Agricola
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Den wirtschaftlichen Faktor halte ich für überschätzt. Unsere Zeit denkt in ökonomischen Kategorien in denen das "Vertrauen der Märkte" etwa so hoch geschätzt wird, wie der Vogelflug von den Auguren der (römischen) Antike wurde.
(Caesar riskierte nicht ohne Absicht den persönlichen Bankrott um Pontifex Maximus zu werden)
Unbestreitbar gibt es in Germanien nicht viel zu holen, im Perserreich aber umso mehr. Trotzdem richten die Römer auf Geheiss des Augustus die Rhein- und die Euphratgrenze ein.
Es mag sein, daß wir heute wirtschaftlichen Faktoren und Überlegungen überschätzen.
In Mesopotamien gab es in der Tat was zu holen, und das hat man auch öfters getan. Ctesiphon wurde mehrfach geplündert. Dazu kam vielleicht auch dieser Flair von Alexander, der jedem römischen Kaiser und Feldherrn gut stand. Nicht immer so ausgeprägt wie Caracallas Alexander-Tick.
Dennoch hat man nie versucht, Mesopotamien zu halten bzw. zu provinzialisieren und vor Allem, die parthisch/persische Machtbasis durch eine Eroberung von mindestens Medien, Susiana und Persis endgültig zu zerschlagen. Mesopotamien war reich und wichtig, aber es blieben immer noch genügend potente Kernprovinzen für einen massiven Gegenschlag.
Nur Nord-Mesopotamien (das heutige Nordost-Syrien) wurde mehrfach provinzialisiert. Selbst Trajan begnügte sich in Mittel-Mesopotamien (Region Ctesiphon) und Süd-Mesopotamien (Golfregion) auf die Einrichtung bzw. Anerkennung von Klientelfürstentümern. Die aufgrund der strategischen Lage natürlich nicht zu halten waren, wie Hadrian treffend erkannte.
Es mag also sein, daß wir einerseits wirtschaftliche Beweggründe überschätzen, andererseits aber politische Gründe und Modelle (Klientelefürstentümer) unterschätzen. Auch was Germanien angeht. Auch wenn es dort für uns nicht so offensichtlich ist, das zumindest aus römischer Sicht die meisten östlichen Stämme Klientelfürstentümer waren.
Vielleicht hatten die Römer auch einfach erkannt, daß sie weder die Germanen noch die Parther schlagen konnten, ohne das Reich, mindestens aber die Person des Kaisers und Feldherrn in ernsthafte Gefahr zu bringen.
Denn dazu hätte man in Germanien wohl bis an die Weichsel und in Persien bis zu den östlichen Hängen des Zagros-Gebirge, wo die großen Wüsten des zentralen Hochplateaus beginnen, vorrücken müssen. So hätte man geschätzte 80% der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Persiens kassiert und jeden Gegenangriff langfristig extrem erschwert.
Aber das hätte die römische Wirtschaft und seine militärischen Möglichkeiten bis an die Grenze zum Kollaps belastet. Am Ende hätte das römische Reich an Germanien oder Persien bereits im 2ten Jhdt. zerbrechen können. Vielleicht waren die römischen Kaiser einfach zu gut, um sich auf so einen gefährlichen Unfug einzulassen.
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