Otto III. und das "Renovatio imperii Romanorum"

xXNatsuXx

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Guten Abend liebe Geschichtsexperten,

ich habe ein paar Fragen, die sich mir stellten, als ich ein Buch gelesen habe und zwar steht in diesem Buch geschrieben:

"Die Absorption des Königtums durch ein universal verstandenes Kaisertum erscheint noch gesteigert bei Otto III. (983 - 1002) mit seinem Konzept der "Renovation imperii Romanorum", das eine gemeinsame Regierung von Kaiser und Papst in Rom vorsah. Mit der Vertreibung des Kaisers aus Rom (1001) war diese Politik gescheitert."

1.) Wieso wird dieser Wechsel von Königtum auf Kaisertum so betont? Ist es nicht egal, ob man sich König oder Kaiser nennt?

2.) Warum wollte Otto III. eine gemeinsame Regierung mit dem Papst? Ist es für weltliche Herrscher (des Mittelalters) nicht eigentlich besser, wenn sie nichts mit dem Papst zu tun haben, der sie "nervt"?

3.) Warum wurde er 1001 aus Rom vertrieben? Hat der Papst sich nicht gefreut, dass Otto ihm "entgegen kam" und mit ihm gemeinsam regieren wollte?

Vielen, lieben Dank im Voraus!
(Falls es blöde Fragen sein sollten, entschuldige ich mich vielmals, aber ich irgendwie verstehe ich das Ganze nicht so wirklich.. :()
 
Kaiser und Papst bedingen sich gegenseitig. Der Papst macht den Kaiser, der Kaiser schützt den Papst. An dem Kaisertitel hing der Anspruch einer universalen Macht, die weiter über die eines Königs hinausging - auch wenn realpolitisch sich nicht viel änderte, weder innen- (Verhältnis zu den Vasallen) noch außenpolitisch (Verhältnis zu anderen Königreichen). Ob Otto irgendein Idealbild einer perfekten christlichen Herrschaft anstrebte (dafür könnte sein jugendliches Alter sprechen), es sich bei der Renovatio um Propaganda handelte (dafür sprechen die Renovatio-Münzen) oder ob es einfach nur um die Restitution Gregors V. (Ottos Cousin!) ging, ich weiß es nicht. Auch Gregors Nachfolger Silvester II.; Gerbert von Aurillac, war ein Parteigänger und Vertrauter Ottos, es war also keineswegs so, dass Otto im Konflikt mit seinen Päpsten lag, allenfalls mit den Römern und deren Gegenpapst.
 
Warum wurde er 1001 aus Rom vertrieben? Hat der Papst sich nicht gefreut, dass Otto ihm "entgegen kam" und mit ihm gemeinsam regieren wollte?
Otto III. wurde nicht vom Papst vertrieben, sondern im Gegenteil, Papst Silvester II. begleitete ihn.

Ganz grundsätzlich möchte ich einmal festhalten, dass der Eindruck täuscht, im Mittelalter sei der Papst der Herrscher Roms gewesen. Insbesondere in der Zeit vom 9. bis ins 15. Jhdt. hinein war das eher selten der Fall. So paradox es auch klingen mag: Der Papst beanspruchte Macht über die christlichen weltlichen Herrscher Europas und versuchte ihnen im Hochmittelalter mit Banndrohungen seinen Willen aufzuzwingen, aber in Rom selbst war er meist relativ machtlos. Die reale Macht in der Stadt lag meist bei mächtigen Adelsfamilien, lokalen Fürsten und/oder gewählten Magistraten. In seiner eigenen Stadt wurde der Papst häufig von den Römern schikaniert, konnte sich mitunter nicht einmal frei in der Stadt bewegen und verlegte seine Residenz gelegentlich in eine der Städte des Umlands, weil er es nicht mehr aushielt. Die Fürsten Europas dieser Zeit hatten vor dem Papst mehr oder weniger viel Respekt, die Stadtrömer selbst aber meist gar keinen. Um sich in Rom halbwegs behaupten zu können, war so mancher Papst auf die Hilfe des Kaisers oder sonstiger auswärtiger Fürsten angewiesen; andernfalls war er oft nur Spielball der rivalisierenden Kräfte in der Stadt und der Launen der Massen.

Im konkreten Fall verließen Otto III. und der Papst Rom wegen blutiger Zwischenfälle. Hintergrund war ein Aufstand der Stadt Tivoli. Otto belagerte die Stadt, die nach Verhandlungen kapitulierte und milde behandelt wurde. Das passte den Römern, die mit Tivoli verfeindet waren, aber gar nicht. Sie griffen die (zahlenmäßig schwachen) kaiserlichen Truppen in Rom an und belagerten den Kaiser in seinem Palast. Nach Verhandlungen wurde die Belagerung beendet, aber es war für den Kaiser einfach nicht mehr sicher in der Stadt, sodass er abzog.
 
Ich danke euch vielmals!!!

Jetzt wird mir doch einiges klarer..

.. allenfalls mit den Römern und deren Gegenpapst.

Muss jetzt nur nochmal nachfragen, wie viele Päpste gab es zu der Zeit denn, bzw. allgemein im Mittelalter? Bin um ehrlich zu sein ein wenig verwirrt.. ist nicht der Papst der EINE, der Gottes Vertreter auf Erden ist?
 
Du hast schon recht, theoretisch kann es nur einen Papst geben, aber praktisch gab es mitunter zwei oder gar drei gleichzeitig - von denen sich jeder als der einzige legitime betrachtete und auch von seinen Anhängern als der einzige legitime betrachtet wurde. Eine Ursache dafür war häufig, dass ein Papst von seinen Gegnern (meist aus politischen Gründen, kaum wegen Unfähigkeit/Unwürdigkeit, auch wenn sie vorgeschoben wurde) für abgesetzt erklärt und ein Nachfolger gewählt oder ernannt wurde. Dann kam es aber häufig vor, dass weder der Abgesetzte noch seine Parteigänger die Absetzung akzeptierten und sich bzw. ihn weiterhin als rechtmäßig amtierenden Papst anerkannte(n). Und schon gab es zwei rivalisierende Päpste jeweils mit ihren Parteigängern. Oder aber es war ein Papst gestorben und es wurde ein Nachfolger gewählt oder ernannt, die Wahl/Ernennung aber nicht allgemein anerkannt, sodass diejenigen, die den neuen Papst nicht anerkannten, stattdessen selbst einen neuen Papst wählten oder ernannten - und schon gab es zwei, von denen jeder für sich in Anspruch nahm, der einzig echte zu sein. Ein Problem war nämlich auch, dass es lange Zeit kein festes Prozedere gab, wie man Papst wurde. Viele Päpste wurden einfach von irgendwelchen Machthabern ernannt, andere vom römischen Volk und/oder dem lokalen Klerus gewählt. Der heutige Modus, dass der Papst von den Kardinälen gewählt wird, bildete sich erst im Hochmittelalter heraus, konnte aber trotzdem nicht verhindern, dass es noch bis ins 15. Jhdt. rivalisierende Päpste gab. (U. a. deshalb, weil es - anders als heute - im Mittelalter oft nicht möglich war, dass alle Kardinäle zur Wahl erschienen, und der Papst somit oft nur von einem Teil der Kardinäle gewählt wurde. Dann konnte es passieren, dass die nicht an der Wahl teilnehmenden Kardinäle die Wahl nicht anerkannten und sich selbst zur Papstwahl versammelten - oder die nicht teilnehmenden Kardinäle wurden von irgendwelchen weltlichen Machthabern dazu angestiftet/gezwungen.)

Die Bezeichnung "Papst" und "Gegenpapst" ist auch parteilich bzw. retrospektiv zu verstehen: Ursprünglich nahm jeder Papst für sich in Anspruch, der echte zu sein - und wurde von den Parteigängern des Rivalen abgelehnt. (Somit war jeder "Papst" und "Gegenpapst" zugleich, je nach Sicht seiner Anhänger und Gegner.) Erst im Nachhinein betrachtet wurde dann derjenige von mehreren Päpsten, der sich nicht durchsetzen konnte und/oder der von späteren Päpsten nicht als legitimer Vorgänger anerkannt wurde, kirchengeschichtlich zum "Gegenpapst".
Diese Beurteilung konnte aber im Laufe der Zeit durchaus schwanken, wie man schon an den Nummerierungen der Päpste (XVI., XVII. etc.) sieht. Es kam durchaus vor, dass ein früherer Papst von einem gleichnamigen späteren bei der Zählung berücksichtigt wurde, obwohl er heute als Gegenpapst gilt. Z. B. nannte sich der berüchtigte Alexander VI. "VI.", obwohl Alexander V. heute als Gegenpapst gilt.

Zur Zeit Ottos III. gab es nur einen Gegenpapst: Otto hatte durchgesetzt, dass sein Verwandter Bruno in Rom zum Papst (Gregor V., 996-999) gewählt wurde. Das passte den römischen Adligen aber nicht, und sie machten einen Griechen als Johannes XVI. (997-998) zum Papst. Er konnte sich gegen den Kaiser aber nicht halten, sondern wurde von ihm gefangen und verstümmelt. Gregors Nachfolger Silvester II. wurde ebenfalls von Otto eingesetzt.
(Übrigens wurde auch Johannes XVI. von späteren Päpsten namens Johannes als Vorgänger mitgezählt.)
 
Nicht nur diese Truppe, es gibt (und gab in den letzten Jahrzehnten) noch mehr "Päpste". Allerdings haben sie alle gemein, dass sie nur über winzige Trüppchen von Anhängern verfügen und keinerlei Anhang in Teilen der etablierten katholischen Kirche und/oder bei weltlichen Machthabern haben. Das unterscheidet sie von den bekannten historischen Gegenpäpsten und macht sie insofern irrelevant.

Der letzte Gegenpapst mit entsprechender Unterstützung war Felix V. (1439-1449).
 
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