Historizität Jesu von Nazareth

Und da stellt sich, bedenkt man die Reisewege und -orte, die ganz banale Frage, ob das allein, nur mit Sandalen und härener Kutte überhaupt zu schaffen gewesen wäre
Ich schätze, dass jene Reisewege in Galiläa und Judäa sehr gut alleine mit "Sandalen und härener Kutte" zu bewältigen waren, erst recht von etwa März bis Oktober. Für die Regenzeit/ den Winter suchte man sich notfalls halt eine Bleibe.

und warum sich große Menschenansammlungen überhaupt (ohne Hndy, Internet, Zeitungen, Plakate etc) irgendwo in der Pampa hätten einfinden sollen, wenn so eine Art staubiger Bettelmönch da am Wegesrand seine mahnende Stimme erhebt.
Na ja, Jesus hat sich laut den Evangelien nicht irgendwo in die judäische Wüste oder so gestellt, angefangen zu predigen und gehofft, dass mal zufällig einer vorbeikommt. Er hat bewohnte Landstriche bereist, z. B. die Ortschaften um den See Genezareth. Außerdem reisten jährlich zum Passafest im Frühling und zu den großen Festen im Tischri im Herbst zahlreiche Juden aus dem ganzen Land zu ihrer Heiligen Stadt, die sich in Reisegesellschaften zusammenschlossen, um bspw. von Galiläa durch das Jordantal nach Jerusalem zu pilgern. Nicht nur, dass sich bei solchen Anlässen, so ziemlich alle Neuigkeiten von Mund zu Mund herumgesprochen haben werden mit größtmöglichem Verbreitungseffekt, sondern auch, dass Jesus als Mitreisender hier automatisch große Menschenmengen antreffen konnte. Gelegenheiten für einen Prediger, der es vermag Interesse zu wecken und mit seiner Botschaft zu faszinieren, wird es also genug gegeben haben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dem heiligen Bettelmann begeisternde Mund-zu-Mund-Propaganda vorauseilt und große Menschenmengen bewegt, sich zu versammeln, ist doch eher gering.
Finde ich nicht.

Bedenkt man, dass in dieser Zeit große Gesten (Paradeeinmärsche sozusagen) angesagt waren
Große Gesten und Parademärsche waren doch eher den jeweils politischen Machthaber vorbehalten. Das machte sie aber nicht zwangsläufig bei den Massen beliebter (ich denke z. B. an Herodes d. Gr. oder Archelaos). Und schenken wir dem Iosephos auch nur ein bisschen Glauben, so lockte Johannes der Täufer ganz ohne Parademärsche und Pomp viele Juden zu sich an den Jordan. Warum soll Ähnliches nicht auch Jesus und anderen Wanderpredigern gelungen sein. Neugier, Aufmerksamkeit und Begeisterung lassen sich ja nicht ausschließlich durch "große Gesten", die auf Geld und politischer Autorität basieren, erreichen.


so gesehen stellt sich die Frage nach dem quasi religiösen Geschäftsmann, dem "Unternehmen Messias" und seinem Mitarbeiterstab und Equipment als Konkurrenz zu den Hohepriestern in den Synagogen, welche ja ebenfalls alles andere als ärmlich oder unrepräsentativ waren!
Müssen denn immer alle geschäftsmännisch und unternehmerisch denken bzw. gedacht haben?;) Kann die Menschheit nicht auch ein paar Typen hervorgebracht haben, die tatsächlich Ideale und Überzeugungen in der Brust trugen? (keine Angst, ist spaßeshalber so pathetisch formuliert).
Tempel und Tempelkult bzw. -gottesdienst waren gewiss repräsentativ für das Judentum überhaupt und gewiss auch nicht ärmlich ausgestattet und gestaltet. Unter den Priestern gab es sowohl Reiche, die in der Jerusalemer Elite mitmischten, als auch relativ "Einfache" aus nicht reichen Priesterfamilien, die nur, wenn sie gemäß der Dienstordnung gerade Dienstwoche hatten, aus ihrem Heimatort in die Stadt gingen, um ihren gottesdienstlichen Pflichten/ Rechten nachzukommen. Jedenfalls war der riesige und herrliche Tempel das religiöse und gesellschaftliche Zentrum eines ganzen Volkes. Für konkurrenzfähig konnte sich Jesus da auf der Mitarbeiter- und Equipment-Ebene sowie so nicht halten. Mit dem Tempel in Sachen äußerlicher Würde konkurrieren zu wollen, wäre von vorneherein lächerlich und aussichtslos gewesen. Und ich denke, dass das auch gar nicht nötig war, um als Prediger gehört zu werden. Übrigens hielten ja die Essener den Hohenpriester für illegitim (vor allem aufgrund seiner familiären Herkunft seit den Makkabäern), Teile der Priesterschaft für verrucht, die Festzeiten für falsch berechnet usw. Die Essener setzten sich schon in gewissem Maße zum damaligen "Tempelmanagement" in Widerspruch (wenngleich sie die großen Feste am Tempel wohl gemäß der Anordnung der Hl. Schrift besucht und mitgefeiert haben werden). Auch die Essener hatten dennoch Mitglieder und Anhänger, ohne dass sie mit dem Tempel-Equipment irgendwie hätten mithalten können oder wollen.

Die im Lande verstreuten für den "Schriftgottesdienst" genutzten sowie als Toraschulen fungierenden Synagogen sind zwar Ausstattungs-technisch und Bedeutungs-technisch nicht mit dem Jerusalemer Heiligtum und seinen Opfern zu vergleichen; aber klar, besaßen auch sie in ihrer jeweiligen Ortschaft eine ihnen eigene religiöse Würde. Eine Tora-Rolle wird Jesus vermutlich nicht unterwegs mitgeschleppt haben; dennoch trat er laut Evangelien wenigstens zu der Synagoge in Nazareth und ihren Ältesten in eine Art "Konkurrenz". Das war aber eine ganz andere Liga als der Tempel. Wie gesagt, als "religiöser Geschäftsmann" mit dem Hohenpriester und den Priestern am Tempel in Konkurrenz treten zu wollen, wäre Wahnsinn gewesen - und, wie gesagt, wohl auch gar nicht notwendig, um gehört zu werden.

(Nur nebenbei: Hohepriester wird man nur in Ausnahmefällen in Synagogen gefunden haben. Der amtierende Hohepriester dürfte sich vorzugsweise am Tempel herumgetrieben haben.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Jesus muss ein unheimlich charismatischer Mensch gewesen sein, alla Barack Obama, Kennedy, Nelson Mandela, Martin Luther King, Osama bin Laden oder Hitler.

Also er muss schon bei den Menschen Gefühle ausgelöst haben, wenn er irgendwo geredet hat.

Er lebte bei seinen Wanderungen von Spenden (die Frauen die erwähnt werden die ihn unterstützen) und seine Anhänger werden sicherlich auch gearbeitet haben um sich zu finanzieren. Immerhin wird erwähnt die das die Jünger recht häufig Fisch gegessen haben sollen.
 
Jesus muss ein unheimlich charismatischer Mensch gewesen sein, alla Barack Obama, Kennedy, Nelson Mandela, Martin Luther King, Osama bin Laden oder Hitler.
...eine etwas sehr...hm...buntscheckige Liste......;)

Er lebte bei seinen Wanderungen von Spenden (die Frauen die erwähnt werden die ihn unterstützen) und seine Anhänger werden sicherlich auch gearbeitet haben um sich zu finanzieren. Immerhin wird erwähnt die das die Jünger recht häufig Fisch gegessen haben sollen.
und das alles ist ganz gewiß?
 
genau dieses Ideal, analog später (vgl. Brown) die Idealbilder der Asketen etc., ist es doch, was stutzig macht! Es wird offenbar weitaus weniger eine zeitgenössische realistische Darstellung des Wanderpredigertums überliefert, als vielmehr eben ein Idealbild:
Hier wird doch kein Idealbild gemalt, hier werden Anweisungen formuliert.

Was hat dieses Schild zu bedeuten?

1 "Noch nie ist ein Schüler auf dem Schulhof Mofa gefahren"?
2 "Schüler, die den Schulhof zu Fuß betreten, existieren wohl nur in der frommen Fantasie"?
3 "Wer auf dem Schulhof mit dem Mofa rumdüst, hat eventuell Konsequenzen zu befürchten"?

Polemisierst Du gegen 1 (was keiner behauptet)?
Favorisierst Du 2?

Ich wäre für 3.

Nochmal zur Didache:
Da wird den Gemeinden eingeschärft, einem Wanderpropheten Proviant mitzugeben, aber kein Geld.
Vor Pseudopropheten, die Geld schnorren oder der Gemeinde übermäßig auf der Tasche liegen, wird gewarnt.
Solche Propheten gab es sicher, die Leute damals waren aber nicht alle so blöd wie die Messiasjünger im "Life of Brian".


Die Wahrscheinlichkeit, dass dem heiligen Bettelmann begeisternde Mund-zu-Mund-Propaganda vorauseilt und große Menschenmengen bewegt, sich zu versammeln, ist doch eher gering. Bedenkt man, dass in dieser Zeit große Gesten (Paradeeinmärsche sozusagen) angesagt waren und dass z.B. Jesus´ auf dem Esel mit Palmzweigen auf diese imitatio großer offizieller Darstellungsgestik verweist, dann wird immer unwahrscheinlicher, dass der "ärmliche Wanderprediger" ein der historischen Realität entsprechendes Bild ist.

so gesehen stellt sich die Frage nach dem quasi religiösen Geschäftsmann, dem "Unternehmen Messias" und seinem Mitarbeiterstab und Equipment als Konkurrenz zu den Hohepriestern in den Synagogen, welche ja ebenfalls alles andere als ärmlich oder unrepräsentativ waren!
Bist Du sicher, dass Du Dir jetzt nicht selbst ein Wunschbild zusammenreimst?
 
Ich denke, Du hast mich gut verstanden.
nein, hab ich leider nicht - ich weiß nicht, wo der Anlaß für einen so zänkischen Tonfall liegt, ich weiß nicht, was Mofas mit Wanderpredigern zu Tiberius Zeiten zu tun haben, und ich weiß nicht, warum die Quellen bzgl. der Wanderprediger und der späteren asketischen heiligen Männer keine idealisierten Darstellungen enthalten sollen. Allerdings ist es ja auch noch sehr früh am Tage, sodass vielleicht bis zum Abend etwas weniger streitbare Auskunft eintrudelt :winke:

Immerhin erfreulich, dass ein paar Quellen vor falschen Propheten warnen und ein paar Hinweise zu deren Auftreten bieten - im Umkehrschluß kann daraus ein bissel was (indizienhaft sozusagen) über das (damals grassierende?) Wanderpredigertum gemutmaßt werden. Allerdings weiß ich damit immer noch nicht, wie ein irgendwo auftauschender Prediger es allein und nur auf Schusters Rappen, ohne Geldbeutel und lediglich mit Naturalien versorgt, schaffen konnte, einen größeren Volksauflauf herbeizurufen: das ist gerade auch deswegen interessant, weil die Leute damals vermutlich nicht alle so blöd wie im "Life of Brian" waren :)

(bzgl. der Asketen, "Heiligen" etc. in ihrem Kampf um religiöse Vorherrschaft und gute Posten nochmals der Verweis auf Peter Brown)
 
nein, hab ich leider nicht - ich weiß nicht, wo der Anlaß für einen so zänkischen Tonfall liegt, ich weiß nicht, was Mofas mit Wanderpredigern zu Tiberius Zeiten zu tun haben, und ich weiß nicht, warum die Quellen bzgl. der Wanderprediger und der späteren asketischen heiligen Männer keine idealisierten Darstellungen enthalten sollen. Allerdings ist es ja auch noch sehr früh am Tage, sodass vielleicht bis zum Abend etwas weniger streitbare Auskunft eintrudelt :winke:

Immerhin erfreulich, dass ein paar Quellen vor falschen Propheten warnen und ein paar Hinweise zu deren Auftreten bieten - im Umkehrschluß kann daraus ein bissel was (indizienhaft sozusagen) über das (damals grassierende?) Wanderpredigertum gemutmaßt werden. Allerdings weiß ich damit immer noch nicht, wie ein irgendwo auftauschender Prediger es allein und nur auf Schusters Rappen, ohne Geldbeutel und lediglich mit Naturalien versorgt, schaffen konnte, einen größeren Volksauflauf herbeizurufen: das ist gerade auch deswegen interessant, weil die Leute damals vermutlich nicht alle so blöd wie im "Life of Brian" waren :)

(bzgl. der Asketen, "Heiligen" etc. in ihrem Kampf um religiöse Vorherrschaft und gute Posten nochmals der Verweis auf Peter Brown)

@deku, ich glaube, ich muss dir nicht sagen, dass ich dich sowohl als Forenurgestein wie als intelligenten und seriösen Forianer sehr schätze, aber manchmal kannst du einen an den Rand der Verzweiflung bringen.

@Sepiola hat in diesem Thread einige sehr gute Beiträge geschrieben und diese mit exakten Quellen und Literaturangaben belegt. Ich selbst habe mich weit flapsiger ausgedrückt, als ich das in einem akademischen Vortrag tun würde, aber auch meine Argumentation war sachlich gemeint und mit Quellenangaben untermauert. Wenn sich diese Posts gut lesen lassen und als unterhaltsam(e), schön(e) und amüsant(e) Beiträge
dazu beitragen können, die Polemik dieser Diskussion zu entschärfen, so freut mich das. @Sepiolas Beiträge waren aber eher sachlich und informativ, als unterhaltsam und amüsant. Sie/er hat im Grunde genommen nur dein(e) Labeling/Argumentation auf die StVO übertragen, und das Gleiche hat El Quichote einige Beiträge mit dem Angela Merkel- Vergleich getan. Wenn du das versuchst, ins Lächerliche zu ziehen, halte ich das für nicht ganz fair und kann durchaus nachvollziehen, wenn Sepiola darüber nicht amüsiert ist, womöglich sogar verärgert, denn zänkisch war ihr/sein Tonfall definitiv nicht.

Wir schreiben hier nicht im Smalltalk, und Zitate von Andre´ Gide, Anatole France, Heinrich Heine oder anderen mögen geistreich sein, als Quellen für/gegen die Existenz eines Wanderpredigers namens Jesus von Nazareth sind sie dagegen ziemlich wertlos, und auch Tacitus ist da nicht wirklich ergiebig. Er schreibt in 2-3 Sätzen über eine obskure Sekte, die auf einen Christus zurückgeht, der von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt wurde.

@El Quichote, @Fingalo und einige andere Diskutanten haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Evangelien eben keine Annalen oder Biographien sind, woraus aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass sie damit als historische Quellen wertlos sind, bloß weil darin Wunder, Heilungen etc. vorkommen, die schlichtweg der erfahrbaren Realität widersprechen. @Sepiola verwies darauf, dass man, wenn man das NT als Quelle verwirft, man sich zumindest damit auseinandersetzen und den Inhalt kennen sollte.

Über mehr als 20 Seiten haben Ex-Forianer wie Merenpatah, megatrend und petronius im Grunde nur getrollt, so dass sich Diskutanten wie Hulda, Fingalo und andere genervt von der Diskussion zurückgezogen haben. Andere haben verschwörungstheoretisch argumentiert, sofern sie überhaupt argumentiert haben und nicht von den Befürwortern der Historizität Jesus von Nazareth "Beweise" eingefordert haben, die es gar nicht geben kann.

Dabei wurde immer so getan, als wenn die Historizität Jesus von Nazareth überaus strittig wäre und die Gelehrten darüber unschlüssig seien, während in Wirklichkeit die überwiegende Mehrheit aller Historiker davon ausgeht, dass es sich bei Jesus von Nazareth um eine historische Persönlichkeit handelt. Autoren wie Illig, Deschner, Doherty u.a. befinden sich in der Minderheit, und mehrfach konnte ihnen nachgewiesen werden, dass sie methodisch unsauber arbeiten.
Wie schon El Quichote sagte:

Es ist schlichtweg irrational, die Historizität Jesus von Nazareth zu bestreiten

Als überaus ärgerlich empfinde es nicht nur ich, dass man den Diskutanten, die von der Historizität Jesus von Nazareth überzeugt sind, unterstellt, sie seien gläubige Christen, die aus ideologisch-dogmatischen Gründen diese Meinung vertreten, obwohl das bei den meisten gar nicht der Fall ist.

Dafür sind Formulierungen wie "grassierendes Wanderpredigertum", "Religionsfunktionäre" "Kampf um religiöse Vorherrschaft" "Heilige" "Asketen" alles andere als objektiv, sondern ideologisch vorbelastet.

dekumatland vielleicht bin ich da verbohrt

Es mag ungerecht sein, dass ich ausgerechnet deinen Beitrag zitiere, und es ist dein gutes Recht, per se alle Religionen für Schwindel und Heilige, Wanderprediger und Propheten für Betrüger zu halten. Aber nur den ironisch distanzierten und amüsierten Beobachter zu geben, ist doch ein wenig zu einfach und meiner Meinung nach auch wenig respektvoll gegenüber Diskutanten wie @Sepiola und @El Quichote und anderen, die methodisch sauber argumentiert haben und für ihre durchaus sachlichen Beiträge zweifellos viel Mühe und Zeit aufgewendet haben, um Quellen- und Literaturangaben korrekt zu zitieren und einige deiner Fragen zu den religiösen Verhältnissen in Palästina im 1. Jhd zu beantworten.
 
aber manchmal kannst du einen an den Rand der Verzweiflung bringen.
das ist allerdings speziell in Diskussionen, die mich interessieren, ganz und gar nicht meine Absicht :winke:

Dafür sind Formulierungen wie "grassierendes Wanderpredigertum", "Religionsfunktionäre" "Kampf um religiöse Vorherrschaft" "Heilige" "Asketen" alles andere als objektiv, sondern ideologisch vorbelastet.
einige dieser Formulierungen finden sich in:
The Making of Late Antiquity (1978). Deutsch: Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike (1986)
The Body and Society: Men, Women, and Sexual Renunciation in Early Christianity (1988). Deutsch: Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit am Anfang des Christentums (1991)

ja überhaupt hat dieser Autor Peter Brown (Historiker) ? Wikipedia noch mehr höchst lesenswertes zum frühen Christentum publiziert -- ich habe mir lediglich erlaubt, ein paar seiner Darstellungen arg verkürzt und vereinfacht einzubringen.

Es mag ungerecht sein, dass ich ausgerechnet deinen Beitrag zitiere, und es ist dein gutes Recht, per se alle Religionen für Schwindel und Heilige, Wanderprediger und Propheten für Betrüger zu halten.
wie bitte? tue ich das??

ich halte es für völlig legitim und obendrein für interessant, allerlei Überlegungen zum Begriff "Wanderprediger" anzustellen und vermag darin nichts zu erkennen, was Weißglut hervorrufen müsste.

Deshalb nochmals:
im 3.-4. Jh. konkurrierten Asketen (die Lit. dazu s.o.), wobei da bemerkenswerte die Diskrepanz zw. Anspruch (der darbende sich selbst kasteiende Heilige, pardon für die Formulierung, aber das ist das damals propagierte Bild) und Realität (er hatte seine Bediensteten, seine Mittel, seine oftmals hohe Herkunft, sein Gefolge, sein "Equipment" - auch hierzu die Lit. s.o.) - im 1. Jh. und wohl auch davor traten auffallend vermehrt Wanderprediger auf. Auch bzgl. dieser, ganz besonders dank Sepiolas Hinweis auf die Textstelle mit der Warnung vor falschen Propheten (!), ist es völlig legitim, möglichst umfassend nachzuschauen, wie es bei den Wanderpredigern um Selbstdarstellung, Fremddarstellung, Wirkung, Arbeits- bzw. Vorgehensweise usw usw bestellt ist.

Jesus von Nazareth ist ein Wanderprediger gewesen - mich interessiert so detailiert wie möglich, was ein solcher Wanderprediger ist. Was wird ihm zugeschrieben, was tat er tatsächlich und wie; und wie sieht es mit imagologischen Typisierungen und Idealisierungen aus. (((mich würde wundern, wenn solche Fragen verboten wären)))
 
nein, hab ich leider nicht - ich weiß nicht, wo der Anlaß für einen so zänkischen Tonfall liegt
Entschuldigung, das war überhaupt nicht zänkisch gemeint.
Ich dachte, ich hätte Deinen Zwinkersmiley richtig interpretiert (falls nicht, klären wir das besser per PN)...

ich weiß nicht, was Mofas mit Wanderpredigern zu Tiberius Zeiten zu tun haben
Du weißt aber, was der Unterschied zwischen einer schlichten Verhaltensmaßregel und einer idealisierten Darstellung heiliger Männer ist.

Immerhin erfreulich, dass ein paar Quellen vor falschen Propheten warnen und ein paar Hinweise zu deren Auftreten bieten - im Umkehrschluß kann daraus ein bissel was (indizienhaft sozusagen) über das (damals grassierende?) Wanderpredigertum gemutmaßt werden.

Ob das Wanderpredigertum damals insgesamt grassierte oder vor allem im frühchristlichen Umfeld, geben die Quellen nicht her. Ich tippe eher auf zweiteres. Charismatische Wanderprediger mag es natürlich auch außerhalb des Christentums gegeben haben, siehe Apollonius von Tyana.
Zu diesem gibt es leider nur hagiographisches Material aus sehr viel späterer Zeit.

Allerdings weiß ich damit immer noch nicht, wie ein irgendwo auftauschender Prediger es allein und nur auf Schusters Rappen, ohne Geldbeutel und lediglich mit Naturalien versorgt, schaffen konnte, einen größeren Volksauflauf herbeizurufen
Einen größeren Volksauflauf wird es in den allerseltensten Fällen gegeben haben.
Ansonsten siehe Buschhons letzten Beitrag.
 
das ist allerdings speziell in Diskussionen, die mich interessieren, ganz und gar nicht meine Absicht :winke:


Jesus von Nazareth ist ein Wanderprediger gewesen - mich interessiert so detailiert wie möglich, was ein solcher Wanderprediger ist. Was wird ihm zugeschrieben, was tat er tatsächlich und wie; und wie sieht es mit imagologischen Typisierungen und Idealisierungen aus. (((mich würde wundern, wenn solche Fragen verboten wären)))


Das glaube ich, und ich würde deine Beiträge auch sehr vermissen. Wenn alle einer Meinung wären, könnten wir das GF dichtmachen.

Ich würde mir eine Kugel in den Kopf schießen, wenn solche Fragen verboten wären, denn dann wäre es nicht nur mit der Freiheit der Meinung, der Presse und der wissenschaftlichen Forschung vorbei. :cry:
 
Wenn ich mich recht entsinne schreibt Josephus Flavius über mehrere Wanderprediger, insbesondere wenn sie zum 'Problem' wurden. Vielleicht werden einige -wie Jesus - auch im Talmud erwähnt. Vielleicht sollte man eher von diesen kurzen Mitteilungen ausgehen, als vom prominentesten Beispiel, das sich - schon ob seiner Nachwirkungen - von der allgemeinen Lebensform eines Wanderpredigers mehr oder weniger unterscheiden kann.

Die späteren Wanderprediger waren zudem von Jesus beeinflusst. Zum einen muss man ja auch Anhänger Jesu als Wanderprediger bezeichnen, z. B. Paulus. Zum anderen wenden sich diese in ihren Briefen gegen andere Wanderprediger mit denen sie in Konkurrenz standen. Dann war der Bekanntheitsgrad Jesu vielleicht hoch genug, dass andere sein Vorgehen ohne seine Lehre zum Vorbild nahmen.

Das sollen nur ein paar Gedanken sein, inwieweit man vorsichtig sein muss, wenn man dem 'historischen' Jesus eine Lebensform zuordnen will.
 
[...!!...]
Das sollen nur ein paar Gedanken sein, inwieweit man vorsichtig sein muss, wenn man dem 'historischen' Jesus eine Lebensform zuordnen will.
du nimmst mir die Worte aus dem Mund, d.h. in diese Richtung wollte ich noch argumentieren :)

von Legionären, Weinhändlern u.v.a. antiken Berufen haben wir schriftliche und auch archäologische Zeugnisse, sogar aus verschiedenen Zeiten.

von den germanischen Seherinnen wie Veleda haben wir spärliche schriftl. Zeugnisse aus zweiter Hand, d.h. sie wurden gelegentlich erwähnt. Freilich gibt es keinen zwingenden Grund, an speziell der Veleda zu zweifeln - nur wissen wir trotz der spärlichen Quellen so gut wie nichts darüber, was denn eine solche Seherin gemacht hatte.

von den Wanderpredigern des 1. Jhs. - was wissen wir da sicher? Ich habe ja in meinem vorangegangenen Beitrag geschrieben, dass Jesus von Nazareth (also der historische Jesus) ein Wanderprediger war. Das schreibt sich leicht, das dürfte auch nicht sonderlich bezweifelbar sein - aber was genau heißt das? Ich befürchte, dass man anhand der recht heterogenen Textquellen (archäologische hat man wohl keine, oder gibt es irgendwo das ausgegrabene Equipment eines Wanderpredigers?) nicht viel mehr als zweierlei ermitteln kann: erstens dass es sich um ein gesellschaftliches Umfeld handelte, das anfällig für religiöse, endzeitliche und messianische Verlautbarungen war (also eine womöglich nicht nur durch die begonnene römische Herrschaft und damit allmähliche und doch problematische Integration in die römisch-mediterrane Kultur in Umbruch befindliche Gesellschaft) und zweitens dass die unterschiedlichen überlieferten Wahrnehmungen oder besser gesagt Darstellungen des Wanderpredigertums kein einheitliches Bild schaffen. ...in diesem Sinne ist "Wanderprediger" ein für allerlei Deutungen offener, weil eben doch relativ unscharfer Begriff.

Wanderprediger wie Paulus bzw. überhaupt die Apostel: da ist gewiß schon eine unterstützende, eine mitarbeitende Gemeinschaft vorauszusetzen (analog zu den späteren Asketen-Heiligen etc), diese Gemeinschaft kann als Mitarbeiterstab bezeichnet werden. Wanderprediger Jesus erarbeitete sich, wenn man den neutestamentlichen Darstellungen glauben will, nach und nach einen ebensolchen "Mitarbeiterstab", nämlich seine Jünger. Mitarbeiter, Mitstreiter, Jünger - diese muss man motivieren und auch in irgendeiner Weise belohnen (zu dreizehnt irgendwohin wandern und dann zu erwarten, dass so eine Gesellschaft kostenlos bewirtet wird, dürfte auch damals sehr unwahrscheinlich gewesen sein) --- so weit nur ein paar Andeutungen in Richtung der Fragestellung, wie "realistisch" das Bild des Wanderpredigers vielleicht ermittelt werden könnte (wiewohl ich befürchte, dass man den Legionär unendlich viel realistischer darstellen kann als den Wanderprediger)

Gleichgültig was für ein Bild vom Wanderprediger dargestellt werden kann (z.B. gäbe es die Möglichkeit "viele Scharlatane, wenige Charismatiker mit überzeugenden religiösen Botschaften"), es verbleibt dann eben der individuelle Fall Jesus von Nazareth - und es verbleibt die Frage, wie stark die thematische Verbindung zw. dem historischen Jesus (z.B. fragt man sich ja kontrovers, welche Botschaften im NT überhaupt auf Jesus zurückgehen) und den späteren, die christl. Religion konstituierenden Texten ist.
 
du nimmst mir die Worte aus dem Mund, d.h. in diese Richtung wollte ich noch argumentieren :)

von Legionären, Weinhändlern u.v.a. antiken Berufen haben wir schriftliche und auch archäologische Zeugnisse, sogar aus verschiedenen Zeiten.

von den germanischen Seherinnen wie Veleda haben wir spärliche schriftl. Zeugnisse aus zweiter Hand, d.h. sie wurden gelegentlich erwähnt. Freilich gibt es keinen zwingenden Grund, an speziell der Veleda zu zweifeln - nur wissen wir trotz der spärlichen Quellen so gut wie nichts darüber, was denn eine solche Seherin gemacht hatte.

von den Wanderpredigern des 1. Jhs. - was wissen wir da sicher? Ich habe ja in meinem vorangegangenen Beitrag geschrieben, dass Jesus von Nazareth (also der historische Jesus) ein Wanderprediger war. Das schreibt sich leicht, das dürfte auch nicht sonderlich bezweifelbar sein - aber was genau heißt das? Ich befürchte, dass man anhand der recht heterogenen Textquellen (archäologische hat man wohl keine, oder gibt es irgendwo das ausgegrabene Equipment eines Wanderpredigers?) nicht viel mehr als zweierlei ermitteln kann: erstens dass es sich um ein gesellschaftliches Umfeld handelte, das anfällig für religiöse, endzeitliche und messianische Verlautbarungen war (also eine womöglich nicht nur durch die begonnene römische Herrschaft und damit allmähliche und doch problematische Integration in die römisch-mediterrane Kultur in Umbruch befindliche Gesellschaft) und zweitens dass die unterschiedlichen überlieferten Wahrnehmungen oder besser gesagt Darstellungen des Wanderpredigertums kein einheitliches Bild schaffen. ...in diesem Sinne ist "Wanderprediger" ein für allerlei Deutungen offener, weil eben doch relativ unscharfer Begriff.

Wanderprediger wie Paulus bzw. überhaupt die Apostel: da ist gewiß schon eine unterstützende, eine mitarbeitende Gemeinschaft vorauszusetzen (analog zu den späteren Asketen-Heiligen etc), diese Gemeinschaft kann als Mitarbeiterstab bezeichnet werden. Wanderprediger Jesus erarbeitete sich, wenn man den neutestamentlichen Darstellungen glauben will, nach und nach einen ebensolchen "Mitarbeiterstab", nämlich seine Jünger. Mitarbeiter, Mitstreiter, Jünger - diese muss man motivieren und auch in irgendeiner Weise belohnen (zu dreizehnt irgendwohin wandern und dann zu erwarten, dass so eine Gesellschaft kostenlos bewirtet wird, dürfte auch damals sehr unwahrscheinlich gewesen sein) --- so weit nur ein paar Andeutungen in Richtung der Fragestellung, wie "realistisch" das Bild des Wanderpredigers vielleicht ermittelt werden könnte (wiewohl ich befürchte, dass man den Legionär unendlich viel realistischer darstellen kann als den Wanderprediger)

Gleichgültig was für ein Bild vom Wanderprediger dargestellt werden kann (z.B. gäbe es die Möglichkeit "viele Scharlatane, wenige Charismatiker mit überzeugenden religiösen Botschaften"), es verbleibt dann eben der individuelle Fall Jesus von Nazareth - und es verbleibt die Frage, wie stark die thematische Verbindung zw. dem historischen Jesus (z.B. fragt man sich ja kontrovers, welche Botschaften im NT überhaupt auf Jesus zurückgehen) und den späteren, die christl. Religion konstituierenden Texten ist.

Guter Beitrag, @deku!

Man muss sich schon eingestehen, dass man vieles eben nicht weiß. Aus geographischen Angaben im Neuen Testament lässt sich zwar der Wirkungskreis von Jesus und seinen Schülern einigermaßen rekonstruieren, ebenso wie die Lebensspanne, aber das genaue Geburtsdatum ist ebenso unbekannt wie das exakte Todesjahr Jesu. Nach den synoptischen Evangelien starb Jesus am 14. Nissan, nach Johannes am 15.

Dass es unter Wanderpredigern Scharlatane gegeben haben muss, halte ich für sehr wahrscheinlich. Die Warnungen vor falschen Propheten sind jedenfalls schon im Alten Testament zahlreich, und im NT werden einige namentlich erwähnt wie Simon der Magier, der in der Apg von Petrus gegen Bares dessen Fähigkeiten zu heilen kaufen will (der Begriff Simonie für Ämterkauf geht auf diesen zurück oder Elymas dem es gelungen ist, das Vertrauen des Sergius Paullus zu gewinnen und der mit Blindheit gechlagen wird, wenn ich mich recht besinne.

Ob Wanderprediger wie Johannes der Täufer ähnlich der mittelalterlichen Bettelmönche (oder der alttestamentlichen Propheten) durch die Lande zogen und von Almosen lebten. Ob Jesus und seine Schüler saisonal durch Galiläa zogen und sonst einem Beruf nachgingen, darüber ist kaum etwas bekannt. Ich halte eher Letzteres für wahrscheinlich. Zumindest von Petrus ist überliefert, dass er Familie gehabt haben muss, jedenfalls heilt Jesus dessen Schwiegermutter. Das Petrus zugeordnete Haus in Kafarnaum lässt jedenfalls darauf schließen, dass dessen Besitzer durchaus nicht so arm war wie einige Legenden suggerieren.
 
von den Wanderpredigern des 1. Jhs. - was wissen wir da sicher? Ich habe ja in meinem vorangegangenen Beitrag geschrieben, dass Jesus von Nazareth (also der historische Jesus) ein Wanderprediger war.

Man muss sich schon eingestehen, dass man vieles eben nicht weiß. Aus geographischen Angaben im Neuen Testament lässt sich zwar der Wirkungskreis von Jesus und seinen Schülern einigermaßen rekonstruieren, ebenso wie die Lebensspanne, aber das genaue Geburtsdatum ist ebenso unbekannt wie das exakte Todesjahr Jesu. Nach den synoptischen Evangelien starb Jesus am 14. Nissan, nach Johannes am 15.

Können wir uns nicht mal zwischendurch über Wanderprediger des 1. (und vielleicht noch 2.) Jahrhunderts unterhalten, ohne auf die Person Jesus fixiert zu sein?
(Ja, ich weiß: Der Thread heißt "Historizität Jesu von Nazareth"... Vielleicht wäre das Thema einen neuen Thread wert?)

Dafür sind nämlich die frühchristlichen Texte (Synoptiker/"Q", Paulusbriefe, Didache) Primärquellen.

Aus dem 2. Jh. haben wir übrigens einen satirischen Beitrag zum Thema:
Der Tod des Peregrinus ? Wikisource

Ob Wanderprediger wie Johannes der Täufer ähnlich der mittelalterlichen Bettelmönche (oder der alttestamentlichen Propheten) durch die Lande zogen und von Almosen lebten.
Ich möchte sogar bezweifeln, ob Johannes der Täufer ein Wanderprediger im eigentlichen Sinne war.



Wanderprediger wie Paulus bzw. überhaupt die Apostel: da ist gewiß schon eine unterstützende, eine mitarbeitende Gemeinschaft vorauszusetzen (analog zu den späteren Asketen-Heiligen etc), diese Gemeinschaft kann als Mitarbeiterstab bezeichnet werden.
Ich fürchte, die Analogie zu den viel späteren Asketen-Heiligen führt zu falschen Schlüssen, wenn man sie überstrapaziert.
Gerade Peter Brown betont ja sehr stark die grundlegenden Unterschiede zwischen dem 1./2. und dem 4./5. Jahrhundert. Das betrifft die gesellschaftliche Position des Christentums und die Religiosität im allgemeinen.
 
Da sich hier in letzter Zeit alles um Wanderprediger dreht, würde ich gerne nochmal auf den Kynismus und den eventuellen Einfluss den kynische Philosophie auf das frühe Christentum und auf Jesus (falls man ihn als historische Person begreift) hatte, zu sprechen kommen. Leider sind kynische Schriften allenfalls in Fragmenten erhalten, und das meiste kann man nur aus den Kommentaren anderer antiker Autoren über diesen Philosophiezweig erschliessen. Aber es gab wohl auch im Kynismus Wanderprediger (oder wandernde Philosophen, wenn man so spitzfindig sein will) die unter anderem auch Bedürfnislosigkeit gepredigt haben. Das würde ja auch sehr gut zu den Verhaltensregeln für Wanderprediger passen, die Sepiola schon mehrfach erwähnte. Einige Zitate kynischen Ursprungs, die auch gut von Jesus stammen könnten, hatte ich schon weiter oben gebracht.
Epiktet: "Alle Menschen haben immer und überall einen Vater der für sie sorgt."

Dio aus Prusa: "...betrachte die wilden Tiere dort drüben und die Vögel, wieviel sorgenfreier sie als der Mensch leben..."

Und bei Seneca findet man zum Thema kynische Philosophie folgendes: "Gestatte jedem Menschen, der es möchte, dich zu beleidigen und falsch zu behandeln; wenn jedoch nur Tugend in dir ist, wirst du nichts erleiden. Wenn du glücklich sein möchtest, wenn du in guter Absicht wünschen würdest, ein guter Mensch zu sein, lass den einen oder anderen Menschen dich verachten."

Edit:
Können wir uns nicht mal zwischendurch über Wanderprediger des 1. (und vielleicht noch 2.) Jahrhunderts unterhalten, ohne auf die Person Jesus fixiert zu sein?

Ja genau, z.B. über kynische Wanderprediger. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun gut ich würde sogar von drei Jesusen reden.

Den Menschen Jesus. (wie er war, was er dachte e.t.c.)

Den historischen Jesus (das was wir mit einiger Sicherheit rekonstruieren können).

Den Jesus des Glaubens.

Der historische Jesus ist der einzige bei dem wir halbwegs zuverlässiges Wissen haben und das ist sehr wenig. Alles andere sind dann Interpretationen und eigene Wunschvorstellungen. Ich habe einiges von der historischen Jesus Forschung gelesen und häufig ist das Gefühl eigentlich beschreibt der Historiker/Theologe in wie er in gerne haben würde.

Der Jesus des Glaubens ist wiederum soweit mit Wundern e.t.c geschmückt, dass wir diese Dinge bei Seite lasse müssen. Die Frage wie seine Lehre eigentlich war ist nun auch sehr schwierig zu rekonstuieren.

Der Mensch Jesus bleibt mit dem meisten was in bewegt hat verborgen in der Verganganheit.

Nun ich finde die Unterteilung in richtige Wanderprediger und Scharlatane etwas falsch. Für viele Leute waren das alle Scharlatane welche nur als Schnorrer überlebeten.

Was die Wanderprediger angeht wie sieht es mit heutigen charismatischen Religionsführern aus, können diese genug akvirieren um sich über Wasser zu halten, nach dem wenigen was ich weiß ja. Warum schon damals nicht.

Da sich hier in letzter Zeit alles um Wanderprediger dreht, würde ich gerne nochmal auf den Kynismus und den eventuellen Einfluss den kynische Philosophie auf das frühe Christentum und auf Jesus (falls man ihn als historische Person begreift) hatte, zu sprechen kommen. Leider sind kynische Schriften allenfalls in Fragmenten erhalten, und das meiste kann man nur aus den Kommentaren anderer antiker Autoren über diesen Philosophiezweig erschliessen..

Ich würde da er sagen wenn es griechische Beeinflussung gab dann eher die Evanglisten als Jesus selbst. Ganz zu schweigen, dass sowohl jüdische Strömungen wie auch hellenistische Philosophie getrennt von einander auf die selben moralischen Werte gekommen sein konnten.

Nur Überschneidungen bei Allgemeinsätzen würde ich als nicht genug ansehen um eine Verbindung zu sehen. Auch wenn es im damaligen Nahen Osten sehr starke griechischer Einfluss in den Städten gab. Die Frage wäre da wo wurde Jesus von hellenischem Gedankengut gekommen ist wohl kaum in einem Kaff wie Nazareth. Tiberias oder Migdal???
 
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Da sich hier in letzter Zeit alles um Wanderprediger dreht, würde ich gerne nochmal auf den Kynismus und den eventuellen Einfluss den kynische Philosophie auf das frühe Christentum und auf Jesus (falls man ihn als historische Person begreift) hatte, zu sprechen kommen. Leider sind kynische Schriften allenfalls in Fragmenten erhalten, und das meiste kann man nur aus den Kommentaren anderer antiker Autoren über diesen Philosophiezweig erschliessen. Aber es gab wohl auch im Kynismus Wanderprediger (oder wandernde Philosophen, wenn man so spitzfindig sein will) die unter anderem auch Bedürfnislosigkeit gepredigt haben. Das würde ja auch sehr gut zu den Verhaltensregeln für Wanderprediger passen, die Sepiola schon mehrfach erwähnte. Einige Zitate kynischen Ursprungs, die auch gut von Jesus stammen könnten, hatte ich schon weiter oben gebracht.

Ja, dieses Anliegen ist ein bisschen untergegangen; es wurde gewissermaßen von den Wanderpredigern unterwandert:D.

Wenn Du im Allgemeinen über solche Ähnlichkeiten zwischen Stoa/ Kynismus auf der einen Seite und Ausspürchen Jesu auf der anderen Seite diskutieren möchtest, und vor allem darüber wie sie zu erklären sind, dann muss ich passen, denn ich kenne mich mit der Philosophie leider nicht aus. Wenn Du das aber wie in Beitrag #1410 noch in Anlehnung an Dohertys Thesen diskutieren willst, dann steuere ich gerne was bei, wenn auch nur exemplarisch:

Ich beschränke mich auf das Epiktet- und das Dion-Zitat (Findest Du übrigens bei Doherty genauere Werk- und Stellenangaben?):

Epiktet: "Alle Menschen haben immer und überall einen Vater, der für sie sorgt."

Dio aus Prusa: "...betrachte die wilden Tiere dort drüben und die Vögel, wieviel sorgenfreier sie als der Mensch leben..."

Wenn ich nach einer Parallele in den Aussprüchen Jesu suche, so kommt mir als erstes die Bergpredigt in den Sinn. Ich schätze mal, als Q-Paralelle für die beiden Philosophen-Zitate betrachtest Du Matth. 6, 25ff?

Matth. 6, 25-26:
Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?

Ich nenne die vier inhaltlichen Punkte, die ich in dem fett markierten Text erkenne:
Punkt 1: Der Mensch soll sich nicht um die existentiell-materielle Versorgung zum Leben sorgen, denn ...
Punkt 2: die Wildvögel sorgen sich auch nicht um ihre existentiell-materielle Versorgung.
Punkt 3: Dennoch werden sie vom himmlischen Vater ernährt und versorgt.
Punkt 4: Der Mensch ist aber noch viel mehr Wert als die Wildvögel (Unausgesprochen folgt daraus: Umso mehr versorgt der himmlische Vater den Menschen, der ihm in dieser Hinsicht vertraut).

Bei Epiktet sehe ich Anklänge an Punkt 1 und an das, was unter Punkt 4 in Klammern gesetzt ist.
Bei Dion von Prusa sehe ich Anklänge an Punkt 2.
Reichen diese „Anklänge“ aus, um über eine Abhängigkeit nachzudenken? Und ich meine jetzt keine literarische Abhängigkeit, sondern eine Abhängigkeit der Idee(n). Zumindest sind einige inhaltliche Gemeinsamkeiten nicht zu leugnen. Dennoch muss man auch bedenken, dass man bereits beim schnellen Durchstöbern des AT`s ebenso einige der oben benannten Punkte formuliert findet (Punkt 3: z. B. Psalm 104, 10ff. 27-28 u. 136, 25; Punkt 4: z. B. Gen. 1, 26-28). Nimmt man sich Zeit zum Suchen, würde man vielleicht alle vier Punkte schon im AT und/ oder den jüd. Apokryphen aus der Zeit vor Jesus finden. Und es fragt sich, ob die Bergpredigt nicht eher von dieser jüdischen Gedankenwelt als vom Kynismus beeinflusst ist. Und wie das folgende Zitat gleich zeigt, finden sich jene Punkte zudem in der rabbinischen Literatur; die Verwandtschaft der dortigen Gedanken mit Matth. 6, 25f ist m. E. enger als die zwischen Matth. 6, 25f und den Zyniker-Zitaten:

Mischna, Seder Naschim, Traktat Kidduschin IV 14a:
Rabbi Schim'on ben El'azar [um 190 n. Chr.] sagt: Hast du zu deiner Zeit ein Tier oder einen Vogel gesehen, die ein Handwerk ausübten? Und sie werden ohne Mühe ernährt. Und wurden sie nicht nur geschaffen um dir zu dienen, und wurde ich nicht geschaffen, um meinem Schöpfer zu dienen; sollte ich da nicht ernährt werden ohne quälende Sorgen?


Natürlich war auf der anderen Seite das Zeitalter des Hellenismus dasjenige, in dem auch im Judentum griechisches Gedankengut hie und da zaghaft Fuß fasste. Deshalb will ich nicht zu schnell behaupten, im 1. Jh. n. Chr. könnten nie und nimmer und unter gar keinen Umständen irgendwelche kynischen od. stoischen Elemente in der religiösen Sprache der Juden zu finden gewesen sein. Da kenne ich mich zu wenig aus.

Nur eines ist ja klar: So man von der Existenz Jesu ausgeht, so können seine Aussprüche mitnichten von Epiktet oder Dion, die beide erst Jahrzehnte nach Jesu Tod geboren wurden, abhängig sein. Wenn man aber schließen möchte, dass Jesus nicht existiert haben kann, weil seine bzw. die ihm angedichteten Sprüche von den Sprüchen Epiktets und Dions abhängig sind, diese aber erst bald ein halbes Jahrhundert nach Jesu angeblichem Tod gewirkt haben, so ist das natürlich eine ziemliche Überbewertung jener inhaltlichen Überschneidungen ihrer Sprüche. Außerdem müsste man dann auch annehmen, dass Rabbi Schim'on von den Zynikern abhängig ist, was gemessen an der sonstigen ziemlichen Eigenständigkeit und Abgrenzung der jüdisch-rabbinischen Literatur und Gedankenwelt, die sich für griechische Philosophie nicht interessiert, reichlich gewagt sein dürfte.
 
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