Regia Marina, die Italienische Marine 1940/43

Nach Graf Spee gab es eine Anweisung "zum Sterben", und ein ausdrückliches Kapitulationsverbot (um nichts anderes handelt es sich), ich suche das bei Gelegenheit mal heraus.

Das hier (22.12.1939) ging mE auf einen Untersuchungsbericht der Kriegsmarine und eine Lagebesprechung Hitler/Raeder zurück, bei der sich Hitler über die Quasi-Kapitulation der Graf Spee mit Selbstversenkung empörte.

Die Peinlichkeit für die Kriegsmarine kann man rückwärts belegen aus dem Selbstmord des Kommandanten Langsdorff.
 

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Bei der Pola verhält es sich jedoch ärger als bei einer Kapitulation. Sie war zwar maniövrierunfähig, jedoch nicht vom Untergang bedroht. Zwei Drittel der Besatzung hatte das Schiff bereits verlassen, als die Briten es enterten und den an Bord verbliebenen Rest völlig besoffen und apathisch vorfanden. Das zeugt nicht nur von einer miserablen Führung, sondern auch von einer sehr geringen Grundmoral bei der Truppe.

Ganz so ist es nicht, siehe hier:
Battle of Matapan

oder Roskill, The War at Sea 1939-45, Vol. I.

Große Teile der Besatzung hatten auf Befehl das manöverierunfähige Schiff (nach Torpedotreffer, das Schiff war von Rauch und Bränden überzogen) bereits verlassen, kehrten jedoch auf das Deck zurück. Die britischen Meldungen von nackten oder leicht bekleideten Seeleuten beruhten auf der Tatsache durchnäßter Kleidungen der zuvor im Wasser befindlichen Seeleute. Darauf dürfte auch die Ausgabe von Alkohol zurückzuführen sein.


Das Ganze - auch die deutsche Berichterstattung von der angeblich unfähigen italienischen Marine haben aber einen interessanten Kontext:

- die Operation wurde auf massiven deutschen Druck durchgeführt
- die Operation basierte auf falschen deutschen Aufklärungsergebnissen, insbesondere über die Zahl der britischen Schlachtschiffe
- der von deutscher Seite für die Operation zugesagte Jagdschirm fehlte in den entscheidenden Stunden (Torpedotreffer auf Vittorio Veneto)

und last but not least:
- die britische Aufklärung (ULTRA) enttarnte die Operation rechtzeitig durch abgefangene deutsche Funksprüche, die inflationär und sorglos im Mittelmeer verteilt worden waren (was die deutsche Seite nicht wissen konnte, aber die britische Abfangaktion wohl gefühlt auch der deutschen Sorglosigkeit zurechnete)

Nach der Katastrophe war daher Weichold (damals an entscheidender Stelle im Verbindungsstab Italien) schnell zur Stelle (31.3.1941), der "unfähigen italienischen Führung" die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nach dem Krieg konnte er an der Legende in seinem Literaturwerk (Der Krieg der Achsenmächte im Mittelmeer) weiter stricken.

Meldungen über "betrunkene" italienische Seeleute griff man daher allzugern auf.

Zum Ablauf: bzgl. des bewegungsunfähigen italienischen Kreuzers Pola wurde eine Anfrage an Mussolini wegen Selbstversenkung gefunkt. Bevor die Antwort eintraf, unternahm man den Rettungsversuch (Einschleppen bei Nacht o. ä.). Dabei gingen dann alle drei Kreuzer (zusätzlich Fiume und Zara) im Nachtgefecht gegen die weit überlegene britische Flotte verloren. Bei der bewegungsunfähigen Pola war die Selbstversenkung bereits eingeleitet, als britische Seeleute enterten. Sie verließen daher auch wieder schnell das sinkende Schiff. Kap Matapan sorgte damit für eine weitere Legende im Zweiten Weltkrieg und zur Regia Marina.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die zeitgenössischen britischen Propaganda(kriegs-)meldungen von leeren Weinflaschen an Deck und (wie vielen?) betrunkenen Seeleuten stimmen. Jedenfalls haben sie zum deutschen Bild der Leistungsfähigkeit der italienischen Marine beigetragen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das mit den betrunkenen Matrosen habe ich übrigens aus einem alten italienischen Buch und steht auch auf der italienischen Wikipediaseite zu der RN Pola. Ausführliche Britische Quellen dazu habe ich eigentlich nicht gefunden.

....Die britischen Meldungen von nackten oder leicht bekleideten Seeleuten ...

Die Briten waren offensichtlich auch schon zu lange auf see.

Kann sein, dass deine Version so zutrifft. Ist auch schlüssig.... Ma si non e vero, e ben trovato.:devil:
 
Das mit den betrunkenen Matrosen habe ich übrigens aus einem alten italienischen Buch und steht auch auf der italienischen Wikipediaseite zu der RN Pola. Ausführliche Britische Quellen dazu habe ich eigentlich nicht gefunden.

Es gab "Heftchen" der Royal Navy zum Seekrieg, herausgegegeben 1940/44. Ich meine, darin hat der Vorfall schon gestanden.

Vermutlich hat dann der eine vom anderen abgeschrieben. Es scheint auch dem Grunde nach zu stimmen, allerdings hatte das den Kontext der bereits Schiffbrüchigen. Entern des sinkenden Schiffs fand frühmorgens statt, nach den Quellen so ca. 3.30 Uhr.

Also hatten die Schiffe vor Punta Stilo diese Streifen nicht?

Zara und Fiume hatten sie jedenfalls nicht.

Die Streifenbemalung wurde sukzessive erst nach Kriegsausbruch, ab 1941 angebracht.

Fiume erhielt zB die Streifenbemalung (-> Whitley, Cruisers WW II) testweise erst mit Werftaufenthalt Anfang 1941.
RIN Zara Class - Italian warships of WW2
 
Ein Problem ist noch nicht angesprochen worden: die immensen Treibstoffprobleme der Regia Marina. Die angehängten Dokumente belegen den frühen Kenntnisstand der deutschen Kriegsmarine (Februar 1941), auch wenn die Dramatik mit den auslaufenden Ölbeständen noch überzogen ist, und durch weitere Quellen (Hilfslieferungen, Lieferungen aus Rumänien) noch abgeschwächt werden konnte. Auch die Schätzungen der Bestände von "Supermarina" wurden wohl vorsichtig zu niedrig angesetzt. Das Problem als solches bestimmte aber eine Vielzahl von Operationen, und in der Endphase 1942 wurden selbst Heizölbestände von "Dickschiffen" in Zerstörer etc. umgepumpt.

Siehe insbesondere 3. angehängte Datei:
 

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Um die italienische Marine auch weiter nach 1890 inovativ zu bewerten, hat bisher niemand hier den Herrn Cuniberti und seinen Artikel im Jane´s Fighting Ships von 1903 zum neuen Schlachtschiffbau erwähnt.

Schon mit den Konstruktionen von Panzerschiffen aus den 80igern, war auch eine hohe Geschwindigkeit verbunden, was sich auch über die Zeit des Einheitslinienschiffes weiterverfolgte.

So sei die Regina Elena - Klasse genannt, die schon weit vor dem Dreadnougth geplant und konstruiert wurde. Die wirtschaftliche Größe allerdings, lies diverse Kriegsschiffprojekte nur langsam wachsen und nicht im vollen Umfang umsetzbar werden.
Auch war die Dante Alighieri inovativ, weil schnell und mit einer sehr eigenwillen Aufstellung der Artillerie sowie Drillingstürmen, was wiederum auch in anderen Flotten die den Großkampschiffbau verfolgten, niederschlugen. Am Rande sei erwähnt, daß auch interessant die Aufstellung der Mittelartillerie in Geschütztürmen erscheint.

Beachtenswert ist auch die große Umbauphase in den 20iger und 30iger Jahren, die alle italienischen Großkampfsschiffe der Vorkriegszeit den aktuellen Standards aufwerte. In diesen Masse verfolgten nur die Briten und Amerikaner Umbaumaßnahmen ihrer Großkampfschiffe und das auch erst weit in den 40iger Jahren.

Somit ist die italienische Marine in vielen Bereichen weit unter ihrem Wert dargestellt worden ...
 
Somit ist die italienische Marine in vielen Bereichen weit unter ihrem Wert dargestellt worden ...
Meinst Du wirklich?

Nehmen wir als Beispiel die Entwicklung eines sehr gelungenen Schiffstyps. Durch kluges Nachdenken in einer Zeit von Trial and Error im Ingenieurwesen ergibt sich erst einmal ein Prototyp. Um diesen Vorteil auszunutzen braucht es zwei Dinge: Die Indienststellung weiterer Einheiten (konnte sich Italien aber nicht wirklich leisten) und die Weiterentwicklung der nächsten Generation während die anderen Flotten noch nachziehen (gelang Italien nicht, deshalb veralteten Teile der Flotte).

Im Zeitalter der Industrialisierung benötigte eine schlagkräftige Marine eine entsprechende Leistungsfähigkeit der eigenen Wirtschaft, ansonsten wären kleinere Schiffe sinnvoller. Als Vergleich könnte die niederländische Marine herhalten, die ja ihre Rolle bei der Verwaltung des Kolonialreiches recht gut erfüllen konnte.

Solwac
 
Meinst Du wirklich?
Ja, meine ich, allerdings wie in meinen Beitrag auch erwähnt, spielte die wirtschaftliche und finanzielle Größe Italiens auch eine wichtige Rolle. Ganz klar.

Doch betrachten wir die italienische Marine genauer. Sie ist mit der Einigung Italiens ab den 1860iger Jahren entstanden und wurde schon ab 1870 mittels eines Flottenbauprogrammes gefördert. Für den Mittelmeerraum spielte diese Flotte eine der gewichtigsten Rollen neben den französischen und britischen Flotten. Italien mit seiner großen Küstenlinie war letztlich im imperialistischen Mächtekampf auf eine Flotte angewiesen und dass nicht nur im Bezug auf kolonialen Erwerb in Übersee, sondern um eine Vormachtstellung im Mittelmeer.
Ein Vergleich der Entwicklung der Marine zu den Niederlanden halte ich hier für wenig sinnvoll, da es jeweils komplett andere Voraussetzungen gab. Italiens Koloniale Bestrebungen waren praktisch über das Mittelmeer an der Nordküste Afrikas zu erreichen, hingegen die Niederlande den Machtkampf als Seemacht und Koloniale Großmacht schon im 18.Jahrhundert verloren hatte. Aber das Thema niederländische Marine möchte ich hier nicht vertieft wissen, weil an andere Stelle schon diskutiert.
Interessant finde ich die Zusammenhänge der Entwicklung der italienischen Flotte in den 1880iger Jahren zu einer der Modernsten und der Bündnisfähigkeit. Mit einer starken Marine war Italien gerade als Gegensatz zur britischen Seemacht im Mittelmeer bestimmt sehr wichtig.

Weiter ist zur technologischen Entwicklung der italienischen Marine zu sagen, daß durch ihre Innovationen im Panzerschiffbau den alten schweren Traditionen gebrochen wurde und es gerade immer auf die Marinen zielte, die nur durch wirtschaftliche Größe und Quantität den Vorsprung hielten.

Es wäre zwar vermessen zu sagen, daß ohne die italienischen Konstruktionen wohl noch längere Zeit der Segelantrieb vor allem bei der britischen Marine beim Kern der Flotte eine Rolle spielte, doch haben auch diese kleinen Serien und Prototypen den Panzerschiff bzw. Schlachtschiffbau immer wieder nachhaltig beeinflusst. Das steht fest und das ist ein wichtiger Punkt, den ich unabhängig von wirtschaftlicher Größe darstellen wollte.
 
Ich hoffe ich darf das Thema anhand deiner Äußerung kurz auf die 1930er Jahre lenken?

Köbis17 schrieb:
Mit einer starken Marine war Italien gerade als Gegensatz zur britischen Seemacht im Mittelmeer bestimmt sehr wichtig.
Italiens Marine profitierte auf jeden Fall von der strategisch sehr günstigen Lage des Heimatlandes. Während England auf Flugzeugträger und isolierte Basen wie Gibraltar und Malta angewiesen war, war der italienische Rumpfstaat ja quasi selbst eine einzige Versorgungsbasis. Außerdem konnte die italienische Marineluftwaffe von Italien aus sehr gut agieren. Darüber hinaus war Gibraltar durch Francos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg ernstlich gefährdet.
Am Vorabend des 2. Weltkrieges hatten England und Frankreich also guten Grund sich vor Italiens Seemacht zu fürchten.
 
Am Vorabend des 2. Weltkrieges hatten England und Frankreich also guten Grund sich vor Italiens Seemacht zu fürchten.

Eigentlich nicht, das genaue Gegenteil war der Fall.

Italien spielte 1939/Anfang 40 aus zwei Gründen eine wichtige Rolle:

a) man sah es inkl. seiner Flotte als zu schwach an, um im Mittelmeer gegen die kombinierten britischen und (!) französischen Streitkräfte auch nur kurzfristig zu bestehen. Hier ist zu bedenken, dass niemand das frz. Ausscheiden aus dem Krieg in Folge der Ereignisse vom Mai/Juni 1940 auf der Rechnung hatte

b) es galt im Sommer 1939: Mediterranean First! Italien würde schnell besiegt, die Westmächte würden das Mittelmeer dominieren - danach würden die deutschen Versorgungslinien schnell austrocknen - das Blutbad des Ersten Weltkrieges könnte mit dieser Erwartung vermieden werden.

so zB bei Lawrence Pratt, East of Malta, West of Suez - Britains Mediterranean Crisis 1936-39. Die Kräfteverhältnisse bei den "capital ships" im Mittelmeer lagen im Mai 1940 bei 12:4 zugunsten GB/FRA (Sadkovich, Italian Navy in WW II).
 
Eine Stärke der Italiener zu Beginn des Kireges war ihre relativ starke und moderne Seefliegerei, die bei den Konvoischlachten um Malta, den Briten einige Verluste verursachte.
 
Etwa 10% der italienischen Luftwaffe, ca. 350 Flugzeuge, waren im Sommer 1940 der Seefliegerei zugeordnet. ZB bei Matapan zeigte sich, dass weit reichender Luftschutz zur Unterstützung fehlte. Luftorpedos waren zwar in Italien reichlich vorhanden, blieben aber durch das Unvermögen der italienischen Luftwaffe 1940 weitgehend erfolglos.

Man war im Herbst 1940 nicht einmal in der Lage, die Straße von Sizilien "vor der eigenen Haustür" wirksam gegen britische Schiffe zu sperren (sei es durch präsente Luft- und Seestreitkräfte, sei es durch geeignete "Sperrmittel", die in Deutschland erst angefordert wurden).

Die Luftlage drehte sich erst, nachdem im Dez40/Jan41 das X. Fliegerkorps auf Sizilien erschien. Der Abzug zur Ostfront im Frühjahr 1941 zeigte erneut, dass man a) weder die Straße von Sizilien wirksam sperren noch b) die eigenen Afrika-Transporte wirksam schützen konnte. Die Verluste stiegen wieder rasant an.
 
[...] ihre relativ starke und moderne Seefliegerei, [...]

Dazu möchte ich ergänzen, dass bei der italienischen Marine auch die seegestützen Flieger nur mittels Katapult auf größeren Artillerieschiffen installiert wurden. So ab Mitte der 20iger Jahre auf den großen Schlachtschiffen z.B. der Conte di Cavour.

Noch interessanter erscheint der Einsatz über diese Katapultanlagen von Jagdfliegern. Dazu griffen die Italiener, weil die alliierte Luftüberlegenheit im Mittelmeer immer stärker wurde. Diese Jagdflieger (Reggiane Re-2000) konnten allerdings nur vom Schiff starten, landen konnten sie dann nur auf Festland-Flugplätzen. Dieser spezielle Einsatz kostete dann aber auch das Fehlen von Aufklärungsfliegern an Bord der Kriegsschiffe.

Gab es eigendlich Planungen für Flugzeugträger bei der italienischen Marine?

Ein weiterer neuer Weg bei der italienischen Marine war der neuartige Unterwasserschutz, der ab den Totalumbauten der Schlachtschiffe des 1.WK eingesetzt wurde.
Das Pugliese-System stammt von Chefkonstrukteur Pugliese und wurde 1921 auf dem Flottentanker Brennero getestet. Der Unterwasser bestand aus einem viertelkreisförmig zur Aussenhaut gebogenen T-Schott. Der so begrenzte Raum enthielt Heizöl und in seinem Zentrum befand sich ein leerer Zylinder von max.3,60 m Durchmesser der sich an seinen Enden verjüngte. Dieser im englischen Sprachgebrauch als "shock absorbing cylinder" bezeichnet Hohlkörper diente als Expansionsraum für die Aufnahme des Detonationsaustoßes.

Siehe hier, der Querschnitt des Schlachtschiffes Roma:
Anhang anzeigen 11203

Doch versagte der Unterwasserschutz letztlich, so hatten doch die italienischen Schlachtschiffe immer wieder schwere Schäden oder Verluste gerade durch den Beschuß von Torpedos zu beklagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
....Luftorpedos waren zwar in Italien reichlich vorhanden, blieben aber durch das Unvermögen der italienischen Luftwaffe 1940 weitgehend erfolglos.
...

Dann bin ich der italienischen Propaganda aufgesessen.:weinen:

....
Gab es eigendlich Planungen für Flugzeugträger bei der italienischen Marine?

....

Hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Aquila_(Flugzeugträger) und hier:

http://it.wikipedia.org/wiki/Sparviero_(portaerei)

Interessant deine Ausführungen über den Torpedoschutz. Die Bismarck hat doch eine ganze Reihe von Torpedotreffern eingesteckt ohne zu sinken. Wie war den bei der dieser Schutz ausgebildet?
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant deine Ausführungen über den Torpedoschutz. Die Bismarck hat doch eine ganze Reihe von Torpedotreffern eingesteckt ohne zu sinken. Wie war den bei der dieser Schutz ausgebildet?

Siehe hier:
Bismarck's Final Battle - Part 2
Der Artikel stammt von Dulin/Garzke, ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet, und ist eine Zusammenfassung ihrer Publikation aus "The Bismarck's Final Battle" in Warship International 1994.
Battleships: axis and neutral ... - William H. Garzke, Robert O. Dulin - Google Bücher

Abgesehen von dem Rudertreffer gab es nur in der allerletzten Phase einen relevanten TP-Treffer durch die Dorsetshire, während des Sinkens und wegen der Krängung mit Schäden bis auf das Deck (durch die Tauchfahrten zum Wrack inzwischen bestätigt). Ein für den Vergleich tauglicher Fall wäre allerdings Scharnhorst am Nordkap (mindestens 14 TP-Treffer).

Bzgl. Littorio, Roma und Vittorio Veneto: Da gibt es wohl einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Die Schutz war auf Absorption eines TP-Sprengkopfes von 350 kg TNT ausgelegt, oberhalb der gängigen frz. und britischen Muster der 1930er, insbesondere auch oberhalb (Faktor 2) der Sprengkraft von Luft-TP. Siehe Dulin/Garzke.
 
Silesia schrieb:
Ich meinte aber auch die Ereignisse im 2. WK, bei denen die Regia Marina (vorwiegend durch die "deutsche Brille") zu schlecht wegkommt.:winke:

Silesia schrieb:
Das Ganze - auch die deutsche Berichterstattung von der angeblich unfähigen italienischen Marine haben aber einen interessanten Kontext:

- die Operation wurde auf massiven deutschen Druck durchgeführt
- die Operation basierte auf falschen deutschen Aufklärungsergebnissen, insbesondere über die Zahl der britischen Schlachtschiffe
- der von deutscher Seite für die Operation zugesagte Jagdschirm fehlte in den entscheidenden Stunden (Torpedotreffer auf Vittorio Veneto)


und last but not least:
- die britische Aufklärung (ULTRA) enttarnte die Operation rechtzeitig durch abgefangene deutsche Funksprüche, die inflationär und sorglos im Mittelmeer verteilt worden waren (was die deutsche Seite nicht wissen konnte, aber die britische Abfangaktion wohl gefühlt auch der deutschen Sorglosigkeit zurechnete)

Nach der Katastrophe war daher Weichold (damals an entscheidender Stelle im Verbindungsstab Italien) schnell zur Stelle (31.3.1941), der "unfähigen italienischen Führung" die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nach dem Krieg konnte er an der Legende in seinem Literaturwerk (Der Krieg der Achsenmächte im Mittelmeer) weiter stricken.
Silesia, ich sehe hier einen Widerspruch. Grundsätzlich ist es so, dass der Sinn einer Kriegsflotte deren Einsatz ist. Deshalb halte ich es nun nicht als inopportun, von deutscher Seite deren Einsatz zu fordern.

Die italienische Marine startete in den Krieg mit

- zwei modernen Schlachtschiffen der" Littorio"-Klasse
- zwei grundmodernisierten Schlachtschiffe der "Conte di Cavour"-Klasse
- dem grundmodernisierten Schlachtschiff "Caio Duilio"

Nach dem Ausscheiden Frankreichs aus dem Krieg war das Verhältnis der schweren Schiffe im östlichen Mittelmeer also

5 Italiener gegen 4 bis 6 Briten

Im Oktober 1940 kam - nach dem Totalumbau - noch die "Andrea Doria" (ein Schwesterschiff der "Duilio") zur Flotte

Das klingt jetzt aus italienischer Sicht nicht wirklich überlegen. Jedoch muss man dabei beachten, dass die italienischen Schiffe allesamt eine höhere Geschwindigkeit erreichten als die der schweren britischen Alexandria-Kräfte. Die Italiener konnten sich daher durch ihre überlegene Geschwindigkeit jederzeit wieder vom Feind lösen, wenn sich der Gegner numerisch oder waffentechnisch als überlegen heraus stellte.
Im übrigen war Geschwindigkeit eine Philosophie der Regia Marina. Das Gewicht eines Kriegsschiffes muss auf die einzelnen Komponenten

- Schutz (also hauptsächlich die Panzerung)
- Schlagkraft (hier die Waffen wie Artillerie und Torpedos)
- Geschwindigkeit (also die Maschinenanlage)
- Reichweite (hier der verfügbare Brennstoff im Verhältnis zum Verbrauch)

verteilt werden. Die Italiener bevorzugten hier eine Übergewichtung der Komponente Geschwindigkeit. Dies konnte nur dann Sinn machen, wenn man nach einer "hit and run"-Taktik agieren oder aber mittels höherer Geschwindigkeit an einem von den Italienern gewünschten Ort im Mittelmeer ein temporäres Übergewicht erreichen wollte. Schließlich hatte man diese höhere Geschwindigkeit auf Kosten der anderen Komponenten (insbesondere dem Schutz) erkauft.

Welchen Vorteil eine höhere Geschwindigkeit für ein Schlachtschiff bedeutet, kann man gut an dem Atlantik-Unternehmen "Berlin" der "Scharnhorst" und "Gneisenau" Anfang 1941 sehen.

Am 08.02.1940 trafen die beiden deutschen Schlachtschiffe auf den Konvoi HX 106, welcher unter anderem durch das britische Schlachtschiff "Ramillies" gesichert war. Die Deutschen wollten aus grundsätzlichen Erwägungen kein Gefecht mit dem britischen Schlachschiff, die Briten dagegen hatten weder die Geschwindigkeit noch die Geschützreichweite um den Deutschen gefährlich werden zu können.

Das wiederholte sich am 07.03.1941 als die beiden deutschen Schiffe im Mittelatlantik auf den Konvoi SL 67 trafen. Dieser wurde unter anderem von dem britischen Schlachtschiff "Malaya" gesichert. Auch hier wollten die Deutschen nicht kämpfen, die Briten konnten mangels Geschwindigkeit kein Gefecht erzwingen. Als Ergebnis des Unternehmens "Berlin" standen 22 Handelsschiffe des Gegners zu Buche, welche man dem britischen Handel entzogen hatte. Die alten britischen Schlachtschiffe konnten - außer schwarz qualmen - diesem Zerstörungszug nichts entgegen setzen.

Ich finde es nachvollziehbar, dass man in der deutschen Marineführung etwas mehr Engagement von den italienischen Seestreitkräfte verlangte. Unter der Führung von Admiral Pohl 1914 gab es den zynischen Vers:

"Wenn Du auf Jade, Ems oder Elbe
nach dem Feind ausspähst,
es ist immer dasselbe"

War es bei den Italienern 1940 / 1941 nicht ähnlich? Die Taten der italienischen Schlachtflotte lesen sich in den Marinebüchern immer gleich:

"Erfolgloser Ansatz auf einem Malta-Konvoi"

oder

"Erfolgloser Ansatz auf einem britischen Verband"

Egal wie der Satz weitergeht, er beginnt immer mit "erfolgloser Ansatz ..."
Und das, nachdem man Hitler 1937 pompös die italienische Flotte vor Neapel vorgeführt hatte. Im Führerhauptquartier erwartete man daher großes von dem Verbündeten - nur geliefert hat er nie.

Wir können gerne darüber reden, ob die Leistung der italienischen Eskort-Kräfte deutlich mehr Anerkennung verdient. Aber die Ergebnisse der Schlachtflotte - ein Trauerspiel.
Auch hat die U-Boot-Waffe aus ihrem Potenzial kaum etwas gemacht. Im Endergebnis mussten die Deutschen für den Atlantik dringend benötigte Boote in das Mittelmeer verlegen und die Italiener bauten ihre Boote zu Warentransportern für Ostasien um oder kämpften wenig erfolgreich im Atlantik.

Also ein Fazit (überspitzt :devil:):
"Die Italiener waren weit besser als ihr Ruf, nur die bösen Deutschen haben sie aus dem Hafen getrieben, das musste ja schief gehen"
will ich nicht teilen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach dem Ausscheiden Frankreichs aus dem Krieg war das Verhältnis der schweren Schiffe im östlichen Mittelmeer also
5 Italiener gegen 4 bis 6 Briten

Im Oktober 1940 kam - nach dem Totalumbau - noch die "Andrea Doria" (ein Schwesterschiff der "Duilio") zur Flotte

Da hast Du die Papierlage richtig beschrieben, und der Eindruck des Versagens ist naheliegend bzw. wurde so ja auch in der deutschen Nachkriegsliteratur kolportiert.

Zur Papierlage: Veneto und Littorio waren erst im Frühjahr in Dienst gestellt worden, in dem Sinne nicht "eingefahren". Nimm die Bismarck als Beispiel, redet man hier über mind. 6 Monate Training. Die Dorias waren zudem im Umbau, verbleiben also 2*Cavour (artilleristisch mit den 320mm den britischen Rs und QEs deutlich unterlegen) und 2*Littorio, nicht eingefahren.

Im November 1940 - nach Taranto - war das dann vorbei. Littorio und Duilio fehlten bis zum nächsten Frühjahr, Cavour bis Kriegsende: Aus 4 wurde 1 (Vittorio Veneto, die dann bei Matapan im März 1941 als Single auftrat und der Vernichtung knapp entging).

Bei der "Schuldzuweisung" oben hatte ich zunächst einmal nur Matapan im Sinn, strategisch ein Fiasko, durch deutschen Druck, deutsche Fehlinformationen, Enttarnung und durch fehlenden Jagdschutz (TP-Treffer auf Veneto) entstanden.

Sicher kann man bei weiteren einzelnen Aktionen auch wieder Ursachenforschung betreiben, und auch Personen verantwortlich machen, aber mit der Überlegenheit war es danach nichts mehr. Die Lage änderte sich erst kurz Anfang 1942 wieder, nach dem Kriegseintritt Japans und britischer Verluste. Zu dem Zeitpunkt entschieden aber bereits die beiderseitigen Luftwaffen die Frage der Seeherrschaft mehr als ein paar Dickschiffe (die ohnehin kaum noch Treibstoff hatten).

Nochmal zur Technik: die Gefechte 1940/41 hatten die deutliche Unterlegenheit der italienischen Marine hinsichtlich Radar, Feuerleitung, bei Tag- und Nachtgefechten gezeigt. Hilfsweise sollte deutsches Gerät abgestellt werden. Welchen Ausschlag diese Technik gab, zeigte sich zB bei der Scharnhorst, aber auch bei den nächtlichen Aktionen vor Matapan.

Ergo: so schlecht, wie die Italienischen Streitkräfte in der deutschen Nachkriegsliteratur gemacht worden sind, waren sie nicht.
 
...
Im übrigen war Geschwindigkeit eine Philosophie der Regia Marina. ....

Böse Zungen würden ergänzen, es wäre eine Philosophie der italienischen Streitkräfte im allgemeinen gewesen. :devil:

...
Nochmal zur Technik: die Gefechte 1940/41 hatten die deutliche Unterlegenheit der italienischen Marine hinsichtlich Radar, Feuerleitung, bei Tag- und Nachtgefechten gezeigt. Hilfsweise sollte deutsches Gerät abgestellt werden. Welchen Ausschlag diese Technik gab, zeigte sich zB bei der Scharnhorst, aber auch bei den nächtlichen Aktionen vor Matapan.


Die Italiener arbeiteten auch an einem eigenen Radargerät, dem "Gufo" (Eule):EC3/ter "Gufo" - Wikipedia

Der kam aber definitiv zu spät heraus, um noch von nutzen zu sein.
 
Die Italiener arbeiteten auch an einem eigenen Radargerät, dem "Gufo" (Eule):EC3/ter "Gufo" - Wikipedia

Nach Dulin/Garzke waren ganz ordentliche Langwellen-Radartypen bereits 1939 fertigungsreif, wurden aber nicht produziert. Vom "Gufo" wurden bis Kriegsende 12 Systeme hergestellt, mit denen im Ende 1942 zunächst die Littorios ausgerüstet wurden.

Ansonsten versteckte man sich keineswegs:

9.7.1940: Schlacht von Punta Stilo, die zwei einzigen verfügbaren Cavours (mit umfangreicher Kreuzer-Begleitung) treffen bei Geleitzgsicherung auf 3 britische Schalchtschiffe. Die Schlacht brechen die Italiener ab, nachdem Cesare getroffen wurde und die Geschwindigkeit herabgesetzt war.

31.8.1940: man versucht, mit den nun verfügbaren 4 Schlachtschiffen einen britischen Malta-Konvoi abzufangen, die Briten entziehen sich dem Gefecht.

7.9.1940: man versucht, die britische Force H abzufangen, die jedoch in den Atlantik ausgelaufen ist

November 1940: der Einsatzstand ist nun auf 6 gestiegen. Am 11.11.1940 werden Littorio, Cavour und Duilio durch den Luftangriff im Hafen von Tarent außer Gefecht gesetzt.

17.11.1940: Veneto und Cesare versuchen, die Force H abzufangen (Doria ist noch nicht gefechtsbereit nach Überholung)

26.11.1940 Veneto und Cesare versuchen, einen Malta-Konvoi abzufangen. Diverese Aufklärungsfehler führen zum Fehlschlag der Aktion.

8.1.1941: Luftangriff auf Neapel setzt Cesare außer Gefecht. Dieses Schiff sowie die generalüberholte Doria sind im Februar 1941 wieder einsatzfähig.

9.2.1941: Force H beschießt Genua. Alle drei verfügbaren italienischen Schlachtschiffe laufen zur Verfolgung aus, die ergebnislos bleibt.

28.3.1941: Veneto wird als verfügbares Schiff in die Aktion von Kap Matapan geschickt (Reperatur bis August 1941).

August 1941: es sind wieder 5 Schlachtschiffe in Tarent verfügbar. Am 23.8.1941 wird ergebnislos versucht, einen britischen Konvoi abzufangen.

24.9.1941: der Versuch, mit Littorio und Veneto einen britischen Konvoi abzufangen, der von Nelson, Rodney und Prince of Wales gedeckt wird, wird wegen der erkannten britischen Stärke abgebrochen.

13.12.1941: bei der Konvoisicherung für Nordafrika wird Veneto torpediert und fällt bis Juni 1942 aus.

15.12.1941: die erste Sirte-Schlacht (Konvoisicherung aller 4 verbliebenen Schlachtschiffe) wird auf extreme Reichweite mit Einbruch der Nacht abgebrochen. Die Transportschiffe werden in kritischer Lage des Afrikakorps nach Tripolis durchgebracht.

Februar 1942: Cesare aus der aktiven Verwendung zurückgezogen. Duilio und Doria werden wegen Brennstoffmangel stillgelegt.

21.3.1942: Littorio operiert als einzig verwendetes Schlachtschiff auf einen britischen Konvoi.

Juni 1842: Veneto ist repariert, Roma in Dienst gestellt, aber noch nicht einsatzfähig (verfügbar: 2). Littorio und Veneto operieren am 14.6.1942 wieder auf britischen Konvoi. Littorio wird torpediert, der britische Konvoi kehrt jedoch gegen die allein weiter operierende Veneto nach Alexandria um. Ab August 1942 sind die Schlachtschiffe wegen Treibstoffmangel stillgelegt, verlegen gegen Jahresende von Tarent nach Neapel, dann weiter nach La Spezia. Duilio und Doria werden endgültig aus dem aktiven Dienst genommen. Die 3 verbliebenen, immobilen BB werden mehrfach in La Spezia bombardiert.

Quelle: Stille, Italian Battleships.
 
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