Mesolithische Spanier - Sonnenbank unnötig

Luziv

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Ich habe heute in "Forschung aktuell" auf DLF einen Bericht über die Genausstattung eines Skeletts eines jungen Mannes, der ca. 5000 v. Chr. in Spanien lebte, gehört. Das Skelett und noch das eines zweiten Mannes wurden wohl 2006 gefunden. Mithilfe der Analyse eines Zahns wurde angeblich die komplette Gensequenz des Mannes rekonstruiert. Es wurde festgestellt, daß Gene für sehr dunkle Haut, aber auch für blaue Augen vorhanden waren. Die Genausstattung ähnelte ansonsten stark denen von Skeletten aus Sibirien ca. 24.000 Jahre vor Chr., soll sich aber stark von denen neolithischer Europäer unterscheiden.

Hat jemand genauere Informationen über die Skelettanalyse, evtl. zu weiterführender Literatur oder Internetseiten zum Thema, gern auch in Englisch? Wurde die Sache vielleicht sogar hier schon mal behandelt?

(Hoffentlich gibt es etwas mehr Resonanz als in meinem kürzlichen, sträflich vernachlässigten "Bronzezeit-Kilt"-Thread. :D )
 
Die Hautfarbe einer Population hängt in starken Maße von der Sonneneinstrahlung in ihrem Siedlungsgebit ab. Wenn eine Menschengruppe in ein Gebiet auf einen anderen Breitengrad migriert, braucht sie 5.000 Jahre, um sich in der Hautfarbe der neuen Sonneneinstrahlung anzupassen. Hintergrund sind ein Mangel an Vitamin B12 bei zu wenig und ein Mangel an Folsäure bei zu viel Sonne, was sich beides nachteilig auf die Gesundheit oder die der Nachkommen auswirkt.

Vor 7.000 Jahren sollte die Auswanderung aus Afrika eigentlich schon hinreichend lang zurückliegen, so dass sich die damaligen Spanier in der Hautpigmentierung bereits angepasst haben sollten.

Aber vielleicht waren die beiden Inhaber von "nicht-europäischen Skeletten" ja auch Neu-Immigranten aus Afrika ? Vielleicht Berber, die ja auch blaue Augen haben können ?
 
Die Genausstattung ähnelte ansonsten stark denen von Skeletten aus Sibirien ca. 24.000 Jahre vor Chr., soll sich aber stark von denen neolithischer Europäer unterscheiden.

Im Link von Ravenik lese ich das etwas anders. Dort steht: "Dabei stellte sich heraus, dass der Jäger und Sammler mit einer Menschengruppe verwandt ist, die einst in ganz Europa und bis zum Baikalsee in Russland verbreitet gewesen sei."

Danach gab es in Europa eine genetisch ziemlich eimheitliche mesolithische Bevölkerung, was sich erst mit der Ankunft der frühen Ackerbauern änderte, die aus Vorderasien nach Europa einwanderten.

Eine Kombination von dunkler Pigmentierung und blauen Augen, wie sie die Genetiker analysiert haben wollen, ist neu und ungewöhnlich. Ich frage mich allerdings als Laie, ob man das wirklich anhand unserer heutigen Gentechnik zweifelsfrei ermitteln kann und noch dazu in einem Abstand von 7000 Jahren. :grübel:
 
Das mit der ziemlich einheitlichen mesolithischen Bevölkerung wurde auch im DLF gesagt, aber auch das mit den Skeletten aus Sibirien. Aus letzterem Fakt wurde, soweit ich mich erinnere, u.a. auf das erstere geschlossen.

Die Genauigkeit der Aussagen aus der Genanalyse hat mich auch beeindruckt. Mangels näherer Kenntnisse kann ich dazu wenig sagen. Schade (oder auch nicht), daß nicht mehr menschliche Eigenschaften von wenigen deutlich definierbaren Genen beeinflußt werden. Sonst könnte man vielleicht auch sagen, ob der mesolithische Jäger eher Frauen oder Männer bevorzugte, stark eifersüchtig war, braune oder schwarze Kleidung mochte oder wilde Himbeeren den Erdbeeren vorzog. :)
 
Sonst könnte man vielleicht auch sagen, ob der mesolithische Jäger eher Frauen oder Männer bevorzugte, stark eifersüchtig war, braune oder schwarze Kleidung mochte oder wilde Himbeeren den Erdbeeren vorzog. :)

Ich vermute, die Antworten werden auch nach 7000 Jahren dieselben sein wie heute. Da hat sich mental wenig geändert. :D

Davon abgesehen war ich stets der Meinung, dass Spanien von Afrika aus durch mesolithische Jäger und Sammlerinnen besiedelt wurde. Der oben angeführte Gentest scheint jedoch eher in die andere Richtung zu weisen - bei aller Vorsicht hinsichtlich der etwas dubiosen Genanalysen.
 
Ich bezweifele, dass 1 Gentest signifikant ist. Das Individuum kann immerhin einer Minderheit angehört haben, wenn wir die Annahme eines Exoten nicht berücksichtigen wollen. Und Spanien kann auch von verschiedenen Richtungen besiedelt worden sein.
 
Die grundsätzliche Frage ist, inwieweit dieser Gentest überhaupt wissenschaftliche Standards erfüllt.
Die Pigmentierung und Augenfarbe nach 7000 Jahren abzulesen, erscheint mir eine zweifelhafte Sache - aber ich bin schließlich Laie! :S
 
Kleine Dummyfrage am Rande.

Meinen die Gene für dunkle Haut wirklich dunkle Haut, oder vielleicht nur potentiell dunkle Haut bzw. sehr starke Bräunungsfähigkeit.
Ist ja bei heutigen Süd und Osteuropäern auch noch so, dass sie in der Sonne extrem dunkel werden, aber im Winter ausbleichen. Da kann man ja auch nicht sagen welche Farbe die "richtige" ist.
 
Veröffentlicht wurde die Untersuchung der aDNA des Mesolithikers von La Braña hier (bitte Abstract lesen):

http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature12960.html

Vor einiger Zeit wurde eine Untersuchung veröffentlicht, die aDNA von menschlichen Überresten von Jäger/Sammlern von vor 7500 und 8000 Jahren und eines frühen Bauern von vor 7500 Jahren mit der DNA heutiger Europäer verglich. Dort wurde auch schon festgestellt, dass der Mesolithiker von Loschbour, Luxemburg, Gene für dunkle Haut und blaue Augen hatte. Interessanterweise hatte der Neolithiker von Stuttgart (LBK) eine hellere Haut als der Mesolithiker. Stammt die helle Haut der heutigen Europäer also von den frühen Bauern? Wäre eine Überraschung.

Abstract nachzulesen hier: Ancient human genomes suggest three ancestral populations for present-day Europeans | bioRxiv
 
Danke für die Information! :winke:

Die Frage ist ja, wieso der spanische Mesolithiker überhaupt dunkle Haut hatte. Die europäische Bevölkerung war zu dieser Zeit längst so weit wie heute depigmentiert. Woher kommt also plötzlich einer mit dunkler Pigmentierung?

Meines Erachtens ist das ein Zuzug aus Afrika, wo wir noch heute Berber mit blauen Augen finden.

Die hellere Haut des LBK-Neolithikers erklärt sich vermutlich aus der Tatsache, dass diese Bauern aus Vorderasien zuwanderten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die vollständige Veröffentlichung der zweiten oben genannten Untersuchung findet sich hier: http://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1312/1312.6639.pdf

In der Supplementary Information 7 befinden sich die Aussagen zu Haut-, Haar- und Augenfarbe.

For hair color, the integrated results of the genotype-based pigmentation models indicate that there is at least a 99% probability that both the Stuttgart and Loschbour individuals had dark (brown or black) hair.
However, the Loschbour and Stuttgart genotypes at rs1426654 in SLC24A5 indicate that the Stuttgart individual may have had lighter skin than the Loschbour hunter and gatherer.
The genotype at this site excludes the possibility that the Stuttgart farmer had blue eyes. Positive iris color determinations are less secure. The Loschbour forager is homozygous for the derived allele at rs12913832, indicating that this individual is likely to have had blue (52% probability) or intermediate iris color (27% probability).
 
Danke für die Information! :winke:

Die Frage ist ja, wieso der spanische Mesolithiker überhaupt dunkle Haut hatte. Die europäische Bevölkerung war zu dieser Zeit längst so weit wie heute depigmentiert. Woher kommt also plötzlich einer mit dunkler Pigmentierung?

Meines Erachtens ist das ein Zuzug aus Afrika, wo wir noch heute Berber mit blauen Augen finden.

Die hellere Haut des LBK-Neolithikers erklärt sich vermutlich aus der Tatsache, dass diese Bauern aus Vorderasien zuwanderten.

Wäre es nicht umgekehrt möglich, dass ein ursprünglich in Spanien lebender Mesolithiker dunkle Haut haben würde und die heutige hellere Haut der Spanier von den neolithischen Einwanderern stammt und noch nicht genug Zeit vergangen ist bzw. immer wieder Mischungen stattgefunden haben, dass die Haut wieder verdunkelt?
 
Woher weiß man das?

Eine gute Frage. :winke:

Soweit mir bekannt ist, braucht es zu Mutationen wie Pigmentierung oder Depigmentierung, bis sie genetisch verankert sind, tausende von Jahren. Ich muss aber gestehen, dass ich über die Hautfarbe der mesolithischen Bevölkerung Europas noch nie nachgedacht habe.

Welche Hautfarbe hatte z.B. der frühe Homo sapiens, der vor rund 100 000 Jahren Afrika Richtung Eurasien verließ? Welche Hautfarbe hatten die Cro-Magnon-Leute, die vor 20 000 Jahren die Höhlenmalereien in Südfrankreich und Spanien schufen? Aufgrund der vielen zehntausend Jahre, die sie in Asien und Europa zubrachten, wird vermutlich in diesem langen Zeitraum die Depigmentierung erfolgt sein, die uns noch heute zu eigen ist.
 
Eine gute Frage. :winke:

Soweit mir bekannt ist, braucht es zu Mutationen wie Pigmentierung oder Depigmentierung, bis sie genetisch verankert sind, tausende von Jahren.

Wie lange es dauert, bis sich eine bestimmte Mutation durchsetzt, ist eine Frage von Populationsgröße und Umweltbedingungen. Je kleiner die Population und je günstiger die Umweltbedingungen für die Mutation, desto weniger Generationen sind dafür nötig.


Aufgrund der vielen zehntausend Jahre, die sie in Asien und Europa zubrachten, wird vermutlich in diesem langen Zeitraum die Depigmentierung erfolgt sein, die uns noch heute zu eigen ist.
Die Depigmentierung kann in der einen Region schneller, in der anderen langsamer erfolgt sein.
In einigen Regionen kann auch eine Repigmentierung erfolgt sein. Das zeigt sich bei den Populationen Amerikas, die nicht so viele zehntausend Jahre hatten und doch unterschiedliche Hautfarben aufweisen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie lange es dauert, bis sich eine bestimmte Mutation durchsetzt, ist eine Frage von Populationsgröße und Umweltbedingungen. Je kleiner die Population und je günstiger die Umweltbedingungen für die Mutation, desto weniger Generationen sind dafür nötig.

Über die Hautfarbe der mesolithischen Bevölkerung Europas sagt das wenig aus. Sie wird vermutlich der heutigen regionalen Verteilung geähnelt haben.

Interessanter finde ich die Frage, welche Pigmentierung der frühe Homo sapiens aufwies, als er vor etwa 100 000 Jahren Afrika in Richtung Eurasien verließ.
 
Über die Hautfarbe der mesolithischen Bevölkerung Europas sagt das wenig aus.
Richtig. Das war auch nur eine Klarstellung zur Vermutung, dass Pigmentierung und Depigmentierung Tausende oder gar Zehntausende von Jahren brauchen.

Sie wird vermutlich der heutigen regionalen Verteilung geähnelt haben.
Ich vermute, sie wird den Individuen geähnelt haben, die man bisher untersucht hat. In 7500 Jahren kann sich da schon noch etwas geändert haben.
 
Gestern kam, wieder auf DLF in "Forschung aktuell" eine weitere interessante Info zu Genen und Vorgeschichte. Einem Team von Wissenschaftlern um (Name nicht verstanden/gemerkt) ist es gelungen, den Anteil von Genen, die der Jetztmensch mit dem Neandertaler teilt, näher zu verorten. Bekanntlich ist das vor allem in Europa und Asien der Fall. Vom Neandertaler stammt dabei z.B. die helle Hautfarbe und das helle Haar, verstärkte Körperbehaarung sowie die Anlage zu Diabetes und Morbus Crohn. Alles ziemlich unangenehme Erbstücke meiner Ansicht nach, wenn auch vielleicht teilweise nötig (bzw. helle Haut und Vitamin D-Theorie). ;)

Mit solchen Genauswertungen kenne ich mich nun gar nicht aus. Klingt alles ziemlich fantastisch. Den auch im Forum immer wieder auftauchenden Bemerkungen, das könne man alles so nicht sagen und sehen, stehe ich allerdings auch recht zurückhaltend gegenüber.
 
Gestern kam, wieder auf DLF in "Forschung aktuell" eine weitere interessante Info zu Genen und Vorgeschichte. Einem Team von Wissenschaftlern um (Name nicht verstanden/gemerkt) ist es gelungen, den Anteil von Genen, die der Jetztmensch mit dem Neandertaler teilt, näher zu verorten. Bekanntlich ist das vor allem in Europa und Asien der Fall. Vom Neandertaler stammt dabei z.B. die helle Hautfarbe und das helle Haar, verstärkte Körperbehaarung sowie die Anlage zu Diabetes und Morbus Crohn. Alles ziemlich unangenehme Erbstücke meiner Ansicht nach, wenn auch vielleicht teilweise nötig (bzw. helle Haut und Vitamin D-Theorie). ;)

Mit solchen Genauswertungen kenne ich mich nun gar nicht aus. Klingt alles ziemlich fantastisch. Den auch im Forum immer wieder auftauchenden Bemerkungen, das könne man alles so nicht sagen und sehen, stehe ich allerdings auch recht zurückhaltend gegenüber.
Wobei ich mich frage, was davon direkt vom Neanderthaler stammt und was von etwaigen Vorfahren oder ob ein spezielles Gen sich mehrmals gleichartig veränderte.
 
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