Datierung und Anlass des Varuszuges

Actium war eine Entscheidungsschlacht!
Am Bathinus fand wahrscheinlich überhaupt keine Schlacht statt, die Informationen sind einfach zu dünn.
Da gibt es Unterschiede in der Bedeutung für Augustus, glaub mir einfach. Dir das auch noch aufzubröseln, fehlt mir die Motivation;)
 
Die römischen Rheinprovinzen waren die Germania superior (Obergermanien) und die Germania inferior (Niedergermanien). Wenn da steht, dass Asprenas eilig (mature[que]) in die unteren Winterlager (ad inferiora hiberna) hinabstieg descendendo, dann heißt das genau das.

Und das heißt erst einmal nur, dass die Winterlager wahrscheinlich in der späteren Germania inferior lagen. Inferior bezieht sich ja, wie Ihr richtig bemerkt wohl auf die Fliessrichtung des Rheines. Das Mündungsdelta des damaligen Rheines (Rhenus) erstreckt sich aber vom heutigen Belgien bis weit nach Norden ins heutige Ijsselmeer. Da die Flussmündungen die tiefsten Punkte eines Landes sind, muss man auf dem Weg zu Ihnen immer hinabsteigen.
Das Asprenas aber aus der späteren Provinz Germania Superior oder sogar einem dort gelegenen Winterlager kam steht da aber nicht explizit. Das wird nur immer gern aus der späteren Aufstellung der Legionen nach der Varusschlacht interpoliert.
Zu der Zeit galt es aber die verbliebenen Provinzen defensiv zu schützen und nicht mehr eine neue Provinz Germanien offensiv zu befrieden.
Die Ansicht die Römer hätten beide Aufgaben mit derselben Stationierungsweise ihrer Legionen bewältigt kann ich nicht teilen.

Jetzt sagt also Dio zum einen, daß Winterlager 9 n. Chr in Germanien [also rechtsrheinisch] lagen aber gleichzeitig auch inferior also flussabwärts [des Rheines]. Beides würde auch auf ein spekulatives Winterlager in der Nähe der östlichen Rhein(Ijssel)mündung passen.
Nimmt man an, dass alle 5 Legionen im Routinebetrieb nicht sehr weit von Ihren Winterlagern operierten, dann kann sich Asprenas durchaus ebenfalls in Norddeutschland befunden haben.

Gruß
jchatt
 
Und das heißt erst einmal nur, dass die Winterlager wahrscheinlich in der späteren Germania inferior lagen. Inferior bezieht sich ja, wie Ihr richtig bemerkt wohl auf die Fliessrichtung des Rheines. Das Mündungsdelta des damaligen Rheines (Rhenus) erstreckt sich aber vom heutigen Belgien bis weit nach Norden ins heutige Ijsselmeer. Da die Flussmündungen die tiefsten Punkte eines Landes sind, muss man auf dem Weg zu Ihnen immer hinabsteigen.
Da hast du deine Argumentation aber schnell angepasst, nachdem du vorher argumentiert hast, dass die Römer nordorientiert gedacht hätten, was anhand der verschiedenen auf uns gekommenen römischen Karten widerlegt wurde:

Das kann man auch anders sehen. Auch bei den Römern/Griechen gab es schon eine Nordorientierung in der geographischen Sicht. Von Rom aus gesehen kann er also auch von seiner nördlicheren Position nach Süden herabgestiegen sein.

die tabula Peutingeriana und die Geographike Hyphegesis waren genordet, die Mosaikkarte von Madaba geostet und das Kartenfragment von Dura Europos ist gewestet. In der christlichen Kartographie herrscht von der Spätantike bis zur Renaissance das geostete Radkarten- oder T-O-Modell vor, welches wir von Isidor kennen und welches dann phantasievoll ausgestaltet wurde (z.B. die Ebstorfer Weltkarte, Hereford Psalter-Karte etc.) auch das wird seine Vorläufer gehabt haben, ggf. den Geographen von Ravenna (die Schrift stammt aus dem 5. Jahrhundert, die Datierung der Karte, ob vor- oder nach-isidorianisch ist umstritten).
Und die FORMA URBIS ROMAE war geostsüdostet.

ith it.
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Balduin Saria schreibt im Dez 1930 in Klio, Band 23, Heft 23, dazu:
Absolut zwingend ist Hirschfelds Vermutung freilich nicht, wie Vulic (Nicola Vulic - Ostfale) im „Glas“ der serb. Akademie LXXXVIII 217f gezeigt hat“
"Absolut zwingend" nicht, aber "gewiß naheliegend und glänzend. Die Vorgänge am Bathinus waren für den Verlauf des Feldzuges sicherlich wichtiger und verdienten eher eine Verzeichnung in den Fasten, als der Fall von Andetrium."

Actium war eine Entscheidungsschlacht!
Hat wer was Gegenteiliges behauptet?
 
Da hast du deine Argumentation aber schnell angepasst, nachdem du vorher argumentiert hast, dass die Römer nordorientiert gedacht hätten, was anhand der verschiedenen auf uns gekommenen römischen Karten widerlegt wurde:

Eine nennenswerte eigenständige römische Geographie kann ich nirgends erkennen. Die Beschreibungen von Mela und Tacitus geben keinerlei Hinweise auf die Entstehung Ihrer Erdsicht wie man es im Vergleich zu den griechischen Geographen über die Jahrhunderte beobachten kann.
Selbst der wissenschaftlich seriöseste Römer Plinius beruft sich auf die Griechen Hipparch,Erathostenes etc. Agrippa beauftragt für seine Karte vier griechische Geographen und am Hof des Augustus arbeitete der Grieche Strabo. Das Bild der griechischen Oekumene war spätestens nach Claudius Ptolemaios nordorientiert. Ob sich das auch im Sprachgebrauch bei Dio niedergeschlagen hat, kann ich aufgrund altsprachlicher Legasthenie nur vermuten.
Ich weiß aber das Cassius Dio stark griechisch geprägt war.
Wiederlegt hast Du das Argument der Nordorientierung bei Dio mit Deinen Karten meiner Meinung nach also nicht.
Ich bin aber jetzt insgesamt auch eher geneigt inferior mit einer flussabwärts gerichteten Bewegung zu interprätieren als eine Richtung Süden gerichteten.
Dabei fällt mir ein das Dio doch in griechisch geschrieben hat. Also ist inferior sowieso nicht das ursprüngliche Wort, oder ?
Ich kenne als griechisches Wort ἀνάβασις "Hinaufmarsch" [von der Küste ins Landesinnere]. Kann es sein, dass das ursprüngliche griechische Wort bei Dio auch einfach nur "hinab zur Küste" meinte ?


Gruß
jchatt
 
Eine nennenswerte eigenständige römische Geographie kann ich nirgends erkennen. Die Beschreibungen von Mela und Tacitus geben keinerlei Hinweise auf die Entstehung Ihrer Erdsicht wie man es im Vergleich zu den griechischen Geographen über die Jahrhunderte beobachten kann.

Eine Nordorientierung hast du behauptet, nicht ich.

Das Bild der griechischen Oekumene war spätestens nach Claudius Ptolemaios nordorientiert.
Ob das so stimmt, weiß ich nicht, wenn die Karte des Geographen von Ravenna vorisidorianisch ist, dann wäre das ein Beleg gegen diese Behauptung. Für Velleius Paterculus jedenfalls kann man nicht in Anspruch nehmen, dass er Claudios Ptolemaios kannte, als der geboren wurde, war Velleius nämlich schon lange tot.

Ob sich das auch im Sprachgebrauch bei Dio niedergeschlagen hat, kann ich aufgrund altsprachlicher Legasthenie nur vermuten.
Ich weiß aber das Cassius Dio stark griechisch geprägt war.
Wiederlegt hast Du das Argument der Nordorientierung bei Dio mit Deinen Karten meiner Meinung nach also nicht.
Ach, jetzt verstehe ich dein Problem! :autsch: Um es kurz zu skizzieren:
Xander hat geschrieben, dass Varus auf dem Rückmarsch ins Winterlager war.
Ostfale hat daraufhin gefragt wo das stünde, woraufhin sich Xander exkulpieren musste, weil er die Stelle nicht parat hatte. Er hatte aber Cassius Dio, der berichtet, dass Varus mit seiner Gefolgschaft wie mitten im Frieden marschierte, als er überfallen wurde. Ich habe daraufhin die Stelle mit den Winterlagern nachgeliefert, die nicht explizit auf Varus bezogen war, sondern auf Tiberius und Asprenas. Das steht natürlich bei Velleius Paterculus, den ich aber - mein Versäumnis - offenbar nicht namentlich erwähnt habe.
 
Jetzt sagt also Dio zum einen, daß Winterlager 9 n. Chr in Germanien [also rechtsrheinisch] lagen aber gleichzeitig auch inferior also flussabwärts [des Rheines].

Vielleicht doch nochmal die Stelle bei Velleius Paterculus:

"... ad inferiora hiberna descendendo vacillantium etiam cis Rhenum sitarum gentium animos confirmavit".

= "... zu den unteren Winterlagern herabsteigend bestärkte er auch die Gesinnung der diesseits des Rheins (also linksrheinisch) sitzenden schwankend (gewordenen) Völker."
 
Natürlich ist die Vermutung Hirschfelds interessant, den Eintrag im Kalender auf die Kapitulation der Pannonier zu beziehen. Hut ab dafür, dass er sich Gedanken gemacht hat, welcher Sieg in Illyrien gemeint sein könnte!
Nur, mir reicht das nicht. Ich halte den endgültigen Triumph über die aufsässige Provinz, deren Niederzwingung fast die Hälfte der gesamten Truppen des Reiches forderte, jedoch für bemerkenswerter um in den Unterlagen Roms dauernde Erwähnung zu finden. Alles andere an Argumenten habe ich bereits oben geschrieben.
 
3. Florus, Buch 2,35:
Varus perditas res eodem quo Cannensem diem Paulus et fato est animo secutus.
Varus folgte dem allgemeinen Untergang mit gleichem Schicksal und in gleichem Geist wie (L. Aemilius) Paulus am Tag (der Schlacht) von Cannae (am 2. August)
Wenn im offiziellen Kalender des Römischen Reiches der 3. August als Kriegsende in Illyrien (Pannonien und Dalmatien) eingetragen wird, geht das nicht ohne die entprechenden offiziellen Feierlichkeiten. Wenn dann fünf Tage später die Schreckensbotschaft ankommt, ist das immer noch der 8. August und nicht Herbst! Wenn wir die Leistungen des römischen Nachrichtendienstes berücksichtigen (Siehe hier: ORBIS: The Stanford Geospatial Network Model of the Roman World ), benötigte die Nachricht etwa 7 bis 8 Tage von Mogontiacum bis Rom. Und schon sind wir bei Florus!
Edit: Und natürlich darf dieser Kalendereintrag absolut nichts mit der Datierung der Varusschlacht zu tun haben, das wäre ja fatal für die immer mühsamer aufrecht erhaltene Mär vom "Varusschlachtfeld" Kalkriese. Er passt aber dummerweise ziemlich genau zu den Aussagen von Paterculus und Florus. Oh, ich habe vergessen, Florus ist ja unzuverlässig als Quelle, darüber ist "man" sich ja einig
Habe ich das richtig verstanden, dass Du meinst, Florus habe besagen wollen, die Varusschlacht habe am selben Kalendertag wie die Schlacht bei Cannae stattgefunden, also am 2. August?
Das kann ich aus ihm nicht herauslesen.
 
"3. Florus, Buch 2,35:
Varus perditas res eodem quo Cannensem diem Paulus et fato est animo secutus.
Varus folgte dem allgemeinen Untergang mit gleichem Schicksal und in gleichem Geist wie (L. Aemilius) Paulus am Tag (der Schlacht) von Cannae (am 2. August)"

Dort z.B. steht ja auch nur "mit gleichem Schicksal und in gleichem Geist" und nicht zur gleichen Zeit!
 
Am Bathinus fand wahrscheinlich überhaupt keine Schlacht statt, die Informationen sind einfach zu dünn.
Da stimme ich Dir zu: Aus Velleius geht nur hervor, dass das der Ort war, an dem die Pannonier kapitulierten. Eine vorhergehende Schlacht am selben Ort setzt das nicht zwingend voraus. Römer und Aufständische könnten sich auch auf diesen Ort für die Kapitulationszeremonie geeinigt haben.
 
Hallo zusammen,
In der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Gesamtsitzung vom 29. Januar 1885, sprach Thedor Mommsen zur Örtlichkeit des Varusschlacht.
Gleich in der ersten Fußnote (im Sitzungsprotokoll) vermerkt Mommsen:
"1 Die Nachricht, von der Niederlage gelangte nach Rom fünf Tage nach der
Siegesfeier wegen der Beendigung des pannonisch - dalmatischen Krieges (Dio 66. 18).
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Datum des 3. August, an welchem Ti. Augustus
in Inlyrico vicit (C. I. L. I p. 398)
, sich auf diese Beendigung bezieht."
 
Hier die Inschrift:

$InscrIt_13_01_00031.jpg $InscrIt_13_01_00031_9.jpg

fasti.jpg

CIL-Auflösung: G III c(omitialis) Ti(berius) Aug(ustus) I<l=N>lyrico vic(it)
 
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Ach, jetzt verstehe ich dein Problem! :autsch: Um es kurz zu skizzieren:
Xander hat geschrieben, dass Varus auf dem Rückmarsch ins Winterlager war.
Ostfale hat daraufhin gefragt wo das stünde, woraufhin sich Xander exkulpieren musste, weil er die Stelle nicht parat hatte. Er hatte aber Cassius Dio, der berichtet, dass Varus mit seiner Gefolgschaft wie mitten im Frieden marschierte, als er überfallen wurde. Ich habe daraufhin die Stelle mit den Winterlagern nachgeliefert, die nicht explizit auf Varus bezogen war, sondern auf Tiberius und Asprenas. Das steht natürlich bei Velleius Paterculus, den ich aber - mein Versäumnis - offenbar nicht namentlich erwähnt habe.

Oh Mann :weinen:
Nun hab ich die Varusquellen schon hundert mal gelesen und schmeisse die Autoren immernoch durcheinander :rotwerd:
 
sry, ~ 1.August ist bei mir Hochsommer, trocken und heiß ...

Würde dieses Datum stimmen, wären alle anderen Quellen voll daneben.
Denn Rückmarsch ins Winterlager???
Unwetter????
Tausende von Germanen , mitten während der Ernte??
 
Also, Hildesheim Rom sind zu Fuß 1400 km, im Eilmarsch so ~ 20 tage, eher 40...

Die Nachricht von der Niederlage bzw der Kopf des Varus kann Octavian also ~ einen Monat später erreicht haben.

Würde jetzt die Nachricht im August in Rom angekommen sein, -sie hätte wegen Abwesenheit der Römer niemanden relevanten dort angetroffen-, hätte die Schlacht des Varus schon im Juni stattgefunden. Mitten in der Ernte, kurz davor...
 
Guten Morgen Wilfried,

die Quellen schreiben an keiner Stelle von einem Rückmarsch ins Winterlager. Das ist eine Interpretation, die sich ausschließlich auf die Wetterbeschreibungen von Dio bezieht. Hier vergisst man wohlweislich, dass es auch im Hochsommer gewaltige Unwetter gab und gibt. Dio erzählt uns von einem fingierten Aufstand entfernter Völker - keine Richtungsangabe! Schon nach kurzer Zeit wird das Heer auf befreundetem Gebiet bereits angegriffen.

Der gleiche Verfasser führt auch vorher an, dass die Legionäre ihre Winterlager inmitten Germaniens bezogen. Naja, Sümpfe und dichte Wälder gibt es auch im Sommer.
Selbst mitten in der Ernte finden sich immer vier, fünf Tage, an denen man zur Befreiung des Landes ein wenig Hand anlegen kann.

Mittlerweile ist durch das ständige Wiederholen dieser durch nichts konkret belegten Vermutung (herbstlicher Marsch ins Winterlager am Rhein) ausgerechnet diese Vermutung ein unverrückbarer Bestandteil des Grundwissens geworden. Sie bleibt dennoch falsch!

Beste Grüße
Ostfale
 
Guten Morgen Wilfried,

die Quellen schreiben an keiner Stelle von einem Rückmarsch ins Winterlager. Das ist eine Interpretation, die sich ausschließlich auf die Wetterbeschreibungen von Dio bezieht. ...

Nein, die Rückmarsch-These stützt sich nicht nur auf die Wetterbeschreibung!
An anderer Stelle hast du mir schon nicht beantworten können/wollen, warum Varus mit allen drei Legionen + Hilfstruppen + Zivilisten unterwegs war um einen kleinen Aufstand zu befrieden!? Und um mehr als einen kleinen Aufstand hatte es sich nicht handeln können, sonst wäre Varus nicht friedensmäßig marschiert und hätte nicht (so leicht) überrumpelt werden können!

Welchen Grund kann also der friedensmäßige Marsch mit allen drei Legionen + Hilfstruppen + Zivilisten haben sollen? Ein Rückmarsch zu den Winterlagern ist mir da die plausibelste Erklärung!
 
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