Was willst Du eigentlich?
Was denn nun?
Ich will auch garnicht zu sehr auf Herbst oder Spätherbst herumreiten.
Was ist so ungewöhnlich daran, wenn zumindest tw. einheimische Germanen mit Topographie und Wetter besser zurechtgekommen sind als die Römer? Ob Herbst oder Spätherbst oder von mir aus auch Spätsommer. Schlechtes Wetter und schwierige Verhältnisse in Waldgebieten sind nicht auszuschliessen und zumindest für den Herbst eher wahrscheinlich!
Und natürlich schildert Dio die Landschaft eines Mittelgebirgsraumes. Und?
Was macht ihn deshalb unglaubwürdig? Und ich habe auch Delbrück gelesen. Aber auch er interpretiert nur. Wolters spricht in großen und ganzen für den Bericht des Dio. Und dem schliesse ich mich an.
Es geht mir um die Argumentation und darum, dass eine Quelle wie Cassius Dio nicht schwarz oder weiß, gut oder schlecht ist, sondern in einzelnen Teilen unterschiedlich beurteilt werden muss, was ganz sicher auch Wolters nicht anders sieht. Vielleicht ist es verständlicher, wenn ich es ein wenig aufdrösele:
1
a
Zunächst die Quellenkritik an Cassius Dio. Dazu gehört die alte Erkenntnis, wie er arbeitete. Nach dieser ist die Schilderung von Geographie und Wetter problematisch, während die Schilderung des allgemeinen Ablaufs eher zuverlässig erscheint.
b
Dann die Feststellung Wolters, dass es gut sein kann, dass er gute Quellen benutzte. Das schließe ich ja gar nicht aus. Nur hat Dio diese Quellen nicht zitiert, sondern sie in sein Werk eingearbeitet. Dabei ging er mit seiner üblichen Arbeitsweise vor, die wie gesagt, bedingt, dass Geographie und Wetter problematische Fakten sind. Sprich: Wo gibt Dio seine Quellen wieder, wo schreibt er die Geschichte aus, wo fügt er allgemeine Elemente ein und wo ist der Bericht durch seine Dramatisierung verfälscht? Das können wir nicht unmittelbar entscheiden, weshalb wir davon ausgehen müssen, dass er damit verfuhr, wie mit seinen anderen Quellen. Daher wird 1a davon nicht berührt.
ergänzend: c
Die senatorische Geschichtsschreibung vertrat auch immer politische Positionen. Cassius Dio stand gegen den Einfluss des Militär, für militärische Kommandos von Senatoren. Also hatte er einen Grund, Varus nicht allzu negativ darzustellen.
d
Allerdings gilt der grobe Ablauf der Katastrophe als zuverlässig. Hier können tatsächlich die Inhalte guter Quellen auf uns gelangt sein.
e
Halten wir fest: Auf Wetter und Landschaft ist aus der Beschreibung Cassius Dio nicht wirklich zu schließen. Auch die Beurteilung des Varus ist nicht gänzlich unbedenklich, mag aber genauso gut aus guter Quelle stammen. Das würde dann auch bestätigen, dass das Gerüst, der allgemeine Ablauf zuverlässig überliefert ist.
2
Kommen wir zur Sachkritik, neudeutsch Faktencheck:
a
Cassius Dio beschreibt eine Landschaft, wie sie im Mittelgebirgsraum allgegenwärtig ist und auch an einigen Orten im Münsterland vorkommt. War die Schlacht in Kalkriese oder irgendwo weiter südlich, sah es in der Gegend der Schlacht wahrscheinlich so aus. Doch ist dies Aussehen Germaniens schon zu Dios Zeiten ein Topos. Angesichts der Art seiner Geschichtsschreibung musste er diese Landschaft zur Geltung kommen lassen. Fand die Schlacht dort statt, hat Cassius Dio aus Zufall das Richtige getroffen. Und schilderten seine Quellen diese Landschaft, wäre auch das Zufall.
b
Die von El Quijote immer wieder erwähnten Unmöglichkeiten, zeigen, dass Dio eben genau in diesen Bereichen Dinge hinzufügte oder nicht richtig verstanden hat. Daher erscheint unwahrscheinlich, dass seine Landschaftsbeschreibung auf gute Quellen zurückgeht.
c
Regenwetter ist in Mitteleuropa zu jeder Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Aber es gehörte auch zum Germanientopos.
d
Da es auch für den geschilderten Ablauf der Schlacht eine Rolle spielt, dass die Witterung die Römer behinderte und wir ja gesehen haben, dass der Ablauf als der zuverlässige Teil der Schilderung Dios erscheint, würde ich nicht ausschließen, dass Dio das Regenwetter aus seinen Quellen übernommen hat.
e
Es scheint also, dass Cassius Dio bei der Beschreibung der Landschaft nur sein Bild Germaniens wiedergibt, dass jedoch aus Gründen des Zufalls -abzüglich der Unmöglichkeiten natürlich- sehr gut auch zutreffen könnte. Beim Regen ist es nur geringfügig anders. Und Unmögliches ist natürlich auszuschließen.
Cassius Dio macht nicht unglaubwürdig, dass er von schlechtem Wetter im Mittelgebirge berichtet. Diese Berichte bei Cassius Dio sind unglaubwürdig, weil es seiner Arbeitsweise entspricht, dass er hier ausschmückt, ausschreibt und übertreibt. Hinzu kommen dann noch die von El Quijote gemeinten physikalischen Unmöglichkeiten. Fliegende Bäume gibt es nicht. Aber sie machen auch nicht den ganzen Cassius Dio unglaubwürdig, sonst wäre er komplett zu streichen.
Cassius Dio ist kein Unbekannter, Teile seines Werkes können nicht isoliert betrachtet werden. Er mag hier gute Quellen gehabt haben, aber er hat sie behandelt, wie alle seine Quellen.