Attila, der Hunne

Wie groß kann ein Wortschatz, sagen wir im Domgebiet um 700 n.Chr. gewesen sein?
warum sollte der "Grundwortschatz" vor 1000 Jahren wesentlich kleiner gewesen sein als heute? Man wird wohl auch damals ca 1000-2000 Wörter benötigt haben, und dieser in der jeweiligen Muttersprache (mit ihren grammatischen Regeln, Aussprache usw.) - insofern ist ca. 300 nicht eben astronomisch viel. Wie dieter schon bemerkt hat, ändert doch das Vorhandensein von Lehnwörtern nichts an der Sprache selber (weswegen wir ja auch keine verkappten Römer sind, nur weil wir Mauer und Fenster sagen)

mit der hunnischen Herrlichkeit war´s recht bald nach Attila vorbei, und dann vergingen ein paar Jahrhunderte bis die Ungarn in Pannonien auftauchten - auch unter diesem Gesichtspunkt ist es unwahrscheinlich, dass explizit hunnische Wörter ins ungarische gekommen sein sollen (und das umso mehr, als man ja kaum hunnische Wörter kennt)

ElQ hatte doch die Argumente für die gotische Erklärung zusammengefasst - diese scheint die wahrscheinlichste.
 
Nur als Frage: kennt jemand Alfréd Tóth und seine vergleichende Wörtersammlungen? Hab in einer seiner Publikationen sowas gefunden:

Auszug aus dem Vorwort:

Since I have stated here using linguistic, archaeological, historical and biological-genetic facts that the Rhaetians are not related with the Etruscans, but the Etruscans and the ancient inhabitants of Lemnos are related with the Hungarians, the Turks and the Sumerians, we may ask further if Etruscan is really, as asserted by Alinei (2003, 2005a), a form of Early Hungarian or if it belonged to another language closely related to Hungarian. This question is not superfluous, since I have recently proven that Hunnic was not - as generally assumed (e.g., Menges 1968, p. 17ss.) - a Turkic language, but a very close relative of Hungarian (Tóth 2007, forthcoming). Thus, in the following I will give a maximally complete Etruscan-Hungarian-Sumerian dictionary that comprises all up to now known Etruscan words. Further, I will base the word-list on my "Hungarian-Mesopotamian Dictionary" which does not only compare modern Hungarian forms with 3000 years old Etruscan and 5000 years old Sumerian forms, but also shows the proto-Ugric, proto-Finno-Ugric, proto-Uralic and proto-Altaic forms reconstructed by the adherents of the respective linguistic theories in order to bridge the time-gaps between the actually testified words.


Er listet (unter #29) das etrusk. Wort “atena”
und vergleicht (englisch):

Hung.: atya “father”, -na genitive suffix or plural marker?
Hunn.: atha, athai apa, apai, athama, athamai, törzsfönök,~i [‘Häuptling’], Athira Attila
PUr [Proto Uralic]: *atte “father, grandfather”
[…]


Hier die online Adr. der Publikation (PDF 460k):
http://mek.oszk.hu/05500/05524/05524.pdf


Find ich schon mal cool! :still:
 
Zuletzt bearbeitet:
find ich auch cool

Hallo Zoka,

ich finde die Quelle sehr beeindruckend. Für mich als Laie wird sogar offensichtlich, dass mit dem jetzigen ungarisch die hunnischen Worte einen Sinn ergeben. Mit dem etruskischen wird es aber als nichtlinguist schwer.
Fest steht, dass meine Etele Frage nicht mehr zur Diskussion steht. Die Quellennachweise im pdf sind sehr alt, wenn man sich auf Quelle Martha konzentriert. Hier eine wenn dann Hyppothese: Wenn das ungarische mit dem hunnischen dermassen verwandt ist, dann kann es dafür mehrere Gründe geben:
a: die Menschen im Karpatenbecken sprachen hunnisch, als die Ungarn Land nahmen
:grübel:
b: die ungarische Sprache bekam dadurch einen hunnischen Einfluss und es wurden alle besprochenen Worte übernommen
oder
c: das protoungarisch sei dem hunnischen sehr aehnlich und es entstand eine Verschmelzung verwandter Sprachen.
:grübel:
d: die Hunnen sprachen eine Mischung aus gothisch, hunnisch, und ungarisch (jetzt) wurde dadurch zu einer Sprache, die die hunnischen, gotischen Begriffe übernommen hat.
:grübel:
Falls das mit den Etruskern eine Faerte ist, würde das heissen, dass Hunnen in das Karpatenbecken stossen und auf eine aehnliche Sprache treffen ?
:grübel:
Zwischendurch gab es ja noch Pannonier und früher Skythen, die sind nicht wirklich berücksichtigt in dem Wörterbuch. Und Anonymus sagt, Hunnen und Ungarn waeren Skythen ?

Die Passage um den Namen Attilas, wie wird die denn von den Anhaengern der Theorie gothischer Abstammung inerpretiert ?

LG richard
 
ich finde die Quelle sehr beeindruckend. Für mich als Laie wird sogar offensichtlich, dass mit dem jetzigen ungarisch die hunnischen Worte einen Sinn ergeben.

Was wohl in erster Linie daran liegt, dass du dich von der hunnisch-magyarischen Kontinuität überzeugen lassen willst.

Aber hast du dich mal gefragt, woher Tóth die hunnischen Sprachtrümmer hat? Aus welcher Quelle?

Was bleibt mir anderes übrig, denn die Ausnahme ist nicht durch phonetische Regeln zu erklären. Eine Erklärung sähe ich z.B. darin, dass der Name zwar aus dem Osten stammt, die Schreibweise hingegen von den schreibwütigen Germanen übernommen worden war. Ein bisschen Ping Pong also..


Noch mal: Der Name ist im Griechischen und Lateinischen belegt. Und du hast immer noch nicht wirklich erklärt warum der Name nicht entsprechend den phonetischen Regeln des Ungarischen ausgesprochen wird.

Das mit der “Legitimation” find ich ganz gut - einigermaßen einleuchtend, wobei das Königreich bereits seit zwei Jahrhunderten durch den Papst legitimiert war, was auch von Otto III. unterstützt wurde.
Darum geht es bei solchen Texten aber gar nicht. Trier war auch eine zeitlang so etwas wie die Hauptstadt des Römischen Reiches und einer der wichtigsten Bischofssitze im HRR. Trotzdem befand man es für notwendig einen König Trebetas zu erfinden, der die Stadt lange vor Rom gegründet habe. Es geht immer wieder darum ein hohes Alter für sich selbst vorzuweisen, denn ein hohes Alter – bzw. eine lange Tradition – generieren Prestige und auch Rechte. Vor allem war es viel attraktiver ein eigenes, selbsterworbenes Herrschaftsrecht zu haben, als eines, welches einem gnädig angetragen worden war, denn letzteres konnte man auch wieder verlieren. Dekumatland hat's jedenfalls verstanden:
Bzgl. der Ungarn: ist es nicht gelegentlich so, dass man nach einer Landnahme Traditionen zusammenschustert (primordiale Tat, Anschluß an ältere Traditionen usw.)? Die pannonische Tiefebene war bis zur Ankunft der Ungarn durchaus ein Sammelbecken (Gepiden, Goten, Hunnen, Awaren usw.) - dass sich die mittelalterlichen Ungarn dann die prominenteste, mächtigste Herkunft andichteten, erscheint mir ganz den Regeln solcher Traditionserfindungen zu folgen -- und sagt nichts über den Namen Attila.
Was meint ihr, warum die Franken sich eine trojanische Herkunft andichten ließen?

Weil die Trojaner älter als die Römer waren (schließlich waren sie laut Vergil (Aenaeis) deren Vorfahren).



Etwas skeptisch bin ich auch gegenüber der eigenen Trennung der Hunnen von den Ungarn durch die jüngste ung. Geschichtsschreibung. Erscheint mir zu radikal und auch die neuerdings sorgfältig gezogene Linie zwischen altaischen und uralischen Sprachen - fast ein bisschen ein sich abgrenzen Wollen... Aber das ist eine andere, sensible Geschichte.


Die Trennung der altaischen und der uralischen Sprachen wird von Sprachwissenschaftlern gezogen, nicht von Ideologen.

Namen haben ja eine Funktion. Zunächst einmal, dass wir jemanden ansprechen können, über ein "hey du" hinaus. Namen können aber auch sprechend sein, das ist uns ein wenig verloren gegangen. Sie sollen aber vor allem ein Alleinstellungsmerkmal sein. Wenn man aber nun annimmt, dass Attila nach dem Gebiet, aus dem er kam benannt wurde, dann wäre das ziemlich dämlich, weil so ziemlich sein ganzes näheres Umfeld aus diesem Gebiet gekommen wäre. Das macht es ziemlich schwierig mit dem Alleinstellungsmerkmal.
Na ja, so dämlich wär’s eigentlich nicht, falls den Namen nur Adlige tragen durften.


Wie viele Hypothesen soll man eigentlich aufeinandertürmen?


Trotzdem wollen alle Atti und lassen Chopin den Polen...
Eigentlich beanspruchen Attila nur einige Ungarn und einige Türken, die dann unter allen möglichen Verbiegungen versuchen dem Namen als ungarisch oder türkisch hinzustellen, teilweise unter dem gegenseitigen Zugeständnis, dass türkisch und ungarisch verwandte Sprachen seien – was zwar nicht stimmt, aber dann auch nichts mehr macht.


Hat aber mit Attila nur insofern zu tun, dass es dem Namen die zum “tz”-Basteln so wichtige zwei “t” in Frage stellt, bzw. sie als ‘Einlateinisierung’ entlarven könnte.
Nun ist der Name aber nun mal griechisch und lateinisch genau so und nicht anders überliefert. Das ist der historische Befund, mit dem die Historiker und Sprachhistoriker zu arbeiten haben. Quellen sind kein Wunschkonzert.


Auf den hier diskutierten Sachverhalt trifft das kaum zu. Die türkische Hypothese in bezug auf die Herkunft der hunnischen Sprache ist auch bei seriösen Sprachwissenschaftlern und Historikern verbreitet.


Eben. Hypothese. Diese Hypothese (Annahme) wird aber vielfach behandelt, als handele es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Theorie (Lehre).

Die große Zahl türkischer Lehnwörter im Ungarischen ist nicht verwunderlich. Immerhin waren die Ungarn auf ihrer Wanderung vom südlichen Ural ins Karpatenbecken längere Zeit Nachbarn und teilweise Unterworfene turkstämmiger Nomadenvölker, von denen sie bis zu 400 Lehnwörter übernahmen. Weitere kommen aus nach Ungarn eingewanderten Gruppen von Petschenegen und Kumanen hinzu.


Wir sollten dabei nicht vergessen, dass Teile Ungarns im 16. und 17. Jhdt. unter osmanischer Herrschaft standen bzw. eine Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Ungarn bestand. Es ist ja nicht so, als hätte es in der Neuzeit keinen Sprachkontakt gegeben.

Gut, wenn ich den Wortschatz eines heutigen einfachen New Yorkers anschaue, der mit einem Wortschatz von 500 Wörtern durchs Leben geht, sind das doch eine Menge, um sie einfach nur als “Lehnwörter” zu klassifizieren.


Ich frage mich, wie du auf diese Zahl kommst. Du wirst allein den Gebrauchswortschatz je nach Sprache etwa um den Faktor 5 - 10 multiplizieren müssen. Nun heißt Dieters Zahl von 400 Turkizismen im Ungarischen aber nicht, dass diese alle zum Gebrauchswortschatz gehören. Im Spanischen gibt es z.B. ca. 1200 Arabismen und Derivate. Man rechnet, dass das etwa 1 % des spanischen Gesamtwortschatzes sind. Von den 5000 gebräuchlichsten Wörtern des Spanischen, also des Gebrauchswortschatzes, sind 36 Arabismen, das macht 0,75 % aus. Trotzdem ist das Arabische damit immer noch die Sprache, die neben Latein das Spanische am meisten befruchtet hat.
Das Ungarische wird eine ganze Menge Worte – außer aus dem Türkischen – auch aus dem Slawischen und Deutschen übernommen haben, wie umgekehrt auch Worte aus dem Ungarischen in diese Sprachen eingangen sind bzw. sein dürften. Z.B. stammt das deutsche Dolmetsch(er) und das polnische tłumacz aus dem Ungarischen. Oder Gulasch. Und selbst die Paprika. (Wobei das Wort etymologisch mit dem Pfeffer verwandt ist. Das deutsche Wort Paprika ist eine Entlehnung aus dem Ungarischen, aber dabei ist das Wort viel älter. Während nämlich die Paprikapflanze (Taino ají, Nahuatl Chilli) erst im 16. Jahrhundert in Europa bekannt wurde, wurde der Pfeffer schon in der Antike aus Indien gehandelt, das Wort stammt im Übrigen aus einer dravidischen Sprache und wurde über das Griechische und Lateinische in die europäischen Sprachen entlehnt.)


Wäre schwierig. Andererseits nehm’ ich an – auch wenn ich diese Liste nicht kenne – , dass es sich um einfachste Wörter handelt, die mit Sicherheit nicht als zur frühen Neuzeit übernommen gelten können.


Lehnworte sind i.d.R. Substantive oder von Substantiven abgeleitete Verben oder Adjektive.
Beispiel: Dolmetsch(er) > dolmetschen.

Nur als Frage: kennt jemand Alfréd Tóth und seine vergleichende Wörtersammlungen? Hab in einer seiner Publikationen sowas gefunden:

Auszug aus dem Vorwort:

Since I have stated here using linguistic, archaeological, historical and biological-genetic facts that the Rhaetians are not related with the Etruscans, but the Etruscans and the ancient inhabitants of Lemnos are related with the Hungarians, the Turks and the Sumerians, we may ask further if Etruscan is really, as asserted by Alinei (2003, 2005a), a form of Early Hungarian or if it belonged to another language closely related to Hungarian. This question is not superfluous, since I have recently proven that Hunnic was not - as generally assumed (e.g., Menges 1968, p. 17ss.) - a Turkic language, but a very close relative of Hungarian (Tóth 2007, forthcoming). Thus, in the following I will give a maximally complete Etruscan-Hungarian-Sumerian dictionary that comprises all up to now known Etruscan words. Further, I will base the word-list on my "Hungarian-Mesopotamian Dictionary" which does not only compare modern Hungarian forms with 3000 years old Etruscan and 5000 years old Sumerian forms, but also shows the proto-Ugric, proto-Finno-Ugric, proto-Uralic and proto-Altaic forms reconstructed by the adherents of the respective linguistic theories in order to bridge the time-gaps between the actually testified words.


Er listet (unter #29) das etrusk. Wort “atena”
und vergleicht (englisch):

Hung.: atya “father”, -na genitive suffix or plural marker?
Hunn.:
atha, athai apa, apai, athama, athamai, törzsfönök,~i [‘Häuptling’], Athira Attila
PUr [Proto Uralic]: *atte “father, grandfather”
[…]


Hier die online Adr. der Publikation (PDF 460k):
http://mek.oszk.hu/05500/05524/05524.pdf


Find ich schon mal cool! :still:
Ich hab mir mal seine vergleichenden Wörtersammlungen angeschaut (Etruskisch-Ungarisch-Hunnisch-Sumerisch). Ein System, außer dass er auf wage phonetische Ähnlichkeiten achtet, ist da nicht zu erkennen, weder im morphologischen Bereich, noch im Bereich etwaiger Lautverschiebungen (Regeln!) oder gar im lexikalischen Bereich. Da wird eine Verwandtschaft zwischen dem lateinischen Wort für die Säulenhalle und dem Sumerischen Wort für Holz konstatiert. In den Irrungen und Wirrungen der Etymologie ist das zwar absolut nicht unmöglich, aber dazu bedarf es doch ein wenig mehr als der Erstellung einer Wortliste, zumal überhaupt nicht klar ist, woher die hunnischen Begriffe, die er so zahlreich auflistet, kommen (sollen). S.o.
Tóth mag ein guter Mathematiker sein und wohl auch in der Semiotik, als Teildisziplin der Linguistik ein Fachmann sein, was er dort im historiolinguistisch-etymologischen Bereich leistet ist doch schon vom Methodischen her eher anzuzweifeln. Einfach mal ein paar ähnlich klingende Worte nebeneinanderstellen und zu suggerieren, dass sie in einer Abhängigkeit zueinander stünden, reicht nicht.
Er befand es wohl auch deshalb für notwendig ein eigenes etymologisches Wörterbuch des Ungarischen zu verfassen, obwohl es ein Wissenschaftliches gibt.

Aber gut, Tóth ist sich ja auch nicht zu Schade aus dem Rätischen ein "Alpensemitisch" zu konstruieren...
 
Nun ist der Name aber nun mal griechisch und lateinisch genau so und nicht anders überliefert. Das ist der historische Befund, mit dem die Historiker und Sprachhistoriker zu arbeiten haben. Quellen sind kein Wunschkonzert.
Daran ist nicht zu rütteln (so lange keine sensationellen neuen Funde gemacht werden)
Ein weiterer nicht wegdiskutierbarer Befund ist die lange Zeit, die nach dem Untergang der Hunnen verstrich bis die Ungarn in Pannonien auftauchten: eine (sprachliche) Verwandtschaft des hunnischen mit dem ungarischen ist schon aus diesem Grund mehr als nur unwahrscheinlich (zu schweigen davon, dass wir nur extrem wenig eindeutig hunnisches Sprachmaterial kennen - zu wenig, um die ausgestorbene hunnische Sprache auch nur annähernd zu rekonstruieren - - -und zu schweigen davon, dass "die Hunnen" möglicherweise ein polyethnischer Verband und auch mehrsprachiger Verband waren)
 
- -und zu schweigen davon, dass "die Hunnen" möglicherweise ein polyethnischer Verband und auch mehrsprachiger Verband waren)

Das waren sie sicher, wie das bei allen zentralasiatischen nomadisch lebenden Reitervölkern der Fall ist. Allerdings wird es auch hier einen Traditionskern gegeben haben, bzw. eine bestimmende zentrale Ethnie, die eine Sprache verwendete, die wir heute leider nicht mehr rekonstruieren können.

Infrage kommen in diesem Zusammenhang: eine altaische Sprache (z.B. Türkisch oder Protomongolisch), eine uralische Sprache oder eine indoeuropäische Sprache.
 
Fürchte, dass wir hier beim Enträtseln des Namens “Attila” auf keinen gemeinsamen Nenner kommen werden. Auch steht es mir nicht zu, Tóth einzuschätzen, und seine Leistungen zu beurteilen.

Jedenfalls halte ich persönlich den Versuch, die aus dem Lateinischen überlieferte Schreibweise eines hunnischen Namens (gerade wegen der Schreibweise) germanischen Sprachen zuordnen zu wollen, für ungeschickt.

Halte auch den Vorwurf des nationalistischen Ansatzes an die ungarische und türkische Geschichtsschreibung - um es deutlich zu formulieren - für eine subjektive Unterstellung. Dass zugleich die Einverleibung des Hunnennamens durch die deutsche Legendenschreibung nicht hinterfragt wird, und darin kein bisschen nationalistisch deutsche Besitzansprüche gesehen werden, erleichtert hier die Diskussion kein bisschen. Während die Türken und Ungarn noch mit geschichtlich naheliegenden Erklärungen aufwarten können, und sich ausgiebig mit ihrer Geschichte befasst haben, bleibt der deutschen Auffassung lediglich die sprachliche Herleitung des Namens aus der schriflichen Überlieferung in einer Fremdsprache, die sich geschichtlich auf kapriziöse Erklärungen stützt, dies aber den Anderen vorwirft. In meinen Augen geht es hier um Rechthaberei, sodass ausländische User bei diesem Thema keine Chance haben werden - zu denen auch ich zähle, und somit das Feld besser den Anderen überlasse.

Sehe persönlich als den einzig objektiven Befund, dass der Name Attila nicht mit Bestimmtheit enträtselt werden kann - erwiesen ist lediglich, dass der Mann Hunne war.
 
Es wurde zwar schon darauf hingewiesen, aber ich betone es gerne noch einmal: Der "deutschen Legendenschreibung" geht es keineswegs darum, "deutsche Besitzansprüche" auf Attila zu erheben. Die Erklärung des Namens Attila als gotisch bedeutet nicht, dass Attila Gote oder gar Deutscher (was im 19. Jhdt. freilich noch oft als dasselbe gesehen wurde) gewesen sei. Kein deutscher Wissenschaftler möchte Attila zu einem Deutschen machen oder gar die Hunnen als ruhmreiche Ahnen oder zumindest Verwandte der Deutschen sehen. Auch in der deutschen Sagenwelt taucht Attila zwar nicht als Bösewicht, aber auch nicht gerade als Lichtgestalt auf, aber stets als Fremder. Somit ist der Vorwurf des Nationalismus völlig fehl am Platz.
 
Dass zugleich die Einverleibung des Hunnennamens durch die deutsche Legendenschreibung nicht hinterfragt wird, und darin kein bisschen nationalistisch deutsche Besitzansprüche gesehen werden, erleichtert hier die Diskussion kein bisschen.
in der Edda taucht ein Atli auf, im Niebelungenlied ein Etzel, in spätantiken lat. und griech. Quellen ein Attila - - - jetzt wüsste ich doch gerne, was daran "deutsche Legendenschreibung" ist.
Hinzu kommt, wie Ravenik erklärt hat, dass nichteinmal bei den "germanophilen" Historikern des 19, Jhs. aus Etzel bzw. Attila ein Gote, Germane oder gar "Deutscher" wird.
 
Halte auch den Vorwurf des nationalistischen Ansatzes an die ungarische und türkische Geschichtsschreibung - um es deutlich zu formulieren - für eine subjektive Unterstellung.

Dass die Hunnen ein turkstämmiges Volk gewesen sein könnten, ist eine zentrale und weit verbreitete Hypothese und hat mit nationalistischem Türkentum nichts zu tun. Dass sie vielleicht ein protomongolisches Volk waren, ist die zweite häufig diskutierte Hypothese. Alle anderen Hypothesen und Spekulationen - semitisch, protojapanisch, indoeuropäisch usw. - werden nicht mehr ernsthaft erwogen.

Dass die Hunnen ein multiethnischer Verband waren, steht dabei außer Zweifel.
 
Hier segeln wir gerne wieder am Thema vorbei... Tatsächlich hat niemand behauptet, dass Attila ein Deutscher gewesen sei. Nur sein Name stamme ja angeblich aus gotischem Munde, da sich die lateinische Schreibweise des Namens irgendwie im Germanischen orten lasse. Logik oder Wunschdenken?
 
Hier segeln wir gerne wieder am Thema vorbei... Tatsächlich hat niemand behauptet, dass Attila ein Deutscher gewesen sei. Nur sein Name stamme ja angeblich aus gotischem Munde, da sich die lateinische Schreibweise des Namens irgendwie im Germanischen orten lasse. Logik oder Wunschdenken?

Attilas ethnische Identität ist unbekannt. Vermutlich wird er turkstämmiger oder protomongolischer Herkunft gewesen sein, möglicherweise sogar uralischer. Etwaige Nationalismen verbieten sich, denn wir wissen, dass sich die Nomadenverbände aus zahlreichen Ethnien zusammensetzten.
 
Nur sein Name stamme ja angeblich aus gotischem Munde, da sich die lateinische Schreibweise des Namens irgendwie im Germanischen orten lasse. Logik oder Wunschdenken?
...es steht doch gar nicht fest, dass "Attlia" der Eigenname des Hunnenherrschers war! Wahrscheinlich ist sein Name gar nicht überliefert. Und bzgl. "irgendwie im Germanischen" könnte schon Tante Wiki hilfreich sein:
Schon früh hat der Name Attila die Etymologie zu zahlreichen Herleitungsversuchen aus verschiedensten Ausgangssprachen veranlasst. Fast alle Forscher stimmen darin überein, dass es sich nicht um einen Geburtsnamen, sondern einen später beigelegten Herrschertitel oder Ehrennamen handelt. Attilas eigentlicher Name ist demnach unbekannt.
Die größte Akzeptanz findet dabei bis heute die These Wilhelm Grimms, dass der Begriff „Attila“ der in der westgotischen Bibelübersetzung des Wulfila gut belegten gotischen Sprache entstammt und den Diminutiv von atta (= Vater) darstellt. Der Name wäre demnach mit „Väterchen“ zu übersetzen. Da Goten und Hunnen nach 375 vielfach Verbindungen miteinander eingingen und auch andere Fälle von Goten mit hunnischen Namen und Hunnen mit gotischen Namen bekannt sind, gilt dieser Erklärungsansatz als plausibel.[9]
Der Name wurde vermutlich von den Römern übernommen und verbreitet. Die im mittelhochdeutschen Nibelungenlied verwendete Namensform Etzel lässt sich lautgesetzlich aus der Vorform Attila herleiten.
Eine andere, vornehmlich von türkischen Turkologen vertretene Hypothese leitet den Namen hingegen aus dem Alttürkischen her (alttürk.: ata = Vater; vgl. auch Atatürk). Dabei kommt neben der obengenannten Deutung als Väterchen auch eine Zusammensetzung aus ata und il (= Land, Gebiet) in Betracht, derzufolge Attila mit Landesvater zu übersetzen wäre. Da die meisten Forscher aber davon ausgehen, dass die Hunnen kein Turkvolk waren (die Türken erreichten die Peripherie des europäischen Kulturraumes erst über 100 Jahre nach Attilas Tod), ist diese Interpretation stark umstritten.
Attila ? Wikipedia
 
Attilas ethnische Identität ist unbekannt. Vermutlich wird er turkstämmiger oder protomongolischer Herkunft gewesen sein, möglicherweise sogar uralischer. Etwaige Nationalismen verbieten sich, denn wir wissen, dass sich die Nomadenverbände aus zahlreichen Ethnien zusammensetzten.
Dieter! Du weichst schon wieder dem Thema NAME aus. ;) Aber gut, behauptest also, dass es gar keine Hunnen gegeben habe, obwohl z.B. Priscus klar und deutlich gleichzeitig von Hunnen und Skythen spricht? Und wie begründest Du die Annahme, dass Attila selbst kein Hunne gewesen sei, sondern irgendwas aus dem multikulti Mischmasch?
 
Zuletzt bearbeitet:
...es steht doch gar nicht fest, dass "Attlia" der Eigenname des Hunnenherrschers war! Wahrscheinlich ist sein Name gar nicht überliefert.
Ok! Demnach wäre die Aussage richtig: Die Schreibweise des Namens “Attila” lässt einen germanischen Ursprung vermuten, wobei wir nicht wissen, ob das der wirkliche Name des Hunnenführers war, und wir haben auch keine Ahnung davon, wie der Name eigentlich geschrieben wurde. Damit ließe sich leben. :D Frage mich aber, wie Priscus den Hunnenführer angesprochen hatte. Auch hatte er guten Kontakt zum Hof des Herrschers, wobei der Name sicherlich mehrmals gefallen war, sodass er womöglich korrigiert worden wäre, hätte er einen falschen Namen benutzt.
 
Dieter! Du weichst schon wieder dem Thema NAME aus. ;) Aber gut, behauptest also, dass es gar keine Hunnen gegeben habe, obwohl z.B. Priscus klar und deutlich gleichzeitig von Hunnen und Sykthen spricht? Und wie begründest Du die Annahme, dass Attila selbst kein Hunne gewesen sei, sondern irgendwas aus dem multikulti Mischmasch?

Ich habe keineswegs behauptet, dass Attila kein Hunne gewesen sei. Ich habe lediglich gesagt, dass nomadische Verbände in Zentralasien sich in der Regel aus mehreren Ethnien zusammensetzten. Dessen ungeachtet hat es sicher einen hunnischen Traditionskern gegeben und dem wird Attila angehört haben.

Was den Namen betrifft, so haben die Goten sicher kein Monopol auf ihn. Es ist ebenso gut möglich, dass er sich von alttürkisch ata = Vater herleitet, was natürlich nur spekulativ ist.
 
Ich habe keineswegs behauptet, dass Attila kein Hunne gewesen sei. Ich habe lediglich gesagt, dass nomadische Verbände in Zentralasien sich in der Regel aus mehreren Ethnien zusammensetzten. Dessen ungeachtet hat es sicher einen hunnischen Traditionskern gegeben und dem wird Attila angehört haben.

Was den Namen betrifft, so haben die Goten sicher kein Monopol auf ihn. Es ist ebenso gut möglich, dass er sich von alttürkisch ata = Vater herleitet, was natürlich nur spekulativ ist.
Dann sind wir 100%-ig einer Meinung... wobei meine Meinung kaum ausschlaggebend sein kann, da ich gewiss kein Attila-Experte bin. (langsam aber schon ;) und die Diskussion hier - auch wenn z.T. mit harten Bandagen geführt - recht interessant war.)
 
- auch wenn z.T. mit harten Bandagen geführt -
oh wie schade: da muss mir was entgangen sein :cry: :D

...aber kann es sein, dass wir auch ein wenig in den Bereich der Wortverdreherei geraten sind? :winke:

fest steht leider:
1.
wir kennen den Personennamen / Eigennamen, also den hunnischen Namen des als "Attila" in spätantiken Quellen überlieferten größten Hunnenherrschers nicht.
2.
"Attila" ist sehr wahrscheinlich kein hunnischer Name, auch nicht in Form griech. oder lat. Verschreibungen, denn man kann aus latinisiert überlieferten nichtlateinischen Namen (lat. alaricus = Alarich usw.) oft genug den richtigen bzw. erschlossenen Namen konstruieren, sofern genügend Sprachmaterial überliefert ist. Leider gibt es aber zu wenige Namen, Titel, Wörter, um die hunnische Sprache auch nur annähernd rekonstruieren zu können (wir wissen z.B. viel mehr über die vandalische Trümmersprache)
3.
rein vergleichend sprachwissenschaftlich ist "Attila" am einfachsten mittels der gotischen Sprache zu deuten - hierfür sprechen nicht nur sprachhistorische sondern auch historische Gründe -- aus diesem Grund wird diese Deutung überwiegend präferiert, während andere als zu spekulativ betrachtet werden.
4.
rein sprachhistorisch (Lautwandel, Lautgesetze) ist Attila->Etzel völlig regelkonform, also ok -- hierbei ist völlig gleichgültig, ob "Attila" in dieser Schreibweise aus dem hunnischen, dem gotischen, dem kisuaheli oder dem polnischen :D stammt: denn die Folge Attila-Etzel stimmt mit den Lautverschiebungsregeln überein.
5.
"die Hunnen" traten nicht als sprachlich einheitliche Gruppe ins Blickfeld der Ost- und Weströmer, sondern diese überlieferten, dass mindestens drei Sprachen im hunnischen Großverband als lingua franca verwendet wurden: hunnisch, gotisch, latein (evtl. auch griech. und alan.). Hierbei war der hunnische Kern dieser Konfoederation sozusagen die oberste Chefetage.
6.
die Dominanz dieser hunnischen Chefetage lässt sich möglicherweise sogar archäologisch und historiosozilogisch nachweisen: Schädeldeformationfunde, Hunnenspiegel, "Verreiterung / Versteppung" der Ostgoten (H. Wolfram), Waffenritt (Baduila/Totila) u.a. (ich bin zu träge, alles aufzuzählen) kurzum einige Sitten/Bräuche der Hunnen wurden von den von ihnen dominierten Gruppen übernommen -- und niemand kommt auf die Idee, die Hunnen wegdiskutieren zu wollen!
7.
nur leider leider leider, so faszinierend und folgenreich auch der Hunnensturm war: wir wissen einfach ZU WENIG über die hunnische Sprache, als dass wir diese irgendwo so sicher einordnen könnten wie z.B. langobardische oder erulische Sprachtrümmer - es ist zu wenig eindeutig hunnisches sprachmaterial überliefert.
8.
...die leidigen späteren "Anschlußversuche" an die ruhmreiche (sic! Attila hat ganz schön fett aufgemischt seinerzeit) hunnische Geschichte kranken allesamt daran, dass dummerweise ein bis mehrere Jahrhunderte überbrückt werden müssen... ... ...
9.
auch wenn "Ildiko" ein beliebter Name in Ungarn ist, so ändert das nichts daran, dass dieser Frauenname eindeutig germanischer Herkunft ist - dat is ja nu ooch nich schlimm, denn z.B. z.Z. ist "Kevin" ein beliebter Name in diesem unserem Lande, aber niemand käme auf die Idee, Kevin für einen deutschen Namen zu halten :winke::D
 
nur leider leider leider, so faszinierend und folgenreich auch der Hunnensturm war: wir wissen einfach ZU WENIG über die hunnische Sprache, als dass wir diese irgendwo so sicher einordnen könnten wie z.B. langobardische oder erulische Sprachtrümmer - es ist zu wenig eindeutig hunnisches sprachmaterial überliefert.

Ich darf bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die Überlegungen zweier seriöser Wissenschaftler hinweisen, die beide vermuten, dass das hunnische Idiom zu den Turksprachen zählt. So sagt István Bóna, Professor der Ur- u. Frühgeschichte an der Universität Budapest:

Von der hunnischen Sprache wurde leider nichts, besser gesagt nichts sicher hunnisches, überliefert, erhalten blieben uns nur zahlreiche Eigennamen ... Ein ansehnlicher Teil der Namen weist auf eine (Verbindungen mit dem Altbulgarischen und dem Mongolischen zeigende) Turksprache hin, auch wenn dies nicht immer sofort augenfällig ist. Der Name des hunnischen Großkönigs wird beispielsweise in fünf- bis sechserlei Formen geschrieben ... Turknamen sind mit ziemlicher Sicherheit folgende aus der führenden hunnischen Schicht bzw. aus dem Fürstenhaus: Kharaton/Karaton (alttürkisch: Qaráton = Schwarzbekleideter), Uldin/Uldis (alttürkisch: Öldin = Glücklicher), B/Vasik (alttürkisch: Bársig = Pantherähnlicher oder Basig = Gouverneur), Kursik (alttürkisch: Kürsig = Braver, Edler oder Qursig = Gürteltragender), Eskam (alttürkisch: Großer Pfarrer), Atakam (alttürkisch: Vater-Pfarrer) ...

In Kenntnis all dieser Fakten bedarf der populär gewordene und große Irrtum einzelner moderner Forscher einer Richtigstellung: Sie verwechseln wegen einiger mongoloide Züge aufweisender Schädel die mongoloide Großrasse mit der mongolischen Sprache und machen aus Hunnen "richtige" Mongolen.

Ohne Schwierigkeiten kann festgestellt werden, dass die Machthaber des Hunnenreichs von dessen Entstehung bis zu seiner Vernichtung 469 Turknamen trugen und demnach auch hunnischer Herkunft waren.

(István Bóna, Das Hunnenreich, Stuttgart 1991, S. 32 f., 35; Konrad Theiss Verlag)
Und der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann schreibt:

Obwohl sprachliche Zeugen des Hunnischen äußerst spärlich sind und sich fast ausschließlich auf Namensmaterial beschränken, lässt sich dennoch mit Sicherheit feststellen, dass das Hunnische eine sehr frühe individuelle Sprachvariante des türkischen Sprachzweigs der altaischen Sprachfamilie war - die älteste bekannte türkische Einzelsprache,

(Harald Haarmann, Lexikon der untergegangenen Sprachen, München 2002, S. 94)
Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei den Nomadenverbänden Zentralasiens Namen und Rangbezeichnungen durch verschiedene ethnische Gruppen wanderten, sodass sich nicht ausschließlich daran Hinweise auf die Herkunft eines Stamms festmachen lassen. Immerhin gibt die alttürkische Herkunft zahlreicher hunnischer Eigennamen der hunnischen Fürstenschicht zu denken, wie das Istvàn Bòna angeführt hat (s. oben). In dem mir vorliegenden Buch nennt er noch weitere hunnische Namen alttürkischer Herkunft.

Ob das allerdings zu einer eindeutigen linguistischen oder gar ethnischen Identifikation reicht, kann ich nicht beantworten.
 
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