Relative Toleranz?
Gerade in der Anfangszeit des Islam war das ja sowieso den Zwängen geschuldet. Man hatte zwar die byzantinischen Armeen geschlagen aber man hätte die städtische und ländliche Bevölkerung rein praktisch gar nicht zur Annahme des Islam zwingen können, selbst wenn man gewollt hätte.
Dazu fallen mir ein paar schöne Sätze von Görlich zur Toleranz des oft als geradezu aufgeklärter Herrscher des Hochmittelalters bewunderten Stauferkaisers Friedrich II. ein:
„Bis ins 11. Jht. war die Insel überwiegend von Arabern bewohnt gewesen (dazu kamen griechisch sprechende Anteile mit griechischer Liturgie [= „Orthodoxe“)… Diese ethnische und religiöse Vielfalt war durch die normannische Eroberungen... nicht unmittelbar gefährdet, besonders auf der Insel [Sizilien] hatte sich eine friedliche Koexistenz von griechischem und lateinischem Christentum und Islam entwickelt, die freilich alles Andere war als ein Ausdruck religiöser Toleranz. Die Duldung des Islam war unvermeidlich, solange die Normannen und mit ihnen das lateinisch-christliche Element in der Minderheit waren….(Araber waren teils als Spezialisten des Königs gefragt). Seit Roger II. die normannischen Herrschaften auf dem [italischen)Festland unter seiner Königsherrschaft vereinigte, wuchs aber der lateinisch-christliche Bevölkerungsanteil in seinem Reich und bewirkte die Marginalisierung der anderen Religionen… Zwar blieb der Hof noch von arabischer Kultur beeinflusst, aber die Könige förderten das Christentum; von einem gleichberechtigten Nebeneinander der Religionen konnte nicht die Rede sein. Starke Immigration aus Norditalien veränderte die Bevölkerungsstruktur zum Nachteil der [Muslime]. Unter dem Druck des christlichen Adels und Klerus sowie nach Massakern und Pogromen zog sich die angefeindete muslimische Bevölkerung zuerst auf das Land, dann in das bergige Innere Siziliens zurück.
Daraus waren immer erneut Unruhen erwachsen, so dass Friedrich II. …mehrfach gegen die schwer zugänglichen Höhenburgen der Muslime vorging. Wohl schon damals veranlasste er die Deportation einzelner Gruppen von Sarazenen auf das Festland und ihre Ansiedlung im apulischen Lucera… Mit einer letzten großen Umsiedlungswelle fand die Geschichte der Araber auf Sizilien1246 ihr Ende. Die…. aufgewertete Stadt Lucera war das neue Zentrum der Muslime, die auf den besonderen Schutz des Herrschers angewiesen war und dafür hohe Abgaben an die königliche Kammer bezahlen mussten. Ihre Führungsschicht bestand aus Ritterfamilien, die dem Heeresdienst verpflichtet waren und dem Kaiser Eliteverbände stellten…“
[S96 „Die Staufer“, Knut Görich]; Runde Klammern=Meine Ergänzungen
Das festgesetzte Wehrgeld bei Tötung eines Untertanen an die königliche Kasse war für einen getöteten Christen doppelt so hoch, wie für einen getöteten Juden oder Muslim). Ich kann in den Vorgängen nur kluge Machtpolitik, aber keine wirkliche Toleranz erkennen, die nicht durch machtpolitische Rücksichten motiviert wären.
…Auf die arabische Expansion übertragen lässt sich m.E. feststellen, dass der Glaube der neuen Herrscher auf absehbare Zeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung eine Minderheit darstellen würde! Auch kam es nicht im großen Stil zur Zuwanderung muslimischer Familien, welche die Verhältnisse im muslimischen Machtbereich auf ähnlich schnelle Weise zugunsten ihrer Religion hätten verändern können, wie dies bei den sehr kurzen Zyklen der normannischen Eroberung Siziliens und dem weiteren Schicksal des von ihnen begründeten Königreichs Sizilien der Fall gewesen war. Hier findet sich auf wenige Generationen komprimiert ein Vorgang, der bei der eher vorsichtigen Vorgehensweise muslimischer Herrscher während ihrer Expansion weitaus länger dauerte! Auch unter den Muslimen waren Christen nicht voll Gleichberechtigt mit den Muslimen, denn sie waren Schutzbefohlene (Dhimma). Auch für diese konnte es spezielle Kleidervorschriften geben… Natürlich hinkt mein Vergleich in einigen Bereichen, doch war die relativ tolerante Herrschaftspraxis von Muslimen ebenso von machtpolitischen Rücksichten mitbestimmt, wie bei allen anderen Herrschern ihrer Zeit. Besonders bemerkenswert bleibt die früh beginnende und überwiegend streng beachtete Rechtsstellung für Nichtmuslime, welche diese vor Auswüchsen schützen sollte.