung von Getreidearten im Nahen Osten. Wie weit sie übertragen werden können auf die Nutzung und anschließende Domestizierung anderer Pflanzen in der Alten Welt muss weiterhin offen bleiben.

Auch in Amerika sind in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsergebnisse bekannt geworden, die den Zeitpunkt des Beginns der Domestizierung von Pflanzen viel weiter in die Vergangenheit gerückt haben.

Noch vor kurzem waren kaum archäologische Belege bekannt für den Anbau von Squash, Mais und Maniok vor 5000 BP. Man hatte auch für Vorgänge in den tropischen Wäldern kaum Daten. 1997 wurden erstmals in einer Höhle bei Oaxaca in Mexiko auf 10000 BP datierte Reste von eindeutig domestiziertem Pepo Squash gefunden. Eine genetische Untersuchung ergab die genetische Identität mit heute angebautem Pepo Squash.
Durch den Einsatz der Stärkekorn-Analyse seit der zweiten Hälfte der 90-er Jahre hat sich das pflanzen-archäologische Material vervielfacht. Pflanzen lagern Stärke in Organellen, sog. Amyoplasten, ab. Die Größe dieser Amyoplaste und ihr Ablagerungsmuster erlaubt die Identifizierung von geringen Pflanzenresten und sogar die Unterscheidung wild – domestiziert. Mit dieser Methode konnte man Reste von domestizierten Mais, Pfeilwurz und Maniok auf Mahlsteinen in Panama aus bis 7800 BP identifizieren. In einem ganz neuen paper in Science wird über Funde in Häusern aus Stein und Reeth in den peruanischen Anden berichtet. Dort fand man Reste von Moschata Squash, datiert auf 10000 BP und Erdnüssen (8500 BP). Genetische Untersuchungen und das Vorkommen möglicher wilder Vorstufen legen nahe, dass die Domestizierung nicht dort, sondern in den Wäldern des Tieflandes erfolgte. Allerdings wird von anderen Archäologen angezweifelt, dass diese Funde tatsächlich bedeutende morphologische Veränderungen zu Wildformen aufweisen.
Auch zur Domestizierung vom Mais sind zahlreiche neue Ergebnisse bekannt geworden. Mais ist aus einer Pflanze namens Teosinte domestiziert worden, die zunächst rein äußerlich kaum Ähnlichkeit mit Mais hat. Während heute ein Maiskolben bis zu 500 nackte Körner auf dem Kolben hat, hat Teosinte nur 5 – 12 in harte Hüllen eingehüllte Körner. Aus der Anzahl der genetischen Veränderungen zwischen Mais und Teosinte und der wahrscheinlichen Geschwindigkeit der Veränderungen wurde eine Domestizierung im Tal des Rio Balsas in Mexiko etwa 9000 BP ermittelt. Vor kurzem wurde eine Bestätigung veröffentlicht. Danach hat man in einigen Tälern in der Nähe des Rio Balsas Hinweise auf den Anbau von domestiziertem Mais um etwa 8500 BP gefunden.

Was verblüfft an den jüngsten Ergebnissen aus Amerika ist, dass dort offenbar die Domestizierung von Pflanzen bereits wenige tausend Jahre nach der Ankunft des Menschen in diesem Gebiet begann. Im Nahen Osten dagegen lebte der Mensch schon seit Jahrzehntausenden, ehe er mit der Kultivierung von Pflanzen begann.

Insgesamt gesehen muss man sich aber wohl von dem Gedanken an eine revolutionäre Umstellung der Lebensweise vom Jäger/Sammler zum Ackerbauern verabschieden. Die Umstellung dürfte ein sehr langsamer, Jahrtausende andauernder Prozess gewesen sein, in dem die Jäger/Sammler zunächst in kleinem Umfang Wildpflanzen anbauten und ihrer Nahrung zumischten, dann langsam zu mehr Bodenbearbeitung übergingen, mit ganz langsamer Domestizierung der Nutzpflanzen, und schließlich unter höherem Arbeitseinsatz auf abgeschlossenen Feldern Nutzpflanzen mit vorwiegend und schließlich voll domestizierten Pflanzenanteilen anbauten.
 
Insgesamt gesehen muss man sich aber wohl von dem Gedanken an eine revolutionäre Umstellung der Lebensweise vom Jäger/Sammler zum Ackerbauern verabschieden. Die Umstellung dürfte ein sehr langsamer, Jahrtausende andauernder Prozess gewesen sein,

Zu meinem Thema von 2007 erreichen mich immer mal wieder interessierte Anfragen. Deshalb möchte ich hier einige neuere Quellen referieren, die meine damals vertretene Ansicht stützen, dass die Domestizierung von Pflanzen und damit der Übergang vom Sammler zum Ackerbauern keineswegs ein revolutionärer Umschwung, sondern ein ganz langsamer Prozess war.

Neuere Untersuchungen liegen insbesondere aus China im Zusammenhang mit der Domestizierung von Reis im unteren Jangtse-Tal und von Hirse in der Inneren Mongolei und im Huangho-Tal vor.

Überreste von Reis sind bereits in Tongefäßresten von etwa 10.000 BP gefunden worden (L. Jiang, L. Liu, Antiquity 80, 355 (2006)). Der Prozess der Domestizierung begann jedoch erst zwischen 6.900 und 6.600 BP. In Tianluoshan, einer Ausgrabungsstätte der neolithischen Hemudu-Kultur, wurden über 35.000 Pflanzenüberreste aus mehr als 50 Arten identifiziert, vornehmlich Eicheln, Stachelseerosen und Reis. Von 6.900 BP bis 6.600 BP stieg der Anteil von Reis an der Menge der gefundenen Pflanzenüberreste von 8% auf 24%.

Nach der Form der Ähren konnte man die Reisfunde in wilden Reis, bei dem die Reiskörner von den Ähren vor Erreichen der vollen Kornreife abgeworfen werden, und domestizierten Reis, bei dem die Körner auf der Ähre den vollen Reifegrad erreichen und dann gedroschen werden, differenzieren. In den genannten 300 Jahren stieg der Anteil des domestizierten Reises von 27,4% auf 38.8%.

Der Beginn der Domestizierung ist allerdings viel früher anzusetzen, da es bereits Funde aus etwa 8.000 BP gibt, die die domestizierte Ährenform enthalten.
Was den Beginn der Domestizierung angeht, so sind die Ursachen weiter nicht klar.
Sicher scheint aber mit diesen Belegen, dass der Übergang vom Jäger/Sammler zum Ackerbauern nicht ein in wenigen Generationen sich entwickelnder Ablauf war, sondern dass viele Generationen von Wildbeutern das Sammeln von wilden Früchten und Nüssen mit dem Einsammeln kultivierter Nahrungsmittel kombinierten. Dass dieser Vorgang so lange andauerte hat sicher auch damit zu tun, dass man sich diesen frühen „Ackerbau“ nicht vorstellen darf wie den heutigen Anbau auf einem isolierten Feld. Der Genfluss zwischen der wilden und der domestizierten Form war in der frühen Zeit sicher sehr stark, sodass die morphologischen Merkmale der domestizierten Form erst dann fixiert wurden als man zu organisierterem Anbau überging.

Bei der Domestizierung der Hirse hat man eine solche Verteilung des Vorkommens über der Zeitachse noch nicht feststellen können, lediglich das Vorkommen um 8.000 BP in der Inneren Mongolei ist klar belegt. Was hier besonders auffällt, ist die außerordentlich schnelle Verbreitung aus dem Domestizierungsgebiet in China nach Westen. Nur 1.000 Jahre später sind mehr als 20 Fundorte dieser Hirseform westlich des Schwarzen Meeres belegt (H. V. Hunt et al., Veg. Hist. Archaeobot. 17, 5 (2008)), weitaus mehr als Reisfunde im Westen um 5.400 BP.

Zwischen 5.000 und 4.000 BP erreichte auf dem entgegengesetzten Weg Weizen und Gerste aus dem Domestizierungsgebiet des „Fruchtbaren Halbmondes“ China, wie Funde an verschiedenen Stellen in China belegen (G. Jin, Nongye Kaogu (Agricultural Archaeology) 92, 11 (2007).

Die neueren Funde in China zeigen insgesamt das gleiche Muster für die Domestizierung, wie es sich im Nahen Osten abzeichnet. Irgendwann zwischen 12.000 BP und 7.000 BP wurde an verschiedenen Stellen begonnen, meist in einem Gebiet nahe eines Flusses, den Boden zu bearbeiten und Pflanzen auszusäen, wobei für mehrere tausend Jahre den Genfluss mit Wildformen erhalten blieb bis schließlich die morphologischen Merkmale der domestizierten Form sich verfestigten.
 
Zu meinem Thema von 2007 erreichen mich immer mal wieder interessierte Anfragen. Deshalb möchte ich hier einige neuere Quellen referieren, die meine damals vertretene Ansicht stützen, dass die Domestizierung von Pflanzen und damit der Übergang vom Sammler zum Ackerbauern keineswegs ein revolutionärer Umschwung, sondern ein ganz langsamer Prozess war.

Gut, dass du das Thema aktualisiert hast. Bei Diskussionen über die Neolithisierung wird die Phase des Übergangs immer mal wieder gestreift.
Da wir die Betrachtung meist auf Mitteleuropa fokussieren, spielt die Domestizerung von Pflanzen eine eher untergeordnete Rolle. Jedenfalls was die Länge des Zeitraums betrifft. Für Europa nördlich des Mittelmeers und Nordamerika war die nacheiszeitliche Phase u.U. zu kurz und die klimatischen Bedingungen zu ungünstig, um geeignete Kohlehydratlieferanten zu domestizieren. Haselnüsse und andere Wildfrüchte liefern nicht genug Kalorien, schätze ich.

Neuere Untersuchungen liegen insbesondere aus China im Zusammenhang mit der Domestizierung von Reis im unteren Jangtse-Tal und von Hirse in der Inneren Mongolei und im Huangho-Tal vor.

Überreste von Reis sind bereits in Tongefäßresten von etwa 10.000 BP gefunden worden (L. Jiang, L. Liu, Antiquity 80, 355 (2006)). Der Prozess der Domestizierung begann jedoch erst zwischen 6.900 und 6.600 BP. In Tianluoshan, einer Ausgrabungsstätte der neolithischen Hemudu-Kultur, wurden über 35.000 Pflanzenüberreste aus mehr als 50 Arten identifiziert, vornehmlich Eicheln, Stachelseerosen und Reis. Von 6.900 BP bis 6.600 BP stieg der Anteil von Reis an der Menge der gefundenen Pflanzenüberreste von 8% auf 24%.

Nach der Form der Ähren konnte man die Reisfunde in wilden Reis, bei dem die Reiskörner von den Ähren vor Erreichen der vollen Kornreife abgeworfen werden, und domestizierten Reis, bei dem die Körner auf der Ähre den vollen Reifegrad erreichen und dann gedroschen werden, differenzieren. In den genannten 300 Jahren stieg der Anteil des domestizierten Reises von 27,4% auf 38.8%.

Der Beginn der Domestizierung ist allerdings viel früher anzusetzen, da es bereits Funde aus etwa 8.000 BP gibt, die die domestizierte Ährenform enthalten.
Da sprichst du die Getreidegruppe an. Beim Getreide kann man anhand der Körnergröße, -anzahl und Stengel-Korn-Haltefähigkeit gut die Wildformen von den domestizierten unterscheiden. Wobei ich da auch eine lange Übergangsphase sehe, wo man diese Unterscheidung nicht sicher feststellen kann. Wir sprechen ja nicht von planvoller Pflanzenzucht, sondern von anfangs eher zufälliger Auslese.

Was den Beginn der Domestizierung angeht, so sind die Ursachen weiter nicht klar.
Sicher scheint aber mit diesen Belegen, dass der Übergang vom Jäger/Sammler zum Ackerbauern nicht ein in wenigen Generationen sich entwickelnder Ablauf war, sondern dass viele Generationen von Wildbeutern das Sammeln von wilden Früchten und Nüssen mit dem Einsammeln kultivierter Nahrungsmittel kombinierten. Dass dieser Vorgang so lange andauerte hat sicher auch damit zu tun, dass man sich diesen frühen „Ackerbau“ nicht vorstellen darf wie den heutigen Anbau auf einem isolierten Feld. Der Genfluss zwischen der wilden und der domestizierten Form war in der frühen Zeit sicher sehr stark, sodass die morphologischen Merkmale der domestizierten Form erst dann fixiert wurden als man zu organisierterem Anbau überging.

Bei der Domestizierung der Hirse hat man eine solche Verteilung des Vorkommens über der Zeitachse noch nicht feststellen können, lediglich das Vorkommen um 8.000 BP in der Inneren Mongolei ist klar belegt. Was hier besonders auffällt, ist die außerordentlich schnelle Verbreitung aus dem Domestizierungsgebiet in China nach Westen. Nur 1.000 Jahre später sind mehr als 20 Fundorte dieser Hirseform westlich des Schwarzen Meeres belegt (H. V. Hunt et al., Veg. Hist. Archaeobot. 17, 5 (2008)), weitaus mehr als Reisfunde im Westen um 5.400 BP.

Zwischen 5.000 und 4.000 BP erreichte auf dem entgegengesetzten Weg Weizen und Gerste aus dem Domestizierungsgebiet des „Fruchtbaren Halbmondes“ China, wie Funde an verschiedenen Stellen in China belegen (G. Jin, Nongye Kaogu (Agricultural Archaeology) 92, 11 (2007).

Die neueren Funde in China zeigen insgesamt das gleiche Muster für die Domestizierung, wie es sich im Nahen Osten abzeichnet. Irgendwann zwischen 12.000 BP und 7.000 BP wurde an verschiedenen Stellen begonnen, meist in einem Gebiet nahe eines Flusses, den Boden zu bearbeiten und Pflanzen auszusäen, wobei für mehrere tausend Jahre den Genfluss mit Wildformen erhalten blieb bis schließlich die morphologischen Merkmale der domestizierten Form sich verfestigten.

Das Muster trifft auf Getreide, evtl. incl. Mais in Flußtälern zu und damit für die klassischen Entstehungsorte.

Ich frage mich, wie der Übergang in den tropischen Gebieten stattgefunden hat. Dort sind die Kohlehydratlieferanten eher Wurzeln und Knollen, wie Yam, Taro, Maniok, Batate und Kartoffeln oder stärkehaltige Obstarten, wie Bananen. Woran erkennt man an diesen Pflanzen, ab wann und wo sie systematisch angebaut wurden?

Eigentlich ernähren sich die Menschen weltweit seit dem Neolithikum und mehr oder weniger lange davor aus einer Mischung von Eiweiß, Fett und Kohlehydraten. Nur in extremen Randgebieten im Norden ist die gesamte Nahrung tierischer Herkunft incl. Meeresgetier.
 
Ich frage mich, wie der Übergang in den tropischen Gebieten stattgefunden hat. Dort sind die Kohlehydratlieferanten eher Wurzeln und Knollen, wie Yam, Taro, Maniok, Batate und Kartoffeln oder stärkehaltige Obstarten, wie Bananen. Woran erkennt man an diesen Pflanzen, ab wann und wo sie systematisch angebaut wurden?

Ich habe mal ins schlaue Buch gesehen:

Batate:
Erste Kultivierung in der Andenregion. „Archäologen haben fossilierte Bataten gefunden, die zwischen 6.000 und 8.000 v.u.Z. datieren, so daß sie vermuten, daß die Pflanzen sogar noch früher gezüchtet und kultiviert wurden.“

„Bataten ergeben eine drei- bis viermal mehr Nahrung als dieselbe Fläche mit Reispflanzen besetzt.“ (S. 256)


Kartoffeln:
„Die früheste bei einer archäologischen Ausgrabung gefundene Kartoffel wurde auf 8.000 v.u.Z. datiert. Wissenschaftler nehmen an, daß die Indianer mit der Domestizierung der Kartoffel am Ende der Eiszeit begannen. Viertausend Jahre später war die Kartoffel ein Hauptbestandteil der Ernährung im andinen Hochland.“
„Bis 1531, als der spanische Konquistador Francisco Pizarro im heutigen Peru landete, hatte die indigene Bevölkerung der Anden 3.000 Sorten Kartoffeln entwickelt und sogar eine Gefriertrockungsmethode erfunden.“

„Zweieinhalb acres mit Kartoffeln bepflanztes Land produzierten über 7.5 Millionen Kalorien, ungefähr doppelt so viel wie bei Weizen.“ (S. 211f)


Maniok:
„Maniok ist eine Pflanze, deren stärkehaltige Wurzeln mehr Kalorien pro Acre produzieren als jedes andere pflanzliche Nahrungsmittel mit Ausnahme des Zuckerrohrs. Maniok wird seit tausenden von Jahren in Mexiko, Guatemala, Nordbrasilien und in der Karibik angepflanzt. Einige Botaniker sind der Ansicht, daß es im oberen Amazonastal bereits zwischen 7.000 und 5.000 v.u.Z. angepflanzt wurde. Neben der Kultivierung entwickelten die indigenen Amerikaner eine komplexe Technologie, mit deren Hilfe aus einer giftigen Pflanze ein eßbares Nahrungsmittel wurde.“

„Maniokpflanzen sind auf 4.000 Jahre alten Tongefäßen abgebildet, die im heutigen Peru gefunden wurden. Da das dort wachsende Maniok die ungiftige bzw. „süße“ Variante ist, wurden die Wurzeln nur geschält und gekocht oder über Feuer geröstet.
Ungefähr um 3.000 -2.000 v.u.Z. wurde Maniok auch im Tiefland von Venezuela und Kolumbien angepflanzt. Der Anbau breitete sich von Südamerika nach Mittelamerika und in die Karibik aus. Viele der dort wachsenden Pflanzen gehörten der toxischen Variante an. Die Indianer kannten die Unterschiede zwischen beiden Arten genau und wußten, was Wissenschaftler erst kürzlich erkannten: daß der Unterschied zwischen beiden Arten nicht genetisch ist, sondern durch die Umgebung bedingt ist, in der die Maniokpflanze wächst. (S. 162f)

Mais:
„Die Domestizierung begann zwischen 8.000 und 7.000 v.u.Z. im Tal von Tehuacan in Mexiko.“
„Der älteste ganze Maiskolben wurde im Tal von Tehuacan gefunden und auf 5.000 v.u.Z. datiert, die Pflanze wurde jedoch noch in mehreren weiteren Regionen Mesoamerikas domestiziert. … Zur selben Zeit, als der Maisanbau sich nach Südamerika verbreitete, gelangte Mais auch in den Südwesten der heutigen USA.“ (S. 69 f)


aus: Keoke, Emory Dean & Porterfield, Kay Marie: American Indian Contributions to the World. 15,000 years of Inventions and Innovations.

 
Ich stelle unten mal eine relativ neue Kartierung der Dometizierung der verschiedenen botanischen Species ein.
Quelle:
Seeking Agriculture's Ancient Roots
Michael Balter
Science 29 June 2007

Über den Beginn und den ungefähren Verlauf der Domestizierung von Getreiden besteht in der Wissenschaft inzwischen eine gewisse Klarheit.

Hinsichtlich der Gebiete, in denen die Domestizierung stattfand hat sich in den letzten Jahren insofern eine Änderung ergeben, als die ursprünglich in hochandinen Gebieten vermuteten Ursprünge der Kultivierung und Domestizierung mehrerer Nutzpflanzen doch eher in flachen Gebieten zu suchen sind.

D. Piperno, D. Pearsall, The Origins of Agriculture
in the Lowland Neotropics. (Academic Press, New York,
1998)
T.Dillehay et al.
Preceramic Adoption of Peanut,
Squash, and Cotton in Northern Peru
Science 316, 1890 (2007);
Kevin O. Pope, et al.
Origin and Environmental Setting of Ancient Agriculture
in the Lowlands of Mesoamerica
Science 292, 1370 (2001);

Der Verlauf der Domestizierung von Knollenpflanzen wie Maniok, Kartoffel, Batate Taro ist aber wohl weiterhin nicht verstanden, weil es hier an macro-archäobotanischen Funden auf einer definierten Zeitachse mangelt.

Auch die Frage nach dem Warum der Dometizierung ist wohl nicht endgültig gelöst.
Bemerkenswert ist, dass in den Entstehungsgebieten im Nahen Osten und in China Menschen seit Jahrzehntausenden lebten, ehe sie begannen, Pflanzen zu kultivieren und domestizieren. Ganz anders in Amerika und in Neuguinea, wo der Beginn der Kultivierung schon bald auf den Beginn menschlicher Besiedlung folgte. Viele folgen der Hypothese, dass die Ursache die klimatische Änderung beim Übergang vom Pleistozän zum Holozän war, andere sehen in der Jüngeren Dryas, also noch früher, die Ursache. Das kann aber nicht die einzige Bedingung sein, da, wie die Karte zeigt, im östlichen Nordamerika mehrere Pflanzen erst vor 5.000 Jahren domestiziert wurden. Man muss also sicher auch soziale Ursachen mit in Betracht ziehen. Aber viellecit ist es auch müßig, nach einer global gültigen Erklärung zu suchen.
 

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Wenn sich jemand näher informieren will: Dies scheint wohl zur Zeit das maßgebende Werk zu sein:

The Agricultural Revolution in Prehistory - Graeme Barker 616 p. Oxford University Press, 2006



Ich habe einige Besprechungen gelesen. Danach verfolgt Barker einen Ansatz, in dem er nach Untersuchung der historischen Verläufe in den einzelnen Erdteilen eine globale Deutung versucht, die er aber, wegen des Fehlens klarer Beweise für seine Thesen in vielen Gebieten der Erde, mit "I believe" einleitet.


There are two main drivers to the emergence of agriculture, a combination of climate change and social evolution. In the previous 40,000 to 50,000 years, modern humans emerged, with ‘insatiable curiosity and new-found creativity’, which took human foragers throughout most of the world. When this new force was combined with the impact of rapid climate change at the end of the ice ages, agriculture and sedentism, in their various forms, were likely to emerge.
Wie man sieht, bleibt das doch sehr im allgemeinen. Es dürfte hier noch viel Raum für neue Forschung sein.
 
Ich stelle unten mal eine relativ neue Kartierung der Dometizierung der verschiedenen botanischen Species ein.
Quelle:
Seeking Agriculture's Ancient Roots
Michael Balter
Science 29 June 2007
Der Verlauf der Domestizierung von Knollenpflanzen wie Maniok, Kartoffel, Batate Taro ist aber wohl weiterhin nicht verstanden, weil es hier an macro-archäobotanischen Funden auf einer definierten Zeitachse mangelt.

Danke für die Karte, die finde ich plausibler als die Verteilung nach Genzentrum ? Wikipedia , besonders für Afrika. Danach hätte es in Afrika originär nur die Hirse als Kohlehydratlieferanten gegeben und die benötigte wie die anderen Getreide wahrscheinlich eine Trockenphase mit Versteppung, um wild massenhaft vorzukommen.
Ich dachte immer Yams wäre eine einheimische Pflanze in Afrika, aber wenn die aus Indien kommt, ist die Frage, wann diese Übernahme stattfand. Inzwischen wird die Yamwurzel von der amerikanischen Maniok verdrängt, die Altamerikaner haben ohnehin eine eindrucksvolle Pflanzenpalette für die menschliche Ernährung zu bieten.
 
Ich dachte immer Yams wäre eine einheimische Pflanze in Afrika, aber wenn die aus Indien kommt, ist die Frage, wann diese Übernahme stattfand. Inzwischen wird die Yamwurzel von der amerikanischen Maniok verdrängt, die Altamerikaner haben ohnehin eine eindrucksvolle Pflanzenpalette für die menschliche Ernährung zu bieten.

Yam wurde nicht in Indien, sondern wie Banane und Taro in Neuguinea zuerst domestiziert. Aber Yam ist auch in Afrika eine indigene Pflanze, sie musste nicht aus Neuguinea übernommen werden.

Bei der Interpretation der Karte ist zu beachten, dass sie die Gebiete und Zeitpunkte zeigt, wo eine Pflanze zum ersten Mal domestiziert wurde. Diese Pflanzen können durchaus auch in anderen Gebieten indigen sein und dort auch irgendwann später domestiziert worden sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das bezweifle ich, bitte Belege. Speziell bei der Banane.

Nun, wenn du den Thread gelesen hättest, hättest du schon einen gefunden.
Aber bitte! Nach früherer Auffassung stammt die Banane aus Südostasien, siehe für viele N. W. Simmonds, The Evolution of the Bananas (Longmans, London, 1962). Genetische Untersuchungen aus den 90-ern legten nahe, dass die Domestizierung in Neuguinea erfolgte V. Lebot, Gen. Res. Crop Evol. 46, 619 (1999).

Diese Erkenntnisse bestätigten sich durch umfangreiche archäologische Untersuchungen im Hochland von Neuguinea, die ausführlich referiert werden in
T. P. Denham, et al.- Origins of Agriculture at Kuk Swamp in the Highlands of New Guinea Science 301, 189 (2003).

Siehe dazu auch
Katharina Neumann - New Guinea: A Cradle of AgricultureScience 301, 180 (2003);
 
Nun, wenn du den Thread gelesen hättest, hättest du schon einnoch en gefunden.
Hab ich schon, nur die verlinkten Quellen nicht.:rotwerd:
Interessant, wie Kulturpflanzen aus Steinzeit-Neuguinea, die offenbar die Agrikultur unabhängig entwickelt haben, den Weg in die Welt fanden.
 
Zu meinem Thema von 2007 erreichen mich immer mal wieder interessierte Anfragen. Deshalb möchte ich hier einige neuere Quellen referieren, die meine damals vertretene Ansicht stützen, dass die Domestizierung von Pflanzen und damit der Übergang vom Sammler zum Ackerbauern keineswegs ein revolutionärer Umschwung, sondern ein ganz langsamer Prozess war.

Dass der Übergang vom Sammler- und Jägerdasein zum Ackerbau und zur sesshaften Lebensweise ein langsamer Prozess war, ist von der Forschung nie bestritten worden. So lässt sich gut verfolgen, wie sich der Ackerbau beginnend in Vorderasien vor etwa 9000 Jahren allmählich über Kleinasien (z.B. Catal Hüyük, Hacilar), den Balkan (Sesklo- und Vinca-Kultur, Bandkeramik) ausbreitete und erst 5000 v. Chr. Mitteleuropa erreichte. Ältester Fundort einer Siedlung von Ackerbauern war bislang Jarmo im Zagrosgebirge, doch ist es natürlich möglich, dass Archäologen jederzeit ältere Fundstellen entdecken. Wann genau die ersten Menschen Körner absichtlich aussäten, um später die Frucht zu ernten, wird man ohnehin nicht mehr exakt ermitteln können.

Jarmo auch Qal'at Jarmo oder Dscharmo ist eine archäologische Fundstätte im Nordirak an den Ausläufern des Zāgros-Gebirges östlich der Stadt Kirkuk. Jarmo ist als älteste landwirtschaftliche Gemeinschaft der Welt bekannt und ist 9000 Jahre alt. Jarmo ist in etwa gleich alt wie andere wichtige Fundplätze, wie etwa das neolithische Jericho in der südlichen Levante und Çatalhöyük in Anatolien. Jarmo ist etwa 12.000 bis 16.000 Quadratmeter groß und liegt auf einer Höhe von 740 Metern in einem Gürtel von Eichen- und Pistazienwäldern. Die ersten Ausgrabungen führte Robert John Braidwood durch.

Im allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die frühen Ackerbauern nicht gänzlich zur produzierenden Lebensweise übergingen, sondern die altbekannte Jagd noch lange Zeit zusätzliche Nahrung lieferte.

Trotz all dieser Einschränkungen halte ich den von einigen Wissenschaftlern verwendeten Begriff der "Neolithischen Revolution" für angemessen, da er einen der wichtigsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit markiert.
 
Dass der Übergang vom Sammler- und Jägerdasein zum Ackerbau und zur sesshaften Lebensweise ein langsamer Prozess war, ist von der Forschung nie bestritten worden.

Als Vere Gordon Childe Ende der 20-er-Jahre des vorigen Jahrhunderts den Begriff der "Neolithic Revolution" prägte, ging er von einer dramatischen Transformation aus, die sich im Verlaufe weniger Generationen abspielte. Seiner Auffassung folgte ein großer Teil der damaligen Archäologen-Generation.

Heute werden seine Arbeiten sehr differenziert gesehen.
The archaeology of V. Gordon Childe ... - Google Bücher

Der Begriff "Revolution", der für Childe als bekennenden Marxisten natürlich der passende Begriff für einen plötzlichen Umsturz war, wird heute vorsichtiger gehandhabt. Tatsächlich war der Vorgang wohl auch eher evolutionär.

Den Verlauf der Entwicklung bis in die 90-er Jahre kann man, mit vielen Literatur-Nachweisen für die Jahrzehnte, sehr gut verfolgen in dem Aufsatz von David Harris -Transitions to Agriculture in Prehistory, Antiquity, December 1994

Trotz all dieser Einschränkungen halte ich den von einigen Wissenschaftlern verwendeten Begriff der "Neolithischen Revolution" für angemessen, da er einen der wichtigsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit markiert.


Dass es einer der wichtigsten Um brüche in der Geschichte der Menschheit war, damit hast du sicher recht.

 
Als Vere Gordon Childe Ende der 20-er-Jahre des vorigen Jahrhunderts den Begriff der "Neolithic Revolution" prägte, ging er von einer dramatischen Transformation aus, die sich im Verlaufe weniger Generationen abspielte. Seiner Auffassung folgte ein großer Teil der damaligen Archäologen-Generation

Von einem derart raschen Vordringen des frühen Ackerbaus ist man bereits seit vielen Jahrzehnten abgekommen. Heute bewegt die Forschung eher die Frage, in welchem Ausmaß kolonisierende Bauern aus Kleinasien über Griechenland (Sesklo-Kultur mit guten Funden in Nea Nikomedia) nach Norden vordrangen und inwieweit lediglich die Kenntnis des Ackerbaus im Rahmen einer Kulturtrift weitergegeben wurde, d.h. das sich eine autochthone mesolithische Bevölkerung die Kenntnisse der frühen Ackerbauern aneignete.

Gegenwärtig überwiegt die Vorstellung, dass der Einfluss kolonisierender Bauern aus Vorderasien in Griechenland und Thessalien sehr groß ist, was die frühneolithische Sesklo-Kultur gut zeigt. Ab dort scheint sich dieser direkte Einfluss Richtung Mitteleuropa kontinuierlich abzuschwächen oder gar aufzulösen.
 
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Heute bewegt die Forschung eher die Frage, in welchem Ausmaß kolonisierende Bauern aus Kleinasien über Griechenland (Sesklo-Kultur mit guten Funden in Nea Nikomedia) nach Norden vordrangen und inwieweit lediglich die Kenntnis des Ackerbaus im Rahmen einer Kulturtrift weitergegeben wurde, d.h. das sich eine autochthone mesolithische Bevölkerung die Kenntnisse der frühen Ackerbauern aneignete.

Ich beziehe mich in meiner Fragestellung zum Thread und in meinen Ausführungen nicht auf die sicher an vielen Stellen der Erde vorgekommene Weitergabe der Kenntnisse früher Ackerbauer an weniger entwickelte Gesellschaften.

Es geht mir um die Entwicklung von Jäger/Sammlern einer geographisch und sozial abgegrenzten Gesellschaft durch die Domestizierung von zunächst gesammelten, später kultivierten Wildpflanzen hin zu Ackerbauern, eine Entwicklung, die unabhängig voneinander in allen Kontinenten außer Europa erfolgt ist. Es geht mir um den Auslöser und die Dauer dieser Entwicklung an den jeweiligen geographischen Orten.

Dass und wie sich von diesen Brennpunkten der Entwicklung der Ackerbau weiter verbreitet hat, ist eine andere, sicher ebenfalls sehr interessante Problemstellung.
 
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Sicher, das dies nicht auch , unabhängig von anderen, in Europa passiert ist?
Domestizierung von Roggen , Buchweizen? und Hafer.
 
Sicher, das dies nicht auch , unabhängig von anderen, in Europa passiert ist?
Domestizierung von Roggen , Buchweizen? und Hafer.

Die Getreide wurden definitiv nicht in Mitteleuropa domestiziert. Die wichtigsten Pflanzen wurde alle aus anderen Weltgegenden übernommen.

Nur Haselnüsse, Bucheckern, Beeren, Wildäpfel sowie einige Gemüseurformen und evtl. Mohn waren in Mitteleuropa vorhanden und könnten theoretisch für erste Anbauversuche genutzt worden sein. Bei der Haselnuß z.B. kann ich mir das gut vorstellen, evtl. auch beim Holunder.
 
Sicher, das dies nicht auch , unabhängig von anderen, in Europa passiert ist?
Domestizierung von Roggen , Buchweizen? und Hafer.

Buchweizen wurde in Südostasien domestiziert, Hafer wohl in Europa, aber durch eine bereits ausgebildete Ackerbaugesellschaft der Bronzezeit, fällt also hier aus dem Betrachtungsrahmen.

Bei Roggen ist es meiner Kenntnis nach so, dass es domestizierten Roggen schon in Abu Hureira in Nord-Syrien gegeben haben soll, kultiviert ab 11.050 BP. Dies ist aber nicht unbestritten. An Fundstellen der PPNB-Kultur (Pre-PotteryNeolithicB) - etwa 8.700 BP - ebenfalls im "Fruchtbaren Halbmond" ist domestizierter Roggen nachgewiesen, allerdings nicht in größeren Mengen. Dann taucht er wieder im bronzezeitlichen, Ackerbau treibenden Europa auf. Man nimmt wohl an, dass er als kleinere Beimengung zu Weizen dorthin gelangt ist, vielleicht verborgen durch 'Vavilovian mimicry',ein von Alexander Wawilow beschriebenes Mimikri, das der Mensch herausgezüchtet hat. Im Klima Europas entwickelte sich diese Beimengung so gut, dass sie später getrennt angebaut wurde. Jedenfalls aber ist Roggen nicht durch eine Wildbeuter-Gesellschaft in Europa domestiziert worden.
 
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