Das Gefecht in der Dänemarkstraße

Vielleicht ist es ein Ansatz, hier Ebenen zu unterscheiden.

Zunächst die Admiralität: das 2:1-Verhältnis war von der Papierlage her völlig ausreichend, der Bismarck-Gruppe den Weg zu verlegen und die hohe Kräftebindung einer monatelangen, wenig erfolgversprechenden Jagd im Atlantik (ohne die Möglichkeit einer Konzentration, die der Bismarck gefährlich werden konnte) zu vermeiden. Möglich wäre ein 3:1 bzw. 4:1 gewesen, wenn Tovey rechtzeitig die "KGV" eingegliedert hätte, was er aber aufgrund der noch ungeklärten Absichten der Bismarck-Gruppe 24 Stunden unterließ. So befand sich die KGV mit dem Träger "Victorious" (zu der "Repulse" gestoßen war) noch rd. 350 Seemeilen hinter Holland, als dieser ins Gefecht fuhr. ...

@silesia

Diese "Ebenenbetrachtung" ist korrekt, erlaube mir bitte, dieser zu folgen.

Die militärstrategische Ebene von UK war katastrophal, Du hast das w.o. beschrieben.

Die "Papierlage" der Admiraltät war hinsichtlich des Stärkeverhältnisses auch o.k.

Nur jetzt kommt mein Einwand, Roosevelt brauchte einen britischen Sieg, in diesem "Schlamassel", und zwar dringend; um innenpolitisch punkten zu können. Die RN hat den ja dann auch hinbekommen mit ihrem Erfolg bei der "Jagd auf die Bismarck". Aber warum dann keine proaktive, sondern eine postaktive Kräftekonzentration, die ja offensichtlich möglich war und nachträglich auch wurde?

Die 1:1 Gefechtsfreigabe der Bismarck konnte kein britischer Admiralsstabsoffizier voraussehen, wohl aber die politischen Auswirkungen eines Gefechtsabruches durch britische Schlachtschiffe in einem Seegefecht, das hätte durch eine proaktive Kräftekonzentration vermieden werden können. Roosevelts politische Lage hat diese Fehleinschätzung bestimmt nicht genützt, sondern sie war kontraproduktiv. Das, wäre meine "Metaebene", bei der Einschätzung des Seegefechtes.

M.:winke:
 
Wie sah denn die Lage aus Sicht von Tovey aus:

Datei:Rheinuebung Karte.png ? Wikipedia

Bismarck und PE waren irgendwo nordöstlich von Island, Standort, Kurs und genaue Absichten unbekannt. Es gab viele Möglichkeiten, sogar eine evtl. Invasion Islands war a. G. eines Zusammentreffens mit Frachtschiffen im Kattegatt in Erwägung gezogen worden.

Möglichkeiten, die abzudecken waren, gab es viele:
1. Bismarck und PE brechen zum Handelskrieg in den Atlantik durch, entweder
a) durch die Dänemarkstr. nördl. Island oder
b) südl. durch die Enge Island - Faröer (wie beim ersten Versuch Unternehmen Berlin).
2. Bismarck unterstützt nur den Durchbruch des Kreuzers indem sie die Bewachungskräfte aufrollt.
3. Beide Schiffe greifen nur die Überwachung an (wie bei Rawalpindi)
4. Beide sollen nur im Nordmeer britische Kräfte binden und vom Mittelmeer fernhalten.

Davon waren 1a) und 1b) die im Augenblick bedrohlichsten Szenarien. Positioniert sich Tovey zu früh oder zu weit nördlich, bspw. alle schweren Einheiten Richtung Dänemarkstr. und Lütjens wählt die südl. Route, wäre die dt. Kampfgruppe auf Grund der vorlichen Position durch, selbst wenn sie von den Kreuzern gesichtet würde.

Dann wären sowohl militärischer als auch "politischer" Schaden entstanden.

Bleibt Tovey mit allen Streikräften südl. Island kommt er nicht rechtzeitig zur Dänemarkstraße. Ergebnis wie oben. Also blieb nur die Möglichkeit die eigenen Kräfte zu teilen um beide Möglichkeiten auszuschließen.

Und man darf nicht vergessen, primäres Ziel der Admiralität war der Schutz des eigenen Handels, nicht die Versenkung der Bismarck. Sobald man ins Gefecht kam, war die Möglichkeit gegeben den Deutschen Schäden zuzufügen, die sie zum Abbruch des Unternehmens zwingen. Es kam also primär darauf an, ein Gefecht herbeizuführen - und das hat geklappt.

Theoretisch hätten die Briten gar nicht kämpfen müssen, es hätte vollkommen ausgereicht, wenn sie die dt. Schiffe non stop unter Beobachtung gehalten hätten, bis ihnen der Treibstoff ausging. (OT: Als PE ihren Tanker fand, hatte sie nur noch Treibstoff für wenige Stunden, mitten im Atlantik!).

Kurz noch zur Geschwindigkeit, auch Hood war im Mai 1941 schon etwas langsamer unterwegs, es werden Höchstgeschwindigkeiten von 28 - 30 kn genannt. Dazu kommt der knappe Fahrbereich, insbesondere bei hoher Fahrt, dann schrumpft die Reichweite mal schnell von imposanten 5.000 sm bei 18 kn auf vielleicht 1.500 sm bei 28 kn. Für eine längere Verfolgung waren weder Hood noch Repulse geeignet. Selbst KGV bekam ja am Ende noch Probleme.

Den einzelnen Durchbruch der PE (2.) deckte man ebenfalls ab, wobei die Gefahr für die Geleitzüge deutlich geringer war. Gegen ein Operieren der Bismarck nördlich von Island hatte man keine Kräfte frei.

Bzgl. der angesprochenen Ebenen, also mir genügen die drei vorhandenen, wie von silesia angesprochen völlig:
- politisch (z. B. Churchill - Roosevelt)
- strategisch (Schutz des Handels als wichtigste Aufgabe)
- operativ / taktisch, die Erreichung des strategischen Ziels.
Jede Ebene hat ihre eigenen Regeln und Rahmenbedingungen. Das Übertragen von einer in die andere ist bei einer Analyse wenig hilfreich und einem Verständnis der Abläufe nicht dienlich.

... Die 1:1 Gefechtsfreigabe der Bismarck konnte kein britischer Admiralsstabsoffizier voraussehen, wohl aber die politischen Auswirkungen eines Gefechtsabruches durch britische Schlachtschiffe in einem Seegefecht, das hätte durch eine proaktive Kräftekonzentration vermieden werden können. Roosevelts politische Lage hat diese Fehleinschätzung bestimmt nicht genützt, sondern sie war kontraproduktiv. Das, wäre meine "Metaebene", bei der Einschätzung des Seegefechtes.

Ein Angriff Bismarcks auch auf Geleitzüge in Begleitung eines alten Schlachtschiffes wurde als Bedrohung angenommen,. vgl. Telegramm Churchill an Roosevelt.
Die politischen Folgen bei einem Durchbruch der Dt., weil sich die RN zu einem Stelldichein an anderer Stelle im Atlantik eingefunden hat, wäre weitaus höher gewesen, von den militärischen mal ganz zu schweigen.

Zum geplanten Anmarsch von Holland (Hood, PoW) möchte ich mich auf ein Zitat beschränken:
Holland’s Original Plan:
Holland was clearly an able commander, not only had he grasped the problems with radar, his original plan and interception course was excellent;17 highlighting the ability that is shown in his records. It was only an unfortunate turn of events which soured his situation. The German ships were heading in a south westerly direction, while the British squadron were sailing north westerly. This enabled Holland to, in effect, cross the path of the German ships baring their progress into the Atlantic for his planned attack at around 0200 on the morning of the 24th.18 The advantage would be in the British favour with the element of surprise. This advantage also included the weight of heavy guns, as the German ships would be limited to their forward guns, while the British could use the full weight of their broadsides. Additionally, the Germans would be silhouetted against the setting sun. At those latitudes sunset was around that time and did not totally disappear; thus making the Germans very visible while Holland would be covered by the comparative dark. To maximise this advantage Holland wished to attack Bismarck from her port bow.19 Holland’s wish to attack at 0200 is clear, as is shown by his screening orders to the destroyers issued at 2110 on the 23rd May.20 Holland also ordered action stations around midnight - a clear indication he planned the action earlier than actually it happened at 0537. 21 Holland had done well. He had achieved the perfect position for attack; he even adjusted he course at 2300 by 10 degrees to keep ahead of the enemy and his advantage. As things stood he stood a good chance of victory: he knew the location of the enemy, had the benefit of surprise, and a greater weight of heavy guns. Holland held all the aces, had read the situation well, and was set to take advantage of his chance.
(aus H.M.S. Hood Association-Battle Cruiser Hood–The History of H.M.S. Hood: Putting VADM Holland's Actions During the Battle of the Denmark Strait into Context - A Dissertation by Tim Woodward)

Abschließend möchte ich noch einmal um das Aufzeigen konkreter Alternativen bitten. Proaktiv, Kräftekonzentration und Metaebenen klingt zwar ganz hübsch, ist mir aber zu unkonkret.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hollands Ansatzplanung in der Nacht ist gut beschrieben. Sie schlug wegen der Unwägbarkeiten fehl, war aber deshalb nich fehlerhaft.

Bei Tovey würde ich etwas ergänzen:

1. das Umfeld der Transportverluste, die bereits mehrere Monate die Neubaukapazitäten überstiegen.

2. die vorlaufenden Operationen von SH/GN, Scheer und Hipper, die monatelang und erfolglos gejagt im Atlantik herumschipperten, Schiffsraum versenkten und den Konvoiverkehr durcheinander brachten, insbesondere für die abstruse Situation sorgten, Konvois durch einzelne britische Schöachtschiffe zu begleiten.

3. die Lage mit SH/GN und Hipper in Brest, von denen unklar war, wann sie wieder ausbrechen würden, und gegen die Kräfte vorgehalten werden müssten

4. die eskalierende Situation im Mittelmeer, bei der die Gibraltar-Streitkräfte eigentlich nicht abkömmlich waren

und 5. - bislang nicht erwähnt - die Drohung, dass mit Tirpitz das zweite moderne Schlachtschiff einsatzfähig werden würde.

Es hat nicht viel gefehlt, dass statt der Kombination BS/PE die Kombination BS/TP aufgetreten wäre. Ursache waren u.a. Verzögerungen durch britische Bombenangriffe 1940 und die Verlegung in die Ostsee. Noch im April wurde diskutiert, ob die nicht "eingefahrene" Tirpitz (ähnliche Lage wie britischerseits die PoW) die Bismarck begleitet, was von deren Kommandanten gewünscht wurde. In einer Unterredung von Lütjens und Raeder wurde das schließlich verworfen. Außerdem war man bei der Kriegsmarine offenbar unter Zeitdruck, die Bismarck wegen des bevorstehenden Barbarossa-Feldzuges (das spielte in den Gesprächen eine Rolle) "herauszubringen", und wollte nicht 6 bis 8 Wochen abwarten. Die weitere Alternative, beide deutsche Schlachtschiffe zum Blocken einer (erwartbaren!) Versorgungslinie nach Murmansk zu benutzen, dem britischerseits nichts entgegen gesetzt werden könnte, hat man nicht einmal erwogen.

Jedenfalls wäre die Situation aus Sicht von Tovey durch das im Juni oder Juli mögliche Auftreten des vierten deutschen Schlachtschiffes (jedenfalls nach den britischen Erwartungen) noch weniger beherrschbar geworden.
 
...
Jedenfalls wäre die Situation aus Sicht von Tovey durch das im Juni oder Juli mögliche Auftreten des vierten deutschen Schlachtschiffes (jedenfalls nach den britischen Erwartungen) noch weniger beherrschbar geworden.

Sehe ich auch so, zumal BS/TP auch aus Gründen der Seeausdauer besser harmoniert hätten, PE war a. G. der geringen Reichweite für einen Atlantikeinsatz nur bedingt geeignet.

Noch eine kleine Anmerkung zur Dislokation der dt. Streitkräfte:
Admiral Hipper hatte Brest am 15.3. verlassen und war unbemerkt durch die Dänemarkstrasse nach Kiel gelaufen, dass er am 28.3.1941 erreichte. Vom 26.3. - 1.4 war Admiral Scheer ebenfalls unbemerkt und unter Einsatz des eigenen Funkmeßgerätes durch die Dänemarkstrasse zurückgekommen.

Knackpunkt des Unternehmens Rheinübung auf dt. Seite war m. E. der unbemerkte Durchbruch, hier hätte Lütjens, wie zuvor bei Berlin, abbrechen und abwarten müssen - warum er diesmal anders entschieden hat, darüber kann man wohl nur spekulieren.
 
@Stephan2

Ich bin weder Marineexperte oder Marinehistoriker, ich schrieb dieses w.o. schon und werde mich als dilletierender Diskutant aus marinetaktischen bzw. marineoperativen Fragen heraushalten, da sind andere viel berufener.

Was mich interessiert, ist vielmehr das Spannungsverhältnis dieses Seegefechtes inkl. der immer noch symbolstarken Rezeptionsgeschichte und der Fragestellung, war es in dieser Konstellation notwendig?

Erlaube mir ein Resumee der bisherigen Diskussion.

Notwendig wurde es, nach erfolgter Gefechtsfreigabe der Admiralität an Holland.

Holland blieb ab diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, eine Nichtbefolgung wäre für ihn persönlich undenkbar und allen Gepflogenheiten/Traditionen der RN entgegenlaufend gewesen; für UK wahrscheinlich eine "propagandistische Katastrophe" insbesondere unter Einbeziehung der politisch-strategischen Gesamtsituation, die w.o. prägnant dargestellt wurde. Die taktische Ausführung des Befehles war offensichtlich vollkommen lege artis, jedenfalls finde ich niergendwo Gegenteiliges.

Daß das "Kriegsglück" der RN in dem Seegefecht abhold war, ist zu konstatieren.

Daß die "Papierlage", ein 2:1 Gefecht anzunehmen, aus marineoperativer Sicht wahrscheinlich hinnehmbar wäre, enthält bereits die erste entscheidungstheoretische Fehlerquelle und zwar das Nichterkennens des Vabanque-Spiels des OKM/SKL. Die 1:1 Gefechtsfreigabe war unbekannt, das strategische Vabanque-Spiel hätte aber erkannt sein und bei Entscheidungsprozessen dieser Reichweite antizipiert werden müssen.

Durch die Gefechtsfreigabe an Holland hat sich die Admiralität auf das Vabanque-Spiel eingelassen und wie ich silesias und Deinem Beitrag entnehme, durchaus mit Handlungsalternativen, Herstellung eines 3:1 bzw. 4:1 Verhältnisses bzw. Fühlung halten und ersteinmal nichts unternehmen.

Das ist aus meiner Sicht, die zweite entscheidungstheoretische Fehlerquelle, und zwar die lege artis Unterstellung beim Gegner.

Die dritte Fehlerquelle war m.E. die offensichtliche Divergenz zwischen operativer Befehlslage bzw. Kriegsführung und strategisch-politischer Ausrichtung der Kriegsführung. Da man immer im risk controlling traditionelles handeln der Protagonisten unterstellen muß, wäre es Aufgabe eines vorgeordneten Stabes gewesen, die Admiraltät auf die wahrscheinliche irrationale Seekrieggsführung zumindest aufmerksam zu machen, um die operative Befehlslage der politisch-strategischen Gesamtlage anzupassen.

M.
 
@melchior: ich glaube, Dein Ansatz einer strategisch-politischen Priorität, und unter dem Aspekt das Risiko des Abwartens zu "nehmen", ist gut deutlich geworden.

Unter dieser Betrachtungsweise ist von beiden Seiten "Vabanque" gespielt worden, und wie beim Schach verliert derjenige, der den letzten Fehler begeht.


Noch einmal zu Holland als frischgebackenen Admiral einer Schlachtschiffgruppe. Ich habe keine Quellenkenntnis, welche Gefechtstaktiken ihm angeraten worden sind, aber gemessen am Beispiel der deutschen Seite könnte das wie folgt ausgesehen haben (der Fall "blau" gegen "gelb" entspricht dem Aufeinandertreffen von Bismarck und PoW bzw. KGV) - Holland verhielt sich tatsächlich so, wie hier in einem Szenario beschrieben: Unterlaufen des frühen Beschusses, Führen eines Buggefechts und Annäherung bis auf 15 km - das deutsche Szenario sah dieses als "günstig" an, um entscheidende Treffer bis zur gewünschten Annäherung zu erzielen, genau so, wie geschehen):
 

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Also Marineexperte bin ich auch nicht, :winke:, mich interessiert die Sache rein privatim.

Was mich interessiert, ist vielmehr das Spannungsverhältnis dieses Seegefechtes inkl. der immer noch symbolstarken Rezeptionsgeschichte und der Fragestellung, war es in dieser Konstellation notwendig?

Da mir der Ausdruck "Rezeptionsgeschichte" nicht geläufig ist, er im GF aber oft und gern genutzt wird, bitte ich gelegentlich um eine einfache, nachvollziehbare Erklärung in welcher Bedeutung er hier verwandt wird. Die Suche im Internet war leider wenig ergiebig. Darüberhinaus muss ich zugeben, dass ich von obigen Absatz schlicht nur verstanden habe, dass es um das Gefecht in der Dänemarkstrasse geht.

Notwendig wurde es, nach erfolgter Gefechtsfreigabe der Admiralität an Holland.

Das ist zu kurz gesprungen. Die Admiralität war, wie alle anderen Akteure, ein Gefangener der aktuellen Kriegslage, sie stand nicht außer- oder oberhalb und konnte nach Belieben entscheiden. Diese Sachzwänge wurden bereits ausführlich erörtert.

Holland blieb ab diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, eine Nichtbefolgung wäre für ihn persönlich undenkbar und allen Gepflogenheiten/Traditionen der RN entgegenlaufend gewesen; für UK wahrscheinlich eine "propagandistische Katastrophe" insbesondere unter Einbeziehung der politisch-strategischen Gesamtsituation, die w.o. prägnant dargestellt wurde. Die taktische Ausführung des Befehles war offensichtlich vollkommen lege artis, jedenfalls finde ich niergendwo Gegenteiliges.

Die taktische Gefechtsführung durch Holland war und ist wohl durchaus nicht unumstritten, wie ein flüchtiger Blick auf den ersten Absatz der die in #45 verlinkte Arbeit von Tim Woodward zeigt:

How far was Vice Admiral Holland to blame for the loss of his flagship, the heavy damage suffered by HMS Prince of Wales, and consequently, the failure to sink the Bismarck in the Battle of the Denmark Strait in May 1941? This is a question that many authors have endeavoured to address in the decades since Hood's loss. The findings vary but most efforts lay the blame squarely on the actions of VADM Lancelot Holland. Such critiques are largely unfair though as they benefit from hindsight and do not address the actions from Holland's point of view. Indeed, if one were to put themselves in Holland's shoes and view the situation knowing what he knew at that time, one can gain a new appreciation for the difficult task he was faced with. In short, VADM Holland has been unfairly maligned for years.

Untern Strich bleibt aber festzuhalten, dass er den Grundstein für das Scheitern der Rheinübung legte.

Daß das "Kriegsglück" der RN in dem Seegefecht abhold war, ist zu konstatieren.
Ja, aber nicht gänzlich, erstens wurden Treffer beim Gegner erzielt, die diesen zumindest zu einer Unterbrechung des Unternehmens zwangen, zweitens versäumte es Lütjens, PoW zu versenken, obwohl zeitweise 80% ihrer Artillerie ausgefallen waren.

Daß die "Papierlage", ein 2:1 Gefecht anzunehmen, aus marineoperativer Sicht wahrscheinlich hinnehmbar wäre, enthält bereits die erste entscheidungstheoretische Fehlerquelle und zwar das Nichterkennens des Vabanque-Spiels des OKM/SKL. Die 1:1 Gefechtsfreigabe war unbekannt, das strategische Vabanque-Spiel hätte aber erkannt sein und bei Entscheidungsprozessen dieser Reichweite antizipiert werden müssen.
Die Darstellung als Vabanquespiel entspricht weder dem Operationsplan noch der Durchführung durch Lütjens, es sei dann man betrachtet jeden etwas gefährlicheren Einsatz als Vabanque. Dann ist der Begriff im Zusammenhang mit Kriegshandlungen aber nicht brauchbar. Am ehesten könnte man noch das Beibehalten der Prinz Eugen in der Gefechtslinie als Vabanque bezeichnen, denn jeder Treffer hätte für den nur leicht gepanzerten Kreuzer fatale Folgen haben können.

Passend zu der in den Raum gestellten "entscheidungstheoretischen Fehlerquelle" wäre die Anführung des Pendants, nämlich der "entscheidungstheoretischen richtigen Aktion" - so bleibt es nur Spekulation.

Durch die Gefechtsfreigabe an Holland hat sich die Admiralität auf das Vabanque-Spiel eingelassen und wie ich silesias und Deinem Beitrag entnehme, durchaus mit Handlungsalternativen, Herstellung eines 3:1 bzw. 4:1 Verhältnisses bzw. Fühlung halten und ersteinmal nichts unternehmen.

Also da hast Du zumindest meinen Beitrag gründlich mißverstanden. Bei der vielgepriesenen Konzentration der Kräfte hätte m. E. aus Sicht der Admiralität eine 50%-Chance für Bismarck bestanden ohne Gefechtsberührung in den Atlantik durchzubrechen - mit der gewählten Verteilung der Streitkräfte lag die Wahrscheinlichkeit für eine Gefechtsberührung bei nahezu 100%.

Das ist aus meiner Sicht, die zweite entscheidungstheoretische Fehlerquelle, und zwar die lege artis Unterstellung beim Gegner.
Absolut nicht nachvollziehbar! Selbstverständlich geht man davon aus, dass der Gegner nach bestem Vermögen handeln wird, hätte die Admiralität denn annehmen sollen, dass die Deutschen sich wie die Titanic selbst versenken?

Die dritte Fehlerquelle war m.E. die offensichtliche Divergenz zwischen operativer Befehlslage bzw. Kriegsführung und strategisch-politischer Ausrichtung der Kriegsführung. Da man immer im risk controlling traditionelles handeln der Protagonisten unterstellen muß, wäre es Aufgabe eines vorgeordneten Stabes gewesen, die Admiraltät auf die wahrscheinliche irrationale Seekrieggsführung zumindest aufmerksam zu machen, um die operative Befehlslage der politisch-strategischen Gesamtlage anzupassen.
Wieder eine "Fehlerquelle", die sich worauf stützt?

Bevor ich mich aus diesem Thread verabschiede, möchte ich noch auf einige Zeitungsartikel / -ausschnitte aus dem Mai 1941 aufmerksam machen, die m. E. belegen, das der Verlust der Hood eher zu einem moralisch-politischem Pfund pro GB als zu der mehrfach postulierten politischen Belastung, für die bisher noch jeder Nachweis fehlt, wurde:

New York Times, 25. Mai 1941, S. 1, Robert P. Post:
HOOD IS BLOWN UP; World's Biggest Warship Sunk Between Iceland and Greenland 1,300 FEARED KILLED Damaged German Vessel Being Pursued After Flotillas' Clash HOOD IS BLOWN UP BY THE BISMARCK
LONDON, May 24 -- The 42,100-ton battle cruiser Hood, pride of the British Fleet and the world's biggest fighting vessel, was blown up today by an "unlucky hit" scored on a munitions magazine by the new German battleship Bismarck in an engagement off Greenland, the Admiralty announced. ...

New York Times, 25. Mai 1941, S. 32:
GERMANS ACCLAIM VICTORY OVER HOOD; Declare That Sinking Proves the Effectiveness of Their New Naval Artillery DENY HIT WAS LUCKY ONE A Second British Battleship Was Forced to Retire, the High Command Says
BERLIN, May 24 -- The world's largest warship, the 42,100-ton Hood of the Royal Navy, was hit directly and destroyed by a shell from the German battleship Bismarck today in the first major engagement of this war between capital ships of the British and German naval forces, the Germans announced. ...

New York Times, 25. Mai 1941, S. 33, Hanson W. Baldwin:
THE FATE OF THE HOOD
A black week for Britain -- a week in which the Germans secured their foothold on Crete and inflicted considerable losses on the British Mediterranean Fleet -- ended yesterday in a sea tragedy of Homeric proportions. ...

Und zum Ende der Bismarck:
New York Times, 28. Mai 1941, S. 1, Robert P. Post:
THE HOOD AVENGED; Nazi Ship Is Sent Down West of Brest After 1,750-Mile Chase U.S.-MADE PLANE AIDS Sights Quarry and Puts Big Fleet on Trail -- Reich Cruiser Flees THE HOOD AVENGED; BISMARCK IS SUNK
LONDON, May 27 -- The Bismarck, Germany's newest and finest capital ship, was sunk at 11:01 o'clock this morning [5:01 A.M. New York time] about 400 miles due west of Brest after naval action that had lasted for three and a half days and covered 1,750 miles from Denmark Strait. ...

Hier die Titelseite vom 25. Mai 1941: NEW NAZI BATTLESHIP BISMARCK SINKS THE HOOD IN NORTH ATLANTIC DUEL; BRITISH GIVE CHASE (5/25/41)

Und abschließend aus Brisbane, Australien:
Big ships chasing Bismarck.
 
Stephan2 schrieb:
Ja, aber nicht gänzlich, erstens wurden Treffer beim Gegner erzielt, die diesen zumindest zu einer Unterbrechung des Unternehmens zwangen, zweitens versäumte es Lütjens, PoW zu versenken, obwohl zeitweise 80% ihrer Artillerie ausgefallen waren.
zu versuchen, die PoW zu versenken - ob richtig oder falsch - wäre eine eigene Diskussion. Nach dem Unternehmen "Juno" sehe ich eine solche Option für Lütjens nicht. Zum einen wähnte man ja als Gegner die "KGV" und nicht die gerade in der Probefahrtzeit befindliche "PoW", zum anderen waren die Ansichten Raeders dem Flottenchef bekannt. Ziel des Unternehmens war die Vernichtung von Handelsschiff-Tonnage. Hätte die "Bismarck" beim Versuch die vermeintliche "KGV" zu versenken, Beschädigungen erlitten und das Unternehmen abbrechen müssen, wäre nach Marschall wohl der nächste Flottenchef entlassen worden. Ein aktiv durch Lütjens geführtes Gefecht hätte Raeder nur akzeptiert, wenn im Hintergrund mehrere britische Handelsschiffe geschwommen wären. Und letztere waren nicht zu versenken, sondern als Prisen zu nehmen und nach Frankreich oder Norwegen zu bringen. Wenn Marschall nach dem Krieg kommentiert, Lütjens hätte nicht nur die "PoW" sondern auch die "Suffolk" und die "Norfolk" versenken müssen und dann ohne Beschattung im Atlantik verschwinden müssen, so ist das eine Sache. Marschall war schon gefeuert wegen genau dieser Denkweise, ein Lütjens wollte diesen Posten wohl behalten. Und daher tat jeder höhere Seeoffizier gut daran, den zweiten Band von "Der Kreuzerkrieg in ausländischen Gewässern" zu lesen, insbesondere das Kapitel über SMS "Karlsruhe". Hier gab es keine Heldentaten und exotische Abenteuer, sondern Handelskrieg pur. Sichtete man einen gegnerischen Kreuzer, so nahm man mit hoher Geschwindigkeit Reißaus. Der Autor des Buches lobte den "Karlsruhe"-Kommandanten als Vorbild. Autor war Erich Raeder
 
Nichtversenkung der Prince of Wales - richtig oder falsch?

zu versuchen, die PoW zu versenken - ob richtig oder falsch - wäre eine eigene Diskussion. Nach dem Unternehmen "Juno" sehe ich eine solche Option für Lütjens nicht. Zum einen wähnte man ja als Gegner die "KGV" und nicht die gerade in der Probefahrtzeit befindliche "PoW", zum anderen waren die Ansichten Raeders dem Flottenchef bekannt. Ziel des Unternehmens war die Vernichtung von Handelsschiff-Tonnage. Hätte die "Bismarck" beim Versuch die vermeintliche "KGV" zu versenken, Beschädigungen erlitten und das Unternehmen abbrechen müssen, wäre nach Marschall wohl der nächste Flottenchef entlassen worden. Ein aktiv durch Lütjens geführtes Gefecht hätte Raeder nur akzeptiert, wenn im Hintergrund mehrere britische Handelsschiffe geschwommen wären. Und letztere waren nicht zu versenken, sondern als Prisen zu nehmen und nach Frankreich oder Norwegen zu bringen. Wenn Marschall nach dem Krieg kommentiert, Lütjens hätte nicht nur die "PoW" sondern auch die "Suffolk" und die "Norfolk" versenken müssen und dann ohne Beschattung im Atlantik verschwinden müssen, so ist das eine Sache. Marschall war schon gefeuert wegen genau dieser Denkweise, ein Lütjens wollte diesen Posten wohl behalten. Und daher tat jeder höhere Seeoffizier gut daran, den zweiten Band von "Der Kreuzerkrieg in ausländischen Gewässern" zu lesen, insbesondere das Kapitel über SMS "Karlsruhe". Hier gab es keine Heldentaten und exotische Abenteuer, sondern Handelskrieg pur. Sichtete man einen gegnerischen Kreuzer, so nahm man mit hoher Geschwindigkeit Reißaus. Der Autor des Buches lobte den "Karlsruhe"-Kommandanten als Vorbild. Autor war Erich Raeder

Hallo flaviu-sterius vielen Dank für die kompetente und ausführliche Darstellung der Diskussion um Lütjens Entscheidung in der Dänemarkstrasse. Gerne nehme ich Deine Anregung auf, diese in einem eigenen Thread zur Diskussion zu stellen.

Raeders Schlussfolgerungen ist durchaus zuzustimmen, soweit sie sich auf die taktische Führung eines einzelnen Kreuzers im Handelskrieg beziehen - da hat die Erhaltung der Einsatzbereitschaft Vorrang um auch indirekt zu wirken (Stichwort Diversion der gegnerischen Streitkräfte).

Die Operation Berlin hat die Grenzen gezeigt. Scharnhort und Gneisenau versenkten zwar einige Schiffe - dies waren aber Schiffe, mit Kurs aus England, ohne Ladung, die eigentliche Aufgabe - nach England laufenden Schiffsraum, mit der häufig den Wert der Schiffe übersteigenden Ladung zu versenken - haben sie nicht erfüllt.

Auf die Sitation in der Dänemarkstrasse läßt sich dieses Konzept erst recht nicht übertragen.

Hier hat Lütjens sowohl taktisch als auch strategisch falsch entschieden:
Er befand sich im Gefecht mit einem britischen Schlachtschiff, das völlig untypisch, das Gefecht abbrach. Allein dieser Vorgang läßt auf erhebliche Probleme beim Gegner schließen.

Der Ausfall der gegnerischen Artillerie und damit das Ausbleiben entsprechender Geschosseinschläge, die Wassersäulen sind 30m - 50m hoch, sind zumindest Lindemann wohl nicht entgangen. Da spielt der Name des (nicht mehr) schießenden Schiffes erstmal keine Rolle.

Das eigene Schiff war bereits beschädigt - Vorschiff und Kesselraum - nur der genaue Umfang dürfte noch unklar gewesen sein - die Fortsetzung der Unternehmung war also zumindest in Frage gestellt.

Wenn sich in dieser Situation die Gelegenheit bietet, eine zweite schwere gegnerische Einheit auszuschalten muss sie ergriffen werden.

Erst Recht, wenn man der Ansicht ist, dass man dem gegnerischen Flottenflaggschiff gegenübersteht - denn damit schaltet man gleichzeitig einen Teil der gegnerischen Führung aus.

Die vornehmste Eigenschaft eines Kriegsschiffes ist, das es schwimmt.
so oder ähnlich lautete die einfache und zutreffende Tirpitz'sche Maxime, die Lütjens sicher bekannt war.

Mit dem Entkommenlassen der PoW gab er dem Gegner die Möglichkeit, das Schiff mit verhältnismäßig geringen Mitteln wieder Instandzusetzen und in Zukunft wieder gegen die eigenen Streitkräfte einzusetzen - der strategische Fehler.

Falls es Lütjens tatsächlich darum gegangen sein sollte "nicht im Unfrieden mit der SKL" aus dem Amt zu scheiden, ergeben sich begründete Zweifel an seiner Eignung als Flottenchef, zumal wenn dieser auch in See führen muss.
Erstens kann man derartige "Karriereplanungen" vielleicht in Friedenszeiten betreiben, die Admiralsbrücke eines Schlachtschiffes, zumal im Gefecht, ist dazu der falsche Ort.
Zweitens ist es Aufgabe eines Flottenchefs Lagebeurteilungen vorzunehmen und zu entscheiden und nicht nur die Durchführung eines einmal gegebenen Auftrages zu überwachen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@melchior: ich glaube, Dein Ansatz einer strategisch-politischen Priorität, und unter dem Aspekt das Risiko des Abwartens zu "nehmen", ist gut deutlich geworden.

Unter dieser Betrachtungsweise ist von beiden Seiten "Vabanque" gespielt worden, und wie beim Schach verliert derjenige, der den letzten Fehler begeht. ...

Danke.

Kennst Du die Unterschrift (links) und das rechte Aktenzeichen auf Deinen eingestellten Dokumenten?

M. :winke:
 
Danke.

Kennst Du die Unterschrift (links) und das rechte Aktenzeichen auf Deinen eingestellten Dokumenten?

M. :winke:

Die rechte Aktenparaphierung ist vermutlich das "R" von Raeder, 31.3.(1939).

Ich schaue noch das KTB der SKL nach, mE sind die darin enthaltenen Gesprächsaufzeichnungen von Raeder und Lütjens klar in der Weise, dass ein 1:1-Gefechtsverhältnis von Bismarck "durchzukämpfen" war (nach den negativen Erfahrungen bei Operation Berlin, bei der diese Freigabe nicht gegeben war).

So auch der Ablauf: die Gefechtseröffnung erfolgte durch erste Salven von Hood und PoW, Lütjens gab das Gefecht zunächst nicht frei (1:2 !) und "überlegte" bzw. zögerte und erwog vermutlich Fluchtmöglichkeiten. Nach den Augenzeugenberichten äußerte der Kapitän der Bismarck, Lindemann, etwa wie folgt: "die schießen uns zusammen". Lütjens nahm daraufhin das Gefecht an, Lindemann befahl Feuereröffnung.
 
Hatte Lindemann nicht was wie :" ich lass mir doch mein Schiff nicht unterm Arsch zusammenschiessen....Feuer frei ! " gesagt ?

Das wird sich nie rekonstruieren lassen, der stand in dieser Situation einfach unter Streß.

@silesia

Ich habe mir die AN mehrfach durchgelesen. Bitte korrigiere mein Interpretation.

Aus artillerietaktischer Sicht wird ein Seegefecht, unter den vordefinierten Gegebenheiten als gewinnbar eingeschätzt.

Die technischen Details kann ich nicht beurteilen.

Da die schwere Artillerie nuneinmal die Hauptwaffe eines Schlachtschiffes ist, kommt der Verfasser zu dem Schluß, aus artillerietaktischer Sicht könnte ein 1:1 Seegefecht erfolgreich sein.

Unterstellt, das wäre letztlich auch die generelle Überzeugung der OKM/SKL, dann würde sich diese artillerietaktische Analyse auch in den Operationsbefehlen für deutsche Schlachtschiffe widerspiegeln, die über die artillerietechnischen Voraussetzungen verfügen.

Sichtwechsel.

Die Admiralität hätte diese deutsche Analyse- und Entscheidungslage kennen müssen, hat sie wahrscheinlich auch.

Wäre aus britischer Sicht eine derartige Analyse- und Entscheidungslage realistisch, hätten die operativen Befehle an die Kommandanten von Schlachtschiffen eine 1:1 Gefechtslage zu meiden, beinhalten müssen. Haben sie bestimmt auch, von marinetaktischen Zwangslagen abgesehen.

Die 1:1 Situation wurde vermieden.
Die 2:1 Situation wurde als akzeptabel angesehen, die Gefechtsfreigabe erfolgte. Unter Berücksichtigung der politsch-strategischen Folgen eine Fehleinschätzung, denn eine 2:1 Freigabe kann sehr schnell zu einer faktischen 1:1 Situation führen, warum auch immer (technische Probleme, meterologische Probleme, taktische Probleme etc.).

M. :winke:
 
@melchior: ich komme noch darauf zurück, vorab etwas zur Vorgeschichte:

Das vorsichtige Vermeiden von 1:1- Verhältnissen (bzw. sogar 2:1 bei Operation Berlin) lag der SKl schwer im Magen und war nicht zufriedenstellend. Genau das sollte bei der "Rheinübung" beendet werden, mit Bismarck sah man sich in der Lage, solche 1:1 Konstellationen anzunehmen. Der Vermerk unterstreicht das.
(Anm: das "R" scheint doch nicht Raeder zu sein, es ist aber die die SKl-Obkdo.-Akte, so dass seine Kenntnisnahme sicher ist).

Anfang März 1941 war die Modalität von Rheinübung bereits entschieden: BS/PE. Ursprünglich war überlegt worden, eine Kombination mit Gneisenau aus Brest anzustreben, dies zerschlug sich. Tirpitz war für die Ostsee disponiert, obwohl im Frühsommer Gefechtsbereitschaft bestand und das "Einschießen" beendet war, und die Ausbildung im April auf Höchsttouren lief. Seit März war Tirpitz für "Barbarossa" in der Ostsee fest "gebucht".

Am 6.4.1941 ist ein weiterer Vermerk im KTB zu der Bismarck-Operation zu finden, die Sache war entschieden.

Dennoch gab es am 26.4.1941 eine lange Unterredung Lütjens/Raeder, bei der das Thema erneut hochkam. Lütjens riet von der Konstellation deutlich ab, und empfahl, auf SH, besser noch auf Tirpitz und GN zu warten. Das Gespräch war offenbar so bedeutend, dass große Teile davon und die Argumentationen im KTB aufgenommen worden sind. Dabei stand in Frage, ob überhaupt einen BS/PE-Operation durchgeführt werden soll. Lütjens war eine optimale Zersplitterung der Kräfte der Royal Navy für den Durchbruch wichtig und er stand auf dem Standpunkt, optimal ein Gefecht mit BS/TP durchfechten zu können, um auf das Hauptziel - Konvois - durchzustoßen.
Quelle: KTB der SKl März und April 1941.


Zum Gefecht mit Hood/PoW: das von Querdenker ebenfalls erwähnte Zitat stammt vom Augenzeugen Müllenheim-Rechberg auf der Brücke. Das scheint mir, deshalb vorsichtig erwähnt, dramatisiert worden zu sein. Die Annahme des Gefecht durch Lütjens wird durch den Kurswechsel bereits 2 Minuten vor Feuereröffnung deutlich, in dem Bismarck zum "Crossing-the-T" einschwenkte, und PE bereits das Feuer eröffnet hatte. Die von Müllenheim erwähnte Konfrontation zwischen Lütjens und Lindemann muss - wenn überhaupt - vor dem Kurswechsel stattgefunden haben. Dass der Schiffskommandant dem Flottenchef über den Mund fährt und "eigenmächtig" das Feuer eröffnet, halte ich für völlig ausgeschlossen. Die Episode trug zur Debatte über Lütjens bei, der nach dem Ende der Bismarck für die Katastrophe verantwortlich gemacht wurde.
 
Da auch Salewski diese Stelle betont, hier einmal der wesentliche Inhalt von SHL-KTB 26.4.1941, vor dem Auslaufen und rd. einen Monat vor dem Gefecht.

Lütjens war zum "Abmeldebesuch" vor der bevorstehenden Operation bei Raeder erschienen und führte aus [Fettdruck von mir]:

"... Andere Möglichkeiten: ... wenn [Anm: Unterstr. hier wie unten im Original des KTB] man überhaupt an Absicht festhält, Bismarck und Prinz Eugen alleine wirken zu lassen.

Es sprächen an sich durchaus gewichtige Gründe dafür, zumindest noch das Fertigwerden Scharnhorst - wenn nicht gar Tirpitz - abzuwarten, weil dann der Erfolg um so durchschlagender sein könnte, während jetzt - bei teelöffelweisem Einsatz - die Wirkungsmöglichkeit nur beschränkt sei, Bismarcks Auftreten alarmieren, Gegenmaßnahmen auslösen, und damit späterem massiertem Wirken die Erfolgsaussicht wohl etwas schwächen werde. Aber es sei nach seiner Ansicht doch wohl richtig, die Schlacht im Atlantik baldigst wieder in Erscheinung treten zu lassen. ...


Aussprache über operatives Vorgehen: Flottenchef entwickelt, dass nach Ausfall Gneisenau [Anm.: GN sollte mit Stand März ursprünglich koordiniert teilnehmen!] sein Verhalten schwer gesicherten Geleitzügen gegenüber wahrscheinlich kaum anders sein könne als in der ersten Unternehmung. Er wolle Bismarck nicht zu früh decouvieren, am liebsten erst dann, wenn er zum Beispiel Tirpitz bei sich habe.

In einem verbissenen Gefecht mit Ziel Niederkämpfung des Gegners werde sonst Bismarck auch sicher Beschädigungen davontragen, die ihn in seiner weiteren Tätigkeit ernst behindern könnten. Immerhin müsse die jeweilige taktische Lage abgewartet werden. Ein ernsthaftes Zupacken glaubt er nach vorläufiger Erkenntnis bis ans Ende seiner Unternehmung - oder solange bis zumindest Scharnhorst zu ihm gestoßen ist - zurückstellen zu sollen. ...

OBdM [Raeder] billigt in großer Linie diese Gedankengänge und beschließt seine Ausführungen mit dem allgemeinen Hinweis: vorsichtiges Operieren ist angezeigt. Es wäre nicht richtig, für beschränkten vielleicht unsicheren Erfolg einen hohen Einsatz zu wagen. Unser Ziel muss sein, mit Bismarck und Tirpitz dauernde laufende Operationen durchzuführen. Ein Suchen des Kampfes ist nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel des Ziels, feindliche Tonnage zu versenken...
"


Ergo: Wenn Tovey diese Überlegungen gelesen hätte, wäre ihm das Zupacken auf die Bismarck-Gruppe vermutlich noch leichter gefallen. Er wird sie aber vermutet haben. Ich würde darauf wetten, dass seine Stäbe entsprechende operative Ideen durchgespielt haben.
 
Danke.

Wenn man das liest, das klingt im Sound wie ein Kreditprotokoll. Beide Seiten sicheren sich ab.

L., sichert sich ab, in dem er immer mehr Überwasserkampfschiffe für einen Einsatz "anregt", wissend, daß er sie nicht bekommen kann.

R., sichert sich ab, in dem er einen vorsichtigen Einsatz anregt.

Der protokolliernde bzw. redigierende Offizier hat da "ganze" Arbeit geleistet.

______________________________________________________________________

Diese Ausgangssituation war der Admiralität bestimmt bekannt, bzw. wurde ins Kalkül gezogen und als Szenario vorab "durchgespielt".

R. war in diesem Moment sehr hellsichtig, er verabschiedet seinen Flottenchef in der Gewißheit, daß dieser keine Schlacht verlieren kann, höchstens ein Gefecht, L. hat Glück gehabt, er hat das erste Gefecht gewonnen, allerdings mit Blessuren.

Ab hier trennen sich unsere Einschätzungen. L. hätte, hätte er die vagen Empfehlungen seines Chefs befolgt, sofort abdrehen müssen, die sollten Handelskrieg führen (siehe KTB).

"...vorsichtiges Operieren ist angezeigt. Es wäre nicht richtig, für beschränkten vielleicht unsicheren Erfolg einen hohen Einsatz zu wagen. Unser Ziel muss sein, mit Bismarck und Tirpitz dauernde laufende Operationen durchzuführen..."

Die Admiralität durfte bei einer 2:1 Übererlegenheit exakt von dieser Alternative ausgehen. Warum dann die Gefechtsfreigabe?

Ich finde, hier existiert eine gewisse Irrationalität.

M.
 
[...]L. hätte, hätte er die vagen Empfehlungen seines Chefs befolgt, sofort abdrehen müssen, die sollten Handelskrieg führen (siehe KTB).
[...]

Berücksichtige bitte die Situation und die menschliche Fähigkeit sich Emotionen hinzugeben. Die Bismarck strotzte vor Kraft, erst recht nachdem Sieg gegen die Hood, wie kann man es den deutschen Verantwortlichen verdenken, sich mit solch einem Schiff lediglich als Straßenputzer abzugeben, wenn man doch die Türsteher platt machen könnte.
 
Melchior schrieb:
Die Admiralität durfte bei einer 2:1 Übererlegenheit exakt von dieser Alternative ausgehen. Warum dann die Gefechtsfreigabe?

Ich finde, hier existiert eine gewisse Irrationalität.

M.
Oder genau der Schlüssel zum britischen Handeln. Man bekam Bismarck allein vor die Rohre, und 6 Wochen später hätte sich der worst case ergeben. Mglw. 4 operierende deutsche Schlachtschiffe plus Kreuzer, dazu die Krise im Mittelmeer und britische Bindung in Fernost. Am 23.5. bestand die Chance, das kommende Problem stückchenweise zu lösen.
 
Oder genau der Schlüssel zum britischen Handeln. Man bekam Bismarck allein vor die Rohre, und 6 Wochen später hätte sich der worst case ergeben. Mglw. 4 operierende deutsche Schlachtschiffe plus Kreuzer, dazu die Krise im Mittelmeer und britische Bindung in Fernost. Am 23.5. bestand die Chance, das kommende Problem stückchenweise zu lösen.

Aber nachdem Gneisenau, Scharnhorst und Prinz Eugen an der Atlantik Küste stationiert waren, hatte die RN und/bzw. die Air Force die volle Konntrolle über die Schiife und zwang sie, nicht aktiv zu werden .. ohne den Einsatz schwerer Einheiten ... hätte es das gleiche Schicksal gebracht, wenn es die Bismarck und Tirpitz gemeinschaftlich zum Einsatz an der französischen Küste gegeben hätte? Immerhin wollen solch großen Schiffe versorgt werden!

Ich denke, die RN konnte nur aktiv sofort Handeln auf jede Aktion der Kriegsmarine, egal unter welchen Voraussetzungen und je kleiner die Kampfgruppen des Feindes der RN, desto besser.

Zumal die dt. Kriegsmarine abgesehen der Handvoll schwerer Einheiten nicht mal 3. klassig in der materiellen Struktur war und keine Bedrohung gegen die RN darstellte.
 
Berücksichtige bitte die Situation und die menschliche Fähigkeit sich Emotionen hinzugeben. ....

@Köbis17

So in etwa sehe ich das auch bzw. bin zu dieser Schlußfolgerung gekommen.

Die RN hat spektakuläre Verluste gehabt, Norwegen, Kreta etc., hat ihre strategische Hauptaufgabe, die Sicherung des Seetransportes, aber relativ gut bewerkstelligt, trotz steigender Verluste, diese wurden w.o. angeführt.

Diese Verluste haben aber im wesentlichen keine Überwasserkampfeinheiten, sondern U-Boote herbeigeführt.

Vllt. überwog bei der Gefechtsfreigabe der Admiralität, nicht der Rechenschieber, sondern traditionelles militärisches Denken. L. hat ja auch nicht die in eine Bitte/Empfehlung gekleidete Richtlinie seines Chefs befolgt, allerdings vermag ich mangels Kenntnis nicht einzuschätzen, ober er sie in der gegebenen Gefechtssituation hätte befolgen können.

M. :winke:
 
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