D. von Plettau
Neues Mitglied
Hallo liebe Leute!
Ich bin gestern auf einen kleinen Quellentext gestoßen, den ich wirklich sehr interessant finde:
August Bebel, SPD-Mann, behauptet, die Verfassung sei ein Scheinkonstitutioanlistisches Etwas und bringt den Begriff "Cäsarismus" mit hinein.
hier mal die Rede:
August Bebel im Reichstag über die Reichsverfassung (8. November 1871)
„Meine Herren, das Volk ist nicht der Regierung wegen da, sondern der
Regierung des Volkes wegen; die Regierung soll den Willen des Volkes
ausführen sie soll nichts weiter sein als die vollziehende Gewalt. Wie steht es
aber in Wahrheit? Die Regierungen haben die Macht, die Regierungen haben den Willen,und die Volksvertretung hat einfach ja zu sagen und zu gehorchen, und wenn sie das nicht tut, so gibt man ihr moralische Fußtritte, wie sie dieselben schon so oft bekommen hat. Wir haben das ja erlebt in der vorigen Session, beispielsweise bei der Beratung über die Annexion von Elsass, wo der Reichskanzler brüsk wie in der schönsten Konfliktszeit aufgetreten ist. Es fällt mir ein anderes Beispiel für die Machtlosigkeit des Parlamentarismus da ein. Der Herr Reichskanzler äußerte in den letzten Tagen, er glaube nach jedem Kriege konstitutioneller geworden zu sein. Ja, meine Herren, auf den ersten Blick könnte das allerdings so scheinen, und jedenfalls der Glaube an die Richtigkeit dieser Ansicht ist es, die den Abgeordneten Lasker neulich zu seinem berühmten Ausspruch veranlasst hat (1). Wie steht es in Wahrheit meine Herren? Nicht der
Reichskanzler ist seit dem Jahre 1866 konstitutioneller geworden, sondern die liberalen Parteien, die parlamentarischen Versammlungen sind nachgiebiger geworden, das ist des Pudels Kern.
(Große Unruhe.)
Sie treten nicht mehr mit den Forderungen heraus, welche sie noch vor dem Jahre 1866 aufgestellt haben. Sie haben dem Reichskanzler eine Verfassung gegeben, die deutsche Reichsverfassung, wie sie reaktionärer gar nicht gedacht werden kann. (Gelächter.)
Meine Herren, mit einer solchen Verfassung kann allerdings ein jeder Minister regieren, das ist keine Verfassung fürs Volk, das ist weiter nichts als der Scheinkonstitutionalismus in rohester Form, das ist der nackte Cäsarismus. Das ist ein Cäsarismus, der die parlamentarische Form gebraucht, weil die öffentliche Meinung sie für notwendig hält, der auf Grund einer solchen Verfassung scheinbar konstitutionell regieren kann.“
Was meint ihr dazu?
Ist die Verfassung von 1871 wirklich als scheinkonstitutionalistisch anzusehen, vorallem aber: "vertritt" sie den Cäsarismus?
Ich denke schon, dass sie scheinkonstitutionalistisch ist.
Die Macht des Kaisers war zwar an die Verfassung gebunden, dennoch hatte das Volk doch viel zu wenig Macht über die Regierung, das Parlament, das ja gewählt wurde, war nahezu machtlos, da die "Regierung" einfach den Reichstag auflösen konnte (wie z.b beim stattgeben der Septinnate, 1887: Das Parlament sollte wieder für 7 Jahre das Armeeetat zustimmen, das tat sie nicht unter den geforderten Bedingungen, also: Bismarck hat ihn auflösen lassen)
Die Druckmittel gegenüber dem Reichstag war einfach viel zu groß.
Wo wir gerade dabei sind:
Mir fällt wirlich keine Regelung ein, wo der Reichtag wirklich richtig mächtig war...immer konnten die Aktionen des Reichstags beeinflusst werden, und die zustimmung des etats ist wirklich nun kein tolles recht.
Wie gesagt: Druckmittel, Auflösungen usw.
Hatte der Reichstag eine geeignete Macht, ja oder nein? Was meint ihr?
Ich bin gestern auf einen kleinen Quellentext gestoßen, den ich wirklich sehr interessant finde:
August Bebel, SPD-Mann, behauptet, die Verfassung sei ein Scheinkonstitutioanlistisches Etwas und bringt den Begriff "Cäsarismus" mit hinein.
hier mal die Rede:
August Bebel im Reichstag über die Reichsverfassung (8. November 1871)
„Meine Herren, das Volk ist nicht der Regierung wegen da, sondern der
Regierung des Volkes wegen; die Regierung soll den Willen des Volkes
ausführen sie soll nichts weiter sein als die vollziehende Gewalt. Wie steht es
aber in Wahrheit? Die Regierungen haben die Macht, die Regierungen haben den Willen,und die Volksvertretung hat einfach ja zu sagen und zu gehorchen, und wenn sie das nicht tut, so gibt man ihr moralische Fußtritte, wie sie dieselben schon so oft bekommen hat. Wir haben das ja erlebt in der vorigen Session, beispielsweise bei der Beratung über die Annexion von Elsass, wo der Reichskanzler brüsk wie in der schönsten Konfliktszeit aufgetreten ist. Es fällt mir ein anderes Beispiel für die Machtlosigkeit des Parlamentarismus da ein. Der Herr Reichskanzler äußerte in den letzten Tagen, er glaube nach jedem Kriege konstitutioneller geworden zu sein. Ja, meine Herren, auf den ersten Blick könnte das allerdings so scheinen, und jedenfalls der Glaube an die Richtigkeit dieser Ansicht ist es, die den Abgeordneten Lasker neulich zu seinem berühmten Ausspruch veranlasst hat (1). Wie steht es in Wahrheit meine Herren? Nicht der
Reichskanzler ist seit dem Jahre 1866 konstitutioneller geworden, sondern die liberalen Parteien, die parlamentarischen Versammlungen sind nachgiebiger geworden, das ist des Pudels Kern.
(Große Unruhe.)
Sie treten nicht mehr mit den Forderungen heraus, welche sie noch vor dem Jahre 1866 aufgestellt haben. Sie haben dem Reichskanzler eine Verfassung gegeben, die deutsche Reichsverfassung, wie sie reaktionärer gar nicht gedacht werden kann. (Gelächter.)
Meine Herren, mit einer solchen Verfassung kann allerdings ein jeder Minister regieren, das ist keine Verfassung fürs Volk, das ist weiter nichts als der Scheinkonstitutionalismus in rohester Form, das ist der nackte Cäsarismus. Das ist ein Cäsarismus, der die parlamentarische Form gebraucht, weil die öffentliche Meinung sie für notwendig hält, der auf Grund einer solchen Verfassung scheinbar konstitutionell regieren kann.“
Was meint ihr dazu?
Ist die Verfassung von 1871 wirklich als scheinkonstitutionalistisch anzusehen, vorallem aber: "vertritt" sie den Cäsarismus?
Ich denke schon, dass sie scheinkonstitutionalistisch ist.
Die Macht des Kaisers war zwar an die Verfassung gebunden, dennoch hatte das Volk doch viel zu wenig Macht über die Regierung, das Parlament, das ja gewählt wurde, war nahezu machtlos, da die "Regierung" einfach den Reichstag auflösen konnte (wie z.b beim stattgeben der Septinnate, 1887: Das Parlament sollte wieder für 7 Jahre das Armeeetat zustimmen, das tat sie nicht unter den geforderten Bedingungen, also: Bismarck hat ihn auflösen lassen)
Die Druckmittel gegenüber dem Reichstag war einfach viel zu groß.
Wo wir gerade dabei sind:
Mir fällt wirlich keine Regelung ein, wo der Reichtag wirklich richtig mächtig war...immer konnten die Aktionen des Reichstags beeinflusst werden, und die zustimmung des etats ist wirklich nun kein tolles recht.
Wie gesagt: Druckmittel, Auflösungen usw.
Hatte der Reichstag eine geeignete Macht, ja oder nein? Was meint ihr?