Die Bremer Kogge von 1380

Wie Bdaian schon sagte hat man als Koggenrekonstrukteur wohl Angst davor, als unseriös angesehen zu werden und übersieht dabei vollkommen, daß der Tatbestand der Unseriösität durch das Negieren wichtiger Fakten und das Hineininterpretieren einer historisch fragwürdigen Kastellgestaltung längst erfüllt ist. Bdaian führte ja auch ähnliche Beispiele aus der Festungsarchitektur an, wo das selbe Phänomen bewusster und nicht etwa fahrlässiger Geschichtsverfälschung feststellbar ist.

Hier geht es auch nicht darum, das Original in irgendeiner Weise zu manipulieren, sondern einen Nachbau ohne irgendwelchen historischen Eigenwert als Experimentierobjekt heranzuziehen, um es in größtmögliche Übereinstimmung mit der ursprünglich projektierten Kogge zu bringen. Aber vielleicht wird´s ja noch was, irgendwann ... :)=
 
So, nachdem der seriöse Teil dieser kritischen Reflektionen über die Bremer Kogge einigermaßen abgeschlossen ist, kommen wir nun zum unseriösen :)=

Zur Erklärung der "Violine"!

Ein "Logbuch"-Artikel des Arbeitskreises Historischer Schiffbau versuchte vor vielen Jahren einmal in nicht eben überzeugender Argumentation, dieses merkwürdige Konstrukt, daß sich zwischen Binnen- und Außensteven eingeklemmt präsentiert, als Aufstiegshilfe und Halt für Seeleute zu definieren, die dort vorne am Steven mit irgendwelchem Tauwerk hantierten.

Das kann man einmal so stehenlassen. Man muß es aber nicht gleich als ultimative Erklärung dieses ominösen Bauteils akzeptieren.
Was aber sonst sollte dieses Ding darstellen?
Brainstorming erscheint hier angesagt. Wildes Assoziieren, in der Hoffnung, der Lösung des Rätsels ein Stück näher zu kommen.

Ein Kreis in Verbindung mit einem Querrechteck, das könnte auf einen Pinnkompaß hindeuten, einem gängigen Hilfsmittel für die Koppelnavigation.

Aber natürlich ist das Unsinn, denn für 1380 ist dieses Verfahren in keinster Weise belegt, es erscheint sogar aus verschiedensten Gründen als absolut ausgeschlossen.

Obwohl, der Kompaß war bereits bekannt, ebenso die Sanduhr. Und das Loggen sowieso...


Die Zeichnungen der "Violine" entstammen Band 1 der Bremerhavener Planedition zur Bremer Kogge, einer Plansammlung, mit der man ein großes Zimmer tapezieren könnte :)=

Rechts die Replika eines Pinnkompasses aus dem DTM Berlin.
 

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Nun,wie ich oben bereits bemerkte war eine primitive Form der Koppelnavigation schon vor der Zeitenwende im Gebrauch war-
Für das Mittelmeer existierte im Mittelalter ab 1296 der "Compasso di Navigare" und für die nördlicheren Gewässer ist ein mittelniederdeutsche http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelniederdeutsche_Sprache „Seebuch“von 1490 erhalten, das auf Quellen aus dem 13. bis 14. Jahrhundert beruht und Informationen über Meerestiefen, Häfen ,Gezeiten und Kurse zwischen verschiedenen Punkten enthält, also Angaben,die man auch für die Koppelnavigation benötigt. und die teilweise auch nur über Koppelnavigation gewonnen worden sein können.
Insoweit würde ich sagen,daß für 1380 dieses Verfahren zumindest in indirekter Form belegt ist .Was nicht belegt ist,ist die Verwendung des Pinnkompasses.

DerForm nach könnte das allerdings bei der "Violine" hinkommen. Was mir da allerdings fehlt sind die Bohrungen für die Pinns und die Graduierung.Außerdem ist der Ort an dem das Teil angebracht gewesen sein sollte, nämlich im Bugbereich ,eher kontraproduktiv für einen Pinnkompass. In der Nähe des Steuers wäre das wohl passender.
Gibt es Infos zu den Abmessungen des Teils ?
 
Die Maße dieses Teils sind 117x64 cm ohne den "Stiel", der zwischen die Steven führt. Sehr groß also für ein derartiges Gerät.

Die Positionierung ist natürlich befremdlich, wenn man sich einen Pinnkompaß als gut und sicher verwahrtes Merkbrett vorstellt, welches irgendwo am Ruderstand oder wo auch immer aufgehängt oder verstaut ist.
Diese Kogge scheint mir aber zu eng und zuweilen auch zu dicht bevölkert zu sein, um versehentliche oder absichtliche Manipulationen (etwa durch mitreisende Kinder) an den abgesteckten Daten verhindern zu können. (Bei Schlechtwetter drängte sich wohl alles unter dem Kastelldeck, denn der Laderaum war unzugänglich.)

Vorne am Bug fest angebracht konnte das Ding jedenfalls gut überwacht und neugierige Passagiere ferngehalten werden.

Den Rohzustand führe ich auf den allgemeinen Bauzustand zurück, der vielleicht noch keine Feinarbeiten zuließ. Denn wenn ein Bugkastell gebaut werden sollte, wovon ich fest ausgehe, konnten grobe Zimmermannshände das Instrument eventuell beschädigen.
Vielleicht sollte also erst kurz vor der Bauabnahme ein Zimmermannslehrling abkommandiert werden, dem man einen Drillbohrer, Schnurzirkel und Lineal und ein V-förmiges Schnitzeisen in die Hand drückte. Das wäre dann eine Sache weniger Stunden gewesen, das Teil fertigzustellen, etwa in der schlichten Art, die die obige Abildung aufweist.

Dieses "Seebuch" habe ich mir gerade vorgenommen. Es wurde 1996 im Kabelverlag als Band 44 der Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums von Albrecht Sauer kommentiert und publiziert :)=
 
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Links die originale "Violine" des Wracks. Sie liegt nicht direkt am Steven an wie beim Kieler Nachbau, sondern ist etwas aufwärtsgerichtet.

In der Mitte erkennt man die Belegungsart des Vorstags, die durch ein Bugkastell nicht behindert würde.

Rechts die Erbauer der "Kieler Kogge" als erste Besatzung.
 

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Über das Wochendende habe ich mir den Kopf zerbrochen, was diese "Violine" sein könnte. Eine Kletterhilfe? Es gab zwar keine Berufsgenossenschaften aber so abernteurlich war man damals auch nicht. Für ein strukturelles Teil oder zur Befestigung von laufenden Gut zu dünn.
Die Idee des Pinnkompasses ist von der Form und Größe eventuell möglich, es ist aber an der falschen Stelle. Das müsste eindeutig auf der Brücke sein.

Ich habe mir also nochmals die Siegelabbildungen angesehen und überlegt, was so ein Teil vielleicht bei einem architektonischen Werk sein könnte, und habe folgenden (sehr spekulativen) Vorschlag.

Ich glaube das Brett ist Teil einer Verkleidung, eventuell einer Zinnenbekrönung. Auf der Siegeldarstellung von Stralsund und den Bild der Smithfield Decretals weiter oben kann man halbrunde Zinnen und Kreuzförmige Durchbrüche (Schiessscharten) erkennen.
 

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@Bdaian, eine interessante Überlegung. Es spricht aber einiges gegen Deine Theorie. Auf Siegelabbildungen sind die Zinnen einfach eckig dargestellt und sie stehen alle senkrecht und nicht schräg, wie die sog. Violine. Auch waren sie sicher direkt am Kastell und nicht am Schiffskörper befestigt. Auf vielen Abbildungen sind die Bugkastelle ziemlich hoch am Steven angebaut, sodass die Violine meiner Meinung nach eher zum Unterbau des Kastells gehört.
 
@Bdaian

Man muß tatsächlich einmal alle Möglichkeiten durchspielen und vielleicht weist dein Vorschlag auch in eine Richtung, die man genauer untersuchen müsste. Aber wie auch Galeotto einwendet, entsprechen die Bugkastelle der Koggen dieser Zeit alle demselben schlichten Baumuster und alle befinden sich "freischwebend" an den Steven gezimmert, ähnlich wie spätere Sprietmarse im 17. Jahrhundert.
Was die Stralsunder Siegelabbildung betrifft, identifiziere ich dieses kreuzförmige Muster eher als Zierfries mit spätgotischer Ornamentik wie Vierpaß und ähnlichen gängigen Dekorationselementen der Zeit.

Der Begriff der "Brücke" ist für diese Epoche auch etwas problematisch, da diese erst im 19. Jhdt. als tatsächliche Brücke auf ersten Raddampfern auftrat, die die beiden seitlichen Radkästen verband und damit erstmals einen erhöhten Kommandostand mittschiffs ermöglichte. Auf der Bremer Kogge konzentrierte sich das alles aber noch auf den engen Raum unter dem Heckkastell, der durch die seitlichen Kabinen noch zusätzlich eingeschränkt war. Und diesen Raum teilten sich nicht nur Schiffer und Mannschaft, sondern eben auch mitreisende Passagiere mit Kind und Kegel. Man kann also noch nicht einmal von einem reinen Kommandostand ausgehen oder von einer strengen Schiffshierarchie, wie man sie aus späteren Zeiten kennt.
Insofern wäre es also denkbar, daß ein Pinnkompaß bewusst von solchen Verhältnissen ferngehalten wurde.
Auch der Fakt, daß spätere Exemplare dieser Merktafeln klein und transportabel waren heißt ja nicht, daß ihre archaischen Vorgänger nicht fest installiert gewesen sein könnten. (Beispielsweise wurde auch der Bilderrahmen als solcher erst in der Spätgotik zu einem eigenständigen mobilen Gegenstand, der zuvor fest in das sakrale Altargefüge integriert war.)

Vielleicht sollte man sich zuerst einmal die Verwendung von Kompaß, Sanduhr und Logbrett näher ansehen. Das waren ja relativ kleine und mobile Geräte, die nicht ortsgebunden in der Nähe des Rudergängers installiert waren, das Log natürlich sowieso nicht. Man muß also untersuchen, ob das Abstecken und Ablesen der Daten auf dem Pinnbrett nicht ebensogut vorne am Bug hätte stattfinden können wie in Rudernähe oder wo auch immer.
 
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Zur Erklärung dieser seltsamen Violine bieten sich meiner Meinung nach drei Kategorien an.

Erstens die eines rein strukturellen Bauteils, sprich einer wie auch immer gearteten Kastellverschalung oder einer Vorrichtung, am Vordersteven aufzuentern.

Zweitens eine eventuelle kultische Bedeutung.

Die dritte Möglichkeit, die hier aktuell erörtert wird, erscheint mir jedoch als die wahrscheinlichste, wobei "Pinnkompaß" als sicherlich erwünschte Lösung des Rätsels natürlich strengstens hinterfragt werden muß. Vorstellbar wären auch weit weniger spektakuläre Erklärungen in dieser Richtung.

Sollte jedoch die Vermutung, daß es sich hier tatsächlich um den frühesten Beleg für die Anwendung der Koppelnavigation in Nordeuropa handelt, durch Indizienbeweis hinreichend bestätigt werden, wäre das allerdings eine kleine Sensation, zumal man sich in Bremerhaven seit Jahrzehnten äußerst bedeckt gibt, was die Erklärung dieses obskuren Bretts betrifft. Intern wird dort sicherlich heftig spekuliert worden sein, öffentlich ist dies hier jedoch die erste Diskussion seit Bergung des Wracks, soweit ich das beurteilen kann. Gibt man bei Google "Violine" und "Kogge" ein, wird man außer einem Geigenbaumeister namens Kogge jedenfalls nicht viel finden.
 
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Dazu geschrieben findest du etwas in dem Buch von Wilfried Ehbrecht (Herausgeber, nicht alleiniger Autor), Störtebeker. 600 Jahre nach seinem Tod, Trier 2005. (Bd. 15 der Reihe Hansische Studien) Ich weiß leider nicht mehr in welchem Beitrag genau und habe das Buch auch nicht zur Hand.
Tenor des Beitrags war es jedenfalls, dass die meist nur wenige Mann zählende Besatzung eines Handelsschiffes, möglicherweise durch ein oder zwei Passagiere aufgestockt, gegen einen Piratenüberfall zumindest im Kampf keine Chance hatte.

Es handelte sich um den Beitrag von Detlev Ellmers, Die Schiffe der Hanse und der Seeräuber um 1400, im angegebenen Band.
 
@ El Quijote


Das von dir erwähnte Buch kenne ich leider nicht. Was die Besatzungsstärke von Koggen angeht wird Detlev Ellmers (Erster Direktor des Deutschen Schiffahrtsmuseums 1971-2002) an anderer Stelle jedoch etwas konkreter.

In seinem Beitrag zu "Die Kogge, Sternstunden der deutschen Schiffahrtsarchäologie" (Schriften des DTM Band 60, 2003) geht er neben einer elfköpfigen rein seemännischen Besatzung zudem von Schreibern, Kaufleuten und ein bis zwei Schiffsjungen und somit von einer durchschnittlichen Bemannung von 15 bis 18 Personen aus, eventuelle Passagiere nicht einberechnet.

Zur Gefahr der Piraterie: In einem Katalogtext zur Bremer Piratenausstellung im Jahr 2000 beschreibt Hartmut Roder die allgemeine Gefahrenlage des ausgehenden 14. Jahrhunderts wie folgt:

"Für die Gründung der Hanse, die sich ab der Mitte des 13. Jahrhunderts von einer Kaufleute-Genossenschaft zunehmend zu einem Städtebund entwickelte, musste der Kampf gegen die Piraten eine herausragende Rolle spielen, wie die überlieferten Urkunden zeigen. Besonders Hamburg und Bremen, die durch die weit ins Land hineinreichenden Flüsse Elbe und Weser sehr leicht sowohl von Strand- wie auch von Seeräubern geschädigt und vom offenen Meer abgeschnitten werden konnten, klagten über die zunehmende Unsicherheit auf den lebenswichtigen Wasserwegen. Während Hamburg immer häufiger die Bundesgenossen der Hanse um Unterstützung bat, musste Bremen sich 1312 sogar bereit erklären, Schutzgelder an die den Unterweserraum zeitweilig kontrollierenden Friesen zu zahlen, um den eigenen Seehandel aufrecht erhalten zu können. Somit war es nur allzu verständlich, daß sich immer mehr Handelsstädte diesem Bündnis zur Sicherung der Seewege und der Handelsprivilegien anschlossen, das jedoch weder über ein höchstes Beschlußgremium noch über eine gemeinsame Kasse noch über eine eigene Streitmacht verfügte. Als die Hanse Ende des 14. Jahrhunderts mit nahezu 200 Städten und vier Kontoren bei einem Schiffsbestand von ca. 1000 Koggen den Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten erreicht hatte, stand sie jedoch vor der größten Herausforderung ihrer bisherigen Geschichte. Das ausufernde Seeräuberwesen in Ost- und später der Nordsee drohte, die gesamte Handelstätigkeit und damit den Gründungszweck der Vereinigung lahm zu legen. (---)
Die Ursache für das Entstehen großer und schlagkräftiger Haufen von Piraten in Nord- und Ostsee stellte der politische Kampf um das Erbe des am 24. Oktober 1374 verstorbenen dänischen Königs Waldemar IV. Atterdag dar."

Ich denke, dieser andauernd bedrohliche und sich ab 1374 sogar noch zuspitzende Gefährdungshintergrund war Anlaß genug, eine um 1380 in Bremen gebaute große Kogge grundsätzlich für den Ernstfall auszurüsten, gerade auch baulich, sprich mit Kastellen und Zinnen versehen.
Und ich schließe hier auch eine obligatorische Mitführung einfachster Verteidigungswaffen wie Pfeil&Bogen mit ein, die im absehbaren Ernstfall sicherlich durch harnischbrechende Armbrüste ergänzt wurden. Zudem ist davon auszugehen, daß je nach angenommener Gefährdungslage Konvojs zusammengestellt wurden, so daß auch stark bemannte Piratenschiffe gemeinsam bekämpft werden konnten. Das Entern eines Schiffes war auf jeden Fall mit größeren Risiken verbunden, als das Verteidigen eines solchen. Der "Heimvorteil", aus einer gedeckten und erhöhten Position heraus ungedeckte Angreifer beschiessen zu können, war sicherlich beachtlich.
Passagiere waren übrigens verpflichtet, sich an der Verteidigung eines angegriffenen Schiffes nach besten Kräften zu beteiligen. (Wobei nicht davon auszugehen ist, daß diese erst in den Gebrauch von Armbrüsten eingewiesen wurden, sondern daß ihnen ein simples Gerät in die Hand gedrückt wurde, mit dem jedes Kind umgehen konnte, sofern es eine Bogensehne spannen konnte.)
 
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Das von dir erwähnte Buch kenne ich leider nicht. Was die Besatzungsstärke von Koggen angeht wird Detlev Ellmers (Erster Direktor des Deutschen Schiffahrtsmuseums 1971-2002) an anderer Stelle jedoch etwas konkreter.


Wie konkret Ellmers da wird, weiß ich nicht mehr, ist schon ein paar Jahre her, dass ich den Beitrag gelesen habe.

Passagiere waren übrigens verpflichtet, sich an der Verteidigung eines angegriffenen Schiffes nach besten Kräften zu beteiligen.

Ellmers oder ein weiterer an dem Buch beteiligter Autor geht auch auf diese Verpflichtung ein. Tenor war, das die Skipper es sich wohl zweimal überlegten, ob sie sich zur Wehr setzten oder versuchten das Leben der Mannschaft und ihrer selbst, durch Übergabe der Waren zu retten.
Dies scheint jedenfalls funktioniert zu haben, denn wir haben in Londoner Archiven die Namen der deutschen/friesischen Seeräuber teilweise erhalten, weil die Skipper diese Namen angeben konnten und was ihnen geraubt wurde.
 
Ich gehe auch davon aus, daß das Risiko für Schiff, Mannschaft, Passagiere und Ladung vom Schiffsherrn von Fall zu Fall im Sinne größtmöglicher Schadensverhütung abgewogen wurde. Wer Piraten prophylaktisch Schutzgelder zahlt, wird ihnen diese im konkreten Konfrontationsfall schließlich nicht verweigern.
Um aber auf meine ursprüngliche These zurückzukommen, so muß man sich die Koggen dieser Zeit eben nicht als reine Transporter, sondern vor allem auch als potentielle Kriegsschiffe vorstellen, wobei diese Potenz sich allein in den bewehrten Kastellen ausdrückt. Und diese wurden eben nicht bei Bedarf installiert, sondern dienten grundsätzlich der Signalisierung einer Wehrhaftigkeit, wie sie auch die backsteingotische Landarchitektur dieser Zeit ausstrahlte.
 
Passagiere waren übrigens verpflichtet, sich an der Verteidigung eines angegriffenen Schiffes nach besten Kräften zu beteiligen. (Wobei nicht davon auszugehen ist, daß diese erst in den Gebrauch von Armbrüsten eingewiesen wurden, sondern daß ihnen ein simples Gerät in die Hand gedrückt wurde, mit dem jedes Kind umgehen konnte, sofern es eine Bogensehne spannen konnte.)
Wer waren denn die Passagiere? Doch wohl Bürger der Hanse- und anderer Städte. In Deutschland lernten diese ohnehin zwecks der Stadtverteidigung das Schießen. Dafür gab es hervorragend organisierte Schießstätten für die Bürgerschaft. Und womit? Wohl mit Armbrüsten weil Bögen im deutschen Spätmittelalter nicht so angesagt waren.

Welche Truppen wurden denn im Spätmittelalter von den Reichsstädten und anderen Städten im Falle des Aufgebots durch den Kaiser gestellt? Vor allem Schützen, später auch Artillerie.

Mir scheint die Vorrangigkeit der Ausbildung an Fernwaffen unter den Städtern nur einleuchtend, da diese im Fall der Belagerung nunmal von hoher Bedeutung waren. Mit den Bürgerrechten waren praktisch Aufgaben bei der Verteidigung der Städte zwangsläufig verbunden.
 
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Ein Kaufmann ist natürlich darauf bedacht, die Kosten gering und die Einkünfte hoch zu halten. Je mehr Mann auf einem Schiff, desto höher die Kosten, aber desto geringer das Risiko.
 
Welche Truppen wurden denn im Spätmittelalter von den Reichsstädten und anderen Städten im Falle des Aufgebots durch den Kaiser gestellt? Vor allem Schützen, später auch Artillerie.
Mit dem Aufkommen der Feuerwaffen dürften auch immer häufiger Söldner ,bzw. Landsknechte angeheuert worden sein.
Bei den venezianischen Handelgaleeren, die als sicherste Transporter ihrer Zeit galten (14. bis Anfang 16.Jh.), saßen neben den 2bis3 Ruderern noch je ein Bogenschütze pro Bank. Das waren schon 52 Söldner, die den Transport natürlich stark verteuerten, weshalb man nur hochwertige Güter diesen schiffen anvertraute. Segelschiffe wie Koggen werden erheblich weniger Bewaffnete an Bord mitgeführt haben.
 
@ Brissotin

So eine Armbrust ist natürlich eine wunderbare Sache. Aber diese doch ziemlich komplizierten mechanischen Geräte waren nicht gerade billig und sie benötigten mehr und vor allem trockeneren Lagerplatz als Bogen, da sie an der salzigen Seeluft wohl schnell korrodierten. Ein anderes Manko dieser Schusswaffen ist der Vorgang des Spannens der Sehne mittels einer Winde, der eine gewisse Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, wodurch diese Waffe eine weit geringere Schußfrequenz gegenüber einem Bogen hat.

Obwohl hansische Schiffer beste Kontakte nach England pflegten, muß das nicht heissen, daß sie auch englische Langbögen mitführten, die mit ihren hohen Zuggewichten eine gewisse Übung und Kraft erforderten. Aber allein die Kenntnis dieser berüchtigten Waffe wird sie doch in irgendeiner Weise inspiriert haben, sich ähnliches Gerät anzuschaffen.

(An Bord der englischen Karracke "Mary Rose", gesunken 1545, fanden sich kistenweise bestens erhaltene und noch benutzbare Langbogen; in einer Kiste lagen allein 1248 Stück.)
 
Die Mary Rose war aber auch ein reines Kriegsschiff und Langbogenschütze war in England sowas wie "Nationalsport"...

Eine Armbrust muss man nicht zwingend mit einer Winde spannen, es gibt auch viel kleinere Handarmbrüste, die sicher auf Schiffe weitaus effektiver sind als eine riesengroße Windenarmbrust.
Bögen brauchen auch gewisse Trockenheit, weil nasse Sehnen schlechter schießen...also würde ich da keinen Vorteil irgendeines Schussgerätes gegenüber dem anderen sehen. Eine kleine Handarmbrust war auch nicht so furchtbar Aufwendig, da würde ich einen guten Bogen als aufwendiger betrachten. :)

Zur Violine kann ich leider nix beitragen..auch wenn ich nicht denke, dass sie in irgendeiner Art zur Navigation gedient haben könnte...die ist ja völlig unmarkiert und, falls man jetzt hier der bisherigen argumentation mit dem vorderkastell folgt, ohnehin nicht sichtbar gewesen, wenn man da jetzt noch ein vorderkastell drauf bauen würde. Ergo aus navigatorischer sicht unsinnig. Ich würde eher an ein Konstruktionsmerkmal denken, aber auf Grund der Form auch sicher nicht an ein Schanzkleid...dafür wäre die Form ja auch überhaupt nicht zu gebrauchen..
 
Auf zeitgenössischen darstellungen findet man auf Schiffen sowohl Bogen- wie auch Armbrustschützen dargestellt.
 

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