Der Rassebegriff biologisch und politisch

Der Begriff „Rassismus“ tauchte jedoch erst zu einem Zeitpunkt auf, als am Rassenbegriff oder zumindest an einigen seiner Verwendungen Zweifel aufkamen. Er entstand im frühen 20. Jahrhundert, in der Auseinandersetzung mit völkischen Theorien. In der Endung ‚-ismus‘ sollte sich die Auffassung von Historikern und anderen Autoren niederschlagen, „dass es sich dabei um fragwürdige Ansichten und Überzeugungen handele, nicht um unbestreitbare Naturtatsachen“ (Fredrickson, S. 159).<SUP id=cite_ref-Fredrickson_6-5 class=reference>[6]</SUP>
Aus dieser Formulierung scheint mir nicht zweifelsfrei hervorzugehen, dass der Ausdruck "Rassismus" einmal als Bezeichnung für wertneutrale Rassenforschung verwendet wurde. Denn vielleicht ist ja mit den "fragwürdigen Ansichten und Überzeugungen" eben gerade eine damit einhergehende Wertung der untersuchten Rassen gemeint und nicht lediglich eine unzureichende empirische Begründung der Sachaussagen.


aus Rassismus ? Wikipedia

zu fragen wäre, ob es je eine "rassenkundliche" (pseudo)biologische Lehre gab, welche ohne implizite Wertungen ihres Gegenstand auskam.

1) Warum "Pseudo"?
2) Dass eine biologische Rassenlehre ohne Wertungen möglich ist, liegt auf der Hand. Man kann ganz einfach eine formulieren, indem man die Wertfreiheit explizit formuliert.

Ob sie bieher faktisch existiert hat, ist natürlich eine andere Frage. Aber gerade heute gibt es zahlreiche Wissenschaftler, die den Begriff "Rasse" verteidigen und verwenden und dabei die Wertfreiheit betonen.

Interessanterweise gibt es sogar Stimmen, die darauf hinweisen, dass der Rassebegriff unverzichtbar sei, um Kritik am (wertenden) Rassiamus überhaupt konsistent formulieren zu können, siehe z.B.:

"We ... cannot jettison the concept of race without at the same time jettisoning an indispensable tool in the struggle against racism: the concept of racism itself." (Hardimon, 2003)

Wertfreier "Rassismus" wäre somit ironischerweise (kantisch gesprochen) sogar eine Bedingung der Möglichkeit der Kritik am wertenden Rassismus!
 
Aus dieser Formulierung scheint mir nicht zweifelsfrei hervorzugehen, dass der Ausdruck "Rassismus" einmal als Bezeichnung für wertneutrale Rassenforschung verwendet wurde.
wie denn auch :winke: - da wird doch explizit erklärt, dass mit "Rassismus" zu Beginn des 20. Jhs. eben nichts anderes gemeint ist als die verfehlten Wertungen innerhalb verschiedener rassekundlicher "Lehren" -- kurzum hatte der Begriff "Rassismus" noch nie eine neutrale oder gar (horribile dictu) positive Konnotation, sondern eine negative.

Wertfreier "Rassismus" wäre somit ironischerweise (kantisch gesprochen) sogar eine Bedingung der Möglichkeit der Kritik am wertenden Rassismus!
wäre vielleicht so, wenn da nicht kultur- und wissenschaftshistorisch von Anfang an die negative Konnotation der Bezeichnung "rassistisch" bzw. "Rassismus" vorhanden wäre - da aber nirgendwo "Rassismus" als positiv oder neutral konnotiert auftauchte, ist diese Überlegung hinfällig.

Insofern ist es auch nutzlos, den Begriff "Rassismus" umzudeuten - er hat seine historisch begründete unrühmliche Rolle in der Geistesgeschichte.

1) Warum "Pseudo"?
2) Dass eine biologische Rassenlehre ohne Wertungen möglich ist, liegt auf der Hand. Man kann ganz einfach eine formulieren, indem man die Wertfreiheit explizit formuliert.
1) soweit ich informiert bin, hat sich die Biologie seit dem 19. Jh. weiter entwickelt und vertritt nicht mehr dieselben Thesen, die vor über 100 Jahren aktuell waren (wie ja auch Magnetismus und Mesmerismus etc. verschwanden)
2) muss das gleich eine "Lehre" sein? entweder man kann bzgl. der Spezies Mensch biologisch-humangenetisch unterschiedliche Rassen feststellen, oder eben nicht.

Ob sie bieher faktisch existiert hat, ist natürlich eine andere Frage. Aber gerade heute gibt es zahlreiche Wissenschaftler, die den Begriff "Rasse" verteidigen und verwenden und dabei die Wertfreiheit betonen.
wir werden mit Spannung verfolgen, ob der derzeitige Tante Wiki Artikel zum Begriff Rasse überarbeitet wird oder nicht :winke:;)

aber im Kontext der Diskussion wiederhole ich nochmal meinen skeptischen Verdacht: ich befürchte, dass weder Natur noch Geschichte so politisch korrekt waren und sind, wie wir es manchmal gerne zu haben scheinen... und in der Betrachtung beider Gegenstände tauchen immer wieder Widersprüche auf.
 
wie denn auch :winke: - da wird doch explizit erklärt, dass mit "Rassismus" zu Beginn des 20. Jhs. eben nichts anderes gemeint ist als die verfehlten Wertungen innerhalb verschiedener rassekundlicher "Lehren"
Nein, davon war in deinem Zitat eben nicht explizit die Rede.

wäre vielleicht so, wenn da nicht kultur- und wissenschaftshistorisch von Anfang an die negative Konnotation der Bezeichnung "rassistisch" bzw. "Rassismus" vorhanden wäre - da aber nirgendwo "Rassismus" als positiv oder neutral konnotiert auftauchte, ist diese Überlegung hinfällig.
Das war in der Theoriebildung über Geschlechter auch nicht anders (Abwertung der Frau). Das ist aber doch kein Grund, die Möglichkeit einer sachlichen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschlechtern als hinfällig einzustufen.

Insofern ist es auch nutzlos, den Begriff "Rassismus" umzudeuten - er hat seine historisch begründete unrühmliche Rolle in der Geistesgeschichte.
Will ich ja gar nicht. Ich habe ja von Anfang an vermutet, dass der Begriff "Rassismus" stets die Wertung enthalten hat und deshalb zu keinem Zeitpunkt eine Bezeichnung für wertfreie Rassenkunde war. Das betrifft aber nur die Frage, ob man eine wertfreie Rassenkunde jemals "Rassismus" genannt hat. Eine völlig andere Frage ist die, ob es eine wertfreie Rassenkunde bisher gegeben hat. Und wieder eine andere Frage ist, ob es eine geben kann.


muss das gleich eine "Lehre" sein? entweder man kann bzgl. der Spezies Mensch biologisch-humangenetisch unterschiedliche Rassen feststellen, oder eben nicht.
Warum nicht? Man spricht ja auch von "Mengenlehre" oder "Harmonielehre" oder "Betriebswirtschaftslehre". Das sind doch gängige Bezeichnungen für Wissensgebiete.
 
Warum nicht? Man spricht ja auch von "Mengenlehre" oder "Harmonielehre" oder "Betriebswirtschaftslehre". Das sind doch gängige Bezeichnungen für Wissensgebiete.
oh Weh... Harmonik und deren Gebrauch sowie deren immanente Erklärung (sei es stufen- oder funktionstheoretisch) sind Gegenstand der "Harmonielehre", und das ist ein wenig komplexer und umfangreicher als eine Handvoll "Rassen" (sofern es die gibt, was wir momentan wohl nicht entscheiden können) :winke:
...aber wie dem auch sei, mit "...ismen" lassen sich natürlich ebenso wie mit "...lehre" zahlreiche Wortspiele anstellen :yes::D:D so gibt es das Symbol und den Symbolismus, die Impression und den Impressionismus, und beide "...ismen" sind in diesem Fall nicht böse :D aber das sagt uns nichts über Rasse und Rassismus.

und ich finde, du irrst dich: aus dem Zitat aus Wiki geht hervor, dass "Rassismus" ein apriori negativ konnotierter Begriff ist, da er als Negativum konstruiert wurde.
 
Warum nicht? Man spricht ja auch von "Mengenlehre" oder "Harmonielehre" oder "Betriebswirtschaftslehre". Das sind doch gängige Bezeichnungen für Wissensgebiete.

Die Diskussion dreht sich schon lange im Kreis.
Aber gut, wenn´s denn der Pharmaindustrie und dem medizinischen Fortschritt dient, dann sprechen wir bitte auch von der Physiognomielehre und teilen die Menschheit in kurze Dicke und lange Dünne ein, das haben sogar die alten Griechen schon gemacht. Medizinisch und vor allem für den Profit der Pharmaindustrie ist diese Einteilung sicher interessant, deckt sich nur leider so gar nicht mit der Rassenlehre. Wie das wohl kommt?

Ansonsten schließe ich mich buschhons Fazit an.

Ich persönlich stehe mittlerweile auf einem ganz ähnlichen Standpunkt:

Der Begriff "Rasse" war ursprünglich und durch die Neuzeit hindurch kein rein wissenschaftlicher und erst recht kein wissenschaftlich exakter Begriff. Er wurde mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen gefüllt und nicht selten für das Aufstellen von Systematiken und Kategorien herangezogen, die wissenschaftlich fragwürdig sind. Darunter fallen eben auch die "menschenverachtenden" Rassetheorien (in denen die Einteilung ja übrigens z. T. sehr unterschiedlich ausfiel). Daher: Wo ist der "Ort", an welchem "Rasse" je wissenschaftlich definiert worden wäre? Mir scheint diesen gab es gar nicht.

Der (einzige?) "Ort", wo sich der Begriff letztlich erfolgreich etabliert hat und gesellschaftsübergreifend und systematisch konsequent gebraucht wird, ist die vom Menschen bewusst geleitete Tierzucht. Hier wird der Begriff "Rasse" in unstrittiger Weise und in gewissem Sinne auch sinnvoll gebraucht. (Wo wird er das sonst noch?). In der Tierzucht wird nach Kriterien wie Leistung (Fleisch-, Milch-, Woll-, Legeleistung usw.), Verhalten und Erscheinungsbild beurteilt. Tiere, die nicht zur Weiterzucht geeignet erscheinen oder rasseuntypisch sind, landen i. d. Regel auf dem Teller.

Wollte man heute einen endlich(!) wissenschaftlich schlüssigen und gerechtfertigten Rassebegriff auf den Menschen anwenden (wobei es mir egal ist, ob auf humangenetischen, anthropologischen oder ethnologischen Erkenntnissen basierend), so kommt man meiner Meinung nach nicht an den zwei genannten Punkten vorbei:
Erstens ist der Begriff "Rasse" bisher niemals wissenschaftlich eindeutig auf den Menschen angewandt worden, so dass man den Begriff ohnehin ganz neu füllen müsste. Man könnte also genau so gut einen neuen bzw. anderen Begriff verwenden, als diesen in der Geschichte bereits in so menschenverachtender Weise gebrauchten Begriff.
Zweitens: Wollte man den Begriff "Rasse" dennoch auf den Menschen anwenden (etwa weil man sich ihn von der "dunklen Vergangenheit" nicht verbieten lassen will), dann müsste man ihn m. E. in eine sinnvolle Relation zum bisweilen etabliertesten Rassebegriff, nämlich dem der Tierzucht, bringen können. Und das dürfte meiner Einschätzung nach nur schwerlich gelingen.
 
Die Diskussion dreht sich schon lange im Kreis.
Aber gut, wenn´s denn der Pharmaindustrie und dem medizinischen Fortschritt dient, dann sprechen wir bitte auch von der Physiognomielehre und teilen die Menschheit in kurze Dicke und lange Dünne ein, das haben sogar die alten Griechen schon gemacht.

Man darf nicht übersehen, dass es den wissenschaftlichen Sektor der evolutionären und vergleichenden Anthropologie gibt, wo die Geschichte der Menschheit mittels vergleichender Analysen von Genen, Kulturen, Sprachen und sozialen Systemen vergangener und gegenwärtiger menschlicher Populationen erforscht wird.

In diesem Zusammenhang werden z.B. Skelettfunde der Alt- oder Jungsteinzeit, der Bronzezeit und auch anderer Epochen vermessen und analysiert, Schädel werden nach Längen- und Breitenindex bestimmt, Körpermerkmale dokumentiert und Gene analysiert. Das trägt dazu bei, Herkunftsräume und Wanderwege historischer Populationen zu erforschen und bestimmte anthropologisch und genetisch definierte Gruppen von anderen abzugrenzen, um auf diese Weise auch Siedlungsräume zu erfassen.

Man kommt auf diese Weise zu neuen Einsichten in die Geschichte und in die Vielfalt und Fähigkeiten der menschlichen Spezies. Natürlich wird hier in einem interdisziplinären Ansatz gearbeitet, d.h. Archäologen, Biologen, Ethnologen, Historiker, Sozialwissenschaftler und andere sind an solchen Projekten maßgeblich beteiligt.
 
Das trägt dazu bei, Herkunftsräume und Wanderwege historischer Populationen zu erforschen und bestimmte anthropologisch und genetisch definierte Gruppen von anderen abzugrenzen, um auf diese Weise auch Siedlungsräume zu erfassen. .

Das ist richtig, hier ein Auszug aus der Encyclopedia of Anthropology (hrsg. von Birx), S. 1032-34, der auf "genetic groups" und "Population Genetics" Bezug nimmt:

"The analysis of gene distributions throughout the world, called population genetics, is very important for estimating the date when human life originated and the timing and direction of human migrations throughout world history. Before DNA, the analysis of fossil remains was the major way of estimating human origins. With genetics, four major evolutionary forces are considered: mutations, genetic drift, gene flow, and natural selection.

Within anthropology, there has been an intense debate between the multiregionalists, who believe that humans evolved roughly simultaneously in multiple regions of the world, and the out-of-Africa proponents who believe that current human life originated in Africa. Based on their research on mutations, which shows much more genetic variation within Africa than within other regions of the world, geneticists support the African origins school. Because genetic mutations (and hence genetic diversity) happen randomly throughout history, by a process of extrapolation backward, the conclusion is, comparatively speaking, that a group with a larger number of mutations has had a longer time period in which to accumulate mutations and thus is older.

Mutations have also been very important in studying migrations and explaining gene distributions in different groups and regions of the world. Luigi Luca Cavalli-Sforza, a prominent population geneticist in the United States, has published much data showing the genetic distances between nationality groups and the genetic distance between ethnic groups throughout the world. The more genetic distance between groups, the more mutations have occurred to cause the distancing, and hence the further back one goes to find their common ancestors.

Brian Sykes has classified nearly all women in the world into one of seven groups, each having genetic similarities from ancient history. He showed how these seven groups are distributed throughout the world and suggested the migration history of the groups based on differences and similarities between the genetic compositions of the groups. Genetic research has shown that males and females have very different migration patterns, with the female more likely to leave her parental family and follow the male’s family pattern.

For males, a selected number of markers (specific positions on the Y chromosome that are unique and can be measured) can be grouped together into haplo- types, and a number of similar haplotypes can be grouped into haplogroups, to show genetic relationships between different groups or geographical areas of the world. There are strong correlations between hap- logroups and regions of the world. Each marker is given a DYS#, which stands for DNA Y-chromosome segment number, numbers that are increasingly being standard- ized and used internationally so that comparisons between different studies can be made more easily. A world database using nine markers (http://www.yhrd .org), for example, has haplotypes for over 25,000 males, allowing any of these men to see where they have nine-marker genetic matches from over 200 sites throughout the world. The less two men have mutated, the closer they match, and the more recently their MRCA (most recent common ancestor) lived.

Genetic drift affects a small population that does not have sufficient population size to randomly reproduce all the genes of its parent population. A principle called the Hardy-Weinberg Law says that genetic frequencies will not change (that is, changes will balance themselves out) in an infinitely large population with random mating. But, a small group can become nonrepresentative of its parent generation because of inability to reproduce all the previous genes. Hence, two small groups that come from the same parent population will, over time, develop dis- similar gene distributions as each loses some genes and moves further from its original gene distribution. Different mutations can also add to the genetic dis- tance between the small populations.
A bottleneck, a catastrophe such as war or disease that kills or stops the reproduction of a significant number of people, also increases genetic drift if it results in only a small group to reproduce. The founder effect, when a small group of people, or even one male or one female, begin a group that then multiples greatly, also minimizes the genetic diversity of a group and increases the possibility of genetic drift. The founder effect also can be found among groups, such as Amish in the United States, who isolate themselves geographically or socially. This usually increases cousin marriages, which increases the likelihood of negative recessive genes being activated and can increase the likelihood of some diseases.

Gene flow is the introduction of genes into a group that previously did not have those genes. This usually results from migration of one group into another group’s territory (if reproduction results), but it also can result from the mutual interaction and reproduc- tion of two genetic populations. It can be voluntary or involuntary, although most gene flow has occurred very slowly over history. Over time, a new group can develop that is unique and differs from both of the original groups.

Natural selection is based on the principles that not all individuals survive and reproduce, and that some individuals have characteristics that increase their chances of survival and hence these successful charac- teristics become more common in a population. The fitness and probable survival of the population thus is increased. But environments change, perhaps rapidly, so the success or lack of success of a characteristic can change. Social attitudes can change definitions of what is rewarded, or even persecuted. Mutations can introduce variations that can increase or decrease an individual’s chances of survival.
Figuring out the relative contributions of these four forces and when each had an impact can be very difficult, and controversies remain. The rate or fre- quency of mutations is still debatable, with important potential effects on the amount of time one goes backward to estimate a significant event. Genetic engineering is a new force, with unknown potentials and questions. DNA research has added a new layer of knowledge to fields such as genealogy, archaeology, and cultural history. Molecular archaeology, molecu- lar anthropology, genetic archaeology, or genetic anthropology are new terms that might describe emerging new interdisciplinary approaches to gene distributions and related concepts."
 
Das ist richtig, hier ein Auszug aus der Encyclopedia of Anthropology (hrsg. von Birx), S. 1032-34, der auf "genetic groups" und "Population Genetics" Bezug nimmt:

"The analysis of gene distributions throughout the world, called population genetics, is very important for estimating the date when human life originated and the timing and direction of human migrations throughout world history. Before DNA, the analysis of fossil remains was the major way of estimating human origins. With genetics, four major evolutionary forces are considered: mutations, genetic drift, gene flow, and natural selection...
Ich vermute, das haut net ganz hin.
Die ersten drei sind Varianten desselben ("Variation"), die letztere ist "Selektion".
Es sind nur zwei Grundprinzipien beschrieben.

Das Dritte im Bunde ist die Replikation.
 
Sowohl hier im thread weiter oben als auch hier:
http://www.geschichtsforum.de/f22/humangenetik-polymorphie-pigmentierung-und-rassebegriff-48831/

wird häufig darauf verwiesen, dass Rasse-Kategorien in der biologisch-medizinischen Forschung unverändert benutzt werden. Das wird dann in der Diskussion "benutzt" und als Argument und Rechtfertigung von Rassekategorien angeführt.

Es ist schon klargestellt worden, dass es sich hier lediglich um Cluster-Bildungen für statistische Aussagen (basierend auf anderen Faktoren, s.u.) handelt, wofür vereinfachend (kontinentale, zB "kaukasoid") Kategorien bzw. Cluster Verwendung finden, auf die dann wiederum von Befürwortern einer angeblich "neuen" Prägung oder "medizinisch nützlichen" und damit angeblich berechtigten Verwendung von Rassebegriffen Bezug genommen wird.

Dass diese "Übertragung" des Rassebegriffs auf faktisch vereinfachende Clusterbildung Unsinn ist, wurde oben schon betont.

Hier ein neuer Aufsatz, der sich mit diesen Mythen und der sachfremden "Verwendung" dieser Cluster für die "Abstützung" eines Rassebegriffs beschäftigt, und der zeigt, wie sich die Forschung von dieser missbräuchlichen Verwendung distanziert:

"Overall, this work demonstrates that, from a biological systematic and evolutionary taxonomical perspective, human races/continental groups or clusters have no natural meaning or objective biological reality. In fact, the utility of racial categorizations in research and in clinics can be explained by spatiotemporal parameters, socio-cultural factors, and evolutionary forces affecting disease causation and treatment response."

Maglo/Mersha/Martin: Population Genomics and the Statistical Values of Race: An Interdisciplinary Perspective on the Biological Classification of Human Populations and Implications for Clinical Genetic Epidemiological Research,
Population Genomics and the Statistical Values of Race: An Interdisciplinary Perspective on the Biological Classification of Human Populations and ... - PubMed - NCBI
 
Es geht mir hier um die Definition des Begriffes Ethnie und damit verbunden mit der Behauptung einer genetischen Verwandtschaft. Wie Carolus im anderen Therad gesagt hat, bin ich auch der Meinung dass
Die Gleichsetzung von DNA und Ethnie ist falsch
Da aber andererseits (u.a. auch Wiki) erklärt, dass Ethnie unter anderem auch in einer gemeinsamen Abstammung bestehen könne (wobei offenbar keine Grenze gezogen wird, wieweit in der Vergangenheit man diese gemeinsame Herkunft herleitet) so kommen eben doch gentechn. Untersuchungen ins Spiel. Wenn aber die Gene für die Definition von Ethnie völlig ohne Belang sind, dann ist konsequenterweise auch die Aussage, dass Ethnie "auch in einer gemeinsamen Abstammung bestehen könne" falsch. Wenn nun Mashenka darauf hinweist, dass der Begriff "Ethnie" heute gewissermassen als politisch korrekter Ausdruck von "Rasse" verwendet wird, so hat sie meiner Meinung nach recht. Deshalb verstehe ich auch ihren Vorschlag, anstatt von Ethnie von "Kutlurgemeinschaft", "Sprachgemeinschaft" oder, ich erweitere die Möglichkeiten, fallweise sogar von "Wertegemeinschaft" zu sprechen, weil es die Gemeinsamkeiten eine Gruppe exakter beschreibt als "Ethnie".

Wenn man Ethnie als eine Gruppe einer gemeinsamen Kultur, Abstammung, Sprache, Wirtschaftsorganisation, Geschichte, Tradition, Nationalität und Religion oder zum Mindesten als eine Gruppe mit einiger dieser Gemeinsamkeiten definiert, ist es zum Mindesten im Falle der Behauptung einer gemeinsamen Abstammung naheliegend, dass genetisch argumentiert wird - schliesslich lässt sich nur so eine gemeinsame Abstammung rekalmieren. Gemeinsame Abstammung ergibt nun mal eine "Rasse" - am Einfachsten zu verfolgen bei der Züchtung von Haustierrassen.

Nun steht es natürlich ausser Frage, dass es eine, wie Carolus es prägnant forumliert hat, "deutsche, französische, niederländische oder bayrische DNA" gäbe. Die Gen-Gemeinsamkeit innerhalb der "Rasse" des HSS ist so erdrückend, dass die übriggebliebenen Unterschiede einfach nicht ausreichen, "rassische" Differenzierungen zu machen. Die Verbreitung des HSS ist absolut global, und seine einzelnen Individuen haben welweit verschiedene Gruppen gebildet, die sich nicht durch die Gene, sondern durch ihre kutlurellen Eigenarten unterscheiden - also ethnische Eigenschaften. Die gemeinsame Abstammung muss so also konsequenterweise (ich wiederhole mich weil ich hier den gelöschten Beitrag wieder verwende) als Charakterisierungs-Merkmal einer Ethnie schon mal entfernt werden.

Die nächsten ethnischen Merkmale wie Sprache, Geschichte, Tradition, Religion etc. taugen zur Ethnien-Definiton letzendlich aber auch nur, wenn es um isoliert lebende Gruppen geht. Völker die im Austausch mit anderen leben (und da genügt es schon, Handel zu treiben), verlieren ihre ethnischen Merkmale (zum Mindesten Teile davon) - und davor haben vor allem rechte Patrioten und auch sonstigen Gegner einer offenen Gesellschaft (Popper) Angst. Wenn Mashenka meint, sie sei ihre eigene Ethnie, so verstehe ich das folgendermassen (und nehme dabei zur Verdeutlichkeit mich selbst als exemplarisches Beispiel -:) )

Meine Frau ist Katholikin, ich selbst bin Atheist und gehöre demgemäss keiner Kirche oder Religion an. Also gehöre ich, in dieser Hinsicht, einer anderen Ethnie an, obwohl wir beide hinsichtlich sonstiger Kultur und Sprache teilen.

Mein mit mir befreundeter Nachbar ist Ägypter und Moslem. Er hat eine andere Muttersprache, wie meine Frau eine Religion und sogar eine, die in der Region, in der ich aufgewachsen und wo ich das Bürgerrecht besitze, keine Tradition hat und mir persönlich sogar zuwider ist. Er kann aber Goethe zitieren und kennt meiner Einschätzung nach sämtliche Werke der klassischen deutschen Literatur. Ich selbst habe ausser dem "Faust" kein einziges Werk von Goethe zu Ende gelesen. Mein Nachbar weiss also von Teilsaspekten meiner Kultur und damit von meiner "Ehtnie" viel mehr und ist auch um einiges begeisterter von ihr als ich, was sich auch in seiner persönlichen Identifikation niederschlägt.

Ein Freund von mir, früher auch noch Zechkumpan, ist türkischer Kurde, lebt schon sehr lange in der Schweiz und hat politische und gesellschaftspolitische Ansichten die mir sympathisch sind und die ich in meiner Jugend sogar geteilt und phasenweise vehement vertreten habe. Seine Herkunft, Muttersprache, kulturelle Sozialisierung hat unter völlig anderen, ethnisch bedingten Umständen stattgefunden als meine. Dennoch bilde ich mit ihm gewissermassen eine Ethnie, da unsere, nicht in jedem Belang alltgäglichen Wertvorstellungen in vielerlei Hinsicht übereinstimmen.

Ein anderer, nicht befreundeter Nachbar von mir, stammt wie ich, über alle nachvollziehbaren Generationen hinweg aus der Deutschschweiz (allerdings aus einer anderen Region), hat die gleiche Muttersprache, eine andere Religion resp. überhaupt eine und ganz andere Wertvorstellungen. Vor allem hält er sich, weitgehend unbelastet durch Kenntnisse um historische Gegebenheiten, für befähigt, eine verbindliche Definition des "richtigen" Schweizers zu liefern. Dass der Mann nicht in der Lage ist, das albanische Idiom von Valader, der rätoromanischen Dialektvariante des Untergengadins, zu unterscheiden, tut , so meint er, seiner Kompetenz zur Definition der "Schweizer Ethnie" keinen Abbruch. Obwohl ich nun seinen Anforderungen diesbezüglich nicht genüge, anerkennt er mich doch als Mitglied seiner eigenen Ethnie an, weil wir gewisse Gemeinsamkeiten wie Muttersprache und Bürgerrecht teilen.

Ein weiteres Merkmal einer Ethnie ist bekanntermassen das Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder, was in der historischen Einordnung oft zu Diskussionen führt (hat sich ein Kelte, Germane oder Slawe aus als solcher gefühlt oder nicht ?). Angesichts des vorliegenden Beispiels ist es sicher verständlich, dass mein eigenes Zugehörigkeitsgefühl nicht eindeutig ist und auch gar nicht sein kann. Insofern kann ich Mashenkas Statement, "ausserethnisch" zu sein, nachvollziehen.

Die Definition von "Ethnie" ist m.E. offenbar genauso diffus und fragwürdig wie die Definition von "Rasse". Der Begriff scheint mir insofern ein unvollkommenes Hilfskonstrukt zu sein, wengistens solange man nicht bestimmen kann, welche Gemeinsamkeiten erfüllt sein müssen, damit eine Gruppe von Individuen als Ethnie bezeichnet werden kann. Letztendlich bleibt meiner Ansicht nach lediglich die Muttersprache als verbindendes Element. Und um eine solche Gemeinsamkeit zu verdeutlichen könnte man tatsächlich auch lediglich von einer "Sprachgemeinschaft" sprechen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Armer Konrad:

Soweit ich Deine Überlegungen verstanden habe, wäre Folgendes hervorzuheben:

1. eine genetische Basis für die Verwendung von "Rasse-Kategorien" hat keine wissenschaftliche Akzeptanz, sekt Jahrzehnten.

2. wegen 1. gibt es auch keinerlei Bedarf, Ethnie in diesem Kontext als "political-correctness-Substitut" für "Rasse" zu verwenden. Die Frage politischer Instrumentalisierungen, Gebrauch oder Missbraucb , bleibt hier im Forum natürlich außen vor.

3. ob und was man mit Ethnischen Kategorien anfangen will, hängt von der Zwecksetzung für die Begriffsverwendung ab, etwa in der Soziologie [Anm: Wenn man das einmal von den Bemerkungen zu 1. und 2. ablöst, die auf anderen Spielfeldern dann gibt es schon in der Soziologie mindestens 4 diskutierte "approaches" zum sinnvollen Hantieren mit Ethnien.]

4. ohne einen solchen "approach", einer Zielstellung bzw. "Zwecksetzung" zur Verwendung des Ansatzes bzw. des Begriffs Ethnie, bleibt der Abgrenzungsversuch von "Ethnie" ein inhaltsleeres und zweifelhaftes Konstrukt. [Sofern es einen sinnvollen "approach" gibt, und damit auch einen Zweckansatz für die Kategorisierung von Ethnie, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass in der internationalen Forschung kontrovers diskutiert wird, ob mit einer Unterkategorie "Race" ausschließlich als soziologischem Cluster von "ethnicity" hantiert werden sollte.

Die obigen Bemerkungen habe ich zT aus Deinem Beitrag gezogen, und mit dem sehr umfangreichen Artikel "ethnicity" aus der Encyclopedia of Sociology (Ed. Borgotta/Montgomery), gemixt.
 
Da aber andererseits (u.a. auch Wiki) erklärt, dass Ethnie unter anderem auch in einer gemeinsamen Abstammung bestehen könne (wobei offenbar keine Grenze gezogen wird, wieweit in der Vergangenheit man diese gemeinsame Herkunft herleitet) so kommen eben doch gentechn. Untersuchungen ins Spiel.

Gentechnische Untersuchungen haben in der Vergangenheit sicher keine Rolle zur Festlegung ethnischer Zugehörigkeit gespielt.

Wenn nun Mashenka darauf hinweist, dass der Begriff "Ethnie" heute gewissermassen als politisch korrekter Ausdruck von "Rasse" verwendet wird, so hat sie meiner Meinung nach recht.

Es kann schon sein, dass schlecht informierte Zeitgenossen fälschlicherweise glauben, den Begriff "Ethnie" als politisch korrekten Ausdruck für "Rasse" verwenden zu können.


Gemeinsame Abstammung ergibt nun mal eine "Rasse"
Das ist Unfug.
Meine Cousine und ich können uns auf eine gemeinsame Abstammung berufen, eine "Rasse" sind wir trotzdem nicht.
 
@Armer Konrad: In einer Reihe von Punkten beschreibst Du das Konstrukt "Ethnizität" ja völlig korrekt.

Sofern es auch um die Definition geht noch eine Erweiterung, die deutlich macht, dass Ethnizität ein „mächtiges“ Konstrukt ist und viele Faktoren beinhaltet, die unsere Individualität und auch unsere kollektive Individualität prägen. Und soll natürlich auch "Gesellschaft" erklären, was zwangsläufig eine gewisse Komplexität in der Argumentation erfordert.

Def.(Übersetzt auch engl. Wiki) Eine ethnische Gruppe ist eine Kategorie von Menschen, die sich durch eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Historie, gemeinsame soziale Erfahrungen, gemeinsame kulturelle Werte und durch eine gemeinsame nationale Erfahrung definieren

https://en.wikipedia.org/wiki/Ethnic_group

Vor diesem Hintergrund schreibt beispielsweise Eriksen (S. 2):
„anthropology has the advantage of generating first-hand knowledge of social life at the level of everyday interaction. To a great extend, this is the locus where ethnicity is created and recreated. Ethnic relations emerge and are made relevant through social situations and encounters,

..social anthropology is in a unique position to investigate these processes at the micro level, although it need to be supplemented by other approaches such as history and macrosociology in order to develop a full picture of ethnicity and nationalism.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass genetischen Einflüsse als unterschiedliche Hauptfarbe durchaus einen Einfluss haben können auf die Zugehörigkeit zu Subpopulationen innerhalb einer Ethnie. Ähnlich kann es aber auch das Geschlecht (Gender), in bestimmten Fällen auch die Religion, regionale Differenzierungen oder auch die Klassen- bzw. Schichtenzugehörigkeit (Kasten etc.) sein, die die Zugehörigkeit zu Teilpopulationen einer Ethnie definiert oder sogar die Ethnie an sich.

Die Definition von "Ethnie" ist m.E. offenbar genauso diffus und fragwürdig wie die Definition von "Rasse".

Nein, sicherlich nicht. Es wird ja darauf hingewiesen, dass das kollektive Bewußtsein einer Vielzahl von Einflußgrößen unterliegt, die historisch unterschiedlich sein können und auch geographisch völlig unterschiedlich sein können. Insofern ist über den Einzelfall zu rekonstruieren, was das kollektive Bewußsein einer Ethnie am stärksten prägt und somit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt. Aber natürlich auch die Fragen beantworten muss, welche Konflikte und Spannungen innerhalb dieses kollektiven Bewußseins auftreten können, die zu einer Redefinition von Ethnizität führen kann, wie beispielsweise säkulare Prozesse und die abnehmende Bedeutung von konfessioneller Orientierung für die kollektive Identität in Europa oder soziale Prozesse und das Wegfallen des "Proletariats" als Milieu.

Vor diesem Hintergrund sollte deutlich werden, wie wenig das Konstrukt "Rasse" mit der Verwendung des Konstrukts "Ethnie" im Rahmen der Anthropologie gemeinsam hat.

Eriksen, Thomas Hylland (2002): Ethnicity and nationalism. 2nd ed. London, Sterling, Va.: Pluto Press
 
Zuletzt bearbeitet:
'Rasse' ist ein veralteter Terminus. Man sieht das schon, wenn man den Wikipedia-Artikel zu 'Rasse' liest. Da werden zunächst geographische und biologische Merkmale willkürlich vermengt. Dann soll das noch auf die jeweilige Fragestellung abgestimmt werden, sprich so angepasst, das es Ergebnisse ergibt. Schon das funktioniert in der Wissenschaft nicht.

Solche Klimmzüge sind notwendig, weil die dahinter stehenden Vorstellung durch die Modelle von Evolution und Genetik überholt sind und man die Definition nicht anders anpassen kann.

Wichtigstes Beispiel ist hier die Willkür bei der Bestimmung der Merkmale. Wir gehen heute von genetischen Variationen auf, die zwar der Geographie folgend Unterschiedlich sein können, aber dabei einem Verteilungsmuster folgen, wie Sprache und eine Art Kontinuum bilden. Zudem findet durch Umzug, Mutation, Reisen etc. ständig Beeinflussungen statt. Da willkürlich eine Gruppe nach individuell herausgegriffenen Merkmalen zu bestimmen, die dazu so Manipuliert sind, dass sie ein Ergebnis begünstigen, d.h. auch verfälschen ist Unsinn.

Der Terminus 'Ethnie' hingegen ist Kultur historisch definiert. Leider existieren wie so oft verschiedene Definitionen. Die einfachste ist, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die von anderen und / oder sich selbst so wahrgenommen wird. Dabei ist dies Gruppe natürlich von Kriegerbünden, Vereinen, Parteien, Handelsgesellschaft und ähnlichem zu unterscheiden. Oft wird auf eine Eigenständige Identität als Volksgruppe abgestellt. Dies wäre letztendlich ein unzulässiger Zirkelschluss. Sinnvoller ist zu sagen, in welcher Hinsicht eine Ethnie identifizierbar sein soll. Z.B. als Kultur- und Schicksalsgemeinschaft. Früher sprach man von Abstammungsgemeinschaft. Dies hat sich weitgehend als Fiktion erwiesen.

'Staatsvolk' ist ein juristischer Begriff aus dem Bereich des Staatsrecht. Einst stellte es die Übersetzung von 'Nation' dar. Doch heute vermeidet man im Deutschen hiermit eine Homonymität von 'Nation'. Es geht um die Benennung der Menge der Staatsbürger eines Staates.

'Nation' wurde als Beschreibung eine r bestimmten Westeuropäischen Erscheinungsform des Problems definiert. Dann setzte sich die Ideologie des Nationalismus durch, die eine Einteilung in Nationen und deren Abgrenzung voneinander fordert. Wissenschaftlich ausgedrückt: Man nahm eine zu kleine Stichprobe, da man sich selbst, sprich Frankreich und England als Idealfall betrachtete und einige Nachbarn, insbesondere Spanien, ähnliche Erscheinungen hervorgebracht hatten. Schon in England haperte es z. B. bei den Walisern. Das ist also auch nichts Handfestes.

'Nation' wird oft auch einfach dann gebraucht, wenn eigentlich 'Staatsvolk' oder 'Volk' gemeint sind, oder man sich quasi als Lobby auf das Wohl eines Staates beziehen möchte. In der Vergangenheit diente es dazu, andere Formen des Zusammenlebens herabzuwürdigen. Hier braucht nur die Propaganda zumUkraine-Konflikt betrachtet werden.

'Volk' ist heute eher die unreflektierte Bezeichnung all' dieser Erscheinungsformen, obwohl es viele Definitionen gibt. Meist wird auf einen 'Geist' abgestellt, der ein Volk inspiriert und ihm seine historische Aufgabe zuteil werden lässt. Meist Mord und Totschlag unter dem Vorwand der Weltherrschaft. Oder so. Oft wird 'Volk' als Synonym für Nation gebraucht.

Das sind keine erschöpfenden Beschreibungen, aber wenn das schon diskutiert wird, sollten wir uns die Definitionen kllar machen. Das sind eben keine Synonyme. Und 'Ethnie' ist nicht das politisch korrekte 'Rasse' oder 'Volk'.

Es gibt weiteres, z.B. 'Stamm' doch soll das hier nicht zu ausführlich werden.

Es ist auch nicht so, dass ich Ethnien ablehne und für eine unbegrenzte Internationalisierung bin. Schließlich hat es immer zu Leid geführt, wenn Ethnien unterdrückt werden. Aber diejenigen Definitionen, die bisher das meiste Blut auf dem Gewissen haben, sollte man doch ändern oder streichen. Insbesondere gilt das für Nation, Rasse und Volk. An einer Französischen Nation oder einem Deutschen Volk ist nichts Schlimmes, aber nur dann, wenn man es objektiv betrachtet. Historisch ist es wichtig die jeweiligen Verständnisses und ihren Einfluss herauszuarbeiten.
 
@ thanepower: Nur von Selbstwahrnehmung zu sprechen führt nicht weiter. Auch die Fremdwahrnehmung ist relevant. Beides kann dabei unterschiedlich sein. Und die Eigenwahrnehmung bringt oft ebenso Falsches hervor wie die Fremdwahrnehmung.

Zur Definition von Ethnie können sie herangezogen werden, weil die Wahrnehmung nun einmal notwendig ist, um etwas zu benennen. Dabei muss von der Selbstwahrnehmung und der unreflektierten Fremdwahrnehmung die wissenschaftliche Betrachtung geschieden werden. Ansonsten ist man nicht in der Lage Aussagen über einzelne Ethnien zu treffen.

Es ist ein Unterschied, wenn man im Alltag der Selbstwahrnehmung einer anderen Ethnie -schon aus reiner Höflichkeit - den Vorrang lässt und sie bis zu einem gewissen Punkt - Chauvinismus und Ähnliches ist natürlich nicht akzeptabel - in der Tagespolitik bevorzugt, oder wenn man eine wissenschaftliche Aussage treffen will. Regelmäßig käme man zu falschen Aussagen. Man denke an die Frage, welche Gruppen zu den Han-Chinesen gezählt werden. Oder die Frage seit wann sich die Polnischen 'Einwanderer' als deutsch betrachten und seit wann man ihnen dies zubilligte. Noch im ersten Weltkrieg kam es zu geheimen Hochzeiten, weil es gesellschaftlich nicht akzeptabel war. Ohne die verschiedenen Wahrnehmungen kommt man da zu keinen Schlüssen. Und dass man die Eigenwahrnehmung des Untersuchenden hinterfragen muss ist selbstverständlich.

@ Armer Konrad: [ :D an] Aber es gehört doch zur deutschen Kultur, dass einem die Schule die deutsche Literatur verleidet. [ :D aus]

Edit: Ich nutze gerade wieder das Handy. Daher bitte ich, die Fehler der heutigen Posts zu entschuldigen.
 
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Das ist Unfug.
Meine Cousine und ich können uns auf eine gemeinsame Abstammung berufen, eine "Rasse" sind wir trotzdem nicht.

Natürlich. Es kommt ja auch darauf an, wieweit man in die Vergangenheit zurückgeht, irgendeinen Urahn wählt, und den man dann für bestimmend für seine Familie / Sippe erklärt. Das ist natürlich völlig willkürlich und zu weit darf man natürlich auch nicht zurückgehen, da man sich dann wieder nicht von anderen abgrenzen kann. Es gab jedenfalls weltweit Stämme (mir fallen im Moment allerdings keine konkrete Beispiele ein) die sich durch einen gemeinsamen, in der Regel mythischen Urahn definieren und dadurch von anderen Gruppen anbgrenzen. Und durch diese, abstammungsbedingte Abgrenzung (ob der Urahn fiktiv resp. ein Mythos ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle) wäre wohl der "Tatbestand" einer Ethnie erfüllt. Um jetzt diese behauptete gemeinsame Abstimmung zu überprüfen, würden sich gentchnische Untersuchungen geradezu anbieten, auch wenn dies noch nie gemacht wurde.
Resp. es wurde eigentlich in anderen Zusammenhängen schon gemacht, und hatte eben den Effekt, dass man wiederlegen konnte, eine Ethnie sei eine über gemeinsame Herkunft zu definieren. Zum Leidwesen der Nazis mit dem Ahnenerbe-Gedöhns gab es eben kein Germanen-Gen. Insofern darf man sich jetzt wohl damit begnügen, dass, wenn sich eine Ethnie nach ihrer Herkunft definiert, diese konstruiert ist.
 
Nein, sicherlich nicht. Es wird ja darauf hingewiesen, dass das kollektive Bewußtsein einer Vielzahl von Einflußgrößen unterliegt, die historisch unterschiedlich sein können und auch geographisch völlig unterschiedlich sein können. Insofern ist über den Einzelfall zu rekonstruieren, was das kollektive Bewußsein einer Ethnie am stärksten prägt und somit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt. Aber natürlich auch die Fragen beantworten muss, welche Konflikte und Spannungen innerhalb dieses kollektiven Bewußseins auftreten können, die zu einer Redefinition von Ethnizität führen kann, wie beispielsweise säkulare Prozesse und die abnehmende Bedeutung von konfessioneller Orientierung für die kollektive Identität in Europa oder soziale Prozesse und das Wegfallen des "Proletariats" als Milieu.

Vor diesem Hintergrund sollte deutlich werden, wie wenig das Konstrukt "Rasse" mit der Verwendung des Konstrukts "Ethnie" im Rahmen der Anthropologie gemeinsam hat.

Eriksen, Thomas Hylland (2002): Ethnicity and nationalism. 2nd ed. London, Sterling, Va.: Pluto Press

Wenn Ethnie fallweise definiert wird, ist mir der Begriff eher einleuchtend. Zeitepoche-abhängig, geographische Abhängigkeit und gesellschaftliche Abhängikeiten (Säkularisierung, kein Proletariat mehr - aber auch Gebrauch und Herstellung ähnlicher Werkzeuge und Geräte z.B. keltische Ethnie und Latène-Kultur). Das würde aber bedeuten, dass man keine allgemeingültige Definition von Ethnie machen kann und sie immer den entsprechenden Gegebenheiten, die man beschreiben will, anpassen muss.

Problematisch wird es eigentlich immer dann, wenn sich eine Gruppe anmasst, im Besitz der Deutungshoheit über die Defintion einer Ethnie zu sein. Der nächste Schritt besteht dann gewöhnlich darin, auch andere Ethnien zu charakterisieren, dann, in einem weiteren Schritt, diese zu werten und damit gleichzeitig im Vergleich zur eigenen abzuwerten. Und schon hat man wieder dieselben Ergebnisse wie beim Rassimsus mit seiner "Rassen-Bewertung".
Unter diesem Gesichtpunkt hat für mich Mashenkas Idee nach wie vor etwas bestechendes, zu Begriffen wie "Kulturgemeinschaft", "Religionsgemeinschaft", "Wertegemeinschaft" (auch wenn der Begriff in der Zwischenzeit hohl klingt) zurückzukehren. Mit solch "langweiligen" Begriffen, die aber exakter sind, verlangt es schon etwas mehr Aufwand, um damit Missbrauch zu betreiben.
 
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