Deutung der Höhlenmalerei

Dieter

Premiummitglied
Bekanntlich schufen die Menschen vor über 20 000 Jahren eine farbenprächtige und vitale Höhlenmalerei, die besonders in Südfrankreich und Spanien zu funden ist.

Aber wie soll man sie deuten - Beschwörung des Wildes, Jagdzauber, religiöse Riten?

Gibt es dazu neuere Erkenntnisse?
 
Was soll es denn für neue Erkenntnisse geben? Es gibt doch eigentlich nicht einmal alte Erkenntnisse, nur alte und neue Spekulationen. Mehr als spekulieren (und die Ergebnisse als Erkenntnisse ausgeben) kann man mangels jeglicher schriftlicher Quellen, die einen Einblick in Leben und Denkweise der damaligen Menschen geben würden, auch nicht.
 
Ein bisschen kann man schon tun. Die Art der gemalten Dinge und ihre Anzahl in Bildform kann man in einen Kontext zur Umgebung dieser Menschen setzen. Und darüber feststellen welche Sachen überproportional gezeichnet wurden.

Auch bei einzelnen Bildertypen kann man Aussagen treffen. Die Handsilhouetten beispielsweise hatten sehr wahrscheinlich einen medizinischen Hintergrund - es finden sich einfach überproportional viele verletzte Hände. Und zumindest dieses Beispiel zeigt dass dort nicht nur um der Darstellung willens gearbeitet wurde.

Aber tiefergehende Erkenntnisse sind dort wohl nicht zu erwarten, und man muss sich auch im klarem sein dass wir über einen sehr großen Zeitraum reden. Die eine bestimmende und gleichbleibende Bedeutung wird es wohl überhaupt nicht gegeben haben.
 
Auch bei einzelnen Bildertypen kann man Aussagen treffen. Die Handsilhouetten beispielsweise hatten sehr wahrscheinlich einen medizinischen Hintergrund - es finden sich einfach überproportional viele verletzte Hände. Und zumindest dieses Beispiel zeigt dass dort nicht nur um der Darstellung willens gearbeitet wurde.
Ich würde da nicht zu viel hineininterpretieren wollen. Kann auch sein, dass umgekehrt die "Künstler" bevorzugt unter verletzten Händen litten, oder verletzte Hände, wegen gefährlicher Tätigkeiten, damals recht häufig waren.
Für mich sind diese Bilder, die Malereien, eher aus dem Wunsch heraus entstanden, sich, seine Sippe und die wichtigsten Dinge im Leben darzustellen. Also eher banal als sakral.
 
Ist es denn überhaupt sicher, dass es sich dabei um Verstümmelungen handelt? Kann man ausschließen, dass die nicht abgebildeten Fingerglieder nicht fehlen, sondern bei der Erstellung der Abdrücke einfach abgeknickt waren? Könnten Handzeichen sein, oder Zahldarstellungen, oder der coole Handshake, der damals gerade "in" war... ;)
 
Für mich sind diese Bilder, die Malereien, eher aus dem Wunsch heraus entstanden, sich, seine Sippe und die wichtigsten Dinge im Leben darzustellen. Also eher banal als sakral.
Die Orte wo manche Höhlenmalereien (Sichtbarkeit, Arbeitsumstände) gefunden werden sprechen ganz eindeutig gegen einen banalen Grund.
Man findet Höhlenmalereien häufig an Orten, wo man sie ohne künstliches Licht (dazu zähle ich auch Fackeln) gar nicht sieht oder wo die Luftzufuhr so schlecht ist, dass man dort nie länger als eine Stunde arbeiten kann, ohne mit Sauerstoffmangel konfrontiert zu werden. Manchmal bedarf es auch körperlicher Anstrengungen überhaupt zu den Orten zu gelangen, wo die Höhlenmalereien zu finden sind.
Einer der größten Kritikpunkt der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an sich selbst ist ja, dass Dinge gerne a priori als "kultisch" interpretiert werden. Im Falle der Höhlenmalerei muss man das aber wohl so annehmen, gerade wenn die Malereien wegen der Lichtverhältnisse eigentlich unsichtbar sind oder an nur schwer zugänglichen Stellen, wo die Sauerstoffzufuhr ein reales Problem darstellt. Man mag sich überlegen, ob die in Kauf genommenen Strapazen eine Malerei an einer abgelegenen Höhlenwand zu fertigen, nicht vielleicht auch eine Ort Opfer sind, z.B. als eine Gegenleistung für den Geist des schon erlegten oder noch zu erlegenden Tiers.
 
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Einer der größten Kritikpunkt der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an sich selbst ist ja, dass Dinge gerne a priori als "kultisch" interpretiert werden. Im Falle der Höhlenmalerei muss man das aber wohl so annehmen, gerade wenn die Malereien wegen der Lichtverhältnisse eigentlich unsichtbar sind oder an nur schwer zugänglichen Stellen, wo die Sauerstoffzufuhr ein reales Problem darstellt. Man mag sich überlegen, ob die in Kauf genommenen Strapazen eine Malerei an einer abgelegenen Höhlenwand zu fertigen, nicht vielleicht auch eine Ort Opfer sind, z.B. als eine Gegenleistung für den Geist des schon erlegten oder noch zu erlegenden Tiers.
könnte man diese Unbequemlichkeit nicht auch als Schutz der Bilder deuten, d.h. an den schwer zugänglichen Örtlichkeiten erhalten sich solche Malereien weitaus besser als etwa unter freiem Himmel? In diesem Sinne können nach wie vor die Bildinhalte kultisch sein, ihre Anbringung aber würde profan realistische Ursache haben.
 
Teilweise findet man solche Höhlenmalereien im hinterletzten Winkel einer Höhle, mehrere km vom Höhleneingang, Licht und Frischluft entfernt. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man diese Strapazen aus konservatorischen Gründen auf sich genommen hat, zumal vielleicht der direkte Einfluss von Regen und mit ein wenig Beobachtung auch von Licht auf die Malereien negative Auswirkungen gehabt haben mag. Aber das rechtfertigt kaum derlei Anstrengungen.
 
Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man diese Strapazen aus konservatorischen Gründen auf sich genommen hat, zumal vielleicht der direkte Einfluss von Regen und mit ein wenig Beobachtung auch von Licht auf die Malereien negative Auswirkungen gehabt haben mag. Aber das rechtfertigt kaum derlei Anstrengungen.
in eher bewohnbaren, belüfteten und mit Feuer beheizten Höhlenabschnitten könnte die Rußentwicklung den Felsmalereien abträglich sein (?) - ich nehme an, dass die strapaziös zu erreichenden abgelegeneren Abschnitte für solche Bilder bessere Bedingungen bieten. Und das schließt ja keinesfalls aus, dass die Bildinhalte kultisch waren.
Hingegen der Gedanke, dass die Strapazen quasi gottgefällig sein könnten, erscheint mir zu modern :) (da schwingt irgendwie christliche Askese mit)
 
In der Archäologie ist vom Höhlenmenschen allerdings keine Rede mehr. Der Höhlenmensch, also der Homo Sapiens Sapiens als Höhlenbewohner, gilt als veraltetes Konstrukt. Allenfalls die Höhleneingänge waren wohl bewohnt, aber meist lebte man doch eher in primitiven Hütten oder - wenn höhlenartig - unter Abris. (Abri = Felsüberhang)
 
Höhlenmalerei

Hallo

@El Quijote
Die Orte wo manche Höhlenmalereien (Sichtbarkeit, Arbeitsumstände) gefunden werden sprechen ganz eindeutig gegen einen banalen Grund.
Man findet Höhlenmalereien häufig an Orten, wo man sie ohne künstliches Licht (dazu zähle ich auch Fackeln) gar nicht sieht oder wo die Luftzufuhr so schlecht ist, dass man dort nie länger als eine Stunde arbeiten kann, ohne mit Sauerstoffmangel konfrontiert zu werden. Manchmal bedarf es auch körperlicher Anstrengungen überhaupt zu den Orten zu gelangen, wo die Höhlenmalereien zu finden sind.
Dem möchte ich vehement widersprechen.
Wenn man sich die Analyse von Andre Lreoi-Gourhan, Prähiostorische Kunst, 1982, S,569 (Analyse der Fundorte Parietaler Kunst, nach Stilrichtung und topographischer Anordnung) ansieht, ist nur ein geringer Prozentsatz in großer Höhlentiefe und schwiegigem Zugang zu finden. Der weitaus größte Teil ist im Eingangsbereich und im Tageslichtbereich zu finden. Prozentual liegen die meisten Malereien, durch alle Stile, durchgängig im Mittleren Bereich der Höhle (was hier 30-50m vom Eingang entfernt definiert wird).

Ich halte die Höhlenmalereien, wie andere auch schon geäußert haben, eher für eine Freizeitbeschäftigung und eine Ausdrucksmöglichkeit ihre Umwelt darzustellen, mangels Schrift.

Zm anderen, €El Quijote, da dieselben Motive auch auf profanen Gegenständen auftauchen, entfällt m.M. der sakrale Grund.
Hier mehr als "einfache" Bilder zu sehen, ist mehr als Spekulation.

Ich möchte hier mal ein Beispiel anführen aus einer Sendung (wohl BR) bei der: In Österreich, oder einem anderen europ. Land, wurde in einer bronzezeitl. Siedlung ein Haus als "Haus des Zauberers" von den Archäologen gedeutet. Dort fand man man sehr viele zerstörte Tonfiguren von Tieren und deutete dies als Jagdzauber, bei dem die Tontiere rituell getötet, also zerstört wurden.
Neuere Untersuchungen haben dann Fingerabdrücke auf den Tonscherben gefunden und diese jetzt vermessen, was fand man: es handelte sich um Kinderabdrücke von 6-12 Jahren, das "Haus des Zauberers" entpuppte sich so als Kindergarten der Siedlung.

So viel zur Interpretation von Funden :D

mfg
schwedenmann
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem möchte ich vehement widersprechen.
Wenn man sich die Analyse von Andre Leroi-Gourhan, Prähistorische Kunst, 1982, S. 569 (Analyse der Fundorte Parietaler Kunst, nach Stilrichtung und topographischer Anordnung) ansieht, ist nur ein geringer Prozentsatz in großer Höhlentiefe und schwierigem Zugang zu finden. Der weitaus größte Teil ist im Eingangsbereich und im Tageslichtbereich zu finden. Prozentual liegen die meisten Malereien, durch alle Stile, durchgängig im Mittleren Bereich der Höhle (was hier 30-50m vom Eingang entfernt definiert wird).

Wo ist denn da der vehemente Widerspruch?

Die Orte wo manche Höhlenmalereien (Sichtbarkeit, Arbeitsumstände) gefunden werden sprechen ganz eindeutig gegen einen banalen Grund.
Man findet Höhlenmalereien häufig an Orten, wo man sie ohne künstliches Licht (dazu zähle ich auch Fackeln) gar nicht sieht oder wo die Luftzufuhr so schlecht ist, dass man dort nie länger als eine Stunde arbeiten kann, ohne mit Sauerstoffmangel konfrontiert zu werden. Manchmal bedarf es auch körperlicher Anstrengungen überhaupt zu den Orten zu gelangen, wo die Höhlenmalereien zu finden sind.
Meine Behauptung, kurzgefasst: Gegen eine profane Begründung für die Existenz von Höhlenmalerei spricht, dass sie manchmal an schwer zugänglichen Orten zu finden und ohne Licht kaum zu sehen ist.
Dein "vehementer Widerspruch": Das ist gar nicht immer so.

Mit den Tieren rennst du bei mir offene Türen ein, du erinnerst dich an die Diskussion mit den angeblichen Frauenfiguren, von denen viele gar nicht so eindeutig als Frau zu identifizieren waren?
 
Malereien

Hallo

Ich störte mich an dieser Aussage
Man findet Höhlenmalereien häufig an Orten

In der Tabelle von Gourhan sind diese Stellen aber eindeutig in der Minderheit.

Man könnte dies ev. auch durch Platzprobleme interpretieren, wenn man sich mal entschlossen hat, an einer Stelle zu beginnen wird eben weitergemalt, auchs wenn es dort enger, unbequemer ist.

Das einges ev. sakralen Charakter hat will nicht gänzlich ausschließen, da sind mir dann aber Orte in den Höhlen lieber, die eindeutig einen soclhen Vharakter habne (in einer Höhle (Font-de-Gaume o. Peche-Merle ??)) gibt es eine "Bärenskultur", die außerst unzugänglich ist, nur duch eine Syphon zu erreichen, da würde ich den sakralen Charakter sofort bejahen, aber bei den Malerien, bin ich mir mehr als unsicher, jedenfalls überwiegend ein nein von mir, als sakrale Kunst.

Bei der Figurendiskussion die du ansprichst "Madonnen" scheint die Forschung ja mittlerweile sogar zu Kinderspielzeug zu tendieren.

Solange keine schriftzl. Quellen da sind, sind mir Unterpretationen zur Geisteswelt, oder Vorstellungswelt der Vorzeitmenschen sehr suspekt.


mfg
schwedenmann
 
Wir haben wohl ein unterschiedliches Verständnis des Wortes häufig. Sei's drum...

Solange keine schriftl. Quellen da sind, sind mir Interpretationen zur Geisteswelt, oder Vorstellungswelt der Vorzeitmenschen sehr suspekt.
Genau deshalb wies ich ja darauf hin, dass
Einer der größten Kritikpunkt der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie an sich selbst ist [...], dass Dinge gerne a priori als "kultisch" interpretiert werden.

Nichtsdestotrotz sollte man die Orte, die für Höhlenmalereien gewählt werden, gerade dann, wenn es Ort sind, die sonst niemand aufsuchen würde oder die schwer zugänglich sind, an denen man die Malereien nicht sehen kann oder wo man nur mit Unterbrechungen arbeiten kann, eben weil die Luft hier nur Minuten ausreicht, bei der Interpretation der Malereien berücksichtigen.
 
Die Petroglyphen,sind meistens auch an schwer zugänglichen Orten.

Im franz.fasst man jetzt Malereien und Petroglyphen unter dem Namen Art pariétal also Wandkunst zusammen.
 
Teilweise findet man solche Höhlenmalereien im hinterletzten Winkel einer Höhle, mehrere km vom Höhleneingang, Licht und Frischluft entfernt. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man diese Strapazen aus konservatorischen Gründen auf sich genommen hat, zumal vielleicht der direkte Einfluss von Regen und mit ein wenig Beobachtung auch von Licht auf die Malereien negative Auswirkungen gehabt haben mag. Aber das rechtfertigt kaum derlei Anstrengungen.

Man könnte auch vermuten, dass der Australopithecus Afarensis aus kultischen Gründen gerne über frische Vulkanasche lief. :D
Der Einwand von Dekumatland ist immerhin plausibel während der kultische Ansatz nicht einmal das ist.

hatl

P.S.:
Ich wundere mich ja immer über die hohe Deutung früher Kunst.
Ist denn schon jemand auf die Idee gekommen, dass etwa dieses "kultische Objekt" schlicht und einfach eine Wichsvorlage hätte sein können?
Wie heisst es doch so schön bei Goethes Faust:
Wagner:

Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

Faust:

O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
 
Die Orte wo manche Höhlenmalereien (Sichtbarkeit, Arbeitsumstände) gefunden werden sprechen ganz eindeutig gegen einen banalen Grund.
Vielleicht ist das Wort banal auch etwas überspitzt. Ich fand es nur sinnig im Wortspiel mit sakral. Muss selbstverständlich nicht jeder verstehen.
Allerdings, muss jede menschliche Kreativität sofort mit etwas übernatürlichem verbunden werden? Darf der Mensch nicht einfach (ganz banal) Mensch sein? Ich bin sehr gerne nur Mensch. Sorry, muss er denn immer etwas Höherem dienen?
 
muss jede menschliche Kreativität sofort mit etwas übernatürlichem verbunden werden?
Nein, das behauptet aber auch niemand. Die Frage ist doch vielmehr, warum manche Höhlenmalereien so angelegt sind, dass sie niemals jemand betrachten konnte, ohne dafür Strapazen auf sich zu nehmen und dass sie niemals mit Tageslicht in Berührung kämen. Man kann das natürlich ignorieren, meines Erachtens bedarf es da aber einer Erklärung.

Der Einwand von Dekumatland ist immerhin plausibel während der kultische Ansatz nicht einmal das ist.

Warum sprichst du dem kultischen Ansatz die Plausibilität ab? Was meinst du denn sei eine plausible Erklärung, dass Menschen Bilder an Wänden anbrachten, wo sie diese nie ohne Anstrengungen würden ansehen können, etc.?
 
Nein, das behauptet aber auch niemand. Die Frage ist doch vielmehr, warum manche Höhlenmalereien so angelegt sind, dass sie niemals jemand betrachten konnte, ohne dafür Strapazen auf sich zu nehmen und dass sie niemals mit Tageslicht in Berührung kämen. Man kann das natürlich ignorieren, meines Erachtens bedarf es da aber einer Erklärung.
die von dir vorgeschlagene Erklärung, dass die Strapazen gleichsam mit der Heiligkeit des Anliegens korrespondieren, wirkt wie eine Übertragung spätantiker religiöser Askeseübungen (bzw. deren religiöser/kultischer Motivation) auf die Frühzeit - und das ist eine pure Spekulation, wenn es so gemeint sein sollte ((aber wie könnte das mit den Strapazen und dem Kultischen anders gemeint sein?))
 
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