Der Verlust des enklit. /l/ im Frz. & Ndl. - Parallelentw. o. Sprachbundphänomen?

El Quijote

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Ist der Verlust des enklitischen* /l/ (also des /l/ im Silbenauslaut) im Französischen und Flämisch-Niederländischen eine zufällige Parallelentwicklung oder ein Sprachbundphänomen?

Für eine zufällig parallele Entwicklung würde sprechen, dass das eine eine germanische, das andere eine romanische Sprache ist, sie nur weitläufig miteinander verwandt sind (quasi nicht "Geschwister" sondern entfernte "Cousinen").

Für ein Sprachbundphänomen könnten aber folgende Dinge sprechen:
das Flämisch-Niederländische und die Langues d'oïl (oïl > oui!) entstanden in einander direkt benachbarten Gebieten, das heutige Standardfranzösische im Pariser Becken. Die Entwicklung könnte also entweder einen gemeinsamen Ursprung haben - wäre dieser etwa im fränkischen Superstrat zu suchen? - oder aber die Entwicklung in dem einen Sprachgebiet könnte aus Gründen des Sprachkontakts die Parallelentwicklung im anderen Gebiet angestoßen haben(?).

Phonetisch findet im Polnischen im Übrigen etwas ganz ähnliches statt, hier wird allerdings das umgelautete /l/ nicht durch ein <u> sondern durch das Graphem < Ł / ł > wiedergegeben. Die Umlautung ist auch nicht auf die enklitische Stellung beschränkt (vgl. słowo und slowo) und vor allem wird das /l/ nicht nur durch "Nullphonem" ersetzt.



*also im Silbenauslaut
Castell|um - château
al|tum - haute
cul|tura - couture
Nivel - Niveau (die Wortgeschichte von Niveau ist sehr kompliziert; in nivellieren ist das /l/ noch erhalten.)
Dagegen das germanische Karl > carl + eingeschobenes -o- + Deklinationsendung, Verschiebung der Silbengrenzen |Carl| > Ca|ro|lus > Charles
alte/old > oude
behalten > behouden
 
Sprachwissenschaftlich Definitives kann ich nicht einbringen, aber die Franken scheinen mir das Verbindende zu sein. Es geht hier ja ungefähr um ihr Kerngebiet beiderseits der heutigen Sprachgrenze.
Die Entwicklung könnte über das "dunkle l", das heute noch im Englischen (aber auch Portugiesischen), gebräuchlich ist, verlaufen sein. Von da ist es nicht mehr so weit zum U und dann völligen Wegfall des Lauts. Auch das polnische ł wurde ursprünglich, wie im Russischen als "dunkles l" ausgeprochen.
Übrigens gibt es im Bairischen ein ähnliches Phänomen: Die Milch wird da als Muich oder Müi ausgesprochen.
 
Ich muss grad überlegen, ob das bairische /l/ > /i/ auch typisch für die Enklise ist oder auch an anderer Stelle vorkommt.
 
Sprachwissenschaftlich Definitives kann ich nicht einbringen, aber die Franken scheinen mir das Verbindende zu sein. Es geht hier ja ungefähr um ihr Kerngebiet beiderseits der heutigen Sprachgrenze.

Dann stelle ich mal eine Antithese auf, die besagt, dass sich entweder um eine zufällige Parallelentwicklung handeln muss oder aber um einen "Anstoß", der entweder vom Pariser Becken ausging oder eben vom Flämisch-Niederländischen Bereich, jedenfalls nicht mit dem fränkischen Superstrat erklärt werden kann, denn:
Wäre diese Parallelentwicklung auf ein fränkisches Substrat zurückzuführen, dann müsste sie sich doch an und für sich schon früher finden, sprich, bevor die Westfranken ihr germanisches Idiom zugunsten der romanischen Mehrheitsbevölkerung aufgaben. Stattdessen haben wir aber Karlmann und Karl, ein Name dessen Anlaut im Französischen zwar verschoben wurde (Charles, gemäß den Regeln: cattus - chat; castellum - château; cantio(nis) - chanson; caballus - cheval; canis - chien...), dessen enklitisches <l> sich aber erhielt - wenn auch durch den Umstand, dass es durch Anhängung der lateinischen Deklinationsendungen seine enklitische Stellung verlor. Aber wenn es ein fränkisches Superstrat gewesen wäre, dann hätte das aus dem Fränkischen kommende /-l/ gar nicht mehr ins Romanische entlehnt werden dürfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Seit wann ist dieses Phänomen zu beobachten?
Schließlich ist der Sprachraum in Belgien im Moment sehr spannend. 3 Sprachen die aufeinander treffen. Und in den letzten 80 Jahren ist der Wirtschaftliche Schwerpunkt von der Wallonie ins Flämische gewandert.
Und wie ist das mit den Zahlen in der Wallonien? Wird dort nicht ein ganz anderes Zahlensystem, ähnlich wie unseres oder auch im englischen Sprachraum, als in Frankreich verwendet?
Und Paris als Metropole kommt mehr mit anderen Sprachen in Kontakt als Gebiete in z.Bsp Aquitannien.

Apvar
 
Seit wann ist dieses Phänomen zu beobachten?
Ich weiß es nicht, aber mir ist heute noch ein Wort eingefallen, welches für eine Späterdatierung sprechen würde: Aubergine. Das Wort aubergine stammt aus dem Arabischen, bāḏinǧānah, span. berenjena. Kurios ist, dass die Agglutination des arabischen Artikels - al- - eigentlich für das Spanische typisch ist, im Spanischen aber nicht erhalten (allerdings in anderen iberoromanischen bzw. ihnen benachbarten Sprachen: arag.: alberchenera; kat. albergínia; bask. alberjinia; im Galizischen und Protugiesischen ohne agglutinierten arab. Artikel, wie im Spanischen) ist.
Eine genaue Datierung, wann die Aubergine nach Spanien kam und allmählich weiter nach Frankreich, kenne ich natürlich nicht. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass dies nicht unmittelbar nach 711 war.
Wenn wir hypothetisch die Zeit um 1000 bis 1200 annehmen - der Erstbeleg von Auberginen in al-Andalus stammt aus dem Kitāb al-Filāḥa von Ibn al-‘Awwām, Ende 12. Jhdt. - dann muss also der Prozess der Unterdrückung des enklitischen -l- bei der Entlehnung ins Französische entweder noch nicht vollzogen gewesen sein oder aber mitten drin gewesen sein.

Edit: Also tpq 711, taq kurz vor 1200, wobei ich eher für eine spätere Entlehnung plädieren würde.

(Ein weiteres Wort, welches mir heute morgen einfiel: Herberge - (span.) albergue - auberge < german. 'Ort das Heer zu bergen, aufzunehmen')
Aus den Delmes del bisbat de València, dem frühesten katalanischen Beleg (1268) für das Wort:
De cols/ spinachs/ de porros/
de alls/ de cebes/ de
albarginies /de
cauallons/ de pastanagues/ de naps/
e de totes altres ortaliçes sia
donada delma: çoes a saber la ·x·
part.


Und kastilisch, im Cancionero de Baena, 15. Jhdt.
dígolo por non ussar
en vuestra tierra trobar,
que más curan de senbrar
mucha buena
berenjena,
el qual han por buen manjar.




3 Sprachen die aufeinander treffen.

Warum drei? Oder meinst du die gegenwärtige Situation?
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wie ist das mit den Zahlen in der Wallonien? Wird dort nicht ein ganz anderes Zahlensystem, ähnlich wie unseres oder auch im englischen Sprachraum, als in Frankreich verwendet?

Ganz anders ist das in Wallonien nicht:

Das Zahlensystem im wallonischen Französisch unterscheidet sich lediglich bei der Bildung der 70er- und 90er-Dekaden: im "französischen" Französisch wird die 70 als "soixante dix"(=sechzig zehn), die 71 als soixante et onze (=sechzig elf), die 90 wird als "quatre-vingts dix" (vier zwanzig zehn, 4 x 20 +10), die 91 als "quatre-vingts onze" (vier zwanzig elf = 4 x 20 + 11) etc. gebildet. In Wallonien gibt es für 70 und 90 eigene Zahlwörter (septante und nonante), während die 80 - wie in Frankreich - als huitante (von huit - acht) in Teilen der Schweiz benutzt wird. Die Bezeichnung für 80 als "4 x 20" ist Überbleibsel einer Benutzung eines Vigesimalsystems (also mit der Basis 20*). Ob das nun aus dem keltischen Substrat oder dem nordischen Adstrat oder aus beidem kommen mag, darüber streiten sich die Gelehrten.

In der Praxis hat dieses System mit dem soixante-dix und quatre-vingts doch seine Tücken (Übermittlung von Telefonnummern:motz:).

siehe auch: Nombres en français - Wikipédia

*Die Dezimaler haben nur mit ihren Fingern gerechnet, während die Vigesimaler dann noch mit den Zehen weitergerechnet haben.:yes:

Aber das Zahlensystem in den einzelnen Gebieten der Frankophonie hat mit dem Lautwandel nichts zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
Obwohl ich zu wenig davon verstehe, aber weil mich das Thema interessiert, will ich noch einen Einwurf machen.

In der Wikipedia wird ein keltischer Einfluss für möglich gehalten
Altfranzösische Sprache ? Wikipedia

Die Palatalisierung, die dort als keltisches Substrat beschrieben wird, ist auch umstritten. Je später das fragliche Phänomen anzusetzen ist, desto unwahrscheinlicher ist sein keltischer Ursprung.

Ob allerdings nur noch geschrieben und nicht mehr gesprochen? Altfranzösische Sprache ? Wikipedia

Von Retardierungen im Verhältnis gesprochene Sprache - Schrift muss man immer ausgehen. Der Schreiber will ja zeigen, dass er "richtig schreiben" kann und er muss sich erst mal bewusst sein, dass er gar nicht mehr Latein schreibt, sondern eine romanische Sprache. Deshalb findet man häufig in mittelalterlichen Texten zwei Formen nebeneinander, eben die phonetische und die etymologische.
 
Eine genaue Datierung, wann die Aubergine nach Spanien kam und allmählich weiter nach Frankreich, kenne ich natürlich nicht. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass dies nicht unmittelbar nach 711 war.
Wenn wir hypothetisch die Zeit um 1000 bis 1200 annehmen - der Erstbeleg von Auberginen in al-Andalus stammt aus dem Kitāb al-Filāḥa von Ibn al-‘Awwām, Ende 12. Jhdt. - dann muss also der Prozess der Unterdrückung des enklitischen -l- bei der Entlehnung ins Französische entweder noch nicht vollzogen gewesen sein oder aber mitten drin gewesen sein.

Die Aubergine wurde in Spanien im 10. Jahrhundert zum ersten mal erwähnt.

"Die Herkunft der altindischen Bezeichnungen vatingana (vātingaṇa) → pi[8][9] / वातिङ्गण (vātiṃgaṇa-) → sa[10] beziehungsweise भण्टाकी (bhaṇṭākī) → sa[11] ist allerdings ungeklärt. In Persien taucht die Pflanze unter Bezeichnungen wie بادنجان‎ (DMG: bādenǧān) → fa[12], بادنگان‎ (DMG: bādingān) → fa[13] und anderer auf[8]. Die Araber lernten Pflanze und Frucht kennen, als sie im 7. Jahrhundert das Land eroberten, und kultivierten sie in den von ihnen beherrschten Gebieten. Bereits im 10. Jahrhundert wird sie in Spanien erwähnt[14][15].[7]
Der persischstämmige Arzt aṭ-Ṭabarī erwähnt die Pflanze, die bei ihm بادِنْجان‎ (DMG: bādinǧān) →ar, später gemeinhin باذِنْجَن‎ (DMG: bāḏinǧan) →ar[16][17] heißt, und beschreibt ihre medizinischen Wirkungen[18].[7]"

Aubergine ? Wiktionary
 
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Als Belege werden

  • Andreas Unger, unter Mitwirkung von Andreas Christian Islebe: Von Algebra bis Zucker. Arabische Wörter im Deutschen. Reclam, Stuttgart 2006, Seite 53.
  • Andrew M. Watson: Agricultural innovation in the early Islamic world. The diffusion of crops and farming techniques. In: Cambridge Studies in Islamic Civilization. Cambridge University Press, Cambridge und andere 1983, Seite 701.
und

  • Raja Tazi: Arabismen im Deutschen. Lexikalische Transferenzen vom Arabischen ins Deutsche. In: Stefan Sonderegger, Oskar Reichmann (Hrsg.): Studia Linguistica Germanica. Band 47, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1998, Seite 193.
erwähnt. Dem gehe ich nach.
 
Ist der Verlust des enklitischen* /l/ (also des /l/ im Silbenauslaut) im Französischen und Flämisch-Niederländischen eine zufällige Parallelentwicklung oder ein Sprachbundphänomen?

Für eine zufällig parallele Entwicklung würde sprechen, dass das eine eine germanische, das andere eine romanische Sprache ist, sie nur weitläufig miteinander verwandt sind (quasi nicht "Geschwister" sondern entfernte "Cousinen").

Für ein Sprachbundphänomen könnten aber folgende Dinge sprechen:
das Flämisch-Niederländische und die Langues d'oïl (oïl > oui!) entstanden in einander direkt benachbarten Gebieten, das heutige Standardfranzösische im Pariser Becken. Die Entwicklung könnte also entweder einen gemeinsamen Ursprung haben - wäre dieser etwa im fränkischen Superstrat zu suchen? - oder aber die Entwicklung in dem einen Sprachgebiet könnte aus Gründen des Sprachkontakts die Parallelentwicklung im anderen Gebiet angestoßen haben(?).

Phonetisch findet im Polnischen im Übrigen etwas ganz ähnliches statt, hier wird allerdings das umgelautete /l/ nicht durch ein <u> sondern durch das Graphem < Ł / ł > wiedergegeben. Die Umlautung ist auch nicht auf die enklitische Stellung beschränkt (vgl. słowo und slowo) und vor allem wird das /l/ nicht nur durch "Nullphonem" ersetzt.



*also im Silbenauslaut
Castell|um - château
al|tum - haute
cul|tura - couture
Nivel - Niveau (die Wortgeschichte von Niveau ist sehr kompliziert; in nivellieren ist das /l/ noch erhalten.)
Dagegen das germanische Karl > carl + eingeschobenes -o- + Deklinationsendung, Verschiebung der Silbengrenzen |Carl| > Ca|ro|lus > Charles
alte/old > oude
behalten > behouden


Das ist eine interessante Fragestellung. Vorab muss man jedoch bemerken, das zwischen dem Pariser Becken und dem Fläm-Niederländischen die langue et nation picarde lag.

langues d'oil, extraits mp3 de chansons régionales en langues d'oïl

auf carte klicken
 
Ich verstehe den Einwand gerade nicht. Das Pikardische gehört doch zu den Oïl-Sprachen, von denen ich sprach.

Die Standardsprache kommt aber aus dem Pariser Becken nicht von der Peripherie, wie du selbst bemerkt hast.

Interessant wäre auch eine Erklärung, wie das fränkische der Merowinger jetzt mit dem Niederländischen verwandt ist.
 
Seit wann ist dieses Phänomen zu beobachten?

Zu den von El Quijote erwähnten Beispielen kann ich noch zwei weitere hinzufügen:

  • Haubert (< fränkisch halsberg - ein Kettenhemd (der Hals wird geschützt (bergen))
  • Chapeau (<chapel - Hut)

Bei château und chapeau habe ich nachgesehen, bei haubert war leider nur ein Eintrag von 1100 als "halsberc".

1erquart xiiies. chapeau (Lancelot du lac, éd. H. Oskas Sommer, 3, 147)

1174 plur. chastaus (G. de Pont-Ste-Maxence, St Thomas, éd. E. Walberg, 2214); 1212-18 forz chastiaus (G. de Villehardouin, Conquête Constantinople, éd. E. Faral, § 320)

aus: CHAPEAU : Etymologie de CHAPEAU und CHATEAU : Etymologie de CHATEAU

Der Wegfall des "l" fand wohl um 1200 statt.
 
Ich weiß es nicht, aber mir ist heute noch ein Wort eingefallen, welches für eine Späterdatierung sprechen würde: Aubergine. Das Wort aubergine
Wenn wir hypothetisch die Zeit um 1000 bis 1200 annehmen - der Erstbeleg von Auberginen in al-Andalus stammt aus dem Kitāb al-Filāḥa von Ibn al-‘Awwām, Ende 12. Jhdt. - dann muss also der Prozess der Unterdrückung des enklitischen -l- bei der Entlehnung ins Französische entweder noch nicht vollzogen gewesen sein oder aber mitten drin gewesen sein. ............................
Aus den Delmes del bisbat de València, dem frühesten katalanischen Beleg (1268) für das Wort:
De cols/ spinachs/ de porros/
de alls/ de cebes/ de
albarginies /de
cauallons/ de pastanagues/ de naps/
e de totes altres ortaliçes sia
donada delma: çoes a saber la ·x·
part.
Das Wort aubergine in der französischen Sprache leitet sich wahrscheinlich (siehe den oben genannten Erstbeleg von 1268 ) aus dem Katalanischen ab. Ab diesen Jahr kann man auch mit einer Entlehnung in die altfranzösische Sprache rechnen.
Im Herkunftswörterbuch von Ursula Hermann 1994 Bertelmann Lexikon Verlag steht:
"Aubergine :...............frz. aubergine aus katalan. albergina aus arabisch albadingan in derselben Bedeutung , wahrscheinlich aus dem Persischen"
 
Das Wort aubergine in der französischen Sprache leitet sich wahrscheinlich (siehe den oben genannten Erstbeleg von 1268) aus dem Katalanischen ab. Ab diesen Jahr kann man auch mit einer Entlehnung in die altfranzösische Sprache rechnen.

Das muss nicht sein. Wenn ein Wort in einer Sprache belegt ist, dann ist das der schriftliche Beleg. I.d.R. ist es so, dass, bevor ein Wort schriftlich niedergelegt wird (und damit für die Sprachhistoriker greifbar), es erst einmal zuvor in die mündliche Sprache eingegangen sein muss (eine Ausnahme bilden Übersetzungen, bei denen der Übersetzer schlicht das Wort mangels entsprechendem Lexem in der Zielsprache, übernehmen musste). Dieser Zeitraum n kann länger oder kürzer sein, nur Stunden oder auch Jahre betragen und ist nur in den seltensten Fällen einzugrenzen. Ein Beispiel dafür, wo man diesen Zeitraum eingrenzen kann, wäre das Bordbuch Kolumbus', der am 12. Oktober den ersten Kontakt mit Taíno-Sprechern hatte und am 26. Oktober verwendet er das erste Mal den Taíno-Begriff canoa (Kanu), mit dem er fortan den Arabismus almadía ersetzt. Dieser ist im Übrigen erstmals bei Kolumbus belegt, obwohl er ihn sicher nicht erst auf der Reise aufgeschnappt hat, er verwendet ihn jedenfalls so, dass man davon ausgehen muss, dass er davon ausging, dass seine Leser ihn verstanden.
Hier können wir also den Zeitraum, wann Kolumbus erstmals den Begriff canoa aufschnappte, auf zwei Wochen eingrenzen. Im Fall der Aubergine ist das deutlich schwieriger, da wir nicht wissen, wann sie wie gehandelt wurde, ohne dass dies irgendwo festgehalten ist. Es sei denn, es gibt einen Bericht über die exotische Frucht?
Aber gut, halten wir das ausgehende 13. Jahrhundert als wahrscheinlichen Entlehnungszeitraum fest.

Nun ist allerdings zu fragen wie lange diese Umlautung stattfand oder ob sie ggf. immer noch stattfindet bei Entlehnungen in Französische.
Ich denke dabei an das w- in romanischen Sprachen, welches regelmäßig zu gue- umgelautet wird, ob das fränkische wardjan zum guardian wurden und nun über normannische Vermittlung im englischen das Lehnwort guardian und das Erbwort warden nebeneinander existieren, oder die Garderobe (ursprünglich die Kiste, in der der Raub aufbewahrt wurde), der der große Fluss, al-Wādī l-kabīr, der zum Guadalquivir wurde bis in die Gegenwart, wo solche Worte wie guachimen und Güindows entstehen.*
Wenn also die Vokalisierung des enklitischen /-l/ im Französischen immer noch (also dauerhaft) produktiv sein sollte, dann ist die Frage nach dem Sub- oder Superstrat noch schwieriger zu beantworten. Wenn die Vokalisierung dagegen ein zeitlich gebundenes Phänomen wäre, dann wäre viel eher feststellbar, ob dies ein keltisches Substrat, fränkisches Superstrat, niederländisch-flämisches Adstrat oder eine autochthone Entwicklung ist, die ihrerseits ein Adstrat zum niederländisch-flämischen ist, oder eben nicht.

*Allerdings hat diese Umlautung den einfachen Grund, dass Romanen kein /w/ im Anlaut sprechen können.
 
*also im Silbenauslaut
Castell|um - château
al|tum - haute

Bei altum/haute ist bei den Belegbeispielen wieder - wie bei castell/château im Regelfall bei der Wende vom 12. /13. Jhdt. der Wegfall des "l" zu erkennen: HAUT : Etymologie de HAUT




cul|tura - couture
Das Beispiel paßt aber nicht: COUTURE : Etymologie de COUTURE kommt von custura


Nivel - Niveau (die Wortgeschichte von Niveau ist sehr kompliziert; in nivellieren ist das /l/ noch erhalten.)

c'est vraiement assez compliqué: nivel [<livel oder liveau ]NIVEAU] : Etymologie de NIVEAU]

Mir ist in dem Zusammenhang eingefallen, dass im Französischen bei Wörtern, die -al enden, der Plural mit -aux gebildet wird:

Z. B.

journal - journaux (statt journals)
cheval - chevaux (statt chevals)
général - géneraux (statt générals)
canal - canaux (statt canals)
animal - animaux (statt animals)


Auch bei der Zusammenziehung der Präposition à mit dem Artikel le wird daraus au.

Hier noch zwei Beispiele für den Wandel:

lambeau [<lambel] und manteau [<mantel]. Allerdings hat sich bei letzterem der Sprachwandel erst im 14. Jhdt. vollzogen MANTEAU : Etymologie de MANTEAU.


Kann es möglich sein, dass bei der Bildung des Plurals die Kombination von [-els] zu [-aus] sich wandelte, und erst danach der Singular analog gebildet wurde? Die Belegbeispiele für château scheinen mir das nahezulegen. Das wäre etwa so, als wenn man aus dem Plural animaux einen Singular animau herleiten würde.


Dagegen das germanische Karl > carl + eingeschobenes -o- + Deklinationsendung, Verschiebung der Silbengrenzen |Carl| > Ca|ro|lus > Charles

Verflixt, meine Silbengrenzen sind verschoben!:rofl::S
 
Ist der Verlust des enklitischen* /l/ (also des /l/ im Silbenauslaut) im Französischen und Flämisch-Niederländischen eine zufällige Parallelentwicklung oder ein Sprachbundphänomen?

Für eine zufällig parallele Entwicklung würde sprechen, dass das eine eine germanische, das andere eine romanische Sprache ist, sie nur weitläufig miteinander verwandt sind (quasi nicht "Geschwister" sondern entfernte "Cousinen").

Für ein Sprachbundphänomen könnten aber folgende Dinge sprechen:
das Flämisch-Niederländische und die Langues d'oïl (oïl > oui!) entstanden in einander direkt benachbarten Gebieten, das heutige Standardfranzösische im Pariser Becken. Die Entwicklung könnte also entweder einen gemeinsamen Ursprung haben - wäre dieser etwa im fränkischen Superstrat zu suchen? - oder aber die Entwicklung in dem einen Sprachgebiet könnte aus Gründen des Sprachkontakts die Parallelentwicklung im anderen Gebiet angestoßen haben(?).

Phonetisch findet im Polnischen im Übrigen etwas ganz ähnliches statt, hier wird allerdings das umgelautete /l/ nicht durch ein <u> sondern durch das Graphem < Ł / ł > wiedergegeben. Die Umlautung ist auch nicht auf die enklitische Stellung beschränkt (vgl. słowo und slowo) und vor allem wird das /l/ nicht nur durch "Nullphonem" ersetzt.



*also im Silbenauslaut
Castell|um - château
al|tum - haute
cul|tura - couture
Nivel - Niveau (die Wortgeschichte von Niveau ist sehr kompliziert; in nivellieren ist das /l/ noch erhalten.)
Dagegen das germanische Karl > carl + eingeschobenes -o- + Deklinationsendung, Verschiebung der Silbengrenzen |Carl| > Ca|ro|lus > Charles
alte/old > oude
behalten > behouden

Bleiben wir bei Château, zu bemerken ist erstmal das auch le Castel noch immer benutzt wird.

Hier Château in allen Varianten, langue d'oc -langue d'oïl.


château - Dictionnaire Babel - Forum Babel
 
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