Wiener Kongress - Gewinner und Verlierer

Interessant ist dabei Hardenberg. Er hatte von Metternich die freilich mündliche Zusage, dass Österreich sich mit der Inbesitznahme von ganz Sachsens abfinden könne, wenn Preußen sich gegen ganz Polen für Alexander stelle.

Die Mission hatte keinen Erfolg. Hardenberg wurde von seinem König zurückgepfiffen, Metternich widerrief seine Zusage. Die Preußen machten dann einen Vorschlag, den sächsischen König im Westen zu entschädigen, was abgelehnt wurde.
Ich frage mich auch wie das mit der Entschädigung des Königs von Sachsen "im Westen" hätte vonstatten gehen sollen. Das wäre ja eine Denkungsweise, die vielleicht noch in die Zeit des Bayerischen Erbfolgekrieges passen mochte, aber in die Zeit der Nationalstaaten - wobei ja gerade F.A. I. solch einen Rückhalt unter seinen Sachsen genoss (außer vielleicht bei Leipzig)?
Sehr schön sieht man aber dennoch wie viel Bewegung in die Verschiebung der Gebiete von einem Landesherrn zum anderen geriet, seit die Klammer des angeblich so schwachen HRR fehlte. Denn zu Zeiten des HRR wäre/ist sowas m.E. immer wieder gescheitert.

Ich bin ja nach wievor der Meinung, der große Verlierer auf der Seite der Sieger war Österreich, wenn man die politische Landkarte von 1815 mit der von 1799 vergleicht. Das österr. Einflusssystem in Deutschland war mit der rücksichtslosen Länderverschiebung so ziemlich zusammengebrochen. Italien scheint mir dafür keine hinreichende Entschädigung.
 
Mir sind auch keine großen Probleme bei der Festlegung der preußisch-russischen Grenze bekannt, der Wiener Kongress akzeptierte hier wohl die Absprachen von 1813.
In der Summe war es ein langer schwerer Weg. Nachdem sich Alexander I. mit Kongresspolen zufriedengab und Preußen mit einen Teil von Sachsen, war es Thorn - welches eigentlich freie Stadt bleiben sollte -, das im Ausgleich zu Leipzig, das bei Sachsen verblieb, an Preußen fiel. Es wurde halt heftig gefeilscht.
Die zudem geheimen Klauseln von Kalisch spielten aber keine Rolle.

Grüße
excideuil
 
Ich frage mich auch wie das mit der Entschädigung des Königs von Sachsen "im Westen" hätte vonstatten gehen sollen. Das wäre ja eine Denkungsweise, die vielleicht noch in die Zeit des Bayerischen Erbfolgekrieges passen mochte, aber in die Zeit der Nationalstaaten - wobei ja gerade F.A. I. solch einen Rückhalt unter seinen Sachsen genoss (außer vielleicht bei Leipzig)?
Sehr schön sieht man aber dennoch wie viel Bewegung in die Verschiebung der Gebiete von einem Landesherrn zum anderen geriet, seit die Klammer des angeblich so schwachen HRR fehlte. Denn zu Zeiten des HRR wäre/ist sowas m.E. immer wieder gescheitert.
Der Plan sah vor, den König von Sachsen mit ca. 700000 Seelen am Rhein zu entschädigen. Und ich denke, wenn die Großmächte keine Einwände gehabt hätten, wäre diese Lösung auch 1815 möglich gewesen.

Nur, es waren 3 Großmächte dagegen.

England, weil Castlereagh unbedingt eine Macht 1. Ranges zum Schutze der Niederlande am Rhein wünschte,
Österreich, weil es ein zu mächtiges Preußen fürchtete und zudem "Sachsen" (am Rhein) zu einem Vasallen Preußen geraten konnte,
und für spätere Historiker wie Thiers erstaunlicherweise
Frankreich - besser Talleyrand - weil er Preußen - durchaus berechtigt für aggressiv hielt - und es so klein wie nur möglich halten wollte, und damit sogar von der sonst gängigen Praxis abwich und eine Großmacht an der Grenze Frankreichs duldete. Als Begründung ist überliefert: "Nichts würde einfacher und natürlicher sein, Preußen die ihm abgetretenen Provinzen wieder fortzunehmen, während es schwierig und allzu hart sein würde, sie dem König von Sachsen zu nehmen, wenn sie ihm als Entschädigung für sein ehemaliges Land bewilligt worden wären." [1]

Und damit war der Vorschlag vom Tisch.

Grüße
excideuil

[1] Griewank, Karl: Der Wiener Kongress und die europäische Restauration 1814-15, Koehler & Amelang, Leipzig, 1954, Seite 242
 
Eine Frage noch zu den Gebietsforderungen Alexanders:

Man liest immer, er forderte ganz Polen, wæhrend Preussen ganz Sachsen beanspruchte. Beide erhielten nur einen Teil. Fuer Russland war das "Kongresspolen", dass sich im wesentlichen mit dem Herzogtum Warschau deckte.

Wie aber hætte dieses "ganze Polen" eigentlich aussehen sollen?
Welche Teile hat er denn nun nicht zugestanden bekommen?
Ging es dabei nur um die Gebiete, die vom Hzgtm. Warschau (wieder) an Preussen gingen oder gar um Galizien, das østerreichisch war und blieb?

Gruss, muheijo
 
Eine Frage noch zu den Gebietsforderungen Alexanders:

Man liest immer, er forderte ganz Polen, wæhrend Preussen ganz Sachsen beanspruchte. Beide erhielten nur einen Teil. Fuer Russland war das "Kongresspolen", dass sich im wesentlichen mit dem Herzogtum Warschau deckte.

Wie aber hætte dieses "ganze Polen" eigentlich aussehen sollen?
Welche Teile hat er denn nun nicht zugestanden bekommen?
Ging es dabei nur um die Gebiete, die vom Hzgtm. Warschau (wieder) an Preussen gingen oder gar um Galizien, das østerreichisch war und blieb?

Gruss, muheijo
Wenn von ganz Polen die Rede ist, dann ist das Großherzogtum Warschau gemeint, das Gebiet, das mit der Niederlage Napoleons vakant wurde; inclusive der Gebiete, die Preußen und Österreich mit den Verträgen von Tilsit und Schönbrunn abgeben mussten.
Galizien stand m.W. nicht zur Debatte.

Die "vierte polnische Teilung" verdeutlicht diese Karte:

File:Karte kongresspolen.png - Wikimedia Commons

Grüße
excideuil
 
Der Plan sah vor, den König von Sachsen mit ca. 700000 Seelen am Rhein zu entschädigen. Und ich denke, wenn die Großmächte keine Einwände gehabt hätten, wäre diese Lösung auch 1815 möglich gewesen.

Heißt das, es sollte ein völlig neuer Kleinstaat für die sächsischen Wettiner im Westen geschaffen werden?

Theoretisch hätte man den sicher aus der gleichen Ländermasse herausschneiden können, die dann Preußen in Westdeutschland zufiel. Gibt es da irgendwo etwas vergleichbares, ein Staat, der auf diese Weise entstand?
 
Heißt das, es sollte ein völlig neuer Kleinstaat für die sächsischen Wettiner im Westen geschaffen werden?

Theoretisch hätte man den sicher aus der gleichen Ländermasse herausschneiden können, die dann Preußen in Westdeutschland zufiel. Gibt es da irgendwo etwas vergleichbares, ein Staat, der auf diese Weise entstand?
Von sollen kann keine Rede sein. Die Idee, Preußen am Rhein zu entschädigen, war älter als die Idee, Sachsen an den Rhein zu versetzen. Aus verständlichen Gründen (geograf. Lage) machte Preußen (ich habe auch mal gelesen, Alexander I. wäre der Ideengeber gewesen) dann den Vorschlag. Bekanntlich ohne Erfolg.

Dass ein anderer Staat auf diese Art entstanden wäre, ist mir nicht bekannt.
Allenfalls könnten die Regelungen zur Entschädigung der ehemal. Kaiserin so betrachtet werden:
"Doch auch nach dem Ende der Herrschaft Napoleons 1814 konnte der Erbe der bourbonischen Ansprüche, Karl II. von Bourbon-Parma (* 1799; † 1883), nicht zurückkehren, da das Doppelherzogtum auf dem Wiener Kongress von den Großmächten für die österreichische Kaisertochter und bisherige französische Kaiserin Marie Louise (* 1791; † 1847) auf Lebenszeit reserviert worden war. Erst nach ihrem Tode sollten Parma und Piacenza an das Haus Bourbon-Parma zurückfallen, für die Zwischenzeit wurden die bourbonische Herzoginwitwe Maria Luisa (1817–1824) und Karl II. (1824–1847) nach anfänglichem Sträuben mit dem kleinen, eigens neu geschaffenen Herzogtum Lucca abgefunden."
Parma ? Wikipedia

Grüße
excideuil
 
Hatten wir eigentlich den Papst mit seinem Kirchenstaat zu den Gewinnern gezæhlt? Ich meine, man sollte das tun. Immerhin war der Kirchenstaat gænzlich von der Karte verschwunden.
Das die anderen Mæchte nicht zumindest versuchten, sich Teile unter den Nagel zu reissen, sondern diesen Staat in der alten Grøsse wieder aufleben liessen, erstaunt mich.
Vermutlich hat man sich gegenseitig nicht mehr gegønnt, und ein einiges Italien zu verhindern wichtiger.
Wie auch immer: Ein Gewinner.
Ganz so einfach war es dann nicht.
Der Papst schickte seinen besten Mann zum Kongress:
Ercole Consalvi ? Wikipedia

Dieser forderte dann alle ehemaligen päpstlichen Gebiete und Legate zurück, einschließlich Avignon und des Venaissin, die bis 1790 zum päpstlichen Stuhl gehörten.

Consalvi war bemüht, zu allen wichtigen Fürsten und Gesandten gute Beziehungen zu unterhalten.
In die Quere kam ihm ein Vorschlag Talleyrands, den päpstlichen Vertreter zum Leiter einer allg. Kommision zu machen, da in dieser Funktion Consalvi sich Feinde machen konnte (musste), da der Vatikan dann Stellung zu den Forderungen der einzelnen Mächte hätte beziehen müssen. Ein Gebet: "Gott möge nicht zugeben, dass der Vorschlag Herrn Talleyrands angenommen wird!" half dann auch.

Frankreich und Österreich, beide in Italien engagiert, verlangten dann, dass der Papst auf die Fürtentümer Pontecorvo und Bénévent verzichten solle.

Consalvi ließ nicht davon ab, nicht nur die Legationen zu verlangen, er begründete dies auch mit der These, dass keine Abtretung gültig sei, da der Papst nur Sachwalter, nicht aber Besitzer des Erbteils Sankt Petri sei.
Er ließ auch durchblicken, dass, sollten die Rechte des Heiligen Stuhls nicht geachtet werden, geistliche Blitzschläge - sprich Exkommunikation - gegen die widerspenstigen Herrscher zur Anwendung kommen könnten, was Franz I. zu einem Stirnrunzeln veranlasste.

Man einigte sich dann. Der Heilige Stuhl erhielt fast alles zurück. "Mit dem Friedensvertrag sollten dem Papst die Legationen Pontercorvo und Bénévent wiedergegeben werden. Der Heilige Stuhl würde wegen Avignon [und des Venaissin], wegen der kleinen Abtretung im Gebiete von Ferrara und wegen des Rechtes, in Ferrara und Comacchio Garnisionen zu halten, wohl protestieren, aber mit Maß, und nicht die ganze Christenheit in Feuer und Flamme setzen.", schließlich wollten die Mächte nicht als "Plünderer Jesu Christ dargestellt werden."

Ein Brief bereitete Consalvi angeblich schlaflose Nächte:
Talleyrand hatte ihm einen Brief seiner Frau mit den höflichsten Schmeicheleien übergeben lassen.
Ein Brief, der beantwortet werden musste, schließlich mussten auch zu Frankreich und zu seinem Vertreter gute Beziehungen bestehen.
Aber wie?
An die Fürstin von Talleyrand zu schreiben ging nicht, da dies ein Anerkenntnis der Ehe des ehem. Bischofs bedeutet hätte,
an Mme. Grand zu schreiben ging auch nicht, dies hieße ihr Schimpf anzutun und sie als Konkubine zu brandmarken,
nicht zu antworten wäre eine Beleidigung für sie und auch ihren Mann.

Kardinal Pacca wusste Rat: er empfahl, "mit einem höflichen Brief zu antworten, dessen Überschrift einfach 'Madame' lautete, die Adresse auf dem Umschlag mit sämtlichen Titeln von jemand anders schreiben zu lassen und den Brief mit einem Siegel zu schließen, das nicht das seine wäre; den Brief endlich mit der Post zu schicken, nicht aber dem Fürsten Talleyrand zu übergeben." So geschah es dann.

Grüße
excideuil

Vergl. Ferrero, Guglielmo: „Wiederaufbau – Talleyrand in Wien“, Leo Lehnen Verlag, München, (1950), Seiten 213, 278/9, 328/9
Nicolson, Harold: „Der Wiener Kongress – Über die Einigkeit unter Verbündeten 1812-1822, Atlantis Verlag, Zürich, o.J., Seite 225
 
Apropos Industrie, die südlichen Niederlande, auch als Belgien bekannt, wurden später zu einem der industrialisiertesten Länder Europas.
Ein Grund mehr, warum die hapsburgerische Aufgabe dieses Landes so kurzsichtig und politisch falsch gewesen ist.
erstmals war zur zeit des wiener kongresses noch gar keine rede von industrie in belgien.
zweitens hat gerade diese industrialisierung dafür gesorgt, daß belgien so schrecklich zersplittert ist.

die industrie kam im wallonischen gebiet, wo es kohle gab. die folge war eine noch stärkere dominierung der französischen sprache. schon um 1860 kämpften die flamen dagegen an. jeder sieg wurde sehr mühsam errungen.

lese mal hier:
[FONT=Garamond, Times]Het is onbegonnen werk om de hele evolutie van de taalwetgeving in België stap voor stap te reconstrueren. We bekijken hier alleen enkele mijlpalen. In 1873 werd een begin gemaakt met de vernederlandsing van het gerecht: in strafzaken mocht in Vlaanderen Nederlands worden gebruikt. In 1878 kwam er een bescheiden taalwet voor het bestuur. In 1883 deed het Nederlands in Vlaanderen zijn intrede in het middelbaar onderwijs. Dat bleef wel Franstalig, maar een beperkt aantal vakken mocht toch ook al in het Nederlands worden onderwezen. Meteen werd het Nederlands in Vlaanderen formeel als cultuurtaal erkend.[/FONT]

[FONT=Garamond, Times]De Gelijkheidswet (1898) erkende het Nederlands als officiële rijkstaal, gelijk aan het Frans. Voortaan mochten de wetten in het Nederlands worden gestemd, bekrachtigd en afgekondigd. Wallonië bleef eentalig Frans, Vlaanderen bleef tweetalig. [/FONT]
es ist verloren liebesmühe um die ganze evolution der sprachengesetzgebung in belgien schrittweise zu rekonstruieren. wir betrachten hier nur einige marksteine. 1873 wurde ein anfang gemacht mit der akzeptation von niederländisch vorm gericht: bei strafsachen durfte in flandern niederländisch benützt werden. 1878 gab es ein bescheidenes sprachengesetz für die behörden. 1883 kam das niederländisch in den höheren schulen.. das blieb zwar französisch, aber eine beschränkte anzahl fächer durfte doch auch in niederländisch unterrichtet werden. Zugleich wurde das niederländisch in flandern formell als kultursprache anerkannt.

das gleichheitsgesetz (1898) erkannte das niederländisch als offizielle reichssprache, gleichgestellt mit dem französisch. fortan durfte man über niederländische gesetze abstimmen, sie bekräftigen und sie erlassen.
wallonien blieb eisprachig französisch; flandern blieb zweisprachig.

[FONT=Garamond, Times][FONT=Garamond, Times]Vlaanderen kon zijn demografisch overwicht stilaan in politieke macht vertalen. Daarvan maakten de Vlaamse politici gebruik om in Vlaanderen de volstrekt eentaligheid in te voeren.[/FONT][/FONT]
flandern konnte seinen demographischen überlegenheit allmählich in politischer macht umsetzen. das benützten die flämischen politiker um in flandern eine absolute einsprachigkeit einzuführen.

dies geschah erst nach WK II (1962) !!

noch immer gibt es probleme: brüssels und die gemeinde ringsum. brüssels ist URflämisch. inzwischen in fast 90% der einwöhner französisch sprechen. so wie serben an kosovo hängen, so tun die flamen es an brüssels. die gemeinde ringsum sind aber flämisch. also ein konflikt das nicht zu lösen ist.
vor allem, weil die industrie in wallonien kaum mehr was bedeutet. flandern verdient das größte teil des geldes. eine menge davon geht nach wallonien, weil da soviel arbeitslosen sind.

daher auch das stark entwickelte separitätsgefühl der flamen. sie fühlen sich noch immer benachteiligt. die königliche familie z.b. redet leidlich niederländisch. gut ist aber was anders. obwohl die bevölkerung mehr als 60% flamen zählt.
das beispiel, das man öfter hört, ist wie der heutige könig philip die geburt seines ersten kindes ankündigte: »het is een vrouwke« (es ist ein weibchen) statt zu sagen »het is een meisje« (es ist ein mädchen).
 
zweitens hat gerade diese industrialisierung dafür gesorgt, daß belgien so schrecklich zersplittert ist.

Das ist allerdings eine Entwicklung, die bei der Schaffung des belgischen Staates nicht vorhersehbar war. Zu jener Zeit standen die katholischen Flamen den katholische Wallonen noch näher, als den protestantischen Niederländern im Norden.

Das lässt sich somit den verantwortlichen Staatsmännern des Wiener Kongresses nicht vorwerfen.
 
Das ist allerdings eine Entwicklung, die bei der Schaffung des belgischen Staates nicht vorhersehbar war. Zu jener Zeit standen die katholischen Flamen den katholische Wallonen noch näher, als den protestantischen Niederländern im Norden.

Das lässt sich somit den verantwortlichen Staatsmännern des Wiener Kongresses nicht vorwerfen.
Sagen wir es so: es hat die Großmächte nicht wirklich interessiert, denn in erster Linie ging es um ein Gleichgewicht unter den Großmächten in Europa:
"Noch vor der Schlacht von Waterloo 1815 überzeugte Großbritannien, das die eigene Sicherheit durch ein Kräftegleichgewicht auf dem europäischen Festland gewahrt wissen wollte, die anderen Großmächte Österreich, Preußen und Russland davon, die frühere Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, die ehemaligen österreichischen Niederlande (inkl. Luxemburg) und Lüttich zum Vereinigten Königreich der Niederlande zusammenzufügen, um einen Puffer sowohl gegen Frankreich als auch gegen Preußen zu errichten. Gleichzeitig entschädigten die Briten mit diesem territorialen Zugewinn die Niederlande für die Inbesitznahme der Kapkolonie."
Belgische Revolution ? Wikipedia

Dass diese Lösung Sprengstoff enthalten konnte, geht z.B. aus einem Brief von Fouché an Talleyrand vom 25. Sept. 1814 hervor:
"Die in Paris verweilenden Belgier äußern laut ihre Unzufriedenheit darüber, dass man dem Fürsten von Holland ihr Land gegeben hat, ohne sie zu fragen. Da man einmal überall auf die Vergangenheit zurückgreift, so scheint es mir, wäre es besser, Belgien den Österreichern zurückzugeben, unter deren Herrschaft es so sehr geblüht hat." [1]

Dass die Lösung letzlich nicht funktionierte, läßt sich dem Wiki-Link entnehmen.
Die dann von den Großmächten gefundene Lösung 1830, Belgien als neutrales Königreich, enthielt auch wieder Zündstoff, wie der von Talleyrand vorgelegte Teilungsplan
Datei:partition-plan-Talleyrand-de.svg ? Wikipedia
andeutet.
Wir hatten das Thema schon mal, deine Anmerkung dazu damals:
Abgesehen vom "Freistaat Antwerpen" entspricht das den Vorstellungen einiger neuzeitlicher Gruppierungen - lediglich die flämisch-französische Sprachgrenze verläuft heute eine Idee weiter südlich. Man sieht: Das Problem der Flamen und Wallonen war schon damals virulent, wenn auch noch kein großer Konfliktpunkt. Die einheitliche katholische Religion - Grund für die Abspaltung des neuen Staates Belgien vom protestantischen niederländischen Norden - hat damals solche ethnischen Fragen überdeckt.
http://www.geschichtsforum.de/660983-post26.html

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand: „Talleyrand’s Briefwechsel mit König Ludwig XVIII. während des Wiener Kongresses. Herausgegeben von G. Pallain, F.A. Brockhaus, Leipzig, 1881, Seite 123
 
ich fand zufällig etwas über die EU, daß meine mitteilung über die aktuelle lage in belgien viel besser zeigt.

http://i381.photobucket.com/albums/oo260/musicophil/belgiewaals_zps77f6eb9c.jpg

zu sehen ist, daß die walen mehr risiko auf armut haben als die deutschen und franzosen. die flamen dagegen haben - genau wie die niederländer - die kleinste chance.

das macht ein vergleich so schwierig, denn die walen liegen an der flämischen infusion.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei ich es bis heute nicht verstehe warum sich das niederländischsprachige Flandern von den Niederlanden getrennt hat. Bei Wallonien ist ja klar. War im Jahr 1830 der Einfluss der Religionen noch so wichtig.
 
Wobei ich es bis heute nicht verstehe warum sich das niederländischsprachige Flandern von den Niederlanden getrennt hat. Bei Wallonien ist ja klar. War im Jahr 1830 der Einfluss der Religionen noch so wichtig.


Konfessionelle Unterschiede spielten dabei durchaus eine Rolle, doch sie waren nur ein Faktor. Der Hauptgrund, weshalb sich sowohl die französischsprachige Wallonie wie auch Flandern und Brabant 1830 von den Niederlanden abspalteten lag daran, dass die Vereinigten Niederlande zentralistisch regiert wurden. Auf allen Gebieten dominierte der Norden, die Bevölkerung Belgiens war aber stärker, als die der NL. es lebten im Süden mehr als 3,5 Millionen, während die NL nur 2 Millionen Einwohner hatten. Die Hollandisierung stieß in Belgien gleich auf doppelten Widerstand. Die mehrheitlich katholische Bevölkerung Flanderns, vor allem der Klerus lehnten den Calvinismus der Holländer ab, während sich die mehrheitlich französischsprachigen Wallonen dagegen sträubten, sich Niederländisch als Amtssprache aufzwingen zu lassen. Dazu kam noch, dass Belgien 62% der Bevölkerung stellte, aber nur zu 50% mit Parlamentssitzen repräsentiert war. Unter den Ministerposten war das Ungleichgewicht noch viel größer, und am Vorabend der Belgischen Revolution von 1830 war nur ein Minister von fünf Belgier. Fast alle staatlichen Institutionen lagen im Norden, und auch der größte Teil der Beamten stammte aus dem Norden. Ähnlich unterrepräsentiert waren die Belgier auch in der Armee. Obwohl Belgien das größte Menschenpotenzial stellte, waren nur 1/6 der Offiziere Belgier. In der Artillerie und unter den Pionieren war das Ungleichgewicht noch viel größer. Zu den konfessionellen Gegensätzen 3, 6 Millionen Katholiken standen 1,6 Millionen Protestanten gegenüber, traten ökonomische Unterschiede. Belgien war um 1830 relativ stark industrialisiert, und die Abspaltung von Frankreich hatte den Verlust französischer absatzmärkte zur Folge, was durch die Öffnung des Hafens von Antwerpen nicht kompensiert werden konnte. Waren Städte wie Gent und Brügge um 1820 noch Zentren der Textilindustrie, so verloren diese durch britische Konkurrenz stark an Bedeutung. Als überaus ungerecht wurde auch der anteil der Staatsverschuldung im Süden empfunden. Während die Niederlande mit ca 1,25 Milliarden Fl verschuldet waren, stand Belgien nur mit 100 Millionen Fl in der Kreide. Die Staatsverschuldung sollte aber gemeinsam getragen werden. Schließlich setzte das ungeschickte Verhalten Wilhelms I. das I- Tüpfelchen. Pressefreiheit und Staatsreform wurden verweigert.
 
Waren Städte wie Gent und Brügge um 1820 noch Zentren der Textilindustrie, so verloren diese durch britische Konkurrenz stark an Bedeutung.
so ungefähr stimmt es, was du sagtest. bei der textilindustrie liegst du aber falsch.

die industrialisierung, die schon im 18. jhdt auf bescheidene weise begonnen war, erlebte einen schwung im 19. jhdt. in wallonien fand man kohlen und eisen. darum investierten die geldbaronnen (wörtlich eigentlich, denn die reichen leute gehörten zum adel) nicht mehr in der textilindustrie, sondern in der minen und eisenhütten. das ist die hauptursache, daß die textilindustrie nicht mehr konkurrenzfähig war.

wallonien war ja reich. es hatte rohstoffe. bei altenberg (neu-moresnet) fand man zink. das war so wichtig, daß die niederländer und preußen einander den besitz nicht gönnten. etwa ein jhdt. war neu-moresnet dadurch etwas wie monaco: selbstständig.
weiter fand man noch eisen, ja, sogar gold (montenau).

steinkohlen wurden vor ± 1800 auf die damals übliche weise gewonnen. um 1800 wurde das aber industriell getan. bis in den jahren sechzig des vorigen jhdt. diese steinkohlen haben wallonien seinen wohlstand gebracht.
durch dieses gedeihen brauchte man viel mehr arbeitskräfte ==> das arme flandern, daß durch typhus und cholera heimgesucht wurde, ja sogar hungersnot lit als die textilindustrie nichts mehr bedeutete, lieferte also die menschen.

man kann hier und da in flandern noch reminiszenzen dieses 19. jhdt finden.
in waregem findet man die »hungerstraße« (hongerstraat) und in oppem die »kümmerlichstraße« (poverstraat).


das kuriose ist, daß bevor wallonie reich wurde, das meiste geld nach dem adel (wohnhaft in oder in der umgebung von brüssels) ging. und als später wallonien reich war, auch da das geld nach brüssels verschwand.
daher, daß beide regionen so schnell verarmten.

wallonien hat keine rohstoffen mehr !! schlimm ist aber, daß die walen kaum was tun um sich wirtschaftlich zu entwickeln.
 

Tue ich das? Die britische Textilindustrie, die bereits Ende des 18. Jahrhunderts die hochentwickelte indische in die Defensive zwang, wenn nicht verdrängte, prosperierte jedenfalls im 19. Jahrhundert, und die Erfindung der Cotton Gin, einer Baumwollentkernungsmaschine steigerte die Produktivität und läutete den Siegeszug von "King Cotton" ein, wobei Baumwolle aus Nordamerika von einer höheren Qualität als Produkte aus Ägypten oder Indien hatte. Baumwollprodukte wie Musselin waren Ende des 18. Jahrhunderts noch ein rarer Luxusartikel. Die Erfindung der Spinning Jenny und der erwähnten Cotton Gin machten Baumwollprodukte erschwinglich und erlaubten Massenproduktion, womit wiederum die Leinenverarbeitung zurückgedrängt wurde und an Bedeutung verlor.

Die Aufhebung der Kontinentalsperre und der Wegfall französischer Absatzmärkte dürfte die flämische Textilindustrie ebenso getroffen haben wie der Kapitalabfluss in die wallonische Montanindustrie, den du geschildert hast. Mit Ausnahme Gents etablierte sich in Flandern kaum nennenswerte Industrie, und es hatten flämische Gemeinden im 19. Jahrhundert Probleme mit Landflucht und Abwanderung in Industriereviere der Wallonie.

Ich muss allerdings einräumen, dass ich durchaus kein Experte der flämischen Textilverarbeitung bin. Traditionell wurde in Zentren der Branche wie Gent, Brügge und Ypern seit dem Mittelalter Leinen und Wolle verarbeitet. Kannst du evtl Auskunft darüber geben, was an Textilien in Flandern hergestellt wurde und welche Bedeutung Baumwollspinnereien dort besaßen?
 
jedenfalls für die flamen, ja.

Dazu muss man anmerken, dass sowohl die Reformierte Kirche in den Niederlanden wie die Römisch Katholische Kirche in Belgien den Status einer Landeskirche oder Staatsreligion besaßen und Konservative hüben wie drüben zwei gleichberechtigte Konfessionen gar nicht für wünschenswert hielten.

Wilhelm I. versuchte eigene Bischofskandidaten durchzudrücken und sein Versuch, die dominierende Rolle der katholischen Kirche im Bildungswesen zurückzudrängen forderte deren Widerstand heraus. Hatten die Liberalen anfangs noch die Vereinigung der Niederlande 1815 noch begrüßt, so gingen schon bald die antiklerikal eingestellten Liberalen ein Bündnis mit den Katholiken ein nach dem Vorbild Frankreichs wo die Kirche ebenfalls gemeinsam mit den Liberalen dem absolutistischem Regiment
Charles X. Paroli geboten hatte.
 
Dazu muss man anmerken, dass sowohl die Reformierte Kirche in den Niederlanden wie die Römisch Katholische Kirche in Belgien den Status einer Landeskirche oder Staatsreligion besaßen und Konservative hüben wie drüben zwei gleichberechtigte Konfessionen gar nicht für wünschenswert hielten.
das stimmt nicht. als belgien + niederlande zusammengefügt wurde, wurde die GG-klausel »der fürst ist niederländisch-reformiert« gestrichen.

frag mir aber nicht, was noch mehr geändert wurde (und das war nicht wenig im GG). das weiß ich wirklich nicht mehr. es ist ja fast 55 jahre her, daß ich staatsinrichting (gemeinschaftskunde) hatte.
dies aber habe ich nie vergessen, weil ich ja selbst niederländisch-reformiert bin. wegen meiner schulzeit in indonesien aber gar keine vorurteile gegen RK menschen hatte. es gab einfach zu wenig niederländer um auch da noch zu trennen.

in NL sind die unterschiede dagegen erst rund 1970 verschwunden. bis dann gab es eine deutlich trennung. ich habe davon sehr schöne beispiele. aus eigener erfahrung. :D
 
Zurück
Oben