Timur i Lenk

Moment mal, das ist ganz schöner Blödsinn! Die Islamwissenschaft ist sehr viel breiter aufgestellt als Du Dir vorstellst.

Vielleicht ist da was falsch rübergekommen. Ich weiß, dass die Islamwissenschaften breit aufgestellt sind. Aber ich lese nun mal auch relativ häufig islamwissenschaftliche Literatur und habe dabei schon das ein oder andere eine Schwäche festgestellt, was Q-Kritik oder überhaupt den Umgang mit historischen Texten angeht; ich wollte letztendlich nur ausdrücken, dass man mit der Autorität einer Islamwissenschaftlerin, die sich nur auf anderhalb Seiten eher am Rande mit Timur beschäftigt, kaum argumentieren kann - genau das ist nämlich passiert, die Autorität der Islamwissenschaftlerin galt, nicht die Autorität der Quellen. Ich wollte damit weder die Islamwissenschaft diskreditieren, noch die Autorin, sondern zu einem kritischeren Umgang mahnen.


Ich selber habe definitiv eine historische Ausbildung erhalten und bin da bei weitem nicht die einzige, andere sind Sprachwissenschaftler, wieder andere Religionswissenschaftler. Es gibt Islamwissenschaftler, die sich mit Politik beschäftigen und was weiß ich noch alles.

Du weißt ja selber, dass in Dtld. bis vor wenigen Jahren das dreigliedrige Studiensystem galt, mit Magisterhauptfach und zwei Nebenfächern. Selbstverständlich hat man da durch die unterschiedlichsten Kombinationen die unterschiedlichsten Ausbildungen erhalten. Jetzt mit Bachelor und Master sieht das ein wenig anders aus, aber auch jetzt gilt noch, dass man mit den unterschiedlichen Kombinationen unterschiedliche Ausbildungen erhält.

Ich weiß nicht, ob das allen klar ist: die Schädeltürme werden auch in den timuridischen Quellen beschrieben, z.B. in den beiden Chroniken namens "Safar-nama" (das eine von Shami, das andere von Yazdi). Diese Werke hat Timur selbst in Auftrag gegeben und da steht nur drin, was ihm paßte - er WOLLTE, daß von Schädeltürmen berichtet wird. Das hat überhaupt nichts mit antitimuridischer Propaganda zu tun. Wie gesagt, Schädeltürme waren eine turko-mongolische Methode, Angst und Schrecken zu verbreiten. Timur war weder der erste, noch der letzte, der so was gemacht hat.
Ich bin mir übrigens relativ sicher, daß in den Safar-nama auch von Timurs Beinamen "der Lahme" die Rede ist. Kann ich momentan allerdings nicht überprüfen.

Ich habe ja inzwischen anhand der spanischen Quelle aufgezeigt, dass auch in nicht antitimuridischen Quellen die Schädeltürme vorkommen. Und wenn das in von Timur selbst in Auftrag gegebenen Texten ebenfalls der Fall ist, dann ist die spanische Quelle natürlich nur eine nette Ergänzung. Du hast eben die entsprechende fachliche Kompetenz, die die meisten von uns hier nicht haben - wer hier kann schon Persisch?
 
Gronke und Timur

Na das ist natürlich eine Referenz! Frau Gronke handelt Timur auf 1½ Seiten ohne Quellenangaben ab, behauptet dabei, dass vor sämtlichen rebellischen Städten Schädelpyramiden der Einwohner aufgetürmt wurden.
Das ist wirklich tiefschürfend und ausgewogen.
Kürze und fehlende Quellenangaben sind hier aber nicht wissenschaftlicher Nachlässigkeit geschuldet, sondern dem Format der Veröffentlichung, die darauf abzielt, Laien einen gerafften Überblick über die iranische Geschichte zu vermitteln.

Zu den Schädelpyramiden fasst Gronke auch nur kurz Folgendes zusammen:
Alles in allem wurden Timurs Kampagnen, die bei seinen Zeitgenossen ebenso berüchtigt wie gefürchtet waren, mit ungezügelter Grausamkeit, ja Bestialität geführt. Als ihr Symbol dürfen die Schädelpyramiden gelten, die er vor den Toren rebellischer Städte aus den Köpfen der gefallenen Gegner und der männlichen wie weiblichen Einwohner aufschichten ließ. (Gronke, M. 2003. Geschichte Irans: Von der Islamisierung bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck, S. 60.)
Mir ist nun schleierhaft, was man an der Darstellung nun aussetzten könnte. Das alles ist unspektakulär und communis opinio. Und aus der Stelle herauslesen zu wollen, dass Gronke behaupte, »dass vor sämtlichen [sic!] rebellischen Städten Schädelpyramiden der Einwohner aufgetürmt wurden«, ist ausgesprochen suggestiv. Dazu kommt noch, dass Gronke es auch bei ihrer kurzen Darstellung nicht dabei belässt, Timur auf seine Brutalität zu reduzieren:
Die Bedeutung der Timuriden liegt daher kaum auf dem Gebiet des Militärs und der Staatskunst. Mehr als alles andere sind es die kulturellen und künstlerischen Leistungen, die den Ruhm Timurs und seiner Nachfolger begründeten. Neben Timurs Hauptstadt Samarkand, die er – hauptsächlich durch die von ihm aus den eroberten Gebieten verschleppten Handwerker und Künstler – nach persischen Vorbildern mit prachtvollen Bauten ausstattete, trat in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts als zweites bedeutendes Kulturzentrum der Timuriden Herat. Die Herrscher und ihre Würdenträger waren bedeutende Mäzene von Literatur und Dichtung, Miniaturmalerei, Buchbindekunst und Kalligraphie. (Ebenda, S. 61f.)
Gronke sieht das wesentlichste Element in Timurs Herrschaft gar nicht in ausufernder Gewalt, sondern in der durch ihn geschaffenem Kultur. Grob verzehrend ist hier zunächst einmal allein Deine Wiedergabe Gronkes!

Nebenbei muss Dir eine andere, wissenschaftlichere Überblicksdarstellung Gronkes unbekannt sein: Gronke, M. 1998. Die mongolische Epoche (1250–1500). In: Der islamische Orient: Grundzüge seiner Geschichte, A. Noth and J. Paul (Hrsg.), 255–332. Würzburg: Ergon.

Auch dort würdigt sie Timurs Kulturleistungen ebenso wie seine brutale Kriegsführung. Selbst wenn sie immer wieder einen Schwerpunkt auf seine Grausamkeiten legt, lässt sich nachvollziehen, inwiefern ihre Darstellung nicht ausgewogen sein sollte.

Endgültig unredlich halte ich die Art und Weise, wie Du Gronke attackierst:
Sie mag Expertin für Iranistik und Islam sein. Macht sie das auch zur Expertin für Usbeken, Kasachen, Mongolen und Turkvölker?
Was sagt das über ihr Wissen über Timur aus? Sie zitiert doch offensichtlich nur iranischen Quellen ohne weitere Untersuchung der Materie.
Wie gesagt, das von dir dazu zitierte Buch handelt Timur auf 1½ Seiten ab, was nicht für ein gründliches Befassen mit dem Thema spricht.
Gronke mag nicht nur Expertin für islamische und iranische Geschichte sein ‒ sie ist es auch. Das nimmt sie natürlich nicht von Kritik aus. Man darf aber wohl erwarten, dass diese argumentativ vorgetragen wird. Das fehlt bei Dir aber völlig. Du kennst offenkundig weder die Standardliteratur zum Thema, noch Gronkes eigenen Beschäftigungsschwerpunkt; sonst würdest Du Dich doch nicht auf diese eineinhalb Seiten versteifen. Worin besteht denn Deine Kritik? Warum muss man bei diesem Thema »Expertin für Usbeken, Kasachen, Mongolen und Turkvölker« sein? Welche usbekischen, kasachischen und mongolischen Quellen, die Gronke unbeachtet gelassen hat, existieren es denn? Vielleicht überhaupt keine? Der ganze Vorwurf ist doch nicht mehr als heiße Luft. Eher kommt man zu dem Eindruck, dass übermäßige Polemik und fehlendes Differenzierungsvermögen weniger Gronke als vielmehr Dich auszeichnet.

Noch etwas Methodisches:
Wenn man sich dann noch anschaut, dass in den Berichten immer die gleichen Topoi auftauchen - so sind zum Beispiel die "Schädelberge" in Isfahan schon genauso von der mongolischen Eroberung Bagdads überliefert - so werden die Zweifel nicht kleiner.
Was Du hier vorstellst ist methodisch untauglich. Selbst wenn die Assoziation der Mongolen mit Schädelpyramiden ein Topos wäre, macht das Quellen nicht grundsätzlich unbrauchbar, sondern mindert zunächst nur ihren narrativen Wert. Schon gar nicht darf man einfach bei der Behauptung stehen bleiben, dass hier eben nur ein Topos vorlege.
Wichtiger ist es aber sich zu fragen, was überhaupt ein Topos ist und woran man ihn erkennen kann und welche Tendenzen sich aus ihm ableiten lassen. Topoi sind zunächst stereotype Erzählmotive, die mitunter aus komplexen Handlungen bestehen. Vor allem Letzteres ist problematisch, da das nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist.
Formal lassen sich Topoi nur durch skrupulöse Textvergleiche identifizieren: indem man gemeinsame Motive und Handlungsbögen isoliert und herausarbeitet.
Dabei bestehen Topoi nicht singulär, sondern sind Teil einer gemeinsam geteilten Kultur, eines gemeinsamen Redaktionsprozesses o.ä. Das bedeutet auch, dass sich eine ganze Reihe mehr gemeinsame Topoi finden lassen sollten. Aus der Gesamtheit der Topoi mögen sich dann tatsächlich Tendenzen ableiten lassen. All das bist Du aber schuldig geblieben. Du hast keine persischen, arabischen oder syrischen Quellen verglichen. Um das einmal festzuhalten: Die Identifizierung von Topoi steht am Ende von Quellenkritik, nicht an deren Anfang!

Wenn heterogene Quellen unabhängig von Schädelbergen berichten, dann ist es am nächstliegendem eben nicht davon auszugehen, dass es sich dabei (nur?) um einen Topos handelt, sondern (auch?) um ein Faktum. Zumal solche Methoden der psychologischen Kriegsführung auch aus anderen Teilen der Welt und anderen Zeiten bekannt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
In neuerer Zeit sagen türkische Historiker, dass Timur ethnisch ein Mongole, kulturell ein Türke war. Über den kulturellen Teil gibt es gegensätzliche Meinungen, je nach Neigung, aber über seine ethnische Herkunft gibt es kaum Zweifel, dass er Mongole war.

Timur war ein Mann seiner Zeit und seines Kulturkreises. Man kann und darf ihn nicht mit der Magna Charta oder der Menschenrechtsproklamation der Vereinten Nationen messen. Der Humanismus steckte damals noch in den Babyschuhen. War Timur ein grausamer Kriegsherr? Ja! Er war aber auch ein Herrscher über ein riesiges Gebiet und auch damals konnte kein herrscher sein, ohne vom Volk unterstützt zu werden.

Ich habe diesen Thread durchgelesen und habe auch vernünftige Leute schreiben sehen, die Timur aus neutraler Sicht zu sehen versuchen. Wenn wir das tun, müssen wir feststellen, dass die damalige zeit eben eine grausame war und jeder Eroberer Blut und Feuer hinter sich gelassen hat. Ob das heute wirklich anders ist, darf angezweifelt werden. Wenn wir die beiden Weltkriege und die nach ihnen betrachten, muss man die Opfer fragen, ob sie einen Unterschied zu Timur´s Zeiten sehen.

Ich selbst habe auch Probleme, grausame Kriegsherren richtig zu beurteilen. Aber ich weiß, dass wir historische Figuren nicht mit unseren heutigen Massstäben messen dürfen. Wir können sie nur mit ihren Zeitgenossen vergleichen, um eine Chance haben, heraus zu finden, ob das Verhalten von z. B. Timur auch zu seinen Zeiten als verwerflich galt oder nicht.

Etwas aber ist universell und zu allen Zeiten der Menschheit gültig.
Nämlich dass kein herrscher nur mit Mord und Totschlag ein Reich aufbauen und erhalten kann. Ohne einen funktionierenden Verstand und kluger Strategie kann man das heute nicht und konnte es auch damals nicht.
Wir neigen dazu, historische Figuren aus der eigenen Perspektive zu beurteilen. Für uns sind sie Mörder und Tyrannen, für die anderen sind sie Helden. Das ist heute auch nicht anders, was für uns Terroristen sind, sind in Regionen der Welt Helden und Freiheitskämpfer.

Timur war ein genialer Feldherr, ein kluger Staatsmann. Das alles ging aber nur auf Kosten der Besiegten, so wie es schon immer war.

Übrigens, wir Türken haben Timur ein großes Geschenk zu verdanken. Timur hat Smyrna erobert und den Türken quasi als Geschenk hinterlassen. Heute heißt die Stadt Izmir und ist eine blühende Metropole.
Ansonsten hat Timur über die Türken nur Leid und Elend gebracht und das Osmanische Reich an den Rand des Untergangs getriben. Er hat den osmanischen Sultan Bayezid I. gefangen genommen und die Osmanen für lange Zeit tief traumatisiert und noch tiefer gedemütigt. Er hat den Türken alles genommen, was für die Ehre der Türken wichtig war.
Auch als Türke kann man Timur als großenn Staatsmann betrachten, das kann ich noch verstehen. Ich kann aber beileibe nicht verstehen, warum manche Türken Timur derart bewundern und verehren.

Gruß
 
In neuerer Zeit sagen türkische Historiker, dass Timur ethnisch ein Mongole, kulturell ein Türke war. Über den kulturellen Teil gibt es gegensätzliche Meinungen, je nach Neigung, aber über seine ethnische Herkunft gibt es kaum Zweifel, dass er Mongole war.
dazu wäre allerdings anzumerken, dass Neigung nicht gerade ein historisch wissenschaftliches Kriterium ist...
 
dazu wäre allerdings anzumerken, dass Neigung nicht gerade ein historisch wissenschaftliches Kriterium ist...

Einmal das. Zum anderen schimmern in den "Neigungen" weltanschauliche Kategorien durch.

In neuerer Zeit sagen türkische Historiker, dass Timur ethnisch ein Mongole, kulturell ein Türke war. Über den kulturellen Teil gibt es gegensätzliche Meinungen, je nach Neigung, aber über seine ethnische Herkunft gibt es kaum Zweifel, ...
Wieso sollte es da Zweifel an der Herkunft geben, und welche Hinweise sollte es auf eine abweichende Akkulturation Timurs nach seinen westlichen Feldzügen geben?
 
silesia,
bei der von dir zitierten Bemerkung wollte ich sagen, dass die ethnische Herkunft Timurs nicht in Zweifel gezogen wird.
Eine abweichende Akkulturation Timurs nach seinen westlichen Feldzügen... darüber habe ich eigentlich nichts gesagt. Ich weiß nicht, warum dieses Missverständnis aufgetreten ist aber ich will etwas näher verdeutlichen, was ich mit seiner Kultur bzw. um es mit deinen Worten zu sagen, seine Akkulturation.

Und zwar:
In neuerer Zeit beschäftigen sich viele türkische Historiker, damit sind auch Türken außerhalb der Türkei gemeint, mit der Geschichte der Türken und allem was mit ihnen zu tun hat.
Das mag selbstverständlich erscheinen aber die neue Generation von Historikern räumt dabei mit Legenden und Mythen auf, mit denen die Geschichte dieser Region unsäglich verstellt und verfälscht wurden.
Daneben gibt es aber leider Bestrebungen, die alten Legenden am Leben zu halten und diese Kategorie von sog. Historikern sind stark von ihren politischen und ideologischen Ausrichtung geprägt und beugen dabei absichtlich oder unabsichtlich auch die Geschichte, zumindest lassen sie ihre Ausrichtung in die Geschichtsdeutung einfließen.
Diese Kategorie von Historikern haben einen bestimmten Ausgang der Geschichte im Kopf und kommen mit teils hanebüchenen Interpretationen daher, nur um ihre eigene Schlussfolgerung zu rechtfertigen.
Das kennen wir auch von europäischen Historikern.

Erinnern wir uns, womit dieser Thread angefangen hat.
Timur wurde im ersten Beitrag bewundert und verehrt und zwar von einem Türken.
Diese Neigung von vielen Türken beruht auf die Interpretation von türkischen Historikern in der Vergangenheit, Timur unbedingt zu einem Türken zu machen. So wäre die schwere Niederlage der Osmanen wenigstens eine Affäre innerhalb der Familie. Damit wäre die Ehre der Osmanen gerettet und der Sieger wäre wieder ein Türke. Diese gingen sogar so weit, aus dem Mongolen Timur einen Türken im ethnischen Sinne zu machen und manchmal sogar so weit, aus dem mongolischen Volk ein Turkvolk zu machen und noch weiter, einen türkischen Stamm zu machen. Am Ende wurde selbst aus Dschingis Khan ein Türke.

Das mag absurd erscheinen aber das kommt dabei heraus, wenn man Geschichte für die Tagespolitik instrumentalisiert und nicht an der Wahrheit interessiert ist.

Heute im 21. Jh. aber gibt es auch unter den Türken seriöse und gut ausgebildete Historiker, die mit modernen Methoden arbeiten und nur an der Wahrheitsfindung interessiert sind. Dabei werden sie häufig kritisiert, weil sie altbekannte Legenden und Mythen zerstören.
Aber die alte Schule ist noch existent, jedoch können sie sich gegen empirische Fakten nicht zur Wehr setzen und müssen zusehen, wie ihre Legenden so langsam den Bach runter gehen. In dieser Phase klammern sie sich an die nicht so eindeutigen Hinweise und greifen nach jedem Strohhalm.

In Falle Timurs ist die These, dass er ethnisch ein Türke war, nicht mehr zu halten. Dass aber aber kulturell gesehen ein Türke gewesen ist, diese Behauptung ist eindeutig weder zu beweisen noch zu widerlegen. Timur soll Türkisch neben anderen Sprachen gesprochen haben, er soll auch Türkisch geschrieben haben. Das reicht für manche, aus ihm wenigstens kulturell einen Türken zu machen.
Das kann man nur dann verstehen, wenn man sich ernsthaft über das Trauma der Türken nach der Niederlage gegen Timur Gedanken macht.

Nach meiner Meinung ist diese Behauptung, Timur sei kulturell ein Türke gewesen nicht eindeutig, vermutlich falsch aber ebenso unwichtig. Wichtig sind die Tatsachen und dazu gehört eben die schwere Niederlage der Osmanen gegen Timur.
Er sei kulturell ein Türke gewesen, weil er Türkisch sprach und schrieb ist genauso viel oder genauso wenig stichhaltig wie zu behaupten, weil ich Deutsch schreibe und spreche bin ich kulturell ein Deutscher. Das kann zutreffen oder nicht aber darüber kann man tagelang streiten, selbst über einer noch lebenden Person wie mir.

So, ich hoffe jetzt einigermaßen deutlich machen, warum ich oben "je nach Neigung" geschrieben habe. Damit wollte ich lediglich eine weit verbreitete Interpretation hinweisen.
Ich hätte aber nie gedacht, über drei Worte so eine lange "Abhandlung" schreiben zu müssen.

Abschließend will ich noch sagen, dass in neuerer Zeit auch unter türkischen Historikern ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und die neue Generation von Historikern wirklich nur an der Wahrheit interessiert ist. Die ideologisch verbrämten Historiker gibt es noch aber sie haben einen schweren Stand und müssen Schritt für Schritt zurück weichen.

Ich musste bis vor kurzem auf nichttürkische Quellen greifen, wenn ich einigermaßen objektive Historiographie studieren wollte. Aber bis auf Uzunçarşılı, Köprülü, die beide in der ersten Hälfte des 20. Jh. gearbeitet haben, war lange keine seriöse Geschichtsforschung betrieben worden, zumindest in der Türkei.
Diese beiden großartigen Historiker haben mit beschränkten Mitteln Archive durchkämmt und übersetzt und gelten heute noch als Quellen. Die Umstellung von arabischem Alphabet zum lateinischen in den 1930ern verursacht zusätzliche Probleme, weil die alten Schriften mit dem arabischen Alphabet geschrieben wurden. Zusätzlich dazu müssen türkische Historiker auch Arabisch und Persisch lernen, weil diese Sprachen die Schriftsprachen gewesen sind, für eine längere Zeit. Zu vergleichen damit, dass abendländische Historiker Altgriechisch und Latein können müssen.

Diese Voraussetzungen erfüllen heute auch viele türkische Historiker und es ist spannend, auf ihre neuen Erkenntnisse zu warten. Dabei sind insbesondere zwei Namen zu erwähnen, die eine völlig neue Methodik entwickelt haben, Historiographie zu betreiben. Halil Inalcik und Ilber Ortayli. Inalcik ist mittlerweile 95 Jahre alt und gilt auch in den USA als eine Koryphäe in der osmanischen Geschichte. Buchstäblich aus seiner Schule kommt auch der 65 jährige Ilber Ortayli, auch ein international hoch angesehener Historiker.
Viele heute der jüngeren türkischen Historiker folgen ihren Spuren.

Warum erwähne ich das?
Ihr müsst wissen, dass die türkische Geschichtsforschung bis vor kurzem der jeweiligen Ideologie gefolgt ist. So eine Forschung verdient den Namen nicht. Man darf dem durchschnittlichen Türken keinen Vorwurf aus seinem fehlerhaften Geschichtswissen machen, denn er hat nichts anderes gekannt und akademische Forschungsarbeiten bzw. Abhandlungen sind für den Mann auf der Straße nicht zu verstehen.
Deshalb gibt es diese teilweise absurd lächerlichen Geschichten und Legenden. Dabei kommt auch die Wahrheit unter die Räder und wird mit den Lügen und Legenden weggespült.

Das ändert sich jetzt glücklicherweise weil auch die Türken mittlerweile ein anderes Geschichtsbewusstsein entwickeln. Die Bildung unter den Türken erreicht nie dagewesene Höhen und gut gebildete Menschen erkennen natürlich eine Legende und wollen die Wahrheit wissen.


So, silesia.
Das nächste Mal wirst du dir gut überlegen müssen, wenn du drei Wörter aus meinen Beitrag als Anstoß zum Kritik nehmen willst. Dann musst du so eine lange Antwort lesen.


Danke für deine Stellungnahme.
Gruß
 
Das war keine Kritik, sondern eine Nachfrage nach den Argumenten in der angesprochenen Literatur, Timur eine osmanische Kultur zuzuschreiben.

Den längeren Beitrag mit dem Aufriss der Entwicklungen der türkischen Geschichtswissenschaft habe ich jetzt so verstanden, dass nach der älteren Literatur diese Behauptung aufgrund seiner Verwendung der türkischen Sprache aufgestellt worden war. Mehr scheint es da nach Deinen Ausführungen nicht zu geben.
 
In der Tat.
Ich schreibe das des Trauma der schweren Niederlage zu.
Das ist natürlich nur eine Meinung, die auf mein Verständnis beruht.
Andere mögen da anderer Meinung sein.

Für mich war Timur kein Türke.
 

Da ich diesen Beitrag erst jetzt sehe, auch nach Monaten noch eine (kurze) Antwort.

Ich denke es ist berechtigt zu fragen, in wie weit sich eine Iranistikerin und Islamistin mit den Nachbarvölkern auskennt.
Gronkes äußerst knappen Abhandlungen über die Steppenvölker legen eine Antwort nahe, auch wenn du persönlich (natürlich) nichts an ihren wenig überraschenden Erkenntnissen auszusetzen hast.


Selbst wenn sie immer wieder einen Schwerpunkt auf seine Grausamkeiten legt, lässt sich nachvollziehen, inwiefern ihre Darstellung nicht ausgewogen sein sollte.

Ja, genau.

Welche usbekischen, kasachischen und mongolischen Quellen, die Gronke unbeachtet gelassen hat, existieren es denn? Vielleicht überhaupt keine?

Achso. Wenn es keine Quellen gibt, schreibst man halt irgendwas. oder wie darf ich deinen Satz verstehen?
 
Diese Neigung von vielen Türken beruht auf die Interpretation von türkischen Historikern in der Vergangenheit, Timur unbedingt zu einem Türken zu machen.

Umgekehrt kann man Timur auch nicht einfach zum Mongolen machen, denn das wird der Sachlage ebenfalls nicht gerecht. Die Mehrzahl der Historiker ist heute der Auffassung, dass Timur dem Stamm der Barlas entstammt, der im 13. Jh. in Transoxanien einwanderte. Dieser ursprünglich mongolische Stamm wurde turkisiert, wie das auch bei Tataren, Usbeken oder Kasachen der Fall war, die ebenfalls im Lauf der Zeit eine türkische Identität annahmen und einen Sprachwechsel zum Türkischen vollzogen.

Somit war Timur ethnisch ein Türke mongolischer Herkunft, der später aus Prestigegründen versuchte, seine mongolische Abstammung zu betonen. Der diesbezügliche Wikipedia-Artikel entspricht der gegenwärtigen historischen Sicht:

Timur entstammte dem im 13. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten mongolischen Nomadenstamm der Barlas, welcher jedoch mit der Zeit eine Turksprache angenommen hatte und von den türkischen Nomaden Zentralasiens nicht mehr zu unterscheiden war.


Timur was born in Skardu, in the City of Kesh (an area now better known as Shahrisabz, "the green city"), some 50 miles south of Samarkand in modern Uzbekistan, then part of the Chagatai Khanate. His father, Taraqai, was a small-scale landowner and belonged to the Barlas tribe. The Barlas was a Turko-Mongol tribe which was originally a Mongol tribe and was Turkified and/or became Turkic-speakinghttp://en.wikipedia.org/wiki/Timur#cite_note-23 or intermingling with the Turkic peoples.http://en.wikipedia.org/wiki/Timur#cite_note-24
 
Hat jemand eine Einschätzung zu diesem Buch?

Justin Marozzi: Tamerlane - Sword of Islam, Conqueror of the World, 2012.
 
Dank schon mal soweit.

Ich habe das nur kurz durchgesehen, und mir war aufgefallen, dass die Zitierweise trotz umfangreichem Literaturverzeichnis ein Totalausfall ist. Keine Referenzierung :autsch:
 
Hat sich hier mal jemand mit dem Herrscher Timur und den nach ihnen benannten Timuriden beschäftigt? Ich finde diese Person fazinierend. Auf der einen Hand schuf dieser Herrscher ein blühendes Reich, auf der Anderen begann er auch wohl eine Taten die man wohl als Barbarei bezeichnen kann, z.B. ließ er ganze Städte massakrieren und dann Türme aus den abgeschnittenen Köpfen errichten. Was mich besonders interessiert ist was wir durch Timur über die Welt des Islam lernen können. Ich fürchte Eroberer wie Timur oder Genghis Khan, als dessen Nachfolger er sich sah, haben der nicht-westlichen Welt ein schlechtes Image als brutal und fanatisch aufgedrückt und man könnte sie heute noch immer für Propagandazwecke missbrauchen. Wie verhindert man das? Reicht es Gegenbeispiele zu nennen? Vielleicht Cäsar (der Teils Gallien ethnisch säuberte) oder Hitler? Wie geht man mit solchen Figuren um? Ironischerweise war Timur lange Zeit für "den Westen" eine Art dunkler Held, dann er kämpfte auch gegen die Osmanen welche nach Europa vordrangen. Mal hier was dazu: https://fount.aucegypt.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1285&context=etds
 
55 Seiten is' mir zu viel. Fass doch mal zusammen, was da steht. :D

Wenn ich fertig gelesen hab gerne, zumindest so gut ich kann :) Das Lesen des Artikels soll ja keine Pflicht sein, sondern ist in diesem Fall nur für Leute die Lust dazu haben. Das hat jetzt wirklich nichts mit der Problematik in anderem Thread zu tun. Aber wie typisch für hier wird sofort Angegriffen wenn man eine (vermeintliche) Schwäche entdeckt.

Alsooo...

Was sagst du sonst zum Post?
 
Wenn ich fertig gelesen hab gerne,
Ach sooo, du verlinkst also etwas, was du gar noch nicht selbst gelesen hast. Wenn man es gewohnt ist, dass andere das für einen lesen und dann zusammenfassen, kann das natürlich sehr praktisch sein.

In der Masterarbeit scheint es weniger um Timur Lenk selbst zu gehen, sondern eher darum, wie ihn Christopher Marlowe darstellt und um Islamophobie allgemein. Aber viel Spaß beim lesen wünsche ich dir.

Was mich besonders interessiert ist was wir durch Timur über die Welt des Islam lernen können. Ich fürchte Eroberer wie Timur oder Genghis Khan, als dessen Nachfolger er sich sah, haben der nicht-westlichen Welt ein schlechtes Image als brutal und fanatisch aufgedrückt und man könnte sie heute noch immer für Propagandazwecke missbrauchen.

Dschingis Khan war kein Moslem. Deswegen weiß ich nicht, inwiefern man von ihm etwas über die Welt des Islam lernen kann.
 
Ach sooo, du verlinkst also etwas, was du gar noch nicht selbst gelesen hast.

Noch nicht ganz. Ja und?

Dschingis Khan war kein Moslem. Deswegen weiß ich nicht, inwiefern man von ihm etwas über die Welt des Islam lernen kann.

Ich hab geschrieben was man durch Timur über die Welt des Islam lernen kann. Dann generell wie Geschichten von solchen Eroberern unser Bild vom "Osten" prägen. Außerdem wurden viele Mongolen später Muslime. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Kannst du jetzt etwas Inhaltliches sagen oder nur Streit anfangen?
 
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