Die Bedeutung von Mantzikert (bzw. Manzikert/Malazgirt) für die Kreuzzüge

@Dieter: Wenn ich mich richtig erinnere, wurde Nikaia nicht "vertragsgemäß" dem Kaiser übergeben, sondern die Stadt ergab sich einer byzantinischen Flotte - sehr zum Unmut der Kreuzfahrer, die ob der entgangenen Plünderung gar nicht begeistert waren.

Aus Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, S. 48: "... übergab die Besatzung [Nikaias] die Stadt am 19. Juni dem byzantinischen Admiral Butunites; ... dies entsprach dem Eid der Kreuzfahrer, aber sie waren dennoch enttäuscht, da man ihnen verwehrte, die Stadt zu betreten , und von einer Plünderung keine Rede sein konnte."

Auch in Peter Milger, Krieg im Namen Gottes, S. 76: "Als im Juni 1097 eine kleine byzantinische Flotte eintrifft, ergibt sich die Garnison den kaiserlichen Truppen. Alexios hatte diesen Plan von Anfang an verfolgt, um eine Brandschatzung der christlichen Bevölkerung zu verhindern. ... Als die Kreuzfahrer zum Sturmangriff ansetzen, flattern auf den Türmen die byzantinischen Standarten. Die Kreuzfahrer vor der Stadt müssen die neue Sachlage akzeptieren. ... der Chronist Raimund von Aguilers beklagt die entgangene Beute ... : <Nachdem Alexios im Besitz Nikaias war, handelte er so undankbar, dass er als Verräter geschmäht werden wird, solange er lebt.>"

Von einer vertragsgemäßen Übergabe würde ich als in keiner Weise sprechen. Genau dieses Verhalten Alexios führte nämlich auch dazu, dass es zwischen ihm und den Kreuzfahrern zu immer größerem Misstrauen kam und eine Zusammenarbeit kaum mehr stattfand. Von daher war sehr schnell sichtbar, dass die Kreuzfahrer eben nicht die willigen Helfer sein würden, auf die Alexios gehofft hatte.
 
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Von einer vertragsgemäßen Übergabe würde ich als in keiner Weise sprechen. Genau dieses Verhalten Alexios führte nämlich auch dazu, dass es zwischen ihm und den Kreuzfahrern zu immer größerem Misstrauen kam und eine Zusammenarbeit kaum mehr stattfand.

Wie dem auch sei: Auf jeden Fall kam es im Schatten der Kreuzzüge zu einer teilweisen Rückeroberung Kleinasiens, sodass die Seldschuken nicht mehr unmittelbar vor den Mauern Konstantinopels standen.
 
Wie dem auch sei: Auf jeden Fall kam es im Schatten der Kreuzzüge zu einer teilweisen Rückeroberung Kleinasiens, sodass die Seldschuken nicht mehr unmittelbar vor den Mauern Konstantinopels standen.

Gibt es zu dieser Phase der Gebietsverluste nach der Schlacht bis zur teilweisen Rückdrängung, sowie zu den Bevöllerungsbewegungen spezielle Literatur?
 
Gibt es zu dieser Phase der Gebietsverluste nach der Schlacht bis zur teilweisen Rückdrängung, sowie zu den Bevöllerungsbewegungen spezielle Literatur?

Es gibt epochenspezifische Publikationen zum Byzantinischen Reich, die du alle im diesbezüglichen Wiki-Artikel findest. In meinem Bücherschrank findet sich allerdings lediglich Überblicksliteratur zum Osmanischen und Byzantinischen Reich.
 
Es gibt epochenspezifische Publikationen zum Byzantinischen Reich, die du alle im diesbezüglichen Wiki-Artikel findest. In meinem Bücherschrank findet sich allerdings lediglich Überblicksliteratur zum Osmanischen und Byzantinischen Reich.

Danke.

Ich bin eigentlich auf der Suche nach spezifischer Literatur, mit dem engen Fokus auf ein paar betreffende Jahrzehnte kurz vor und nach Manzikert.

Das sieht dünn aus, was ich da bisher gefunden habe. Wie Du schon sagst, die Darstellungszeiträume sind wohl oft weiter gezogen.
 
Ich rede von einer Schlacht 1071 und der Behauptung, dass die Kreuzzüge eine Reaktion darauf gewesen sein sollen. Unberücksichtigt bleiben die 24 Jahre, die dazwischen liegen. Ist das nachvollziehbar?!

Die Kreuzzüge waren eine Reaktion auf das Hilfegesuch von Alexios I auf dem Konzil von Piacenza 1095.
Hätte Byzanz 1071 Manzikert nicht verloren, hätte Alexios I auch keine Hilfe gegen die Seldschuken benötigt. Er wollte Hilfe für die Rückeroberung der verloren gegangenen Gebiete (Anatolien, Nordkurdistan).
Dass Byzanz dies nicht vorher versucht hat, liegt daran, dass es zwischenzeitlich mit sich selbst (Intrigen, Umstürze) und anderen Abwehrkämpfen (Normannen, Bulgaren) beschäftigt war. Ein weiterer Grund dürfte daran bestanden haben, dass zu jedem Zeitpunkt sowohl dass Gross- als auch das Rum-Seldschukische-Reich bereits in einzelne Sultanate zerfallen war, die sich gegenseitige Machtkämpfe lieferten. Die Chance zur Rückeroberung war erstmals wieder erfolgversprechend.

Natürlich hat Urban II aus dem Hilfegesuch von Alexios mehr und etwas anderes gemacht, als dieser beabsichtigt hat.
Insofern war Manzikert eben doch bestimmend: ohne seldschukische Eroberung kein Hilfegesuch von Byzanz. Und ob Urban II ohne dieses Hilfegesuch auf die Kreuzugsidee gekommen wäre, glaube ich nicht. Zum Mindesten wäre jedenfalls die Propaganda von den "bedrohten Christen" als Legitimation weggefallen, denn der Zugang zu den heiligen Stätten scheint damals kein Problem gewesen zu sein (gem. Ibn al-Arabi, muslimischer Pilger aus Spanien im Jahr 1092)

Zudem war die Invasion der Seldschuken kein Religionskrieg gegen Christen sondern ein reiner Eroberungskrieg, und dies nicht nur auf Kosten von Byzanz. Sie haben Bagdad vom abbasidischen Kalifat und Jerusalem vom fatimidischen Kalifat in Kairo erobert.
 
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Was ist dann die Ursache für diese Verzögerung um 24 Jahre?
Scheint ja nicht sehr dringend gewesen zu sein.
Wenn man das "hätte" erweitert, spräche nichts dagegen, dass auch bei einem anderen Ausgang von Manzikert ein Hilfegesuch gestellt worden wäre.
Zumal man 17 Jahre nach der Schlacht erst mal den schwer ringenden Herrscher eines arg bedrängten Landes bannt.

Die Schlacht hat an der eigentlichen strategischen Lage nichts verändert. Das Gesuch passt auch zur Aufhebung des Banns, ein engagiertes, "gemeinsames Projekt" ist eine schöne Projektionsfläche für die neue Zusammenarbeit.
 
Was ist dann die Ursache für diese Verzögerung um 24 Jahre?
Scheint ja nicht sehr dringend gewesen zu sein.
Wenn man das "hätte" erweitert, spräche nichts dagegen, dass auch bei einem anderen Ausgang von Manzikert ein Hilfegesuch gestellt worden wäre.
Zumal man 17 Jahre nach der Schlacht erst mal den schwer ringenden Herrscher eines arg bedrängten Landes bannt.

Die Schlacht hat an der eigentlichen strategischen Lage nichts verändert. Das Gesuch passt auch zur Aufhebung des Banns, ein engagiertes, "gemeinsames Projekt" ist eine schöne Projektionsfläche für die neue Zusammenarbeit.

Wieso wäre das Hilfegesuch trotzdem gestellt worden ? Wenn Byzanz Manzikert gewonnen hätte, wäre zum Mindesten Anatolien bei Byzanz geblieben. So hätte Byzanz keine Veranlassung gehabt, die Lateiner um Hilfe zu bitten.

Ich sehe jetzt nicht, wieso diese 24 Jahre das Problem sein sollen - es gibt genügend gesch. Beispiele, wo man mit "Rückeroberungen" länger gewartet hat. Ein grösseres Problem als der Zeitraum von 24 Jahren ist jedenfalls die Quellenlage:
In Urbans Briefen wird ein Hilfegesuchs Byzanz in Piacenza nicht erwähnt
Anna Komnena erwähnt ebenfalls kein Hilfegesuch
Der Aufruf, den "Christen des Ostens" zu Hilfe zu kommen, stammt mehrheitlich aus den Aufrufen von Clermont, die zwar z. T. von Zeitzeugen verfasst sind, aber nicht als authentisch gelten
Als einzige Quelle erwähnt die Chronik von Bernold von Koblenz das Hilfegesuch. Der Chronist war allerdings Benediktiner und offenbar "cluniazensisch angehaucht" - also Partei.

Dies sind, kurz zusammengefasst, meines Wissens die Gründe, weshalb ein Hilfegsuch von Alexios angezweifelt wird.

Aber angenommen, es habe tatsächlich keine Hilfegsuch von Byzanz gegeben und Bernold hätte das Hilfgesuch lediglich als Porpaganda-Instrument von Urban übernommen - ist denn eine solche Ausgangssituation wahrscheinlicher ? Die Idee eines "heiligen Krieges" war dem Christentum damals neu und Palästina war den Pilgern nach wie vor zugänglich - es bestand kein Anlass, dort zu intervenieren. Urban II (offenbar mit dem Investiturstreit nicht ganz ausgelastet) hätte also ganz ohne konkrete Bedrohung auf die Idee des Kreuzzuges kommen und ein Hilfegesuch Byzanz erfinden müssen (oder soll Bernold selbst auf die Idee gekommen sein ?). Ich halte dieses Szenario für noch unwahrscheinlicher.

Hinzu kommt, dass die Seldschuken nach Manzikert durchaus machtpolitische Interessen Richtung Byzanz entwickelt zu haben scheinen. Oder aus welchem Grund sollte sich Suleiman I, der Bruder von Alp Arslan, sonst als Sultan von "Rum" (Rom) bezeichnet haben, wenn er nicht entsprechende Ambitionen entwickelt hätte ?

auf diesen drei Seiten kurz zusammengefasst
https://books.google.ch/books?id=LYD7XoGwafAC&pg=PA165&lpg=PA165&dq=Konzil+von+Piacenza&source=bl&ots=qxDgZT84gQ&sig=K6uvBIDDZnzSLyoTp8r4RiaadI8&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj-u6yHn6bKAhUHtBQKHZ4EBfMQ6AEITDAI#v=onepage&q=Konzil%20von%20Piacenza&f=false
 
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Gesuche jeder Art wird es wohl gegeben haben, vermutlich das erste 1073 von Michael VII an Gregor VII. Der Brief - der Inhalt ist nicht bekannt - wird wohl unmittelbar nach Manzikert kaum nur um Kirchendispositionen gegangen sein. Oder 1074 die Anfrage an die Burgunder, Ritter zu schicken. Oder die Appell 1074 von Gregor VII, usw. bis hin zu den Hilfestellungen 1090/91.
https://en.wikipedia.org/wiki/Pechenegs#Late_history_and_decline


Ich ziehe kein "Gesuch" in 1095 in Frage, sondern mir geht es um den Inhalt. Nach der Sicherung des Balkans, dem Ausbau der Flotte (ungeeignet gegen die Bedrohung in Anatolien), dem Sieg von Levounion 1091, dem Tod von Suleyman ibn Kutalmiş und der Schwächung der Seldschuken
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Levounion
https://de.wikipedia.org/wiki/Suleiman_ibn_Kutalmiş
überhaupt nach der Reorganisation des Byzantinischen Reiches und zwischenzeitlicher Abwehr von Raids in die byzantinischen Küstenregionen scheint ein dringendes Hilfegesuch etwas deplaziert und 20 Jahre verspätet.

Folglich ist zwischen dem zu trennen, was Inhalt des Gesuches sein könnte (evt. übliche Aufrufe für "Legionäre") und dem, was anschließend daraus gemacht worden ist.

Siehe auch Harris, Byzantium and the Crusades, 2014, S. 39/59 "Response to Crisis".

"So that by 1095 the Empire was not under threat any more."
Mecit, The Rum Seljuqs 1081-1243 - Ideology, Mentality and self-image.
Dort die Ausführungen zu den byzantinisch-seldschukischen Beziehungen vor 1095.
 
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