Osiris-Mythos

@chan, deine Ausführungen reichen tief in die Semiotik hinein, ohne aber ein Verständnis der Semiotik. Zeichen/Seme sind kulturell festgelegt, nicht natürlich. Eine Schlange ist ein natürliches Wesen, das Symbol Schlange dagegen kann ganz unterschiedliche Dinge bedeuten: Erdverbundenheit, Gift/Gefahr..., den Regenbogen, Kälte, Hitze...

Ich habe Ecos Werke zur Semiotik gelesen, kenne mich damit also aus. Du beziehst dich, wenn du mit "kultureller Festlegung" argumentierst, auf semiotische Prozesse in weitaus ausgereifteren kulturellen Phasen als die prähistorische Phase, auf die ich Bezug nehme (Paläolithikum). Ich halte eine solche Vorgehensweise für anachronistisch. Außerdem sprechen die Indizien und Belege grosso modo klar für die von mir vorgetragene Deutung.

Dass die Schlangensymbolik mehrdeutig ist, bezweifelt ohnehin keiner, die Schlange kann selbstredend auch negative Verhaltensweisen verkörpern, weil sie in der Natur eine potentielle Gefahr für den Menschen darstellt. Nur spielt das in der religiösen Symbolik zunächst keine Rolle. Darüber hinaus zeigt sich auch hierin die transkulturelle Einheitlichkeit der Schlangensymbolik: Die Schlange gilt transkulturell einerseits als Symbol der Wiedergeburt und der Heilkraft und andererseits als Verkörperung negativer Eigenschaften, die dem Menschen schaden. Das widerlegt die von mir vorgetragene Deutung nicht im geringsten, denn es handelt sich um grundverschiedene Ebenen der Symbolisierung. Dass der Negativaspekt der "natürlichen" Ebene sich in einigen religiösen Mythen niederschlug (Tiamat, Apophis, Leviathan, Paradiesschlange) und schließlich, im Zuge der christlichen Negativierung des Weiblichen, die Schlangensymbolik gänzlich okkupierte (der böse weibliche Drache), bestätigt nur die Priorität des ursprünglich positiven religiösen Aspekts, der historisch ein Opfer der Projektion des negativen natürlichen Aspekts auf die religiöse Ebene im Zuge der Negativierung weiblicher religiöser Symbolik wurde (Beispiel "böse" Schlange -die eigentlich gar nicht "böse" ist, sondern einfach nur klug-, ursprünglich ein Muttergöttin-Symbol, in der Genesis).

Ich erwähnte auch die scheinbar widersprüchliche, aber in der Natur des Lebens liegende Opposition von Geburt und Tod als Charakteristikum ein und derselben Göttin, die Leben schenkt und es wieder in sich zurücknimmt. Dass "die Göttin" also auch als Todesgöttin auftritt (wie z.B. Nut, Isis und Inanna), bedeutet keinen Widerspruch, sondern eine Differenzierung von Funktionen innherhalb einer kohärenten Einheit.

Auch in China steht die Schlange für Heilung, Weisheit und den Übergang ins "Paradies", was ja kaum der Effekt einer "zufälligen" Übereinstimmung von semiotischen "Festlegungen" sein kann, wie du es pauschal behauptest.
 
Die Schlange des Äskulapstabs verkörpert die Göttin Hygieia, die Tochter des Äskulap. Ihre Heilkraft ist, im Zuge der Übernahme ägyptischer Götterattribute in die griechische Götterwelt, eine Adaption der Heilkraft der ägyptischen Muttergöttin Isis.
Wie kommst Du denn auf diese Sachen?
Hygieia ist bei den Griechen übrigens seit dem 5. Jhdt. v. Chr. literarisch als Göttin bezeugt.
 
Der äygptische Gott Shai (männlich, gerne als Hybrid zwischen Mann und Schlange dargestellt) ist dir wohl unbekannt? Aber auch Apophis?

Der völlig unbedeutende Shai ist ein religionsgeschichtlich spätes Produkt (Neues Reich), kann also nicht als Argument dafür dienen, dass männliche Götter ebenso ursprünglich mit Schlangen assoziiert wurden wie weibliche. Außerdem wurde er zunächst in Menschengestalt dargestellt und erst nachträglich als Schlange.

Dazu habe ich mich allgemein vor 2 Tagen bereits geäußert:

Schlangengottheiten waren ursprünglich, aufgrund bestimmter transkulturell gültiger Assoziationen, weiblich und wurden erst in späteren Zeiten entweder ins Männliche transformiert oder neu als männlich ersonnen.

"Aber auch Apophis?" - Was meinst du mit dieser Frage? Dass mir dieser Gott "unbekannt" ist? Rein zufällig schreibe ich hier schon seit Tagen über ihn.
 
Ich habe Ecos Werke zur Semiotik gelesen, kenne mich damit also aus. Du beziehst dich, wenn du mit "kultureller Festlegung" argumentierst, auf semiotische Prozesse in weitaus ausgereifteren kulturellen Phasen als die prähistorische Phase, auf die ich Bezug nehme (Paläolithikum). Ich halte eine solche Vorgehensweise für anachronistisch.
Du hältst das nur für anachronistisch, weil deine Behauptungen unbeweisbar sind.

Außerdem sprechen die Indizien und Belege grosso modo klar für die von mir vorgetragene Deutung.
So wie Shai und Apophis? ;) Ich bin mir sicher, du wirst auch hier die entsprechende Ausrede finden, warum Shai und Apophis ursprünglich mal weibliche Gottheiten waren o.ä. ...

transkulturelle Einheitlichkeit
Die gibt es nicht. Nochmal Zeichen sind als subjektive Festlegungen nicht natürlich.

Dass der Negativaspekt der "natürlichen" Ebene sich in einigen religiösen Mythen niederschlug (Tiamat, Apophis, Leviathan, Paradiesschlange) und schließlich, im Zuge der christlichen Negativierung des Weiblichen, die Schlangensymbolik gänzlich okkupierte (der böse weibliche Drache), bestätigt nur die Priorität des ursprünglich positiven religiösen Aspekts, der historisch ein Opfer der Projektion des negativen natürlichen Aspekts auf die religiöse Ebene im Zuge der Negativierung weiblicher religiöser Symbolik wurde (Beispiel "böse" Schlange -die eigentlich gar nicht "böse" ist, sondern einfach nur klug-, ursprünglich ein Muttergöttin-Symbol, in der Genesis).
Selbstverständlich, alles was dich widerlegt, bestätigt dich... So kann man es natürlich auch drehen...

Auch in China steht die Schlange für Heilung, Weisheit und den Übergang ins "Paradies", was ja kaum der Effekt einer "zufälligen" Übereinstimmung von semiotischen "Festlegungen" sein kann, wie du es pauschal behauptest.
Ich weiß nicht, welche Einflüsse von West nach Ost und von Ost nach West die Seidenstraße entlang gewandert sind, aber Glaubensvorstellungen sind auch mit dem kulturellen Austausch gewandert.
 
Der völlig unbedeutende Shai ist ein religionsgeschichtlich spätes Produkt (Neues Reich), kann also nicht als Argument dafür dienen, dass männliche Götter ebenso ursprünglich mit Schlangen assoziiert wurden wie weibliche. Außerdem wurde er zunächst in Menschengestalt dargestellt und erst nachträglich als Schlange.

Dazu habe ich mich allgemein vor 2 Tagen bereits geäußert:

Schlangengottheiten waren ursprünglich, aufgrund bestimmter transkulturell gültiger Assoziationen, weiblich und wurden erst in späteren Zeiten entweder ins Männliche transformiert oder neu als männlich ersonnen.

"Aber auch Apophis?" - Was meinst du mit dieser Frage? Dass mir dieser Gott "unbekannt" ist? Rein zufällig schreibe ich hier schon seit Tagen über ihn.
Apophis wird auch als Schlange dargestellt.
 
Ravenik hat mich hierauf aufmerksam gemacht:

Auch Apophis war ursprünglich weiblich. Die Negativierung des Weiblichen in der altorientalischen Mythologie, die mit der "Verhurung" der ursprünglich positiven Göttin Ischtar im Gilgamesh-Epos einsetzte und sich durch die Negativierung von Tiamat und Apophis fortsetzte, um in der Negativierung und Entgöttlichung der jüdischen Eva (= vermenschlichte Fruchtbarkeitsgöttin) zu gipfeln, gehört zu den Tiefpunkten der Religionsgeschichte, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Irgendwie wird hier für mich kein Schuh draus: Einerseits sollen Schlangengötter ursprünglich alle weiblich gewesen sein, andererseits alles weibliche negativiert worden sein und trotzdem war Apophis am Ende eine maskuline Gottheit? Also irgendwas stimmt doch hier in der Argumentationskette nicht.

Anderes Thema:

Diese Theorie ist umstritten, stammt aber [...] einem der bekanntesten Ägyptologen überhaupt.
Das ist kein Argument dafür, ob eine Theorie stimmig ist oder nicht. Argumente zählen, nicht Autoritäten.
 
Auch Apophis war ursprünglich weiblich. Die Negativierung des Weiblichen in der altorientalischen Mythologie, die mit der "Verhurung" der ursprünglich positiven Göttin Ischtar im Gilgamesh-Epos einsetzte und sich durch die Negativierung von Tiamat und Apophis fortsetzte, um in der Negativierung und Entgöttlichung der jüdischen Eva (= vermenschlichte Fruchtbarkeitsgöttin) zu gipfeln, gehört zu den Tiefpunkten der Religionsgeschichte, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Eva musste gar nicht engöttlicht werden, war sie doch aus der Rippe/Seite Adams (Adam bedeutet Mensch) entstanden. Der Schöpfungsmythos eines Glaubens, der auf dem Wege von der Monolatrie zum reinen Montheismus mit einem Schöpfergott war (und zur Zeit der schriftlichen Fixierung desselben bereits keine anderen untergeordneten Götterfiguren mehr existierten wie die eherne Schlange, das goldene Kalb etc.), konnte schlecht eine Göttin als ersten Menschen einsetzen. Adam und Eva werden als Einheit "erste Menschen" gesehen. Eine vermenschlichte Fruchtbarkeitsgöttin hätte den Monotheismus meinem Empfinden nach doch wohl empfindlich gestört und zwar deutlich mehr als ein goldenes Kalb. Sie hätte den Monotheismus ad absurdum geführt.
 
Dass die Schlangensymbolik mehrdeutig ist, bezweifelt ohnehin keiner, die Schlange kann selbstredend auch negative Verhaltensweisen verkörpern, weil sie in der Natur eine potentielle Gefahr für den Menschen darstellt. Nur spielt das in der religiösen Symbolik zunächst keine Rolle. Darüber hinaus zeigt sich auch hierin die transkulturelle Einheitlichkeit der Schlangensymbolik: Die Schlange gilt transkulturell einerseits als Symbol der Wiedergeburt und der Heilkraft und andererseits als Verkörperung negativer Eigenschaften, die dem Menschen schaden. Das widerlegt die von mir vorgetragene Deutung nicht im geringsten, denn es handelt sich um grundverschiedene Ebenen der Symbolisierung. Dass der Negativaspekt der "natürlichen" Ebene sich in einigen religiösen Mythen niederschlug (Tiamat, Apophis, Leviathan, Paradiesschlange) und schließlich, im Zuge der christlichen Negativierung des Weiblichen, die Schlangensymbolik gänzlich okkupierte (der böse weibliche Drache), bestätigt nur die Priorität des ursprünglich positiven religiösen Aspekts, der historisch ein Opfer der Projektion des negativen natürlichen Aspekts auf die religiöse Ebene im Zuge der Negativierung weiblicher religiöser Symbolik wurde (Beispiel "böse" Schlange -die eigentlich gar nicht "böse" ist, sondern einfach nur klug-, ursprünglich ein Muttergöttin-Symbol, in der Genesis).

Ich finde deine Vorschläge sehr interessant; dahinter steht eine komplexe Hypothese, die du ähnlich schon ein paar Beiträge präsentiertest:
Als keimhafter Satan erscheint im Mythos um Seth als Retter des Sonnengottes die Apophis-Schlange, ebenso wie die als Schlangenmonster gezeichnete Figur der Urgöttin Tiamat im babylonischen Enuma-Elish-Mythos das Urmodell der bösen Leviathan-Schlange des Judentums und des bösen Drachens der christlichen Johannesoffenbarung. Auch Apophis war ursprünglich weiblich. Die Negativierung des Weiblichen in der altorientalischen Mythologie, die mit der "Verhurung" der ursprünglich positiven Göttin Ischtar im Gilgamesh-Epos einsetzte und sich durch die Negativierung von Tiamat und Apophis fortsetzte, um in der Negativierung und Entgöttlichung der jüdischen Eva (= vermenschlichte Fruchtbarkeitsgöttin) zu gipfeln, gehört zu den Tiefpunkten der Religionsgeschichte, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.

Ich muß zugeben, daß mir der Gesamtbau des Thesenstruktur zu komplex erscheint; könntest du das anhand der Apophis-Schlange etwas detallierter ausführen, ohne in die motivgeschichtlichen Vergleiche abzugleiten, und stärker in altägyptischen Zusammenhängen verbleiben.
Die Vorstellung der Verdrängung von Fruchtbarkeitskulten spricht mich intuitiv an, aber läßt sich das bspw. für das Alte Ägypten belegen? Eine der dortigen ältsten Schlangengottheiten ist etwa Wadjet - vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Uräusschlange_(Symbol), was gemäß meines Eindruckes dazu nicht so gut paßt, es sei denn, man sieht in ihr vornehmlich die "himmlische Schlange“, die „die Nahrung des ewigen Lebens“ spende, wie es bei Wikipedia (Wadjet ? Wikipedia) heißt. Gibt es deiner Auffassung gemäß einen zusammenhängenden Übergang zu Apophis?

Weiter ausgreifend und allgemeiner gefragt: Es gibt gewissermaßen transkurell immer wieder die Vorstellung von basalen oder urmythischen Erdgottheiten, die häufig auch schlagenartige Aspekte aufweisen; aber müssen diese immer unausweichlich als die ursprünglichen Gottheiten angesehen werden, und dann auch noch unbedingt als weiblich eingestuft werden?
 
Eva musste gar nicht engöttlicht werden, war sie doch aus der Rippe/Seite Adams (Adam bedeutet Mensch) entstanden.

Ich sagte nicht, dass Eva entgöttlicht wurde, sondern dass sie die Entgöttlichung der traditionellen altorientalischen Fruchtbarkeitsgöttin verkörpert. Innerhalb des Genesismythos ist sie natürlich vom Start weg ein Mensch. "Adam" leitet sich übrigens von "adamah" ab, was "rote Erde" bedeutet. Im mesopotamischen Gilgamesh-Epos (2. Jt. BCE) wird der erste Mensch aus Erde geschaffen, die mit dem Blut des Gottes Kingu getränkt ist. Es ist klar, dass der jüdische Mythos auf dieses Bild zurückgreift, um seinen ersten Menschen benennen. Die jüdische Mythologie ist voll von solchen Übernahmen aus Mesopotamien (und Ägypten).

Ich möchte an dieser Stelle die durch Luther produzierte Illusion um die Schaffung der Eva aus Adams "Rippe" in Frage stellen:

Das hebräische Wort, das Luther mit "Rippe" übersetzte, ist "tsaela" und bedeutet keineswegs "Rippe", sondern "etwas Gebogenes" oder "etwas zur Seite Geneigtes". Es als "Seite" zu übersetzen, ist halbgar und kann nicht überzeugen. Mehrere Psychoanalytiker haben das "Gebogene" / "Geneigte", schon überzeugender, als eine Anspielung auf den Phallus des Adam gedeutet, im Sinne einer symbolischen Kastration. Funktional bleibt Adam sein Phallus natürlich erhalten.

Auch Luther war sich einer solchen Konnotation sicher bewusst und verfälschte den Wortsinn mit Absicht, wie er auch an anderen Stellen den hebräischen Urtext absichtlich falsch übersetzte, teilweise, um sexuelle Anspielungen zu verschleiern.

Eva entsteht also aus dem Phallus des Adam. Wer unter den Lesern sich hier die Augen reibt, möge berücksichtigen, dass in der griechischen Mythologie die Göttin Aphrodite, ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin wie die semitische Hawwa, ebenfalls aus dem abgeschnittenen Phallus des Gottes Uranos entsteht.

Adam und Eva werden als Einheit "erste Menschen" gesehen. Eine vermenschlichte Fruchtbarkeitsgöttin hätte den Monotheismus meinem Empfinden nach doch wohl empfindlich gestört und zwar deutlich mehr als ein goldenes Kalb. Sie hätte den Monotheismus ad absurdum geführt.

Genau deswegen wurde die traditionelle Fruchtbarkeitsgöttin im Genesistext ja vermenschlicht. Du hast mich da nur etwas falsch verstanden. Dass Eva ein vermenschlichtes Derivat der Fruchtbarkeitsgöttin Hawwa ist, habe ich durch zwei Indizien unbezweifelbar belegt (Name, Titulatur). Innerhalb des jüdischen Mythos ist sie natürlich keine Göttin, sondern nur deren Schatten.
 
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Eva entsteht also aus dem Phallus des Adam. Wer unter den Lesern sich hier die Augen reibt, möge berücksichtigen, dass in der griechischen Mythologie die Göttin Aphrodite, ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin wie die semitische Hawwa, ebenfalls aus dem abgeschnittenen Phallus des Gottes Uranos entsteht.
Bei Homer war sie allerdings noch die Tochter von Zeus und Dione. Aus abgeschnittenen Genitalien entstand sie erst bei Hesiod. Das beweist zwar nicht, dass das die jüngere Version sein muss, aber zumindest war es nicht die einzige. (Auch in der Bibliotheke des Pseudo-Apollodor ist Aphrodite die Tochter von Zeus und Dione. Zwar entstand die Bibliotheke vermutlich erst in der Kaiserzeit, es wird aber vermutet, dass sie sich auf sehr alte Quellen stützte, da in den in ihr nacherzählten Mythen viele spätere Elemente fehlen.) In Vergessenheit geriet die Dione-Version ohnehin nicht, wenngleich sie etwas ins Abseits geriet, aber auch bei Euripides ist sie zu finden.

Ich möchte an dieser Stelle die durch Luther produzierte Illusion um die Schaffung der Eva aus Adams "Rippe" in Frage stellen:

Das hebräische Wort, das Luther mit "Rippe" übersetzte, ist "tsaela" und bedeutet keineswegs "Rippe", sondern "etwas Gebogenes" oder "etwas zur Seite Geneigtes". Es als "Seite" zu übersetzen, ist halbgar und kann nicht überzeugen. Mehrere Psychoanalytiker haben das "Gebogene" / "Geneigte", schon überzeugender, als eine Anspielung auf den Phallus des Adam gedeutet, im Sinne einer symbolischen Kastration. Funktional bleibt Adam sein Phallus natürlich erhalten.

Auch Luther war sich einer solchen Konnotation sicher bewusst und verfälschte den Wortsinn mit Absicht, wie er auch an anderen Stellen den hebräischen Urtext absichtlich falsch übersetzte, teilweise, um sexuelle Anspielungen zu verschleiern.
Das kannst Du nicht Luther anlasten. In der Septuaginta wurde das Wort mit "pleura" wiedergegeben, was "Rippe" heißt, in der Vulgata mit "costa", ebenfalls alles andere als ein Phallus.

Eva entsteht also aus dem Phallus des Adam.
Und schon wird aus einer Spekulation ein Faktum ...
Wie hat Deiner Meinung nach Adam übrigens seine Kinder gezeugt, wenn Gott ihm seinen Phallus abgenommen hat?
 
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Das hebräische Wort, das Luther mit "Rippe" übersetzte, ist "tsaela" und bedeutet keineswegs "Rippe", sondern "etwas Gebogenes" oder "etwas zur Seite Geneigtes".

Rippe, hebräisch צלע, arabisch ضلع
Das sind die Radikale ṣ-l-' bzw. ḍ-l-'. Es gibt zwar Ṣād im Arabischen aber kein Ḍād im Hebräischen, das hebräische Ṣāde ist in arabischen Cognaten relativ häufig Ḍād (beispielsweise 'arḍ und ereṣ (eretz > ha-aretz)). Das hebräische ṣ wird im Neuhebräischen /ts/ ausgesprochen.
ṣ-l-', masoretisch ṣela'a ("tsela'a") und ḍ-l-', ḍil'a kann man also völlig korrekt anatomisch als Rippe übersetzen, beides bedeutet genau das.

Mehrere Psychoanalytiker haben das "Gebogene" / "Geneigte", schon überzeugender, als eine Anspielung auf den Phallus des Adam gedeutet, im Sinne einer symbolischen Kastration. Funktional bleibt Adam sein Phallus natürlich erhalten.
Ich halte mich in Übersetzungsfragen lieber an die Semitisten, denn an anonyme Psychoanalytiker. ;)

Auch Luther war sich einer solchen Konnotation sicher bewusst und verfälschte den Wortsinn mit Absicht, wie er auch an anderen Stellen den hebräischen Urtext absichtlich falsch übersetzte, teilweise, um sexuelle Anspielungen zu verschleiern.
In der Bibel, v.a. im AT gibt es jede Menge drastischer sexueller Darstellungen, warum ausgerechnet hier eine verschleiern?
 
Da ich das überlesen habe, meinen letzten Beitrag aber nicht mehr ändern kann:
im Sinne einer symbolischen Kastration. Funktional bleibt Adam sein Phallus natürlich erhalten.
In der Bibel steht aber nichts von einer symbolischen Entnahme. Dort wird handfest etwas entnommen und die Wunde dann ausdrücklich verschlossen:
Einheitsübersetzung: "nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch"
Vulgata: "tulit unam de costis eius et replevit carnem pro ea" = "nahm eine von seinen Rippen und füllte das Fleisch für sie an"
Septuaginta: καὶ ἀνεπλήρωσεν σάρκα ἀντ᾽ αὐτῆς = ... und füllte das Fleisch an ...

Auch Uranos wurde nicht nur symbolisch kastriert, sondern handfest.
Außerdem, was soll eigentlich eine "symbolische Kastration" in diesem Zusammenhang sein?
 
Ich muß zugeben, daß mir der Gesamtbau des Thesenstruktur zu komplex erscheint;

Das liegt nun einmal an der Komplexität der historischen Prozesse, die sich über Jahrtausende hinziehen.

könntest du das anhand der Apophis-Schlange etwas detallierter ausführen,

Belegt ist diese Figur erst ab dem Mittleren Reich, hatte aber vermutlich Vorläufer im Alten Reich, die, so wie die Chaosschlangen im AR-Mythos um die Ogdoad, weiblich waren.

Warum die Schlange im Mythos männlich konzipiert wurde, ist klar: Sie repräsentiert die Feinde des Pharao bzw. die Rivalen um den Thron. Eine solche Gestalt konnte in den patriarchalischen Zeiten des MR und später des NR natürlich nicht weiblich sein (die einzige Pharaonin Hatschepsut stylte sich männlich und führte einen männlichen Thronnamen). Auch alle feindlichen Könige der Fremdländer waren Männer. Es wäre also widersinnig gewesen, den Hauptgegner des Re (= Pharao) als weiblich zu konzipieren. Das erklärt das männliche gender des Re-Feindes.

Warum aber als Schlange?

Da der Feind des Sonnengottes in der Unterwelt, also unterhalb der Erdoberfläche, gegen Re (die untergegangene Sonne) kämpft und das Chaos repräsentiert, bot sich für die priesterlichen Autoren des Re-versus-Apophis-Mythos die Gestaltung dieses Feindes als Schlange natürlich unmittelbar an (siehe die weiblichen Chaosschlangen des Ogdoad als Vorbild für Apophis). Dabei griffen die Priester nicht auf die positiven Konnotationen der Schlange zurück (Regeneration, Wiedergeburt, Schutz), sondern auf die negativen (Gefahr und Verschlagenheit). Dass diese beiden Ebenen bei der Betrachtung des Schlangenthemas nicht durcheinandergeworfen werden sollten, wie dies z.B. El Quijote gerne unterläuft, darauf hatte ich schon gestern hingewiesen.

So also kam es, in meiner hypothetischen Rekonstruktion, zu der Gestaltung des Feindes des Sonnengottes als männliche Schlange.

Die Vorstellung der Verdrängung von Fruchtbarkeitskulten spricht mich intuitiv an, aber läßt sich das bspw. für das Alte Ägypten belegen?

Die altorientalische Religionsgeschichte ist sehr komplex, allein in Ägypten bestand eine Vielzahl von Kulten neben- und nacheinander mit z.T. äußerst unterschiedlichen Konzepten (Hathor-Kult, Re-Kult, Atum-Kult, Ptah-Kult, Isis-Kult, Osiris-Kult usw.). All diese Kulte sind Fruchtbarkeitskulte, nur der Kult um den Gott Ptah am Ende des 2. Jt. BCE hat eine stark anti"fertilistische" Tendenz, denn dieser Gott schafft alles nur "durch das Wort", Fruchtbarkeit wird hier also vergeistigt, was eine Absage an den sexuellen Schöpfungsmodus ist, wie er in den anderen Kulten mehr oder weniger gepflegt wurde. Diese "Schöpfung durch das Wort" wurde dann das Modell für den Schöpfungsmodus des israelitischen Jahwe.

Auch Mesopotamien, in Syrien und in der Ägäis wurden bis in die christliche Zeit hinein Fruchtbarkeitskulte hochgehalten, ebenso in Palästina, wo inbesondere der Kult um Baal und Aschera im Mittelpunkt stand, weshalb ihnen die Feindschaft der Israeliten in besonderem Maße galt.

Eine ausgesprochene "Verdrängung" von Fruchtbarkeitskulten fand also ausschließlich in der israelitischen Theologie und auf israelitisch dominiertem Territorium statt.

Weiter ausgreifend und allgemeiner gefragt: Es gibt gewissermaßen transkurell immer wieder die Vorstellung von basalen oder urmythischen Erdgottheiten, die häufig auch schlangenartige Aspekte aufweisen; aber müssen diese immer unausweichlich als die ursprünglichen Gottheiten angesehen werden, und dann auch noch unbedingt als weiblich eingestuft werden?

Die Schlangensymbolik muss ursprünglich im Kontext der ´Muttergöttin´ bzw. Urmutter des Paläolithikums gesehen werden, worauf ich mich im Artikel 15 vom 6. März bezog. Es gibt keinerlei archäologische Hinweise auf die paläolithische Verehrung eines männlichen ´Gottes´ bzw. eines Prototypen späterer männlicher Götter. In der nicht-patriarchalischen Wissenschaft (in diesem Forum noch stark in der Minderheit...) geht man daher davon aus, dass weibliche Gottheiten aka Urmütter bzw. daraus entstehende funktionale Differenzierungen die historisch ursprüngliche Form religiöser verehrter übernatürlicher Wesen waren.

Ich zitiere der Einfachheit halber unten einen eigenen älteren Text zu diesem Thema (bisher nicht in diesem Forum gepostet).

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Die konventionelle Religionswissenschaft ging bisher davon aus, dass das prähistorische Schamanentum eine Domäne der Männer war. Eine Untersuchung von Prof. Dean R. Snow aus dem Jahr 2013 hat allerdings ergeben, dass die Handabdrücke in diversen Kulthöhlen, die als ´Signaturen´ von Felsmalereien anzusehen sind, in der Überzahl ein weibliches Gender aufweisen. Die Hypothese liegt also nahe, dass schamanistische Praxis über Jahrzehntausende vorwiegend eine Angelegenheit der Frauen war. Laut Fachwissenschaftlern wie M. Winkelman und D. Lewis-Williams ist Höhlenkunst ein Produkt ekstatischer schamanischer Zustände und geschah oft im Zusammenhang mit Initiationen. Dafür sprechen auch die Orte mancher Zeichnungen, die in engen Stollen liegen und nur in unbequemer Körperhaltung erreicht werden können.

Die weibliche Dominanz im paläolithischen Schamanentum harmoniert mit der in der Religionswissenschaft nicht unumstrittenen These von der Urmutter-zentrierten paläolithischen Religiosität. Hier ist nicht der Ort, das Für und Wider dieser These zu diskutieren, ich begnüge mich mit dem Statement, dass die für die ´Urmutter´-Verehrung sprechenden Indizien ein größeres argumentatives Gewicht haben als alle dagegen angeführten skeptischen Argumente.

Die Paläolithiker dachten analogisch: Ähnlich wie der menschliche Mutterschoß bringt auch die Erde Leben zyklisch hervor, also imaginierte man sie als einen alles gebärenden Mutterschoß, in den das Leben sterbend zurückkehrt, um in neuer Gestalt wiederzuerstehen, und übertrug diese Vorstellung auf die Kulthöhle, die somit den Mutterleib und die ´Mutter Erde´ repräsentiert. Noch viele Jahrtausende später wird man in Ägypten das Sterben als Rückkehr in den Schoß der göttlichen Urmutter Nut (= Vulva) ansehen, deren Bild die Deckel vieler Särge zierte. Vermutlich galt die paläolithische Urmutter auch als Ur-Ahnin aller menschlichen Mütter, d.h. alle matrilinearen Generationen gingen aus ihr hervor.

Stilistisch ungewöhnlich, aber vom Sinn her charakteristisch für das paläolithische Denken präsentiert sich der Eingang der Höhle von La Magdeleine in Frankreich: Hier säumen zwei Frauenreliefs mit besonders betontem Schamdreieck den Eingang. Ihre Bedeutung lag vermutlich darin, den Besuchern der Höhle zu signalisieren, dass sie den weiblichen Schoß der Erde betreten, den Ort der Wiedergeburt von Tieren und Menschen im Rahmen des kosmischen Erneuerungskreislaufs. Im Innern vieler Höhlen finden sich Vulva-Zeichen verschiedener Art, die in der Höhle von zentraler Bedeutung sind. In El Castillo sind an den Wänden vier leuchtend rot gemalte Vulven zu sehen, neben die ein schwarzer Pfeil (ein Todeszeichen) gezeichnet wurde, was zusammengenommen als Symbolisierung von Tod und Wiedergeburt gedeutet werden kann. In Bedeilhac ist eine Vulva sehr naturgetreu im Lehmboden dargestellt, sie steht ´offen´ und zeigt die Klitoris. Die Beispiele ließen sich lange fortsetzen. Zu beachten ist, dass es sich dabei nicht um Sexual-, sondern um Regenerationssymbole handelt.

Die Rituale in diesen Kulthöhlen wurden, wie schon oben erwähnt, mehrheitlich vermutlich von Schamaninnen durchgeführt. Insofern der Schamanismus also eine ursprünglich weiblich dominierte Praxis war, ist diese Praxis als integraler Bestandteil der Urmutter-Religion anzusehen.

Einen weiteren Hinweis auf die zentrale Stellung des Weiblichen in der paläolithischen Religion liefern die zahlreichen Frauenfigurinen (oft mit betonter Vulva), die in einem Gebiet gefunden wurden, das vom Atlantik bis nach Sibirien reicht. Die meisten stammen aus der Zeit des Gravettien (29.000-22.000 vuZ).

Dass das Paläolithikum kein männliches Pendant zur ´Muttergöttin´ kannte, ist nur aus der Unkenntnis der Vaterschaft erklärbar. Aus demselben Grund hinterließ diese Ära auch keine fruchtbarkeitssymbolischen Darstellungen des Phallus. Das änderte sich nach der Einführung der Viezucht ab etwa 10.000 vuZ. Die ältesten bekannten Darstellungen eines menschlichen Sexualaktes stammen aus dem späten 9. Jahrtausend vuZ, der Frühphase des Neolithikums: ein Steinrelief und eine Steinskulptur aus der Natufien-Kultur in Ain Sakhri in Jordanien. Etwa zeitgleich ist die Steinskulptur eines ithyphallischen ´Fruchtbarkeitsgottes´ zu datieren, die man in Göbekli Tepe fand.

Weitere Funde fallen laut Catal-Hüyük-Ausgräber James Mellaart in das 6. Jahrtausend (5.800 vuZ in Tepe Güran, 5.800 vuZ in Sarab, 5.500 vuZ in Tell-es Sawwan und 5.000 vuZ in der Halaf-Kultur). Der Phallus etablierte sich also erst im Neolithikum als sakrales Symbol. Das ist umso erstaunlicher, als das Gegenstück, die sakral überhöhte Vagina, schon seit Jahrzehntausenden die religiöse Ikonographie prägte. Da ihr Fruchtbarkeitsaspekt diese Praxis begründete, kann das Fehlen des symbolischen Phallus nur bedeuten, dass die Vaterschaft bis zur Einführung der Viehzucht unbekannt war.

Im neolithischen Catal Hüyük (um 7000) sind, aus archäologischer Sicht erstmals, Indizien für einen maskulinen Gott erkennbar, der als stiergestaltiger Sohn der Urmutter verehrt wurde. Aus diesem Stiergott entwickelten sich nach und nach die unterschiedlichen Ausformungen männlicher Gottheiten, die zunächst vor allem eines waren: Fruchtbarkeitsgötter. Das lässt sich z.B. am Fruchtbarkeitsgott Enki erkennen, dem am frühesten nachweisbaren Mann-Gott der sumerischen Religion.

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Nur so als kleine Zwischenbemerkungen:

Es passiert häufiger, dass adom (rot) und adam (Mensch, "Erdling") miteinander verwechselt werden. Die hebräische Schrift ist ohne Punkte etwas gemein, was die Vokale betrifft. Die rote Erde scheint mir da etwas weit hergeholt... (... :grübel:so heißt doch ein Stadion :ironie:)
Aus Erde geformt ist der erste Mensch allerdings laut Schöpfungsgeschichte.
Meine Hebräischkenntnisse sind aber zugegebenermaßen eher etwas mickrig und ich liege hier möglicherweise falsch.

Ferner scheint mir die Schöpfung Evas über die Kastration Adams auch etwas weit hergeholt so à la Bruno Bettelheim. Die Menschen konnten sich einfach nicht erklären, wie der erste Mensch zustande gekommen sein sollte, also fielen ihnen Schöpfungsgeschichten ein. Ich glaube, wir tun uns keinen Gefallen damit, mit allzu aufgeklärten Hirnen (im Sinne der philosophischen Aufklärung) die Gedankengänge (Mythen) der damaligen Menschen interpretieren und psychologisieren zu wollen. Es gibt geschichtlich nachweisbare Parallelen innerhalb der Schöpfungsmythen und gut ist es. Interessant sind diese Zusammenhänge allemal.
 
Und der hebräische Text sagt:
ויפל יהוה אלהים תרדמה על־האדם ויישן ויקח אחת מצלעתיו ויסגר בשר תחתנה׃
;)
 
Die Schlangensymbolik muss ursprünglich im Kontext der ´Muttergöttin´ bzw. Urmutter des Paläolithikums gesehen werden, worauf ich mich im Artikel 15 vom 6. März bezog.

Dieser Beitrag ist Religion pur. Du verlangst von uns in einer Tour zu glauben und enthältst uns die Belege vor.

Es gibt keinerlei archäologische Hinweise auf die paläolithische Verehrung eines männlichen ´Gottes´ bzw. eines Prototypen späterer männlicher Götter.
Das behauptet auch niemand. Es wird lediglich von dir behauptet, dass es Belege für weibliche Götter gebe.

In der nicht-patriarchalischen Wissenschaft (in diesem Forum noch stark in der Minderheit...)
Wissenschaft sollte sich immer um Ideologiefreiheit bemühen. Da der Mensch nicht ideologiefrei ist, sollte er sich zumindest seiner Ideologie bewusst sein und ideologiekritisch (selbstkritisch) denken. Das lehnst du hiermit offen ab. Ergo: Was du betreibst, ist Religion!
 
Und der hebräische Text sagt:
ויפל יהוה אלהים תרדמה על־האדם ויישן ויקח אחת מצלעתיו ויסגר בשר תחתנה׃
;)

Im Übrigen ist miṣal'otaio 'von seinen Rippen' klar als Plural (scriptio defectiva ohne waw) gekennzeichnet. Noch ein Grund, warum hier wohl kaum für den Phallus argumentiert werden kann. Es sei denn, man unterstellte Adam, dass er mehrere Phalloi hatte. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das liegt nun einmal an der Komplexität der historischen Prozesse, die sich über Jahrtausende hinziehen.

Belegt ist diese Figur erst ab dem Mittleren Reich, hatte aber vermutlich Vorläufer im Alten Reich, die, so wie die Chaosschlangen im AR-Mythos um die Ogdoad, weiblich waren.

Warum die Schlange im Mythos männlich konzipiert wurde, ist klar: Sie repräsentiert die Feinde des Pharao bzw. die Rivalen um den Thron. Eine solche Gestalt konnte in den patriarchalischen Zeiten des MR und später des NR natürlich nicht weiblich sein (die einzige Pharaonin Hatschepsut stylte sich männlich und führte einen männlichen Thronnamen). Auch alle feindlichen Könige der Fremdländer waren Männer. Es wäre also widersinnig gewesen, den Hauptgegner des Re (= Pharao) als weiblich zu konzipieren. Das erklärt das männliche gender des Re-Feindes.

Warum aber als Schlange?

Da der Feind des Sonnengottes in der Unterwelt, also unterhalb der Erdoberfläche, gegen Re (die untergegangene Sonne) kämpft und das Chaos repräsentiert, bot sich für die priesterlichen Autoren des Re-versus-Apophis-Mythos die Gestaltung dieses Feindes als Schlange natürlich unmittelbar an (siehe die weiblichen Chaosschlangen des Ogdoad als Vorbild für Apophis). Dabei griffen die Priester nicht auf die positiven Konnotationen der Schlange zurück (Regeneration, Wiedergeburt, Schutz), sondern auf die negativen (Gefahr und Verschlagenheit). Dass diese beiden Ebenen bei der Betrachtung des Schlangenthemas nicht durcheinandergeworfen werden sollten, wie dies z.B. El Quijote gerne unterläuft, darauf hatte ich schon gestern hingewiesen.

So also kam es, in meiner hypothetischen Rekonstruktion, zu der Gestaltung des Feindes des Sonnengottes als männliche Schlange.

Darüber läßt sich herrlich oder fr(a)eulich fabulieren. Alles reine Spekulation.

1. Zur Männlichkeit von Apep bzw. Apophis kann zB hierauf verwiesen werden - Apophis wird hier als männlich dargestellt, um ihn entmannen zu können:

"Other evidence suggests that the reason for sexual images in tombs was to ensure sexual activity in the afterlife. Because of the importance of afterlife sexual activity, enemies of the deceased were to be rendered impotent. In some renditions of Spell 39 of the Book of the Dead, the arch enemy of order, Apophis, will be made impotent: ‘You shall not become erect, you shall not copulate, O Apophis . . .’ Temple scenes show that the enemies of Egypt had their phalli removed. While this was an effective means of counting dead enemies, it was also a means of ensuring that these individuals could not achieve an afterlife. Whether sexualized elements of funerary artefacts are intended as a means of rebirth, or of providing a sexualized afterlife, the archaeology surrounding funerary monuments makes it clear that the sexual needs of the male, not the female, are paramount. Or at least, it is not that women’s sexual needs are ignored, but rather that the woman needs to become a man with male sexual needs in order to achieve the afterlife."

-> Graves-Brown: Dancing for Hathor

Daraus die spätere Männlichkeit der Schlange zu konstruieren, weil die gegnerischen Könige Ägyptens Männer waren, ist nach meinem Geschmack reichlich hergeholt, aber der heutigen Phantasie sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt.

2. Darüber hinaus wird Apophis weder als Mann noch als Frau dargestellt, sondern als Element bzw. als Chaos. Die Darstellung findet man in verschiedenen Kulturen.

Chan schrieb:
Das erklärt das männliche gender des Re-Feindes.
Das erklärt gar nichts.

Chan schrieb:
Warum aber als Schlange?
Da gibt es viele Theorien, die sich mangels Quellen über die Interpretation durch Rezipienten oder Sender auch nicht pseudowissenschaftlich Richtigkeit anmaßen, sondern lediglich Plausibilitäten vortragen. Vielleicht deswegen:

"The idea of the surreal snake as an example of foreign influence provides a segue into another possibility of a foreign connection. The case has been made that the snake may have been a representation of the Near Eastern sea/chaos monster corresponding to an aspect of the Canaanite Yam, or the Biblical Leviathan. This is especially likely since there is a well established parallel between Apophis, an Egyptian chaos creature, and Leviathan, an Israelite/Canaanite chaos creature. While there have been some attempts to associate Leviathan with a crocodile or hippopotamus, these have proved to be untenable, and Leviathan has been firmly established as some kind of twisting snake representing chaos. Likewise, Apophis is represented as a snake. Izak Cornelius has demonstrated that stone reliefs found in both Egypt and the Levant depict a god figure that seems to be a combination of Seth and Ba’al fighting a large serpent. Pictured is a Sethian god slaying a serpent, but the garb is that of the Asiatic Ba’al. Both Seth and Ba’al were believed to have carried out the duty of killing the chaos serpent, known as Apophis in Egypt, and Leviathan, or ltn in the Levant. Apparently the motif of slaying the chaos serpent was enough of a commonality between the two cultures that at some point a “spilling over” of identity occurred. This syncretistic feature may also have been influenced by Seth’s association with foreigners, something that may have led to the establishment of a Seth cult in the eastern Delta, which was populated by Asiatics. At times there was undoubtedly an element of syncretistic mythology between the Egyptian Pantheon and the Semitic in the areas where there was a heavy Semitic population. It was sometime during the Middle Kingdom that Seth became the interpretation aegyptiaca of Ba’al and his various versions. The Shipwrecked Sailor may represent one of the early manifestations of this.
...
Likewise, Apophis is often found in the watery chaos during the journey of the sun barque."


-> Muhlestein, Levantine Thinking in Egypt, in: Egypt, Israel and Canaan

Auch hier kann man nun der Phantasie über Chaos(See)schlangen freien Lauf lassen, und daraus eine Ablösung von Gottesmutterkulten im Neolithikum interpretieren.

Das hat nur nichts mehr mit Geschichtswissenschaften zu tun.


3. Zur Männlichkeit der Schlange noch ein Nachtrag: damit verhält es sich wie mit der Männlichkeit des Krokodils oder des Skorpions oder eines Vogels - es läßt sich kein Bezug nachweisen.

Zahlreiche Namen von Königen der Proto- oder Frühdynastischen Zeit betreffen diese Tiere.

siehe:
-> Experiencing Power, Generating Authority - Hill/Jones/Morales.
-> Leprohon, The Great Name, Ancient Egypt Royal Titulary

4. Die Ogdoad tauchen sowohl in rein menschlicher Form als auch hybrid auf. Mann/Frau ist hier als paarweise Darstellung der 8 Götter zu sehen. Die Körperdarstellung ist in der hybriden Darstellungsweise nebensächlich (-> Wilkinson), somit ist hier die paarweise Darstellung Frosch/Schlange entscheidend, mit dem amphiben Bezug (resp. zu Wasser/Land). Der Bezug zu Apophis ist rein spekulativ, ebenso wie die levantinischen Bezüge rein spekulativ sind, siehe oben.

Sowohl klar männliche als auch weibliche Gottheiten tauchen im Übrigen - fallweise - mit Schlangenkörper auf.

Auf die weltanschaulichen Bezüge der Ablösung weiblicher durch männliche Gottheiten, sozusagen im neolithischen Geschlechterkampf sich entwickelnder komplexer, und dann patriarchaler Gesellschaften, muss man - mangels Substanz, und bei dermaßen viel Spekulation - nicht weiter eingehen.
 
Bei Homer war sie allerdings noch die Tochter von Zeus und Dione. Aus abgeschnittenen Genitalien entstand sie erst bei Hesiod. Das beweist zwar nicht, dass das die jüngere Version sein muss, aber zumindest war es nicht die einzige.

Vielleicht kann man da einen Bogen schlagen. Mit dem Bezug zur Sexualität ist die Parallele - Du hast schon auf unterschiedliche Versionen hingewiesen - ist die Version abgeschnittener Genitalien nicht verwunderlich. Siehe oben auch die Version zu Apophis, in der die Geschichte auftaucht. In hethitischen Mythen gibt es das ebenfalls: Kumarbi kastriert den Himmel, und schickt ihn unter die Erde.

Das simple Motiv der Separation von Himmel und Erde (so auch Aphrodite, aus dem Wasser geboren) wird häufiger, bis ins mesopotamische verfolgbar, mit dem (ebenfalls simplen) Motiv der Kastration verbunden. Auch eine unabhängige Parallele wäre mE jetzt nicht eine solche Sensation oder schlagender Beweis.

Seitenlang zu solchen Parallelen und auch Unterschiede bzw. Modifizierungen (so auch Aphrodite) wird hier ausgeführt: Penglase, Greek Myths and Mesopotamia. Man kann hier an naheliegende unabhängige Parallelen, oder auch an den Transport von Mythen aus dem Zweistromland nach Griechenland glauben. Speziell bei Aphrodite gibt es da langen Kriterienkataloge, nach denen wohl die herrschende Meinung summarisch einen Mythenfluss für sehr plausibel hält, etwa in der von Chan dargestellten Tendenz.

An einem einzigen Aspekt, hier das Kastrationsmotiv (was vielleicht besonders interessant erscheint :devil: ), macht das aber keiner fest.
 
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