Der Germanicus-Horizont: Kalkriese und ein Brand in Köln 13/14 n. Chr.

Hallo zusammen,
hier stellt sich die Frage, warum Tacitus recht ausführlich von der Errichtung eines Tumulus schreibt, jedoch Knochengruben mit keinem Wort erwähnt.

Ist doch klar, da legte der Caesar persönlich Hand an.

"Das erste Rasenstück zur Errichtung des Grabhügels legte der Caesar, so erwies er den Gefallenen den ersehnten Dienst und nahm teil an dem Schmerz der Anwesenden."

Warum hätte er die Knochengruben erwähnen sollen?



Letztlich beweisen die Knochengruben nur, dass hier äußerst wenige Menschen- und Tierreste, die offensichtlich einige Jahre an der Oberfläche lagen, gemeinsam bestattet wurden.
Sie beweisen weder, dass viele Knochen bestattet wurden, noch dass wenige Knochen bestattet wurden.
Sie beweisen nur, dass mehrere Knochengruben angelegt wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun Sepiola,
alles ist relativ, 17 (plus x) teils vereinzelt begrabene Menschen sind für die angenommenen Verluste der drei Legionen relativ wenig. Aber genug davon, hier geht es um die Kölner Münzen.
El Quijote, egal ob aggressiv formuliert (übrigens lässt Kehne auch den Wolters von mehreren Zirkelschlüssen sprechen), schreibt er über Heinrichs: " Im längsten aller Beiträge, der wegen wichtiger Aussagen zu möglichen Germanicushorizonten schon eine eigenständige Behandlung erfordert, referiert Johannes Heinrichs (S. 225–320) „zunehmende Skepsis gegenüber der Identifizierung des Kampfplatzes bei Kalkriese mit dem letzten und entscheidenden Ort der Varusschlacht“ und Kritik an dessen „münzchronologisch fundierter Datierung“. Im Anschluss schreibt er über die numismatische Datierung des Brandfeldes, also aufgrund der dort gefundenen Münzen. Du schriebst von Datierung mittels römischer Scherben. Dazu bat ich um mehr Infos.
 
Ja, damit zitiert Kehne die Sätze, die Heinrichs auf Kehne bezieht. Es wäre ein Missverständnis der Rezension oder des hier rezensierten Heinrichs, Heinrichs zum Kalkriese-Gegner zu machen. Und die Frage nach den Scherben habe ich dir beantwortet: Es gibt keine neueren Funde, welche in die Darstellung von 2009 einfließen. Das sind Auswertungen von Altgrabungen. Ggf. wäre jetzt, nachdem im letzten Jahr die Ausstellung zu den archäologischen Grabungen im Rahmen des Kölner U-Bahnbaus stattfand, nochmal zu schauen, ob es aus dem besagten Brandhorizont Neufunde gibt.
 
Aus welchem Jahr ist denn eigentlich die jüngste Münze im Kölner Brandhorizont? Als Laie, frage ich mich auch, wie groß ist die Bandbreite bei der Datierung anhand des "Leitfossils" Keramikscherben? Bekommt man das für die RKZ annäherend auf das Jahr genau hin?
 
Es ist zu unterscheiden zwischen Haushaltskeramik und Transportkeramik.

Haushaltskeramik
ist bestimmten Moden und Techniken unterworfen, teilweise findet man darauf auch bestimmte Verzierungen. Sie wird i.d.R. dann weggeworfen, wenn sie kaputt ist. Sprich, hier ist es leichter die Herstellung zu datieren, als das Zubruchgehen. Aus Sicht der Haushaltskeramik ist also nur die negative Auslese möglich: Keine Keramik, die nach dem Zeitpunkt 13/14 hergestellt wurde.

Transportkeramik
wird nur für den einen Transport hergestellt. Das mag uns unökonomisch erscheinen, scheint aber, wie Amphorenansammlungen in Hafenbecken oder der Monte Testacchio zeigen, üblich gewesen zu sein. Es ist sogar zum Teil so gewesen, dass man Amphoren hatte, die nur für den Schiffstransport da waren. Wurden die Amphoren angelandet, wurden die Inhalte in andere Transportgefäße umgefüllt.
Anhand von Inschriften in den Amphoren kann man diese bestimmten Betrieben zuordnen.
 
Danke El Quijote!
Hatte schon angenommen, auf einer Scherbe stand möglicherweise: "In Erinnerung an den Brand vom Jahre...".
Also nix konkretes, außer dass der Brand nicht vor 13/14 war.
 
Die Datierung des Brandes wurde nicht von Heinrichs vorgenommen. Heinrichs leistet lediglich die Zusammenschau der Münzen, welche in verschiedenen Grabungskampagnen in der bereits vor Heinrichs datierten Brandschicht gefunden wurden. Um Heinrichs hier also anzugreifen, müsstest du schon die Branddatierer angreifen, auf die Heinrichs sich hier stützt.
Ein solcher Angriff kann aber nur aus Motiven der Kölner Stadtarchäologie statthaft sein, nicht aus dem Wunsch, Kalkriese für Caecina/Germanicus zu retten.
 
El Quijote,
warum sollte ich gestandene Fachleute angreifen? Wenig hilfreich sind doch bloß darauf gestützte Hypothesen - grade im Zusammenhang mit dem Varusschlachtfeld. Anzunehmen ist doch, sollte es gelingen, die Fläche des Gebiets (wo auch immer die Schlacht tatsächlich stattfand) komplett zu durchsuchen, dass so ziemlich alle relevanten Münzsorten gefunden werden, auch solche, die nach 9 geprägt worden sind. Auch 40000 bis 60000 Legionäre verlieren, bei aller Sorgfalt, während des Zusammensuchens der Leichen etc. auch da und dort eine Münze oder andere Kleinigkeiten, die nach 9 datierbar sind. So die Annahme und Wahrscheinlichkeit. Vorher oder nachher wird auch zumindest ein Marschlager in der Nähe errichtet worden sein (Arminius kann sich ja auch erst ein paar Tage später blicken lassen haben).
Ergo: Münzfunde können lediglich den Zeitraum etwas eingrenzen, für die genaue Lokalisierung der Varusschlacht sind sie daher nur bedingt geeignet, selbst wenn man sich wünscht, der Gegenstempel VAR, der auch UAR gelesen werden kann, stamme von Varus und CVAL von seinem Befehlshaber der Reiterei...
 
Nun Sepiola,
alles ist relativ

Richtig.
Wieviel Prozent der ursprünglich vorhandenen Knochen waren nach jahrelangem Herumliegen überhaupt noch vorhanden?
Wieviel Prozent der herumliegenden Knochen wurden aufgesammelt und bestattet?
Wieviel Prozent der bestatteten Knochen haben sich nach 2000 Jahren noch erhalten?
Wieviel Prozent der Fläche wurde ergraben?
Von wievielen Individuen stammen die ergrabenen Knochen? (Minimum ist klar, aber Maximum?)
 
warum sollte ich gestandene Fachleute angreifen?

Das ist in der Wissenschaft sogar grundsätzlich und ausdrücklich erwünscht - wenn die Motive stimmen. Das Motiv müsste aber sein, die Kölner Stadtgeschichte zu korrigieren, nicht, den Münzhorizont von Kalkriese anzupassen.


Wenig hilfreich sind doch bloß darauf gestützte Hypothesen - grade im Zusammenhang mit dem Varusschlachtfeld. Anzunehmen ist doch, sollte es gelingen, die Fläche des Gebiets (wo auch immer die Schlacht tatsächlich stattfand) komplett zu durchsuchen, dass so ziemlich alle relevanten Münzsorten gefunden werden, auch solche, die nach 9 geprägt worden sind.

Bisher ist doch gerade die Behauptung der Gegner von Kalkriese die, dass das Münzspektrum, welches man bei Varus und welches man bei Caecina finden würde, sich überhaupt nicht unterschiede. Was du hier nun schreibst, ist die völlige Umkehrung dieses Postulats - die ja gestern auch schon Divico vornahm. Ich erlaube mir ein Selbstzitat:

Das ist aber auch ein witziges Dilemma: Würde man nur eine Münze, die nach 10 geprägt ist, in Kalkriese finden, würden die Germanicus-Caecina-Befürworter aufschreien "wir haben's gewusst, ist nicht Varus", hier nun wird halb im- halb explizit angezweifelt, dass, weil keine Münze nach 10 gefunden wurde, Kalkriese nicht Varus sein könne, weil dann müsse man ja Spuren von der Germanicus-Aktion finden.

Und das findet sich dann ja hier auch wieder:
Auch 40000 bis 60000 Legionäre verlieren, bei aller Sorgfalt, während des Zusammensuchens der Leichen etc. auch da und dort eine Münze oder andere Kleinigkeiten, die nach 9 datierbar sind.
Ich weiß nicht, wie du mit deinem Geld umgehst, ich verliere meine Geld normalerweise nicht (außer durch unsinnige Einkäufe) und ich unterstelle das auch für die Mehrheit der anderen Menschen.

Ergo: Münzfunde können lediglich den Zeitraum etwas eingrenzen, für die genaue Lokalisierung der Varusschlacht sind sie daher nur bedingt geeignet, selbst wenn man sich wünscht, der Gegenstempel VAR, der auch UAR gelesen werden kann, stamme von Varus und CVAL von seinem Befehlshaber der Reiterei...

Das ist weit mehr als ein Wunsch. Abgesehen davon, dass es keinen Unterschied zwischen U und V gibt, das lateinische Alphabet macht diesen Unterschied noch nicht, der gehört zur seiner modernen Weiterentwicklung, gibt es zwei Räume, an denen VARus-Gegenstempel gehäuft auftreten: Der Niederrhein und die angrenzenden Gebiete der Magna Germania (Haltern, Waldgirmes, Kalkriese) und - wo war Varus noch mal zuvor Statthalter? Ach ja, in Syrien - genau dort. In Syrien vergesellschaftet mit PVAR-Gegenstempeln: Publius Varus.

Richtig.
Wieviel Prozent der ursprünglich vorhandenen Knochen waren nach jahrelangem Herumliegen überhaupt noch vorhanden?
Wieviel Prozent der herumliegenden Knochen wurden aufgesammelt und bestattet?
Wieviel Prozent der bestatteten Knochen haben sich nach 2000 Jahren noch erhalten?
Wieviel Prozent der Fläche wurde ergraben?
Von wievielen Individuen stammen die ergrabenen Knochen? (Minimum ist klar, aber Maximum?)
Für Kalkriese kann man feststellen, dass die Knochen nur dort erhalten sind, wo sie mit Kalkstein vergesellschaftet waren. Ein signifikantes Beispiel mag die Zahnreihe sein, die man gefunden hat, die Zähne noch in der Ordnung, wie sie im Kieferknochen gesessen haben, aber von diesem selbst keine Spur mehr, er war völlig vergangen.
 
Es ist zu unterscheiden zwischen Haushaltskeramik und Transportkeramik.

Haushaltskeramik
ist bestimmten Moden und Techniken unterworfen, teilweise findet man darauf auch bestimmte Verzierungen. Sie wird i.d.R. dann weggeworfen, wenn sie kaputt ist. Sprich, hier ist es leichter die Herstellung zu datieren, als das Zubruchgehen. Aus Sicht der Haushaltskeramik ist also nur die negative Auslese möglich: Keine Keramik, die nach dem Zeitpunkt 13/14 hergestellt wurde.

Transportkeramik
wird nur für den einen Transport hergestellt. Das mag uns unökonomisch erscheinen, scheint aber, wie Amphorenansammlungen in Hafenbecken oder der Monte Testacchio zeigen, üblich gewesen zu sein. Es ist sogar zum Teil so gewesen, dass man Amphoren hatte, die nur für den Schiffstransport da waren. Wurden die Amphoren angelandet, wurden die Inhalte in andere Transportgefäße umgefüllt.
Anhand von Inschriften in den Amphoren kann man diese bestimmten Betrieben zuordnen.


Und Mode bzw. Technik ändern sich jährlich?
Das Gebilde der Keramikdatierungen bildet seit langem eine wesentliche Säule der Chronologien des Altertums. Aber möglicherweise wäre hier doch etwas mehr Zurückhaltung hinsichtlich der Ergebnisse angebracht.
Kann man wirklich anhand des Stils des Kaffeegeschirrs bis auf einzelne Jahre datieren? Wie unterschied sich die Keramik des Jahres 18 von der Keramik des Jahres 14?
 
Noch mal zur Datierung der Brandschicht in Köln:

Die augusteische Besiedlung erstreckt sich über eine kurze Phasevon der Zeitenwende bis 13/14 n. Chr. Dies belegt die hier angetroffene Terra Sigillata (italienische und Lyonner Ware), welche die Grabungsleiter Gundolf Precht (Domareal) und Sven Seiler (Margarethenkloster) zur Datierung des abrupten Siedlungsendes durch Schadfeuer um 15. n Chr, hat gelangen lassen. Diese Ansatz wird unabhängig hiervon durch die Fundmünzen bestätigt, die in sieben Fällen nach ihrer Prägezeit oder Verfügbarkeit am Niederrhein in die Folge des Jahres 9 n. Chr. fallen. Ein As des Typ Nem(ausus) 3, der von ca. 10 bis 14 n. Chr. ausgebracht wurde, weist nur geringe Abnutzungen auf, ist allerdings auf einer Seite geschwärzt, auf der Gegenseite stellenweise angeschmolzen. Das Stück dokumentiert augenfällig die Brandkatastrophe, mit der die Siedlung auf dem Kölner Domhügel und damit ihr Münzsspektrum endet. Mit dieser Münze ergibt sich ein terminus post ab 10 n. Chr., der sich durch einen As der zweiten Altarseire von Lugdunum nach der Prägezeit des Typs auf ca. 13/14 n. Chr präzisieren lässt. Ein terminus ante resultiert aus dem Umstand, dass im Domareal stadtrömische Münzmeister-Asse nur spärlich vertreten sind. Ab dem Spätherbst 14 n. Chr. gelangten sie in gewaltigen Mengen nach Köln, wo sie bezogen auf das gesamte Stadtareal die Leitmünze der ersten Stadtphase, Lug(dunum) 1, quantitativ noch übertreffen.
Und etwas später:
Erst die Varuskatastrophe, bei der auch ungeheure Mengen an Münzgeld verloren gegangen waren, hat es erforderlich gemacht, rasch Ersatz in gewaltigem Umfang zu beschaffen. Die neuen Münzen wurden ab dem Herbst 9 n. Chr. für das Funktionieren der Lagermärkte unmittelbar benötigt [...] die Kapazität der Münze Lugdunum reichte aber nicht aus, um das Verlorene durch Neuprägungen zu ersetzen. Andere Prägestädten mussten mithelfen, vor allem Nemausus, auch dürften Münzen aus Depots entnommen, teils vielleicht sogar aus dem Umlauf gezogen und nach Norden gesandt worden sein. [...] Die großen Mengen an Assen des ersten Altartyps von Lyon belegen, wie bis zum Jahr 9 n. Chr. die Deckung des lokalen Kölner Bedarfs erfolgt war. Sieben jüngere unter ingesamt 55 AE-Münzen [...] ergeben eine deutliche Teilmenge. Sie dürfte im Domareal sogar deutlich niedriger ausgefallen sein als in zeitgleich belegten Truppenlagern, denn vorrangig dorthin gelangten die eben angesprochenen Ersatzlieferungen an Münzgeld.
 
Und Mode bzw. Technik ändern sich jährlich?
Das Gebilde der Keramikdatierungen bildet seit langem eine wesentliche Säule der Chronologien des Altertums. Aber möglicherweise wäre hier doch etwas mehr Zurückhaltung hinsichtlich der Ergebnisse angebracht.

Der Einfachheit halber zitiere ich mal aus dem Wikipedia-Artikel zur Terra Sigillata:
Die Erforschung der Terra Sigillata hat in der Archäologie eine lange Tradition. Die Chronologie stützt sich vor allem auf die Formen, sowie die Hersteller- und Bildstempel. Erste chronologische Einteilungen stammen von Hans Dragendorff (1896)[3] und Robert Knorr [4]. Besonders die Töpferstempel, die Verzierungen sowie die Verbreitung des Materials haben TS zu einem bevorzugten Datierungsmittel der provinzialrömischen Archäologie werden lassen. Aus zahlreichen Produktionsorten sind die Hersteller aufgrund der Herstellerstempel namentlich bekannt. Hinzu kamen Beobachtungen an gut zu datierenden Fundorten wie dem Römerlager Haltern[5], den Kastellen des Odenwaldlimes oder dem Kastell Niederbieber[6]. Die Weiterverwendung und Abformung der Punzenstempel hat es ermöglicht, chronologische Abfolgen der einzelnen Töpfer an den Herstellungsorten zu ermitteln. Das alles hat dazu geführt, dass sich der Zeitpunkt der Herstellung eines verzierten oder gestempelten TS-Gefäßes meist auf wenige Jahre genau datieren lässt. Ähnlich genaue Datierungen erreicht man je nach vorliegendem Fundmaterial nur mit Münzfunden oder durch Dendrochronologie.​
In Xanten konnte man sogar aufgrund der Fingerabdrücke auf dem Müll einer Töpferwerkstatt einzelne Produktionsmitarbeiter unterscheiden.
 
Die Festlegung des Terminus ante quem ist natürlich - gerade, wenn man an Kalkriese denkt - abenteuerlich. Aber die Datierung auf um 15, eher ein oder zwei Jahre früher, scheint glaubwürdig. Vielleicht gibt es ja auch einen Zusammenhang des Brandes mit der Meuterei nach Augustus Tod. Für Germanicus jedenfalls ist die Datierung damit eine Punktlandung.

D.h. aber m.E. immer noch nicht, dass im militärischen Umfeld dieselbe Münzverteilung zu erwarten ist, wie im zivilen. Aber sei's drumm: Germanicus untersagte den Legionären laut Tacitus, Geld mit auf die andere Rheinseite zu nehmen. Es kann also durchaus sein, dass man in der Germania magna schlicht und einfach gar keine Münzen der Soldaten des Germanicus finden kann. Oder zumindest so wenig, dass ein Fund unwahrscheinlich ist.

Wenn dem so ist, dürfte es schwierig werden Funde auf Germanicus zu datieren, zumal die Dendrochronologie für die Zeit der Germanienfeldzüge unsicher ist, da sie auf der Lokalisierung von Aliso basiert und den Nachrichten über die Markomannen um 4 Jahre widerspricht. Daher fragte ich nach der Grundlage der Datierung des Brandes.

Weiterhin legte Germanicus außerhalb des Gebiets der Friesen und Chauken, die mit ihm verbündet waren, keine Lager an, die auf längere Benutzung ausgerichtet waren. Seine Logistik scheint sich auch mehr auf Ems und Weser hin ausgerichtet zu haben. Wenn dort mehr Funde gemacht werden, wird man eher auf einen Germanicus-Horizont stoßen.

Wenn man davon ausgeht, dass bei Kalkriese nicht das Ende der Varusschlacht stattfand, sondern eine andere Episode derselben, muss man nicht unbedingt Spuren des Germanicus finden: Wenn es 3 Marschtage während der Schlacht gab, wird Germanicus nicht die ganze Strecke nach Knochen abgesucht haben. Die Knochengruben können - durchaus Quellenkonform - auch als Opfergruben angesprochen werden, die sich erst ein paar Jahre später verfüllten.

Delbrück zweifelte nicht an den Germanicus-Feldzügen an sich, sondern nur an einigen der von Tacitus geschilderten Begebenheiten. Idistaviso und der Angrivarierwall passten nicht in sein Weltbild.
 
Germanicus untersagte den Legionären laut Tacitus, Geld mit auf die andere Rheinseite zu nehmen. Es kann also durchaus sein, dass man in der Germania magna schlicht und einfach gar keine Münzen der Soldaten des Germanicus finden kann. Oder zumindest so wenig, dass ein Fund unwahrscheinlich ist.

Wenn dem so ist, dürfte es schwierig werden Funde auf Germanicus zu datieren

Richtig.

Das ist ja gerade die Zwickmühle.
Wenn also Germanicus großartig keine Münzen dabei hatte wie erklärt sich dann die doch recht hohe Anzahl an Münzen in Kalkriese?

Und ich gebe dir recht, es dürfte wirklich schwierig sein, Funde dem Germanicus eindeutig zuzuordnen. Das ist natürlich auch dumm für die Archäologie.

Aber mit diesen Münzfunden in Köln oder den Funden in Bentumersiel kristallisiert sich vieleicht ein solcher Germanicus Horizont langsam aber sicher heraus.
 
Die Festlegung des Terminus ante quem ist natürlich - gerade, wenn man an Kalkriese denkt - abenteuerlich. Aber die Datierung auf um 15, eher ein oder zwei Jahre früher, scheint glaubwürdig. Vielleicht gibt es ja auch einen Zusammenhang des Brandes mit der Meuterei nach Augustus Tod. Für Germanicus jedenfalls ist die Datierung damit eine Punktlandung.

Der Brand wird vor der Meuterei datiert. Das liegt daran, dass es in der Brandschicht keine der frisch gestempelten CAES-Münzen gibt, welche der Geldausschüttungs-Aktion des Germanicus zugeordnet werden. Ich zitiere Eck (Geschichte der Stadt Köln, Bd.1: Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, S. 119), der den Brand nicht explizit nennt, er versucht die Lage des Lagers der ersten Legion zu klären, welche außerhalb des oppidum lag:
im Bereich Domkloster[,] wurden in der römischen Rheinböschung im Aushub vom Grund des Flusses sieben Münzen gefunden, die je einen frischen Gegenstempel des Germanicus tragen; der Stemepl datiert diese Münzen in die Zeit unmittelbar nach dem Tod des Augustus. Die durch Germanicus gegengestempelten Münzen stammen offenbar nicht aus dem engeren Domareal [hiermit ist die Brandzone gemeint, EQ], denn die dort gefundenen Münzen brechen spätestens zum Jahr 13 n. Chr. ab; unter den rund 60 Stücken [es sind genau 55, EQ] des von dort stammenden augusteischen Münzumlaufs findet sich nicht eine mit dem fraglichen Gegenstempel. [...] Wo dieses anzunehmen ist, ergibt sich aus weiteren entsprechenden Münzfunden. Sie liegen aus dem Bahnhofsbereich vor, zwar nur mit insgesamt drei Exemplaren, doch ist dies auf den dort ungenügenden Stand der archäologischen Erforschung zurückzuführen. Immerhin wird erkennbar, dass der Germanicus-Gegenstempel auf denselben Münztypen im Bereich des Bahnhofsvorplatzes und der Bahnunterführung der Trankgasse begegnen, also in dem Areal [...] das bereits, aus generell topographischen Überlegungen [hochwasserfreie Zone, die Platz für ein Einlegionenlager bieten würde, EQ] [...] als einzig anzunehmender Standort des Lagers der legio I bezeichnet werden kann. Die auffällige Häufung frisch gestempelter Münzen bestätigt diese Einschätzung, und es zeichnet sich ab, dass auch in der Keramik des fraglichen Gebiets [also des Lagers, nicht des abgebrannten Stadtviertels, EQ] Formen und Eigenarten gehäuft nachweisbar werden, die für spätaugusteisch-frühtiberische Militärkomplexe typisch sind.
D.h. aber m.E. immer noch nicht, dass im militärischen Umfeld dieselbe Münzverteilung zu erwarten ist, wie im zivilen.
Ja, im militärischen Bereich wäre eine eher noch höhere Zufuhr an Frischmünzen zu erwarten.
 
Das mit der Zufuhr an Frischmünzen sehe ich, wie schon dargelegt, aus verschiedenen Gründen anders. Aber Deinen Ausführungen, El Quijote, entnehme ich, dass Germanicus ein Gegenstempel zugeordnet werden kann und dieser aus den Buchstaben CAES besteht. Trifft das zu, setzt das den Spekulationen um die mit dem Bild eines Lituus gegengestempelten Münzen ein Ende. Mehrere verschiedene Stempel wären ja äußerst unpraktisch. Die Münzfunde von Kalkriese können damit nicht mehr Germanicus zugeordnet werden, da seine gegengestempelten Münzen sicher bei seinen Soldaten nicht zu knapp vorhanden waren, wenn sie denn Münzen mit sich führten.

Die Zuordnung eines bestimmten Stempels zu Germanicus ergibt endlich einen sicheren Halt, denn bei 1600 Münzen dürfte der nicht fehlen.
 
Ich lese gerade mal wieder nach. Tatsächlich übergab Germanicus das Geld den Legionen, bevor sie nach Köln in die Winterquartiere marschierten. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage, dass es sich um das Geld des Germanicus und seiner Freunde handelte, nicht um Staatsgelder. Aber bedeutet dies einen höheren Anteil von in Italien im Umlauf befindlichen Münzen? Oder hatte der Statthalter die Gelegenheit genutzt, abgenutzte Münzen gegen neue Prägungen zu tauschen? Oder stammten die Münzen von Gallischen Besitzungen des Drusus-Sohnes?
 
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