Die japanische Militärführung war eher bereit, ein Volk von 100 Millionen Menschen dem sinnlosen Opfertod zu weihen, anstatt abzutreten, die Macht abzugeben und sich selbst abzuurteilen zu lassen. Ferner glaube ich nicht, dass die japanische Regierung zugestimmt hätte, ihre eigenen Offiziere vor Gericht zu stellen. Dahingehend waren keine nennenswerten Signale innerhalb der japanische Führungsriege erkennbar. Und selbst wenn, dann wären sie doch alle freigesprochen worden, da in Japan damals keine auch nur halbwegs unabhängige Gerichtsbarkeit herrschte. Da kommt dann diese Tradition mit dem "Gesicht wahren" zum Tragen. Ebenso verhielte es sich mit der Abrüstung, die Du als Friedensbedingung vorschlägst. Wie hätte man sich dort einig werden sollen? Glaubst Du wirklich, die japanische Regierung wäre dazu ernsthaft bereit gewesen? Und kannst Du Dich in die Lage der Alliierten hineinversetzen, die in ihrer überwiegenden Mehrheit von Japan ohne eigenes Zutun in diesen Krieg hineingezogen worden waren? Wie hätte man Japan, das etliche Verträge gebrochen und neutrale Länder überfallen hatte, da noch vertrauen?
Das sind doch alles keine Gründe, um hunderttausende von Menschen zu töten. Wenn die Nazis ohne jeden materiellen Nutzen zwei Städte eingeäschert hätten, würdest du doch auch nicht posten: Oh, wie hätten die denen denn vertrauen sollen?
Japan hatte Anfang 1945 den Krieg verloren. Punkt. Die Flotte war versenkt, die Luftwaffe nur noch zu Kamikaze-Angriffen in der Lage. Die US-Luftwaffe flog ungehindert Angriff auf Angriff auf Japan. Die US-Navy beschoss etwa im Juli 45 Küstenziele auf den japanischen Inseln ohne Gegenwehr.
Die kaiserliche Infanterie war immer noch zu beachtlichen Leistungen im Stande. Das US-Marine-Corps verlor 20.000 Mann auf Iwo Jima, die Alliierten Truppen 50.000 Mann auf Okinawa. Bei einer Landung in Japan wurde mit ähnlich hohen Verlusten gerechnet.
Jetzt stellt sich mindestens mir die Frage: wozu überhaupt eine Landung? Man hätte die Japaner schlicht ignorieren können. Die saßen ohne Schiffe und Flugzeuge auf ihren Inseln. Die Besetzung der Inseln war sicher ein schöner Abschluß eines opferreichen Feldzugs – aber um Himmels Willen doch keine militärische oder historische Notwendigkeit!
Ein Verhandlungsfrieden war wahrscheinlich möglich. Der Tenno setzte schon nach Okinawa einen Premier mit Verhandlungsauftrag ein. Es ist denkbar, dass die mächtigen Militärs sich jeder friedlichen Lösung widersetzt hätten. Außerdem konnte diese Entwicklung von den Amerikanern nicht bewertet werden. Aber noch mal: so what? Was hätten die japanischen Militärs denn noch tun sollen???
In den USA wirft daher der bisher einzige Einsatz von A-Waffen massive moralische Fragen auf.
In US-Geschichtsbüchern werden u.a. folgende Positionen vertreten:
- Für Truman, der bis zu seiner Inauguration keine Kenntnis vom Projekt Manhattan hatte, war die Bombe schlicht eine effektive Waffe. In seinen 1955 veröffentlichten Memoiren beschreibt er seine Entscheidung als Wahl zwischen A-Bombe und Invasion. Falls er die Wahrheit schrieb, sagt das einiges über das intellektuelle Potential des Führers der USA aus.
- Schon 1948 beschrieb der Brite Blackett den A-Waffen-Einsatz als „not so much the last act oft he Second World War as the first major operation oft the cold diplomatic war with Russia“
- John Dower (War without Mercy, 1986) zielt in seinem Buch auf den offenen Rassismus ab, den die Amerikaner auf dem pazifischen Kriegsschauplatz zeigten. Er legt nahe, und wurde auch so interpretiert, dass die USA die Bombe nicht so leichtfertig auf Berlin abgeworfen hätten.
Eine mehrheitsfähige Bewertung gibt es in den USA bisher nicht. Seit 1994 hängt die
Enola Gay im Smithsonian in Washington. Nach bitteren und fruchtlosen Diskussionen zwischen Historikern sieht das Museum bis heute davon ab, das Exponat mit einem Hinweisschild und damit einer Wertung der Bombe zu erläutern.