Militärmacht zu Beginn des 1. Weltkrieges

Und wenn wir alle Großmächte in einem Planspiel eins gegen eins gegeneinander antreten lassen? Da währe das Deutsche Reich wohl Nummer eins, knapp vor Großbritannien.

Tja, die Frage wäre dann, warum das "Deutsche Reich" verloren hat. Denn das hat es ja.

In dem Planspiel wurde der ein oder andere Faktor offensichtlich nicht berücksichtigt.

Warum das so war? Tja, das diskutieren wir hier ja gerade. Einfach machen darf man es sich nicht.
 
Schraenken wir die Frage ein. Die staerkste europaeische Militaermacht? Vermutlich damals England Frankreich Deutschland Russland in der Reihenfolge
 
Bemerkenswert ist doch, dass fünf europäischen Großmächte doch davon ausgingen, dass der bevorstehende Krieg kein industrieller Massen bzw. Volkskrieg sein würde. Mit dem Massensterben des Weltkrieges hatte keiner gerechnet!

Denn ansonsten hätten das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn sich in der Julikrise 1914 sicher doch ganz anders verhalten. Und als sich der Ermattungskrieg abzeichnete, hätte man sich an Schlieffen erinnern sollen, der sagte, ..“ zu einer Zeit unmöglich, wo die Existenz der Nation auf einen ununterbrochenen Fortgang des Handelns und der Industrie begründet ist […]. Ein Ermattungsstratgie lasst sich nicht treiben, wenn der Unterhalt von Millionen den Aufwand von Milliarden erfordert.“

Großbritanniens Royal Navy blockierte die deutschen Nordseeküsten- und häfen und überließ der deutschen kaiserlichen Marine „nur“ die Ostsee als Betätigungsfeld. Diese Blockade war von herausragender strategischer Bedeutung, da dadurch der britische Nachschub zur See gewährleistet war. Auch wenn die deutschen U-Boote phasenweise durchaus erfolgreich operierten, haben die Briten, auch nach Skagerrak, die Seeherrschaft behauptet. Zur See war Großbritannien die Seemacht Nr. 1 .

Das britische Heer umfasste zum Beginn des Krieges gerade einmal 100.000 Mann. Großbritannien war halt eine Seemacht. Das Heer musste erst aufgebaut werden.
 
Ich denke, man kann schon sehr gut zwischen der vorhandenen Militärischen Macht und dem Potential unterscheiden. Die USA hatten zwar ein großes Potential, waren militärisch aber ein Zwerg, zumindest was das Landheer betraf.

Großbritannien hatte eine gewaltige Marine. Die Armee war deutlich kleiner und dazu auf dem halben Globus verstreut, dafür aber qualitativ hochwertig.

Das größte Landheer war m.W. das russische, war aber im Umbruch nach dem es 1905 gegen Japan seine Schwächen in Sachen Führung und Ausrüstung gezeigt hatte.

Danach dürften das französische Kommen, knapp vor dem Deutschen Reich wenn man die französischen Kolonialkräfte mitzählt. Diese beiden dürften in der Verbindung von Größe, Ausrüstung, Führung und Ausbildung die beiden stärksten Militärmaschinen der damaligen Zeit gewesen sein.

Die Österreichisch-Ungarische Armee würde ich nicht zu tief Ansetzen, sie war groß, sie war relativ gut ausgebildet und ausgerüstet, scheiterte jedoch an den inneren Spanungen und an einer schwachen Führung. Dass sie gegen die serbische Armee solche Schwierigkeiten hatte wie oben erwähnt, spricht eher für die serbische Kampfkraft, die sich schon in den Balkankriegen gezeigt hatte.

Die Osmanische Armee war veraltet, schlecht ausgebildet und hatte nur ein sehr kleinen Pool an fähigen Offizieren, wie in Ö-U kamen auch die Nationalen Spannungen sehr zum tragen. Ich schliesse mich jedoch dem "Greif" an und weise auf die, unter den gegebenen Bedingungen, erstaunlichen Erfolge bei Gallipoli oder Qut und den zähen Widerstand an fernen Fronten unter erbärmlichen Bedingungen. Um so erstaunlicher sind dann die Erfolge aus dem Folgekrieg gegen Griechenland.
 
Ich denke, man kann schon sehr gut zwischen der vorhandenen Militärischen Macht und dem Potential unterscheiden. Die USA hatten zwar ein großes Potential, waren militärisch aber ein Zwerg, zumindest was das Landheer betraf.

Ganz genau, die USA war sich ihrer potentiellen Macht garnicht bewußt. Sie im Bewußtsein und Wissen der Gegenwart hier als die Macht überhaupt darszustellen halte ich für falsch.

Zudem war die USA bis vor 1914 nicht nur mit seinem Heer schwach besetzt, auch war die US Navy bis 1914 noch in den "Kinderschuhen", was den Vergleich mit der RN oder kaiserlichen Marine angeht. Enormes Potential wurde dann wärend des Krieges freigesetzt und der Großkampfschiffbau florierte bis weit nach 1918.
Doch stark von den Mahanschen Lehren beherrscht werden ebend nur Großkampfschiffe gebaut, daß aber die Entscheidungschlacht als Mittel über Seemacht nur noch Illusion ist, beweißt bald die Seeschlacht vor dem Skagerak 1916.
Eine Marine ohne typologische Struktur für Aufgaben jenseits der Entscheidungsschlacht waren aber in der US Navy nicht vorhanden, was mit einem enormen Kreuzerprogramm, politisch unterstützt durch das Washingtoner Abkommen über die Rüstungsbegrenzung 1922, geändert werden sollte.

Aber ich glaube, ich schweife ab ....
 
Bdaian schrieb:
Diese beiden dürften in der Verbindung von Größe, Ausrüstung, Führung und Ausbildung die beiden stärksten Militärmaschinen der damaligen Zeit gewesen sein.

Diese Einschätzung teile ich. Ich würde dem deutschen kaiserlichen Heer vielleicht einen kleinen Vorsprung einräumen, da Frankreich innenpolitisch tief gespalten war, um eine längere kriegerische Auseinandersetzung überstehen zu können. Das hat sich dann ja auch im Jahre 1917 gezeigt und die Ausrufung der Union sacrèe bedeutet ja noch nicht deren Realisierung.

Gerade erst 1913 hat es heftig im innenpolitischen Gebälk Frankreichs wegen der Verlängerung des Militärdienstes geknirscht. Der Dreyfusskandal saß der französischen Armee wohl auch noch in den Knochen.
 
Tja, die Frage wäre dann, warum das "Deutsche Reich" verloren hat. Denn das hat es ja.
...Einfach machen darf man es sich nicht.
Gegen einen der Großmächte? Tatsache war doch das im Ersten Weltkrieg sechs gegen drei käpmften (Ru, Fr, GB, Ja, It, USA gegen De, ÖU, Tü). Im Kampfsport wird der Stärkste auch nicht bestimmt mit sechs gegen drei, sondern eins gegen eins. Sonst hätte mann das stärkste Militärbündniss, nicht die stärkste Militärmacht.
Danach dürften das französische Kommen, knapp vor dem Deutschen Reich wenn man die französischen Kolonialkräfte mitzählt. Diese beiden dürften in der Verbindung von Größe, Ausrüstung, Führung und Ausbildung die beiden stärksten Militärmaschinen der damaligen Zeit gewesen sein.
Damit könntest du richtig liegen. Deine Kriterien sind echt super, aber ich würde auch die Flotte zu der Liste hinzufügen wollen. Damit, und weil man bei den Briten die British Indian Army zählen muss, würde ich mein Ranking (1. De, 2. GB) begründen. Auf jeden Fall schätze ich Deutschland, Großbritannien und Frankreich als die Top-3.
 
Gegen einen der Großmächte? Tatsache war doch das im Ersten Weltkrieg sechs gegen drei käpmften (Ru, Fr, GB, Ja, It, USA gegen De, ÖU, Tü). Im Kampfsport wird der Stärkste auch nicht bestimmt mit sechs gegen drei, sondern eins gegen eins. Sonst hätte mann das stärkste Militärbündniss, nicht die stärkste Militärmacht.
[...]
aber ich würde auch die Flotte zu der Liste hinzufügen wollen. Damit, und weil man bei den Briten die British Indian Army zählen muss, würde ich mein Ranking (1. De, 2. GB) begründen. Auf jeden Fall schätze ich Deutschland, Großbritannien und Frankreich als die Top-3.

Das o.g. meinte ich, mit der Frage nach der Bewertung der militärischen Stärke der Nationen. Im maritimen Bereich würde GB oder auch F auf sich allein gestellt in arge Bedrängnis kommen.

So z.B. war ein schnelles Stellen des dt. Ostasiengeschwaders nur möglich, weil es auf Schiffe der japanischen, australischen und französischen Marine zurrückgreifen konnte.
Und wie es um RN in einem Kampf gegen die Hochseeflotte stand, zeigt das Ergebnis der Skagerrakschlacht auf. Die quantitative Überlegenheit war bei noch mehr solchen Schlachten zwischen den beiden größten und hochtechnischen Marinen vielleicht schnell hinfällig gewesen.
Ein Vergleich der maritimen Stärke zwischem dem DR und F steht ausser Diskussion.

Aber damit bewegen wir uns wieder ins Dunkel der Spekulation, von daher ist die Feststellung über die stärkste Militärmacht des 1.WK m.E. nicht möglich.
 
Kolonien boten damals selten das, was für die Führung eines modernen Krieges wesentlich ist: Industrie zur Produktion von Waffen. Allerdings boten die Kolonien Großbritannien ein sehr großes "Reservoir" an Menschen bzw neuen Rekruten. So dienten im 1. Wk. Menschen aus Indien, Afrika, Australien etc. in der britischen Armee. Mindestens ebenso wichtig wie die Kolonien selber war allerdings die Seeherrschaft, ohne die die Kolonien nicht zu halten waren.
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Da würden aber die Bewohner der Dominions Einspruch einlegen, sowohl was den Aufwand an Soldaten wie die Lieferung von Rohstoffen, Logistik etc. Vor allem Kanada, aber auch die ANZAC Streitkräfte lieferten reichlich Kriegsmaterial und es haben Kanadier einen großen Unterstützungsbeitrag und ebenso großen Blutzoll an der Westfront geleistet. Im kanadischen Bewußtsein spielen Arras/ Vimy Ridge und vor allem die "killing fields um Passchendaele in Flandern eine ähnliche Rolle wie Verdun bei den deutschen, der Chemin des dames bei den Franzosen und die Somme bei den Briten.
 
Interessant ist, dass offensichtlich die obersten Heeresfuehrungen keinerlei Rolle bei der Bewertung der militærischen Stærke zu spielen scheinen, sie sind bislang jedenfalls noch nicht erwæhnt.

Wichtiger als eine Generalitæt mit Weitblick, Geistesblitzen, Improvisationstalent, strategischem und taktischem Kønnen oder gar Neuerungen, kurz, allen Eigenschaften, die einen sehr guten Heerfuehrer ausmachen, scheinen eher Logistik und Organisation, Quantitæt an Soldaten und Industriealisierung der Kriegsmaschinerie Vorrang vor allem anderen zu haben.

Den oder die ueberragenden Generæle scheint es im 1.Weltkrieg nicht gegeben zu haben, auch Hindenburg kann man wohl nicht dazu zæhlen.

Gruss, muheijo
 
Oben sind die real existierenden Bündnissysteme bereits genannt worden. Ein "isolierter" bzw. begrenzter europäischer Krieg Deutschland gegen Frankreich im August 1914 ist nicht denkbar.

Was ist dann der Sinn der Frage?
 
Ein "isolierter" bzw. begrenzter europäischer Krieg Deutschland gegen Frankreich im August 1914 ist nicht denkbar.

So is'es.

"Was-wære-wenn"-Spekulationen mag ich ja, wenn sie "denkbar" gewesen wæren. Aber hier, selbst wenn man mal Russland, Ø/U, Osm. Reich ausblenden wuerde, hat das dt. Reich fast zwingend aus einem Gegner 2 gemacht: Dank Schlieffen-Plan fuehrte der Marsch durch Belgien zur Kriegserklærung Englands an das DR. Somit wære der Kriegsverlauf in den ersten Monaten im Westen exakt so abgelaufen, wie er tatsæchlich stattfand. Also vorlæufiger Patt, mit den langfristig negativen Konsequenzen wie Fernblockade etc.

Ohne England, ja da hætt's funktioniert! Die vermasseln's aber auch wirklich jedem, der nach Vorherrschaft in Europa strebt. :D

Gruss, muheijo
 
Hätte Frankreich den Krieg alleine gegen das Deutsche Reich gewonnen?

England hat sich seit der Neuzeit immer einen "Festlandsdegen" zugelegt. Das heißt einen Verbündeten damit keine einzelne Macht stärker sein kann als England. Das war lange Zeit Preussen.
Stichwort "Balance of Power". So mit hätte das DR und die KuK-Monarchie bald auch Ärger mit England bekommen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Balance_of_Power_(Doktrin)

Apvar
 
Zum Thema passt übrigens hervorragend das von Millet/Murray herausgegebene Sammelwerk "Military Effectivness, Vol. I - The First World War", 2010.

Mit nationenbezogenen Beiträgen von herausragenden Autoren wie Nish (Japan), Herwig (Deutschland), Gooch (Italien), Kennedy (Großbritannien), Porch (Frankreich).

Dazu Nenninger (USA), David R. Jones (Russland) und Grundsatzartikel.
 
Auch wenn der Glorious 1st of June im Jahr 1916 versagt blieb. Jellicoe war der Mann, der den Krieg hätte abkürzen können. Auch er versagte.
Magst Du mir hier einmal auf Pferd helfen? Gesetzt dem Fall, die Grand Fleet hätte die Hochseeflotte geschlagen. (Realistisches Worst Case Szenario: 4-5 der deutschen Schlachtkreuzer weg, alle sechs Vor-Dreadnoughts, bummelig ein Drittel bis die Hälfte der Nach-Dreadnoughts und ein Drittel der leichten Kräfte, der Rest ziemlich zerfleddert: Wie hätte das den Krieg abkürzen sollen? Die Rolle der Hochseeflotte für das weitere Durchhalten des DR nach dem Juni 1916 halte ich für marginal, die Briten kontrollierten die Nordsee und hätten auch bei einer Eliminierung der deutschen Schlachtflotte keine Not gehabt, dichter unter der deutschen Küste zu operieren. Da sich die Heere dieser Welt traditionell einen Dreck um ihre jeweiligen Marinen scheren, hätten die Infanteristen in ihren Gräben wahrscheinlich nach einem "wen wundert's" weitergemacht mit Tagesdienst.
Oder gibt es irgendwo Indizien für einen möglichen Zusammenbruch von Regierung oder Front nach einer desaströsen Niederlage der Hochseeflotte? Ein paar Rücktritte, der ein oder andere Kaiser vielleicht, aber sonst? Wohlgemerkt, ich halte die Skagerrakschlacht trotz taktischer Erfolge der Hochseeflotte für einen strategischen Erfolg der Briten oder vielmehr eine strategische Schlappe der deutschen Seite: Die Schlacht änderte nichts an der militärischen Situation, die Briten hielten unangefochten den Deckel auf der Nordsee und dem Überseeverkehr von und nach Deutschland und selbst dem doofsten deutschen Admiral (und Politiker) war nach dem Sieg vom Skagerrak klar, dass man sich nicht der Hoffnung hingeben sollte, mit der Hochseeflotte die Grand Fleet oder gar die Royal Navy zu schlagen. Versagt hat in meinen Augen nicht Jellicoe, sondern Scheer. In meinen Augen hatter der ein Mordsschwein, dass ihm Hipper und die Konstrukteure und Besatzungen der Schlachtkreuzer den Tag (und seinen Ruf) gerettet haben. Damit ist das Skagerrak tatsächlich ein veritabler "Anti-Glorious First of June": 1794 ging ein taktischer Erfolg mit einer strategischen Niederlage einher, 1916 ein taktischer Mißerfolg mit einem strategischen Erfolg.

Im übrigen: Hätte es nach dem 1. Juni 1916 keine Schlachtflotte mehr gegeben, dann hätte es auch keinen Kieler Matrosenaufstand gegeben und ohne diesen Dolchstoß hätte Ludendorf spätestens am 24.12.1918 ohne jeglichen Zweifel mit der Potsdamer Wachparade Paris, London und Washington im Handstreich genommen ... :devil:

Noch ein Nachgedanke zur Ausgangsfrage und zu Zanangas Vorschlag des 1:1 Vergleiches: es gehört meines Erachtens zu den eklatanten historischen Schwächen des "deutschen" Kriegswesens aus, dass man nie oder nur selten in der Lage war, seine Kriege politisch so gut vorzubereiten, dass man in einem starken Bündnis agierte, anstatt sich nach Schweijk und dem Sprichwort "Viel Feind, viel Ehr" stets einen Schlag zuviel der Ehre aufzuladen. (Die Kriege Bismarcks bilden m. E. eine positive Ausnahme aus dieser Regel, die spätestens der olle Fritze begründet hat.) Deswegen möchte ich die oben genannten Aspekte noch um einen Clausewitz erweitern: Man kann taktisch und operativ die tollsten Seydlitzens, Ludendorffs und Mansteins haben: wenn die Politik ihren Krieg diplomatisch (und wirtschaftlich und industriell) mies aufsetzt und die militärischen Anstrengungen der Truppe politische nicht vernünftig flankiert werden, ist das ganze kurzfristige Rumgesiege schon mittelfristig für die Katz. Damit würde insbesondere die deutsche Militärmacht in meinen Augen in der historischen Gesamtbetrachtung einen großen Schritt nach achtern tun.
Noch eins? Nachschubwesen und Logistik wurden traditionell in den deutschen Streitkräften sträflich vernachlässigt. (Wieder mit der Ausnahme der Kriege des Duos Bismarck-Moltke und der Nutzung der Eisenbahn.) Was bringen mir die tapfersten Kämpen, der mutigsten Zieten, der frechste Rommel und der stürmischste Guderian, wenn der Truppe früher als dem Feind Transportraum, Sprit, Mun, Fresschen und schließlich fronttaugliche Kämpfer ausgehen und der Gegner mit alldem immer ein bisschen besser versorgt ist. Im Panzerthread klingt das z. B. mächtig an. Auch hier haben die Deutschen vor lauter sagenhaften germanischen Helden im heroischen Einzelkampf (m. E. bis heute!) nicht begiffen, das Krieg eine Mannschaftssportart ist. Da waren andere erfolgreicher...
 
...
Anm: die britische Flotte war nicht paralysiert, sondern sicherte - nicht zu beseitigen, sozusagen unschlagbar - die weite Blockade, die beachtliche rüstungsökonomische Folgewirkungen auf das Deutsche Reich hatte. Insbesondere musste man sich in Berlin zwischen Dünger und Munition entscheiden, was dann drastische Folgen hatte, die zur späteren Kriegsmüdigkeit beitrugen. Auch wenn der Glorious 1st of June im Jahr 1916 versagt blieb. Jellicoe war der Mann, der den Krieg hätte abkürzen können. Auch er versagte.

@silesia

Hier hast Du vollkommen recht, da bin ich in Bezug zur RN übers Ziel hinausgeschossen. Richtig ist vielmehr, die RN konnte ihre strategische Aufgabe der Sicherung der Fernblockade leisten und darüber hinaus operative und strategische Aufgaben erfüllen, im maritimen Bereich z.B. Schutz der Handelswege und Sicherung der Kolonien, im amphibischen Bereich z.B. Dardanellenoperation.

M. :winke:
 
Magst Du mir hier einmal auf Pferd helfen? Gesetzt dem Fall, die Grand Fleet hätte die Hochseeflotte geschlagen. (Realistisches Worst Case Szenario: 4-5 der deutschen Schlachtkreuzer weg, alle sechs Vor-Dreadnoughts, bummelig ein Drittel bis die Hälfte der Nach-Dreadnoughts und ein Drittel der leichten Kräfte, der Rest ziemlich zerfleddert: Wie hätte das den Krieg abkürzen sollen? [...]

Na der Gedankengang hierzu ist doch relativ einfach. Warum hat die RN keine enge Blockade gewählt, wie all die vielen Jahrzehnte zuvor? Die Hochseeflotte war dann doch als Risiko eingestuft (Ging hier etwa tirpitzscher Gedankengang auf?) und mit der weiten Blockade war eine defensive Haltung gegen die Hochseeflotte völlig ausreichend.

Mit dem Wegfall der Hochseeflotte hätte die deutsche Küste praktisch blank gezogen und dass nicht nur in der deutschen Bucht.
Eine Anlandung über die Ostsee planten die Engländer auch noch mit intakter Hochseeflotte, dafür wurden sogar spezielle Schlachtkreuzer geplant und gebaut.
Somit wäre hier mit 100% Sicherheit mit dem Wegfall der Hochseeflotte die Landfront vom Osten her extrem verstärkt worden. Eine deutsche Märzoffensive nach dem Wegfall der Ostfront 1918 undenkbar, der deutsche Zusammenbruch wäre wohl schon vor 1917 gekommen ...

Ich denke silesia sieht das ähnlich ...
 
Na der Gedankengang hierzu ist doch relativ einfach. Warum hat die RN keine enge Blockade gewählt, wie all die vielen Jahrzehnte zuvor? Die Hochseeflotte war dann doch als Risiko eingestuft (Ging hier etwa tirpitzscher Gedankengang auf?) und mit der weiten Blockade war eine defensive Haltung gegen die Hochseeflotte völlig ausreichend.

Mit dem Wegfall der Hochseeflotte hätte die deutsche Küste praktisch blank gezogen und dass nicht nur in der deutschen Bucht.
Eine Anlandung über die Ostsee planten die Engländer auch noch mit intakter Hochseeflotte, dafür wurden sogar spezielle Schlachtkreuzer geplant und gebaut.
Somit wäre hier mit 100% Sicherheit mit dem Wegfall der Hochseeflotte die Landfront vom Osten her extrem verstärkt worden. Eine deutsche Märzoffensive nach dem Wegfall der Ostfront 1918 undenkbar, der deutsche Zusammenbruch wäre wohl schon vor 1917 gekommen ...

Ich denke silesia sieht das ähnlich ...
Ich stehe zugegebenermaßen auf diesem Gebiet mit Quellen relativ blank dar. Aber waren es tatsächlich die Schlachtschiffe der Hochseeflotte, die die Briten dazu brachten, der Fernblockade den Vorzug gegenüber einer Nahblockade zu geben? Gerade in den relativ engen, veränderlichen und von Gezeiten beeinflussten Gewässern vor der deutschen Nordseeküste dürfte die gefühlte Bedrohung durch Minen, Torpedos und die Gefahren der Navigation wesentlich höher einzuschätzen gewesen sein als die durch Schlachtschiffe. Dass die Briten die deutschen Überwasserstreitkräfte in der Regel im Griff hatten, haben sie beim Gefecht in der deutschen Bucht, auf der Doggerbank und im Skagerrak gezeigt. Die Abnutzung der Flotte durch Minen, U-Boote und ggf. Torpedoboote war so schon roblematisch genug: das Schicksal von Audacious oder Aboukir, Hogue, Crecy dürfte hier verstörend genug gewesen sein. Und genau diese Bedrohung durch U-Boote und Minen hat Jellicoe davon abgehalten, die ablaufende (flüchtende) Hochseeflotte mit letzter Konsequenz zu verfolgen - er fürchtete aber nicht die Artillerie der Schlachtschiffe. Und dass eine Nahblockade gegenüber der praktizierten Fernblockade irgendeinen Zusatznutzen gehabt haben könnte, vermag ich nicht zu erkennen. Die von Dir erwähnte historische Bevorzugung der Nahblockade war übrigens selbst zu ihren Hochzeiten unter St. Vincent hoch umstritten - insbesondere auf Grund des hohen Verschleisses der Blockadeflotte im Sinne sowohl von "wear and tear" als auch von echten Unfällen wie Strandungen etc. Außerdem bot sich eine Fernblockade bei der deutschen BUCHT schon aus geographischen Gründen an und zuletzt ging die Notwendigkeit der Nahblockade mit der Windgebundenheit militärischer Operationen mit Segelschiffen einher. Die Gegebenheiten des Dampfschiffzeitalters sind in meinen Augen hier schon grundlegend anders als zu Nahblockadezeiten.

Die Geschichte mit der Landung in der Ostsee hatte ich mir vor meiner Nachfrage auch überlegt. Ich habe sie für mich jedoch aus den folgenden Gründen verworfen: Zunächst vermute ich, dass Anlandung und Versorgung eines ernsthaft gefährlichen russischen Korps für die Briten ein logistischer Albtraum gewesen wäre und die britisch-russische Zusammenarbeit auf eine harte Probe gestellt hätte. Der erforderliche Schiffsraum hätte erst mal in die Ostsee gelangen müssen. Was hätten die Dänen als Beherrscher der Ostseezugänge dazu gesagt? Und direkt am Südende von Sunden und Belten lagen die Flensburger Förde, Schlei, Eckernförder Bucht und der Kriegshafen Kiel. Von dort aus wäre eine vorbeilaufende Flotte von Kleinkampfmitteln aggressiv angegangen worden. Und m. W. war die deutsche Seite willens und in der Lage, Dänemark notfalls zu besetzen, hätte dieses sich irgendwie bereit gezeigt, eine nennenswerte britische Seemacht durch die Ostseezugänge zu lassen. Selbst wenn diese britische Flotte einigermaßen einsatzfähig durch dieses Nadelöhr durchgekommen wäre, hätte die m. E. unmittelbar folgende deutsche Besetzung Seelands sie von sämtlichem Nachschub abgeschnitten. Des weiteren hätte diese Riesenflotte erstmal der Länge nach durch die Ostsee zu einem von den Russen gehaltenen Stützpunkt verlegen müssen. Oder wären diese Truppen woanders an Bord genommen worden? Falls nicht, hätte sie erst in den Golf von Finnland rein und wieder raus kommen müssen. Vorbei an einer saumäßig langen deutschen Küste, von der aus immer wieder leichte Kräfte, U-Boote und Minenleger Vorstöße gegen sie unternommen hätten. Wie gesagt, ohne allzutiefe Einblicke in die damals vorhandenen Überlegungen, Potentiale und Quellen zu haben, wäre der britische-russische Ansatz gegen die deutsche Ostseeküste nach meinem Dafürhalten schon auf Grund der Geographie eher in einem Fiasko á la Gallipoli geendet als in einer Normandie. Just my two Reichsmarx.

Au, ich vergaß: Und nach all dem hätten immer noch die russischen Truppen irgendwo an Land gehen, sich festsetzen und irgendetwas wirklich wichtiges glaubhaft bedrohen müssen. Hierbei fallen mir aus meiner Zeit dann wieder die Serie von Fehlschlägen solcher Expeditionen ein: von Walcheren über die Vendée bis zur Expedition unter Sir John Moore ein.
 
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