Verluste an antiker Literatur

Ansichts- und Geschmackssache. Mir wären vor allem verlorene Historiker wichtig. Z. B. ist unser Wissen u. a. über die römische Geschichte der 2. Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. oder über die Geschichte der hellenistischen Reiche in einem Großteil des 3. Jhdts. v. Chr. sehr mangelhaft. Die verlorenen Bücher von Livius und Diodor würden Abhilfe schaffen. Und wenn wir auch die verlorene erste Hälfte des Werks von Ammianus Marcellinus hätten, wüssten wir vermutlich einiges mehr (und zuverlässiger) über die römische Geschichte des 3. Jhdts. n. Chr. nach 238 als jetzt, wo wir für diese Zeit hauptsächlich auf die Historia Augusta, Zosimos und den Byzantiner Zonaras angewiesen sind. Und erst wenn wir die verlorenen Werke des Claudius über Karthago und die Etrusker hätten ... auch wenn in seiner Geschichte der Etrusker vermutlich vieles eher sagenhaft gewesen sein wird, besser als unser jetziger Zustand (= fast gar nichts wissen) wäre es allemal.
 
Geisterte nicht vor ein paar Jahren nicht das Gerücht durch die Medien, dass in einem Inventar eines französischen Klosters die Abhandlung des Claudius über das Würfelspiel aufgeführt wurde? La Place, ich kann mich nicht erinnern welcher, soll dieses Kloster besucht haben. Natürlich wurde vermutet er habe seine Ideen dann abgekupfert. Wenn's denn stimmt, könnten die Schriften zu Karthagern und Etruskern ja sogar in irgendeiner Bibliothek unter Mathematik zu finden sein.

(Ja, auch ich weis, dass das reichlich seltsam wäre.)
 
Da seine Werke über die Etrusker und Karthago auf Griechisch verfasst waren, dürften sie für mittelalterliche europäische Klöster eher uninteressant gewesen sein; sie beschäftigten sich eher mit lateinischer Literatur. Wenn überhaupt, kann man allenfalls auf ein Kloster in Griechenland oder dem Nahen Osten hoffen.
 
Auch das gehört zu den Seltsamkeiten jener Meldung.

Im Grunde ist es ja schon fast eine Verschwörungstheorie. Nicht die rationale Neuzeit, sondern der angeblich wirre Claudius, hat die Wahrscheinlichkeitsrechnung begründet. Die Behauptung war für mich nicht nachzuprüfen, und das ganze fördert mal wieder die Skepsis gegenüber der Wissenschaft.
 
Geisterte nicht vor ein paar Jahren nicht das Gerücht durch die Medien, dass in einem Inventar eines französischen Klosters die Abhandlung des Claudius über das Würfelspiel aufgeführt wurde?

Glaub ich nicht.
Solche Gerüchte sind ja im allgemeinen unausrottbar, und ich kann im Netz keine Spur von diesem Gerücht finden.

La Place, ich kann mich nicht erinnern welcher, soll dieses Kloster besucht haben.
Das müsste Pierre-Simon Laplace gewesen sein. Der soll in seinem Heimatort Beaumont-en-auge in einem Benediktiner-Kolleg zur Schule gegangen sein.
Das Kloster wurde während der Französischen Revolution zerstört.
SOREZE - ASSOCIATION SOREZIENNE : Histoire de l'Ecole
mate.free.fr/balades/index.php?menu=menubalades&fichier=beaumont
 
Zuletzt bearbeitet:
Glaub ich nicht.
Solche Gerüchte sind ja im allgemeinen unausrottbar, und ich kann im Netz keine Spur von diesem Gerücht finden.

Genau das Problem hatte ich, als ich vor 5-6 Jahren davon hörte auch. Wahrscheinlich habe ich das nur deshalb nicht vergessen, weil Nichts dazu zu finden war. Nicht mal so etwas einfaches wie: "Das war kein Inventar, sondern eine Liste verlorener Literatur." Meine Notiz dazu lautet: "Nachtprogramm ZDF" Es kann also eine Doku aus der Zeit vor dem Internet gewesen sein; genauso gut aber auch eine Sendung über abstruse Theorien, von der ich nur einen Ausschnitt sah und ernst nahm.

Und da es im Thread gerade um des Claudius Schriften ging, sah ich eine Chance mehr zu erfahren.
 
Genau das Problem hatte ich, als ich vor 5-6 Jahren davon hörte auch. Wahrscheinlich habe ich das nur deshalb nicht vergessen, weil Nichts dazu zu finden war. Nicht mal so etwas einfaches wie: "Das war kein Inventar, sondern eine Liste verlorener Literatur." Meine Notiz dazu lautet: "Nachtprogramm ZDF" Es kann also eine Doku aus der Zeit vor dem Internet gewesen sein; genauso gut aber auch eine Sendung über abstruse Theorien, von der ich nur einen Ausschnitt sah und ernst nahm.
Man darf aber die Desinformation von Sphinx, Terra X und Co nicht der Wissenschaft anlasten. Gerade die Sendungen aus den 90er Jahren sind da extrem. Mehr Mystery als History.
 
Man darf aber die Desinformation von Sphinx, Terra X und Co nicht der Wissenschaft anlasten.
Das sagt sich leicht.
Riothamus hatte wohl das breite Publikum im Blick.
Für viele besteht der Zugang "zur Wissenschaft" aus solchen Desinformations-Dokus. Geliefert in Form von Filmchen, Websites oder Artikeln in altehrwürdigen Nachrichtenmagazinen. :still:
 
Ja, ich meinte es in etwa so, wie Sepiola es schrieb.

Ich weis gar nicht mehr, wie oft ich aufgrund von sogenannten Dokumentationen ein Geschichtsbild zurechtrücken musste. Ich kann mich an eine Doku über Nero erinnern, die ich wartender Weise mit einem Bekannten sah. Das ganze hatte derartige Längen, dass ich während der Sendung einen Gutteil der Forschungsgeschichte und Alternativpositionen erklären konnte.
 
Es waren nicht mal 1900 Jahre. Du musst das erfundene Mittelalter abziehen.

Im Ernst:
Im englischen Text steht "2nd or 3rd century A.D.", also 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus.

oh:rotwerd: Anno Domini - ich habe das irgendwie mit ACN (ante Christum Natum) durcheinandergehauen:weinen:

**Danke**


Die Kritik an diversen Dokumentationen privat- oder öffentlich-rechtlicher Herkunft kann ich nachvollziehen und auch teilen.:winke:

*Hüstel*
Als Threaderöffner freut mich zwar die rege Beteiligung, aber irgendwie wird das langsam ein wenig :eek:fftopic:

Könntet Ihr dafür nicht einen anderen Thread eröffnen (oder kapern:devil:)?:rofl:
 
Ich möchte auf einen interessanten Artikel über die Versuche, die verkohlten Papyrusrollen aus Herculaneum wieder lesbar zu machen, hinweisen:

BBC News - Unlocking the scrolls of Herculaneum (Englisch)

Ein nicht ganz einfaches Unterfangen.

Hier gibt es ein Update:

Wie im o. g. Artikel der BBC beschrieben wird, wurden die verkohlten Papyrusrollen aus Herculaneum über Computertomographie "virtuell" auseinandergefaltet. Die Entzifferung der Buchstaben war allerdings schwieirig oder unmöglich, da sich diese kaum von der rußgeschwärzten Papyrusoberfläche unterscheiden ließen.

Anscheinend gibt es da einige Fortschritte:

Vesuv-Ausbruch: Komplett verkohlte Papyrusrollen entziffert - SPIEGEL ONLINE

Laut den beigefügten Bilder ließen sich eine Reihe von Buchstaben entziffern. (Man wird neugierig sein, welche Werke demnächst den Latien- und Griechischunterricht bereichern werden.:rofl:)
 
Hier noch der ausführlichere Bericht in nature zu den neuen Technologien: Revealing letters in rolled Herculaneum papyri by X-ray phase-contrast imaging : Nature Communications

und eine Zusammenfassung auf BBC: BBC News - X-ray technique 'reads' burnt Vesuvius scroll
(beide auf Englisch)




Es ist natürlich spekulativ zu vermuten, welche Werke in den verkohlten Papyrusrollen noch stecken mögen.



Mal sehen, ob der Stern die Augustus-Tagebücher abdruckt.
Das wäre mal was =)
 
Ich verspreche mir nicht allzu viel davon. Es scheint wohl zweifelhaft, ob damit wirklich komplette Texte lesbar gemacht werden können und nicht nur einzelne Wörter oder gar nur Buchstaben/Buchstabengruppen. Aber selbst wenn, bedeutet das nicht unbedingt, dass wir demnächst eine Fülle wertvoller Texte vorliegen haben werden, wenngleich ich grundsätzlich jeden wiederentdeckten Text als Bereicherung sehe. Aber auch in der Antike gab es schon massenhaft Literatur, die nicht grundlos verlorengegangen ist, ohne dass man spätantike Büchervernichter dafür verantwortlich machen müsste.
 
Mal sehen, ob der Stern die Augustus-Tagebücher abdruckt.

Heute morrgen wieder mit Kopfschmerrzen aufgewacht. Grraeculus, mein Sklave, berrichtete mirr, dass ich schlafwandelnd in derr Nacht wiederrholt den Kopf vorr den marrmorrnen Türrrrahmen geschlagen habe und Varus aufforrderrte mirr meine Legionen zurrückzugeben.
 
Neben den bekannten Papyri aus Herculaneum gibt es auch aus Ägypten eine
große Papyrussammlung:

Es handelt sich um mehrere tausend Papyri, die seit 1906 auf der Nilinsel Elephantine bei Assuan geborgen wurden. Bei ihnen hat nicht 300 Grad heiße Lava, sondern heißer Sand für die Konservierung gesorgt. Versuche, die Rollen mechanisch aufzubrechen, würden sie zerstören.

aus: https://www.welt.de/geschichte/arti...antike-Geheimnisse-werden-entschluesselt.html

s. auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Elephantine-Papyri
 
Großartig. Ich hoffe mal, dass unter den Schriften aus Herculaneum sich auch Aufzeichnungen des Plinius und Germanien befinden. Das wäre was...
 
Ich hoffe mal, dass unter den Schriften aus Herculaneum sich auch Aufzeichnungen des Plinius und Germanien befinden. Das wäre was...
Unwahrscheinlich. Die bisherigen Papyri aus Herculaneum sind eine philosophische Spezialbibliothek mit ausschließlich epikureischen Texten. Dass es weitere Bibliotheksräume gibt, ist bis dato reine Mutmaßung und dass es sich dabei dann um die von uns herbeigesehnten Werke handelt, zweifelhaft.
 
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