Woher kamen die Seevölker?

@rena8
Meine Erwähnung des hethitischen Stahlmonopols ist mitnichten ein Schreibfehler.

Zitat Wikipedia:
"Spätestens um 1400 v. Chr. (nach König Telipinu) [10]gelang den Hethitern durch Verhüttung von Eisenerz in einfachen Rennöfen und nachfolgendem Vergüten, aus dem weichen Eisen harten Stahl zu erzeugen und Waffen oder Werkzeuge zu schmieden, die den Waffen aus Bronze häufig überlegen waren. Es ist schriftlich belegt, dass auch Eisenwaffen in der Schlacht bei Kadesch (1274 v. Chr.) gegen die Ägypter eingesetzt wurden, welchen nur Bronzewaffen zur Verfügung standen. In den Aufzeichnungen der Hethiter wurde der Stahl als gutes Eisen bezeichnet"
und:
"Vor- und zu dieser Zeit blieb die Verhüttung von Eisen weitgehend ein Monopol des hethitischen Reichs[10] und war ein Faktor für dessen Aufstieg[11]. Ab 1200 v. Chr. fand mit dem Untergang der Hethiter und der Verbreitung des entsprechenden Wissens zum Vorderen Orient der lange Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit statt. Es gibt Thesen, dass neben der Materialüberlegenheit des Eisens auch ein Mangel an Zinn, das zur Bronzeherstellung benötigt wird und meist importiert werden musste (vergl. Kassiteriden), den Übergang beschleunigte."

https://de.wikipedia.org/wiki/Hethiter

Irgendwann musste diese Monopol ja zwangsläufig verloren gehen, und ich denke dieser Verlust war der Hauptgrund für den Zusammenbruch des hethitschen Großreichs.
 
Zuletzt bearbeitet:
Irgendwann musste diese Monopol ja zwangsläufig verloren gehen, und ich denke dieser Verlust war der Hauptgrund für den Zusammenbruch des hethitschen Großreichs.

Der Hauptgrund für den Zusammenbruch des Hethiterreichs waren innere Unruhen, Thronstreitigkeiten und bügerkriegsähnliche Zustände. Das Reich der Hethiter implodierte, wobei marodierende Gruppen der Seevölkerbewegung möglicherweise zum Untergang beitrugen.
 
Ja das ist sicher alles richtig. Ich vermute aber das als erstes das Monopol auf die Stahlherstellung verloren ging. Daraufhin geriet die hethitsche Wirtschaft in Schwierigkeiten, was zu inneren Unruhen, Thronstreitigkeiten und Bürgerkrieg führte.
Ich weis, is' alles Spekulatius, aber so seh' ich's halt.
 
Ja das ist sicher alles richtig. Ich vermute aber das als erstes das Monopol auf die Stahlherstellung verloren ging. Daraufhin geriet die hethitsche Wirtschaft in Schwierigkeiten, was zu inneren Unruhen, Thronstreitigkeiten und Bürgerkrieg führte.

Waffen aus Eisen wurden im östlichen Mittelmeerraum erst ab dem 13./12, Jh. v. Chr. hergestellt. Erst ab dieser Zeit gewann die Eisengewinnung und -verarbeitung große wirtschaftliche Bedeutung. Das Hethiterreich ging aber bereits um 1200 v. Chr. unter, sodass ein etwaiger Niedergang der Eisenindustrie zum damaligen Zeitpunkt noch keine Rolle gespielt haben kann - ganz abgesehen davon, dass es keinerlei Schriftquellen als Beleg gibt.
 
Ja das ist sicher alles richtig. Ich vermute aber das als erstes das Monopol auf die Stahlherstellung verloren ging. Daraufhin geriet die hethitsche Wirtschaft in Schwierigkeiten, was zu inneren Unruhen, Thronstreitigkeiten und Bürgerkrieg führte.
Ob für die hethitische Wirtschaft die Metallindustrie wirklich so eine große Rolle gespielt hat, dass ein allfälliger Monopolverlust gleich zu einer derart massiven Wirtschaftskrise führte, dass letztlich das Reich zusammenbrach? (Ich weiß es nicht, ich hinterfrage nur.) Da das Hethiterreich ein Flächenstaat war, wird die Wirtschaft wohl überwiegend auf der Landwirtschaft basiert haben, daneben wird es Handel mit allerlei konventionellen Gütern gegeben haben. Mögliche Märkte gab es in der Nachbarschaft zuhauf.

Abgesehen natürlich von den politischen Erschütterungen, Bevölkerungsbewegungen und offenbar einer Aufsplitterung von Machtzentren und auch einigen Zerstörungen, sowie Veränderungen des Handels und der Waren, scheint es auch einige Kontinuitäten zu geben. Darauf war das Beispiel Charchemish/Karkemiš bzw. überhaupt das der Neo-Hethitischen Königreiche und sonstigen neuen lokalen Machtzentren gerichtet.
Ja, und deswegen eben meine Frage, wie präzise die Übersetzung, die von einer "Vernichtung" von Karkemisch spricht, denn überhaupt ist. In der anderen Übersetzung aus dem Wikipedia-Seevölker-Artikel steht nicht direkt etwas von einer Vernichtung der Stadt, sondern nur davon, dass ihr Gebiet vom Seevölkersturm betroffen war. Mein Gedanke war, dass der ägyptische Originaltext anscheinend die eine wie die andere Übersetzung zulässt und somit gar nicht zwingend behauptete, dass Karkemisch zerstört worden wäre. Dann würde der archäologische Befund vielleicht gar nicht der Inschrift widersprechen, sondern sie wäre bislang nur in die falsche Richtung interpretiert/übersetzt worden (vielleicht aus dem Gedanken heraus: Wo die Seevölker hinkamen, blieb bestimmt kein Stein auf dem anderen).
Im Übrigen könnte Karkemisch doch auch bloß erobert und geplündert worden sein, ohne es niederzubrennen. Wenn die Stadt selbst halbwegs unbeschädigt blieb, würde sich die bloße Plünderung vermutlich nicht archäologisch bemerkbar machen.
 
Eventuell war der Verlust des Stahlmonopols auch weniger in wirtschaftlicher, als vielmehr in militärischer Hinsicht bedeutsam. Das die Hethiter als erste Waffen aus (gehärtetem) Eisen einsetzten und diesem Umstand auch einen Großteil ihrer militärischen Erfolge verdankten, gilt ja wohl inzwischen als gesichert oder?
 
Ja das ist sicher alles richtig. Ich vermute aber das als erstes das Monopol auf die Stahlherstellung verloren ging. Daraufhin geriet die hethitsche Wirtschaft in Schwierigkeiten, was zu inneren Unruhen, Thronstreitigkeiten und Bürgerkrieg führte.
Ich weis, is' alles Spekulatius, aber so seh' ich's halt.

Also....Stahlmonopol klingt ziemlich bombastisch und anachronistisch.
Du magst recht haben, dass man irgendwann zum Ende der Hethiterzeit begann, Eisen in Rennöfen zu verhütten.
Das Metall Eisen war lange bekannt, auch in Ägypten, es stammte überwiegend aus Meteoriten.
In der Bronzezeit experimentierte man mit Metallen, schmolz und vermischte sie. Zuerst war Ziel, das weiche Kupfer härter zu machen durch verschiedene Beimischungen. Das dazu am besten geeignete Zinn mag bei der Bronzeherstellung ein begrenzender Faktor gewesen sein, denn es lag nicht direkt vor der Haustür wie das zyprische Kupfer.
Versuche mit dem überall vorhandenen Eisenerz sind daher gut denkbar.
Der große Durchbruch des Eisens folgte aber erst nach dem Auseinanderfallen des Hethiterreiches. Ansonsten müßte im Periodensystem die Eisenzeit vorverlegt werden.
Auf den Seiten 10-15 von Die eisenzeitliche Keramik von Lidar Höyük - HeiDOK wird einiges zum Beginn der frühen Eisenzeit in den verschiedenen, nahöstlichen Regionen gesagt.
Die Diss. scheint auch für die vorher diskutierte Epoche der Nach-Seevölkerzeit und die (Dis)kontinuitäten interessant zu sein. Bisher habe ich nur den Anfang gelesen.

Außerdem BZwo, war deine These doch vorher die Söldner, oder? Wie passen die denn zum Stahlmonopol?:winke:
 
Das hatte ich im Grunde auch schon in meinen bisherigen Beiträgen beschrieben, nur vielleicht nicht alles im Zusammenhang. Also nochmal die ganze Hypothese im Überblick:

Den Hethitern war es als ersten gelungen Eisen zu härten. Dieser Umstand brachte ihnen natürlich militärisch und evtl. auch wirtschaftlich enorme Vorteile. Als dieses Stahlmonopol gebrochen wurde war das der Anfang vom Ende des Hethiterreichs. Ob dabei die wirtschaftlichen oder die militärischen Folgen entscheidender waren ist schwer abzuschätzen. Vielleicht haben sich die unterworfenen Völker erhoben, als die Hethiter ihre militärische Vormachtstellung verloren (Stichwort: innere Unruhen). Vielleicht war der Zusammenbruch, wie bereits ausgeführt auch eher wirtschaftlicher Natur.
Jedenfalls versank das Reich im Chaos, wovon natürlich auch das Heer nicht unberührt blieb. Die Soldaten die wahrscheinlich zum Großteil aus den unterworfenen Gebieten, evtl. aber z.T. auch von außerhalb (z.B. aus der Ägäis) stammten, standen nun nicht mehr unter der Befehlsgewalt der Hethiter und machten sich selbstständig. Was tun Söldner also die keinem Oberbefehl mehr unterstehen und außer dem Kriegshandwerk nichts gelernt haben? Sie gehen sehr wahrscheinlich auf Beutezug, plündern Städte, brennen Dörfer nieder etc. Es wäre doch nicht ausgeschlossen das sich aus diesem Szenario der sogennante Seevölkersturm entwickelt hat.
 
Den Hethitern war es als ersten gelungen Eisen zu härten. Dieser Umstand brachte ihnen natürlich militärisch und evtl. auch wirtschaftlich enorme Vorteile. Als dieses Stahlmonopol gebrochen wurde war das der Anfang vom Ende des Hethiterreichs. Ob dabei die wirtschaftlichen oder die militärischen Folgen entscheidender waren ist schwer abzuschätzen.
Dazu müßte das Heer aber komplett mit diesen außergewöhnlichen Edelstahlschwertern ausgerüstet gewesen sein. Das sollte dann irgendwo stehen, die Hethiter haben viel aufgeschrieben, auch Inventarlisten.
Von hethitischen Streitwagen habe ich dagegen gelesen, ob die letztlich ein Grund für militärische Überlegenheit waren, kann man diskutieren. Aber Stahlschwerter?





Dein folgendes Szenario gefällt mir dagegen ganz gut, wenn du die Stahlbegründung wegläßt.
Vielleicht war es ja umgekehrt? Das labile Handelsnetz, das für den immer höheren Bedarf bei den begehrten Bronzerohstoffen nötig war, führte zu immer mehr Druck auf die unterworfene Bevölkerung, evtl. sogar großräumig, denn die hethitischen Eliten waren ja nicht allein am Handel mit den begehrten Gütern beteiligt. Ägypten, die Levante mit Ugarit, Assur, nicht zu vergessen die aufstrebenden Mykener.
Vielleicht haben sich die unterworfenen Völker erhoben, als die Hethiter ihre militärische Vormachtstellung verloren (Stichwort: innere Unruhen). Vielleicht war der Zusammenbruch, wie bereits ausgeführt auch eher wirtschaftlicher Natur.
Jedenfalls versank das Reich im Chaos, wovon natürlich auch das Heer nicht unberührt blieb. Die Soldaten die wahrscheinlich zum Großteil aus den unterworfenen Gebieten, evtl. aber z.T. auch von außerhalb (z.B. aus der Ägäis) stammten, standen nun nicht mehr unter der Befehlsgewalt der Hethiter und machten sich selbstständig. Was tun Söldner also die keinem Oberbefehl mehr unterstehen und außer dem Kriegshandwerk nichts gelernt haben? Sie gehen sehr wahrscheinlich auf Beutezug, plündern Städte, brennen Dörfer nieder etc. Es wäre doch nicht ausgeschlossen das sich aus diesem Szenario der sogennante Seevölkersturm entwickelt hat.

Und danach war´s dann vorbei mit der bronzenen Herrlichkeit aus dem Import/Exportgeschäft. Man rang mühsam dem heimischen Boden das Erz ab und klopfte solange dran rum, bis es einigermaßen brauchbar war.:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin zwar kein Experte für antike Militärtechnik, aber ich glaube Streitwagen waren zu der Zeit (zumindest im östlichen Mittelmeerraum) schon weit verbreitet. Das militärische Plus der Hethiter lag meiner Ansicht nach schon bei den stählernen Waffen. Das betraf ja sicher nicht nur Schwerter sondern auch Pfeil- und Speerspitzen. Vieleicht hast Du aber auch insofern Recht als das die Streitwagen evtl. durch stählerne Achsen, Naben etc. den Streitwagen der anderen Reiche in puncto Stabilität überlegen waren.
 
Ich bin zwar kein Experte für antike Militärtechnik, aber ich glaube Streitwagen waren zu der Zeit (zumindest im östlichen Mittelmeerraum) schon weit verbreitet.
Militärtechnik und die Frage, ob es in Vorgeschichte und Altertum schon kriegsentscheidende, technische Überlegenheiten gab, interessiert mich nicht so besonders. Deshalb habe ich Themen wie http://www.geschichtsforum.de/f34/streitwagen-37343/ nur am Rande verfolgt.
Es stimmt schon, Streitwagen kannten auch Mitanni, Akkader, Hyksos und Ägypter. Ob eine größere Anzahl Streitwagen eine Schlacht entscheiden konnte, kann ich nicht einschätzen. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es Aufzeichnungen, bes. der Hethiter über die Streitwagenkontingente, die die jeweiligen Verbündeten zu stellen hatten.


Das militärische Plus der Hethiter lag meiner Ansicht nach schon bei den stählernen Waffen. Das betraf ja sicher nicht nur Schwerter sondern auch Pfeil- und Speerspitzen. Vieleicht hast Du aber auch insofern Recht als das die Streitwagen evtl. durch stählerne Achsen, Naben etc. den Streitwagen der anderen Reiche in puncto Stabilität überlegen waren.
Kann man mit monokausalen Gründen wie Streitwagen/Stahlschwerter überhaupt zeitweilige Oberherrschaften begründen? Das ging doch ziemlich hin und her im östlichen Mittelmeerraum, auch die Hethiter verloren immer mal wieder Einflußgebiete und Schlachten. Ein Großreich waren sie nur unter bestimmten Herrschern und Zeiten.
Zur Entwicklung der Eisenverhüttung würden mich qualifizierte Aussagen interessieren, vom am Rande mitlesen, zuletzt von http://www.geschichtsforum.de/f328/stahlerzeugung-der-fr-hzeit-47437/ ,ergab sich für mich der Eindruck, dass die Eisenverhüttung in der Anfangsphase keinesfalls zur Massenproduktion geführt haben kann.

Spannender im Hinblick auf die Seevölker finde ich die Frage nach den Wirtschaftsräumen und die Sicherung von Handelswegen in der späten Bronzezeit. Da kämen dann wieder deine Söldner ins Spiel.:winke:
 
Ja, und deswegen eben meine Frage, wie präzise die Übersetzung, die von einer "Vernichtung" von Karkemisch spricht, denn überhaupt ist. In der anderen Übersetzung aus dem Wikipedia-Seevölker-Artikel steht nicht direkt etwas von einer Vernichtung der Stadt, sondern nur davon, dass ihr Gebiet vom Seevölkersturm betroffen war.

Es handelt sich um zwei verschiedene Berichte von Ramses III. zu den Seevölkern und daher können sie auch nicht übereinstimmen. Der eine Bericht stammt aus dem 5. Regierungsjahr, der andere aus dem 8.
 
Bericht oder Verherrlichung?

Es handelt sich um zwei verschiedene Berichte von Ramses III. zu den Seevölkern und daher können sie auch nicht übereinstimmen. Der eine Bericht stammt aus dem 5. Regierungsjahr, der andere aus dem 8.

Interessant: Sie stammen beide aus der Regierungszeit von Ramses III., wohl aus den Jahren 1183 bzw 1180 v.Chr. und verherrlichen seine Siege. Meine Frage ist nun warum sollten sie dann nicht übereinstimmen, wo sie doch vom gleichen Auftraggeber stammen und von den gleichen Vorkommnissen "inspiriert" sind? Beide stammen aus seinem Totentempel in Medinet Habu und sind mit den bekannten Darstellungen "illustriert".

Zusätzlich finden sich sehr vage geographische Vorstellungen in den Texten und sehr allgemein gehaltene Formulierungen.
"Bündnis auf ihren Inseln" (welche? wo?)
"ihr Bund bestand aus....[Völkernamen]; die vereinten Länder..." (welche Länder?)
Übersetzung E. Ede. "Der Seevölkerbericht aus dem 8. Jahr Ramses' III." - 1985 [Mir liegt nur ein Zitat daraus vor]
In runden Klammern meine Fragen

Wenn es in weitestem Sinne "hethitische" Angreifer gewesen wären, hätten die Ägypter das nicht auch so geschrieben? Waren sie nicht seit der berühmten Schlacht von Kadesch die Verbündeten des Landes Hatti gewesen?
 
Interessant: Sie stammen beide aus der Regierungszeit von Ramses III., wohl aus den Jahren 1183 bzw 1180 v.Chr. und verherrlichen seine Siege. Meine Frage ist nun warum sollten sie dann nicht übereinstimmen, wo sie doch vom gleichen Auftraggeber stammen und von den gleichen Vorkommnissen "inspiriert" sind? Beide stammen aus seinem Totentempel in Medinet Habu und sind mit den bekannten Darstellungen "illustriert".

Ravenik vermutete, dass ein und derselbe Text völlig unterschiedliche Übersetzungen hätte. Wie wir inzwischen wissen handelte sich aber um zwei verschiedene Texte und somit konnten sie nicht übereinstimmen.

Rein inhaltlich gibt es zwischen beiden Berichten keine gravierenden Unterschiede.

Wenn es in weitestem Sinne "hethitische" Angreifer gewesen wären, hätten die Ägypter das nicht auch so geschrieben? Waren sie nicht seit der berühmten Schlacht von Kadesch die Verbündeten des Landes Hatti gewesen?

Das sagte ich schon weiter vorn. Bei der peniblen Aufzählung der Seevölker im Bericht Ramses III. aus Medinet Habu wären sicher die "Hatti" genannt worden, wenn sie sich namhaft beteiligt hätten. Dass sich Bevölkerungsteile aus Südanatolien den marodierenden Gruppen der Seevölkerbewegung anschlossen, ist ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Identifiziert werden sie meist mit den Leuten aus den "Lukka-Ländern" SW-Kleinasiens und somit mit den Lykiern.
 
Hethiter und das Eisen

Eventuell war der Verlust des Stahlmonopols auch weniger in wirtschaftlicher, als vielmehr in militärischer Hinsicht bedeutsam. Das die Hethiter als erste Waffen aus (gehärtetem) Eisen einsetzten und diesem Umstand auch einen Großteil ihrer militärischen Erfolge verdankten, gilt ja wohl inzwischen als gesichert oder?

Im Gegenteil, die Fundlage schließt das wohl aus:

A COMPANION TO THE ARCHAEOLOGY OF THE ANCIENT NEAR EAST, Art. Metallurgy (Llyod Weeks), S. 296ff.
Der Artikel befasst sich mit dem Stand 2012.

Daraus - und eingestreut aus weiterer Literatur - einige Aspekte:

1. LBA im Nahen Osten ist geprägt durch das geringe Auftreten von Eisenerzeugnissen, mit einer gleichmäßig verstreuten Fundlage. Es gibt hier keinen Schwerpunkt in Anatolien, somit auch nicht bei den Hethitern. Aufgrund der gleichmäßigen geringen Verteilung ist keine Besonderheit (Ausnahme Zypern) nachgewiesen.

2. Fundstücke sind weniger Waffen, die im LBA/EIA nur vereinzelt auftreten, sondern Kleinwaren, dekorative Stücke etc.

3. frühe Eisenwaffen sollen aufgrund der Verarbeitung keine wesentlich besseren Eigenschaften als Gegenstücke aus Bronze etc. aufgewiesen haben.

4. der früheste archäologische Nachweis umfangreicher Eisenschmelze liegt im 9. Jhdt (Tell Hammeh, Jordan), obwohl erste Schmelzen ab 13. Jhdt. für kleine (!) Artefakte bei den Hethitern (Boğazköy) berichtet werden. Hier besteht eine archäologische Lücke, und somit ist rein spekulativ, für die Hethiter irgendeinen beachtlichen Umfang der Stahlverwendung anzunehmen. Eine archäologisch nachgewiesene weite Verbreitung für den Nahen Osten liegt noch einmal 200 Jahre später.
LBA späte Bronzezeit
EIA frühe Eisenzeit

Außer einem kleinteiligen unbedeutenden Handel, dort vorwiegend kleinere Kunst- und Ziergegenstände, und wenige Zierwaffen (vorwiegend aus Oberflächenfunde von Eisen, nur unbedeutende Teile von mined iron) kann das Eisen für die Hethiter-Kultur keine Bedeutung gehabt haben. Zu Zypern und dem "Mined Iron" trage ich noch etwas nach.

Dazu zusammenfassend, S. 314
"Interestingly, the earliest occurrences of iron tend also to be for decorative items, especially jewelry, and for weapons that may have held prestige status (e.g., Siegelová 2005: 38). The best examples of the latter include the late 3rd millen- nium BC dagger from Tomb K at Alaça Höyük in Anatolia, an iron axe-head with a bronze and gold socket from Ugarit (c.1400 BC), and an iron dagger with a gold hilt from the tomb of Tutankhamun in Egypt (Waldbaum 1980). At this early date, the constant association of iron with gold suggests that it too was regarded as a precious metal. By the late 2nd millennium BC, iron began to be used for utilitarian purposes and by the early/mid-1st millennium BC, both texts and archaeology indicate that iron and steel came increasingly to dominate the production of functional agricultural equipment such as sickles, ploughshares, and hoes; tools such as saws, axes, and adzes; and weapons such as spearheads, swords, and daggers (Curtis et al. 1979; Siegelová 2005). The large-scale use of iron in Assyria has been linked by some scholars with the adoption of iron in regions under Assyrian influence, such as northwestern Iran, where the Iron Age citadel of Hasanlu has yielded more than 2,000 iron artifacts (Pigott 1989b, 1999a)."
 
Danke Dieter, meine Fragen waren zum Teil eher rethorisch/anregend gemeint^^
…zumal du wie immer unglaublich schnell und präzise geantwortet hast, so dass ich einen neuen Post mache, statt (wie geplant) zu editieren ;)
@Hethiter: Zustimmung

Rein inhaltlich gibt es zwischen beiden Berichten keine gravierenden Unterschiede.
Ansonsten sieht es für mich eher so aus:
Wenn die Aufzeichnungen zu den Seevölkern als politische Botschaft der Leistungen Ramses III. zu verstehen sind, könnte hierin auch einfach eine Aufzeichnung bekannter Namen in der Zusammenfassung zu sehen sein: viel Feind, viel Ehr.
Meine Fragen zu den auffällig unscharfen "geographischen Hinweisen" der ägyptischen Quellen lassen sich so ebenfalls beantworten.

Fragt sich weiter: Gab es wirklich diese "sinistere Verschwörung"? Oder wurden hier verschiedene Ereignisse zum größeren Ruhme des Auftraggebers zu einem spannenden Text subsumiert? Die Quelle ist ein Totentempel zu Ehren von Ramses III. und kein (historischer) Archivbericht. Sie dienen der Verherrlichung ihres Auftraggebers – so kann ich wieder nur Silesia zitieren „viel Feind, viel Ehr“ Auch weil eine wirkliche Chronologie für den Zweck der Inschrift völlig unerheblich ist!

....und dann ist wieder ganz offen ob alle die genannten "Seevölker" wirklich auch nur ungefähr die gleiche Herkunft hatten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie wir inzwischen wissen handelte sich aber um zwei verschiedene Texte und somit konnten sie nicht übereinstimmen.

Rein inhaltlich gibt es zwischen beiden Berichten keine gravierenden Unterschiede.

Das sagte ich schon weiter vorn. Bei der peniblen Aufzählung der Seevölker im Bericht Ramses III. aus Medinet Habu wären sicher die "Hatti" genannt worden, wenn sie sich namhaft beteiligt hätten.

Der link, in dem man das nachlesen konnte, ist vom Juli 2011.
Die Behauptung von der "peniblen" Aufzählung ist völlig aus der Luft gegriffen.
Die Berichte weisen unterschiedliche Inhalte auf, und ergänzen sich.
 
Fragt sich weiter: Gab es wirklich diese "sinistere Verschwörung"? Oder wurden hier verschiedene Ereignisse zum größeren Ruhme des Auftraggebers zu einem spannenden Text subsumiert?

Den Ägyptern, die plötzlich von verschiedenen Bevölkerungsgruppen an ihrer Ost- und Westgrenze sowie von der See her heimgesucht wurden, mag das ja wie eine Verschwörung erschienen sein. Die Westgrenze wurde z.B. von einer Koalition aus Libyern und anderen Volksgruppen angegriffen, von See her kamen Schiffe der "Völker der Inseln". Wiki sagt dazu:

"Zur See operierende Völker schlossen sich mit zu Lande agierenden Völkern zu einer Koalition zusammen und zerstörten im östlichen Mittelmeergebiet viele Städte und Reiche."

Das muss den Ägyptern wirklich wie eine Verschwörung erschienen sein.
 
Die Behauptung von der "peniblen" Aufzählung ist völlig aus der Luft gegriffen.
Die Berichte weisen unterschiedliche Inhalte auf, und ergänzen sich.

Natürlich ergänzen sich die Berichte zum Teil. Dennoch war der Pharao bemüht, die betreffenden Völker nacheinander aufzuzählen. Dabei hätte er die Hethiter sicher nicht vergessen. Und nur darum ging es mir, sofern wir hier keine Haarspalterei betreiben.
 
Tejason: auf diese notwendige "Quellenkritik" wollte ich hinweisen.

Bzgl. des Zwecks zu Ruhm und Ehre sind wir uns völlig einig. Ob das "ethnisch" oder geografisch unscharf oder scharf war, ist schwer zu beurteilen. Ich würde das Verständnis der Begriffe bzw. Benennungen bei den "Adressaten" nach dem Zweck voraussetzen, aber das kann man vielleicht und plausibel auch anders sehen.

Das hat aber Konsequenzen: zB wird in der Interpretation die Meinung vertreten, Karkemish sei als Synonym für den Großteil des Hethiterreiches zu verstehen. Damit wird der archäologische Widerspruch zu den behaupteten Verwüstungen (@Ravenik: den Begriff "Vernichtung" hat - soweit ich sehe - Dieter eingeführt, die zitierte Literatur geht nicht so weit und verwendet zB devastation, was auch mit Verwüstung, Verheerung, (partieller) Zerstörung gleichgesetzt werden kann - wie dem auch sei, auch für "devastation" findet sich für den speziellen Fall kein archäologischer Beleg).
 
Zurück
Oben