warum wurde Faschismus toleriert ?

Nein, ist sie meiner Auffassung nach nicht per se. Es gibt einige Beispiele von Staaten, die offiziel sozialistisch waren/oder sind und dennoch - mehr oder weniger - Marktwirtschaft praktizier(t)en: die Neue Ökonomische Politik (NEP) der UdSSR der zwangiger Jahre, Jugoslawien praktizierte eine "sozialistische Marktwirtschaft", im offizell (immer noch) sozialistischen China (inwiefern der Begriff zutrifft ist ein anderes Blatt) ist es die offizielle Wirtschaftsmaxime.
Andererseits gibt es Ansätze zur Planwirtschaft auch in ganz und gar nicht sozialistischen Gesellschaften: Angefangen von der Kriegswirtschaft im Kaiserreich während des 1.WK (mit Bezugsscheinen), über FDR's New Deal bis zu dem letzten Fünfjahresplan in Frankreich, der 1993 endete.

Aber: In meinen Augen ist "reine" Planwirtschaft typisch für "sozialistische" Regierungssysteme während des Kalten Krieges. Es gibt Ausnahmen - Jugoslawien z.B. - jedoch war die überwiegende Mehrheit des Warschauer Paktes auf planwirtschaftlichen Kurs. Vielleicht vergleiche ich hier auch "Äppel mit Birnen", denn Sozialismus ist eine Gesellschaftsform, wohingegen Planwirtschaft ein ökonomisches Konzept ist.
Natürlich könnte man auch fragen, inwiefern der Merkantilismus des 17./18. JH Planwirtschaft ist - und das hat gar nichts mit Sozialismus zu tun.

Also du vergleichst nicht Äpfel mit Birnen, da die Planwirtschaft bzw. das geselschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln ein elementarer Bestandteil des Konzeptes des Sozialismus ist. Ich würde mich dir insofern anschließen, dass in der Praxis Planwirtschaft nicht immer im Sozialismus vorkommt bzw. in abgewandelter Form auch in anderen Staats- bzw. Gesellschaftsformen.

Kriegswirtschaft bzw. FDR's New Deal würde ich nicht unbedingt als Planwirtschaft definieren, mehr mit Elementen der Planwirtschaft. Eine Art "Mittelweg". Leider habe ich den Thread hier im Forum nicht gefunden, aber meiner Meinung nach würde ich das als "Merkantilismus" bzw. "Neo-Merkantilismus" bezeichnen. (Was mir beim Recherchieren dazu auffällt: Der heutige chinesische Kapitalismus passt relativ genau dazu, aber ich weiß nicht, ob dass zu tagesaktuell ist als das wir es hier diskutieren können)

EDIT: Ich habe den Thread gefunden: http://www.geschichtsforum.de/f66/die-wirtschaftsordnung-des-dritten-reichs-41083/
 
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Möchte zwar keine offene Tür einrennen, aber trotzdem darauf hinweisen.
Weil, hier ist von sozialistischer Planwirtschaft die Rede.

Das sollte man schon genauer ausdrücken.
Die DDR, die anderen sozialistischen Länder (Polen, CSSR usw.), incl. die UdSSR hatten eine zentrale sozialistische Planwirtschaft (Organe -> Staatliche Plankommission, Bezirks Plankommission, Kreis – und Stadtplankommission) und eine betriebliche Planwirtschaft.
Aber dies hier in diesen Thread mit anzusprechen?
 
Was genau meinst du mit betrieblicher Planwirtschaft?

Wie gesagt, gehört eigentlich nicht in diesen Thread, aber da Du fragst, versuche ich es hier zu beantworten.

Jeder Betrieb, jedes Kombinat hatte eine Planungsabteilung.
Diese war verantwortlich für die Erstellung des Planes. Dieser wurde so im späten Herbst für das folgende Jahr erarbeitet.

Aus den Fachbereichen gab es dazu Zuarbeiten.
Ich z.B. hatte den Fachbereich Betriebsmittel (in der DDR genannt Grundmittel).
Diese Zuarbeit erstreckte sich auf:
· Investitionen (Erweiterung– und Ersatzinvestitionen im Ausrüstungsbereich und baulichen Bereich (Gebäude, bauliche Anlagen)).
· Aussonderungen von Betriebsmittel.
· Instandhaltung von Betriebsmittel.

Zur zentralen staatlichen Planung gab es da insofern eine Beziehung, der Investition – und Instandhaltungsbereich (Instandhaltung ausgewählte Maßnahmen) wurde mit materiellen Kennziffern und Ausrüstungsfonds belegt.

Z.B.: plante ich die Anschaffung eines Kranes (Ersatz oder Erweiterung) benötigte ich dazu eine materielle Kennziffer und einen Fonds. Problem war in aller Regel der Fonds, denn dieser war die Voraussetzung, um beim Kranhersteller oder Außenhandel (Importgerät) den Typ zu bekommen, den man haben wollte.
Und dies war der sogenannte neuralgische Punkt, da ging sehr oft nichts im Selbstlauf, da musste man dran bleiben um nicht leer auszugehen. Das kostete Nerven und oft gingen da auch noch der Direktor und auch der Parteisekretär in die Spur.
Das finanzielle dazu war im Finanzplan des Betriebes eingearbeitet (Eigenmittel und/oder Kredit).
Eine ähnliche Prozedur hatten wir beim betrieblichen 5-Jahr Plan.

Nach 90ig verschwand die zentrale staatliche Planung.

Wer den Einstieg ins Neue schaffte (war keine Selbstverständlichkeit!) und sich mit den Alten auskannte, war da nicht traurig, weinte den keine Träne hinterher, weil, der Staat war aus diesen Geschäft heraus.

Was man plante musste finanzielle gesichert sein (war nichts Neues) und - das allerdings war dann Neu - man konnte den Lieferanten (Hersteller) i.d.R. unter mehreren selbst auswählen ohne Zwischenschaltung von irgendwelchen Plankommissionen (Kennziffern und Fonds).
 
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Danke! Aber abgesehen von der Zusammenarbeit mit den staatlichen Planung liest sich das nach dem, was ebenfalls bei Betrieben in kapitalistischen/marktwirtschaftlichen Systemen angewandt wird?
 
Also du vergleichst nicht Äpfel mit Birnen, da die Planwirtschaft bzw. das geselschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln ein elementarer Bestandteil des Konzeptes des Sozialismus ist. Ich würde mich dir insofern anschließen, dass in der Praxis Planwirtschaft nicht immer im Sozialismus vorkommt bzw. in abgewandelter Form auch in anderen Staats- bzw. Gesellschaftsformen.

Man sollte immer die Begriffspaare

Sozialismus - Kapitalismus
Zentrale Planwirtschaft - Marktwirtschaft

sauber unterscheiden.

Das erste beschreibt die Steuerungsmechanismen, dass zweite die Besitzverhaeltnisse.

Meist wird in sozialistischen Systemen zentral geplant, in kapitalistischen dezentral ueber Marktmechanismen.

Es gibt aber Ausnahmen (wie oben beschrieben):

In Kriegswirtschaften bleiben z. B. die Betriebsmittel in privater, kapitalistischer Hand. Es wird aber zentral geplant, was produziert wird und wie die Ressourcen (Arbeit, Rohstoffe, Energie, Devisen etc..) zugeteilt werden.

Mindestens in Frankreich (Planification) und Japan (MITI-System) wurde auch in der Nachkriegszeit noch versucht, die private Wirtschaft durch Staatliche Steuerung grob in wuenschenswerte Richtungen zu lenken.


Weiter gibt es das Modell, in dem die Betriebsmittel dem Volk und nicht den Unternehmern/Kapitalisten gehoeren, also sozialistisch sind. Die Betriebe aber dezentral marktwirtschaftlich planen und agieren.
Das hat den Charme, dass die ineffiziente Zentrale Planung vermieden wird, die Gewinne aber zur Gaenze der Gemeinschaft gehoeren. Die staatlichen Versorgungsunternehmen in Europa haben so bis zur grossen Privatisierungswelle ganz gut funktioniert. Und Ugh Valencia hat ja auch noch andere Beispiele gebracht.
 
Danke! Aber abgesehen von der Zusammenarbeit mit den staatlichen Planung liest sich das nach dem, was ebenfalls bei Betrieben in kapitalistischen/marktwirtschaftlichen Systemen angewandt wird?

Ja.
Durch meine Tätigkeit nach der Währungsumstellung kam ich mit vielen Unternehmern (teilweise Lieferanten) aus den alten Bundesländern zusammen und da kam natürlich das Gespräch auch oft auf solche Dinge.
Man war da schon ein wenig überrascht. Überzeugend war für diese Unternehmer wie schnell wir uns mit der sog. Neuen Planung zurecht fanden und auch verhandeln konnten.
Das gleiche erlebten wir mit unseren Wirtschaftsprüfern. Wir hatten es anfangs mit 2 Gesellschaften zu tun. Die eine hatte uns die Deutsche Bank (unsere neue Hausbank) empfohlen, die andere – eine Gesellschaft aus Frankfurt/Main - wurde uns von der Miramar aus Triest/Italien empfohlen.
 
der Faschismus kam anschliessend an die damals in Europa vorhandenen Monarchien, die als solche zumeist auch totalitär waren, insofern war das Vorhandensein eines 'starken Führers' nicht etwas abnormales, sondern es gab auch Leute, die das gut fanden.
 
Man sollte immer die Begriffspaare

Sozialismus - Kapitalismus
Zentrale Planwirtschaft - Marktwirtschaft

sauber unterscheiden.

Das erste beschreibt die Steuerungsmechanismen, dass zweite die Besitzverhaeltnisse.

Meist wird in sozialistischen Systemen zentral geplant, in kapitalistischen dezentral ueber Marktmechanismen.

Es gibt aber Ausnahmen (wie oben beschrieben):

In Kriegswirtschaften bleiben z. B. die Betriebsmittel in privater, kapitalistischer Hand. Es wird aber zentral geplant, was produziert wird und wie die Ressourcen (Arbeit, Rohstoffe, Energie, Devisen etc..) zugeteilt werden.

Mindestens in Frankreich (Planification) und Japan (MITI-System) wurde auch in der Nachkriegszeit noch versucht, die private Wirtschaft durch Staatliche Steuerung grob in wuenschenswerte Richtungen zu lenken.


Weiter gibt es das Modell, in dem die Betriebsmittel dem Volk und nicht den Unternehmern/Kapitalisten gehoeren, also sozialistisch sind. Die Betriebe aber dezentral marktwirtschaftlich planen und agieren.
Das hat den Charme, dass die ineffiziente Zentrale Planung vermieden wird, die Gewinne aber zur Gaenze der Gemeinschaft gehoeren. Die staatlichen Versorgungsunternehmen in Europa haben so bis zur grossen Privatisierungswelle ganz gut funktioniert. Und Ugh Valencia hat ja auch noch andere Beispiele gebracht.

Ich sehe das nicht unähnlich, ich werde morgen in der VWL-Bibliothek weiter recherchieren. (Wenn jemand dazu ein Buch kennt, immer her damit, ich würde das dann mir morgen mal ansehen).

Aber Kriegswirtschaft würde ich als Planwirtschaft deklarieren, wenn dann mehr "merkantilistisch".
Und ob die staatlichen Versorgungsbetriebe so gut funktioniert haben, ist eine andere Frage. (und gehört auch nicht hierher, denke ich).
 
Alles wieder ruhig? Gut.

El Quijote und Morifea bestreiten eine größere Ausstrahlungskraft der Nazis auf die Arbeiter. Dies ist richtig, tatsächlich hat der Anteil der NS-Stimmen aus der Arbeiterschaft nie mehr als 33% betragen (1933. Für 1932: 24%, Quelle: Falter, Hitlers Wähler). Auch der Anteil der Arbeiter an den Parteimitgliedern liegt in dieser Höhe (31% Arbeiter 1933). Somit ist die Arbeiterschaft unterrepräsentiert (bei etwa 45% Anteil an der Gesamtbevölkerung).

Das ist aber nur die halbe Miete. Tatsächlich ist der Faschismus IMhO nichts anderes (und doch ein bisschen mehr) als ein illegitimes Kind des Sozialismus.

Nicht nur Mussolini ist als Zeitungsredakteur der PSI ein ehemaliger Sozialist, sondern im Grunde die gesamte Führungselite der PNF. Dazu gibt es sogar ein ganzes Buch, das die Karrieren der einzelnen Faschisten im Detail darstellt: R. Michels, Sozialismus und Faszismus, 1925.

Das gilt auch mutatis mutandis für den deutschen Faschismus. Die NSDAP war als DAP von dem Schlosser Anton Drexler gegründet worden. Deren 25-Punkte-Programm lautete u.a. (nach wikipedia):
... in Punkt 11 eine Brechung der Zinsknechtschaft
„Einziehung der Kriegsgewinne“ (Punkt 12),
die Verstaatlichung der Trusts (Punkt 13), eine Gewinnbeteiligung an Großbetrieben (Punkt 14), einen Ausbau der Altersversorgung (Punkt 15),
Kommunalisierung der großen Warenhäuser zugunsten kleiner Gewerbetreibender, (Punkt 16),
eine Bodenreform, die die Möglichkeit schaffen sollte, Boden für gemeinnützige Zwecke entschädigungslos zu enteignen (Punkt 17),
Wenn das keine sozialistische Forderungen sind!

Viele bekannte Nazi-Größen standen zuvor den Sozialisten nahe: z.B. Sepp Dietrich, ehem. Soldatenrat; Hermann Esser, Sozialdemokrat; G.Feder, Anhänger der Eisner-Räteregierung; der berüchtigte Freisler Anhänger der KPD usw.

Schon kurz nach der Gründung hatte sich unter den Strasser-Brüdern ein sozialistischer Flügel gebildet. In der "Arbeitsgemeinschaft der nord- und westdeutschen Gaue" wurde unter seiner Führung ein Programm entworfen, in dem Forderungen wie die "Vereinigte Staaten von Europa", ein Bündnis mit der SU (!) und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel auftauchen.

Unter seinen Anhängern war Goebbels, der 1925 in sein Tagebuch schrieb:
National und sozialistisch! Was geht vor und was kommt nach? Bei uns im Westen kann die Frage gar nicht zweifelhaft sein. Zuerst die sozialistische Erlösung, dann kommt die nationale Befreiung wie ein Sturmwind.
(Kershaw, Hitler I, S.350)

Und noch 1941, kurz vor dem Russlandfeldzug, kontrastiert Goebbels den "echten Sozialismus" (= NSDAP) mit dem "jüdischen Bolschwismus" (=KPdSU). (Kershaw Hitler II, S. 509). Nebenbei: 62% der SA kamen aus dem Arbeitermilieu (Bayern 1932, vgl. D. Mühlberger, The Social basis of European fascist movements). Das gilt schon nicht mehr für die SS, und das ist bezeichnend.

Selbst Hitler hat gelegentlich den Sozialismus der NSDAP unterstrichen: in einer Rede vom Januar 1923: "...umso fanatischer sozialistisch werden wir sein.“ Oder noch 1942 in den Tischgesprächen: „Nationalsozialismus und Marxismus sind im Grunde dasselbe“. Oho!

Es ist bekannt, dass diese Richtung in der NSDAP spätestens seit 1926, dem Weimarer Parteitag, keine Zukunft mehr hatte, der Münchener Flügel hatte unter Hitler die Führung übernommen, der Sozialismus wurde durch den Nationalismus ersetzt.

Also: man muss unterscheiden zwischen der Bindung der Arbeiterschaft an die NSDAP (eher mäßig) und der Herkunft der Partei aus dem sozialistischen Spektrum (eher mächtig). Das Sozialistische wurde durch das Nationalistische austariert und dank Hitler durch es ersetzt. Von der ursprünglichen Idee her aber folgte man so etwas wie einem nationalen Sozialismus à la Titos Linksnationalismus. Und dieses böse Zwiegespann hat letztlich die Attraktivität der NSDAP ausgemacht, um mal auf die Frage des Threads einzugehen: der Nationalismus als "rückwärtsgewandte" Ideologie, der Sozalismus als "vorwärtsorientiert", ein undefinierbares, widersprüchliches Gebräu, in das man jegliche Ingredienz mischen kann.

Übrigens gilt das sogar für Teile der sog. Völkischen: auch hier kommen etliche aus dem sozialistischen Milieu, und man sollte vielleicht nicht vergessen, dass der Ober- und Ur-Antisemit Richard Wagner in seiner Jugend Bakunin nahestand.
 
Du führst da eine ganze Menge Wortbeispiele an, Eumolp, und dennoch sind das nur Worte. Im Prinzip wurden da nur einige Begriff semantisch entkernt, um anschlussfähig zu werden.
Ich will jetzt gar nicht in die Tagespolitik rein, aber FDP und CSU haben vor Jahren schon die Autonome Antifa als "Linksfaschisten" bezeichnet. Das ist eine Zuschreibung, welche zunächst einmal irritieren soll. Die AfD, die nach rechts hin offen ist, hat diese Etikettierung dankbar aufgegriffen. Nun schimpfen Leute, die keine Berührungsängts zu Faschisten haben bzw. teilweise selber faschistisch sind, über ihre Gegner als "Faschisten". Das ist Framing, das ist Aushöhlung der Sprache, um sie semantisch neu zu füllen. Und genau das hat man vor 90 Jahren auch schon getan. Man hat Worte genommen und sie wieder befüllt.
Das peinliche Gebrabbel Hitlers, das in den Tischgesprächen protokolliert ist, kann man nur sehr schwer ernst nehmen.
 
Das ist aber nur die halbe Miete. Tatsächlich ist der Faschismus IMhO nichts anderes (und doch ein bisschen mehr) als ein illegitimes Kind des Sozialismus.

In derartig dubiosen Aussagen spiegeln sich eine Reihe von Problemen.

1. Es knüpft an den Versuch an, extreme Linke = extreme Rechte, gleichzusetzen. Dieser Versuch ist politisch motiviert und der Versuch, einer pauschalen Diskreditierung. Politisch - vielleicht - nachvollziehbar. Bezogen auf die Ideengeschichte völliger Unsinn.

2. In dieser Aussage spiegelt sich auch die Diskussion über "Totalitarismus" wider, die die Gleichsetzung unter komparativen Voraussetzungen für das NS-Regime und den Stalinismus diskutierte. Und vor allem Historiker sich zunehmend davon distanzieren, beide politischen Systeme als "ähnlich" zu klassifizieren.

3. Und weil eine derartige Aussage eher an seiner politischen Wirkung interessiert ist wird er Probleme haben, in der relevanten Literatur entsprechende Unterstützung zu finden.

4. Dass der Faschismus parallel zum Sozialismus seinen Aufstieg in der gleichen Epoche vollzog, ist nicht als Ursache dem Sozialismus anzulasten. Der gemeinsame Ursprung liegt in der Ablösung eines absolutistischen Staates durch nationalistische Staaten mit einem hohen Grad an Mobilisierung der Massen. Beiden gemeinsam ist der Anspruch, die daraus resultierenden politischen und sozialen Verwerfen der "Moderne" beherrschbar zu machen. In diesem Sinne sind sowohl der Sozialismus und auch der Faschismus alternative Strategien der gesellschaftlichen Modernisierung. (vgl. z.B. Bavay: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus oder Prinz & Zitelmann: Nationalsozialismus und Moderniserung)

5. Die Art der Diskussion bzw. der Gleichstellung beider sozialen Bewegungen zeigt, dass er sich mit den ideologischen Konstrukten des Faschismus bzw. des Nationalsozialismus und des marxistisch geprägten Sozialismus offensichtlich nicht ansatzweise beschäftigt hat.

Die sprachlichen Anknüpfungspunkte eines "Front-Sozialismus", eines "National-Bolschewismus" oder von Ideen, die beispielsweise Rathenau diskutierte, einer "solidarischen Volksgemeinschaft", entspringt dann auch genau der Wahrnehmung von Krisen und dem Versuch, eine legale, legitime und gerechte Lösung zu finden.

Und an diesem Punkt sind die Ähnlichkeiten zu suchen. Im weitesten Sinne versuchen beide Ideologien das Problem der sozialen Integration, der politischen Herrschaft und der Verteilung des wirtschaftlichen Wohlstands in den Griff zu bekommen. Allerdings ist sowohl die Analyse wie auch die Konsequenzen diametral gegensätzlich.

Wie an dem Beispiel "Internationalismus" vs "Nationalismus" schnell deutlich wird. Aber solche "Kleinigkeiten" interessieren ja nicht wirklich, weil sie das Bild nur unnötig komplizieren.

"Offcially, Fascism was born in Milan on Sunday, March 23, 1919,....to declare war against socialism....because it has opposed nationalism" (vgl. Paxton)

Arendt, Hannah (2013): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus. , 15. Aufl. München: Piper
Bauerkämper, Arnd; Kocka, Jürgen (2006): Der Faschismus in Europa 1918-1945. Jürgen Kocka zum 65. Geburtstag am 19. April 2006. Reclam: Stuttgart
Bracher, Karl Dietrich (1976): Zeitgeschichtliche Kontroversen. Um Faschismus, Totalitarismus, Demokratie. München: Piper
Geyer, Michael; Fitzpatrick, Sheila (Hg.) (2009): Beyond totalitarianism. Stalinism and Nazism compared. 1. publ. Cambridge[u.a.]: Cambridge Univ. Press.
Gleason, Abbott (1998): Totalitarianism. The inner history of the Cold War. New York, Oxford: Oxford University Press.
Jesse, Eckhard (Hg.) (1999): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung. Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges
Kershaw, Ian; Lewin, Moshe (Hg.) (1997): Stalinism and nazism. Dictatorships in comparison. Cambridge: Cambridge University Press.
Nolte, Ernst (Hg.) (1979): Theorien über den Faschismus. 5. Aufl. Königstein/Ts.: Athenäum
Nolte, Ernst (1990.): Der Faschismus in seiner Epoche. Action française, Italienischer Faschismus, Nationalsozialismus. 8. Aufl., Neuausg. 1984, München, Zürich: Piper
Paxton, Robert O. (2004): The anatomy of fascism. Princeton, N.J.: Recording for the Blind & Dyslexic.
Payne, Stanley G. (1995): A history of fascism, 1914-1945. Madison, Wis.: Univ. of Wisconsin Press.
 
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Ich habe weder eine ideengeschichtliche Anaylse geliefert noch bloße Worte von irgendwelchen Leuten aneinandergereiht, sondern mich vor allem auf die Herkunft der faschistischen Bewegungen konzentriert. (Was Hitlers Auslassungen betrifft... nun ja, ein Argument sehe ich auch nicht darin. Eher schon bei Goebbels, denn das sind Aussagen, die nicht für die Mitwelt gemacht sind).

Insofern läuft die Kritik ins Leere. Weder interessiert mich bei dieser Diskussion der Gebrauch des Faschismusbegriffs bei obskuren Parteien (der Sozialfaschismus-Vorwurf der KPD fehlt in der Liste), noch die Rassetheorien oder die Klassenanalyse, sondern gewissermaßen der soziale Untersatz der Zukurzgekommenen.

Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Ressentiment und Angst. Wobei eine "Theorie" bei den Faschisten gar nicht vorlag, vielmehr ein Gemisch verschiedenster Versatzstücke. Daher wird man bei den Nazis solche pseudowissenschaftlichen Theorien wie dial. Materialismus oder Mehrwerttheorie vergeblich suchen. Die Wirtschaftspolitik der Hitlerregierung war keynesianisch wie die Roosevelts, ohne dass ich daraus schließen würde, dass der Faschismus zum Keynesianismus führt. Genausowenig, dass Sozialismus zum Faschismus führt.

Wenn sich aus den Weltkriegswirren und der Auflösung der alten Welt eine politische Bewegung der Gescheiterten entwickelte, so hatte diese im Wesentlichen 2 Optionen, dem liberal-kapitalistischen Ideologie etwas entgegenzusetzen: man rekurriert auf die überkommene Adelsgesellschaft oder auf die sozialistische Opposition. Viel mehr Alternativen gab es eigentlich nicht. Das erste war nicht populär, also...

Wenn ich von "illegitimem Kind des Sozialismus" gesprochen habe, so impliziert das 2 Elternteile. Der eine ist die soziale Frage, der andere das "völkische" Element i.w.S. und geht somit über den Nationenbegriff hinaus. (Und hat tatsächlich seine Entsprechung in der Annektionspolitik bis 1939). Erst dieses Gemisch erzeugt den Faschismus, eben diese eigentümliche Gleichzeitigkeit von archaischem Denken (Wehrbauern, Germanenkult, Ariertum) und Moderne (vor allem Rüstungstechnik, aber auch Propaganda).

Falsch ist war an meinem Beitrag lediglich die Redewendung "nichts anderes als", richtig wäre gewesen: "zu einem Gutteil".

Ich habe aber durchaus einen biographischen Zugang zum Thema, der den gelehrten Herren vielleicht abgeht: meinen Vater nämlich, zufälligerweise auch ein Schlosser, ein glühender Hitler-Fan und SPD-Wähler; er hat mich als Kind immer zu Reden von Willy Brandt mitgenommen. Für ihn bestand da kein Widerspruch, beide waren seiner Meinung nach für die "kleinen Leute" eingetreten, aber für Klassen- oder Rassenkampf hat er sich nicht interessiert.
 
Warum wurde Faschismus toleriert?

Die Frage stellt sich einer Generation, welche in einer modernen Demokratie aufgewachsen ist und wenig kritisch hinterfragend davon ausgeht, dass diese Regierungsform überall auf der Welt die Norm ist und die höchste Entwicklungsform der Menschheitskultur darstellt (so habe ich das zumindest vor ca 30 Jahren in der Schule gelernt).

Fakt ist, dass die Idee der Gleichheit der Menschen relativ neu ist, vor allem in Betracht der gesamten Zeit der Menschheit. Die Idee einer Regierungsform, wo jeder Mensch das Recht hat sich seine Regenten zu wählen sogar super-neu. (Die Demokratie der Antike hat extrem wenig mit der Demokratie des Jahres 2020 zu tun. Damals durften nur Männer, die reich und örtlich geboren worden waren überhaupt mitstimmen. Arme, Frauen, Sklaven oder Fremde (Sog. Barbaren) hatten keinerlei Stimmrecht.)
Auch in neueren Zeiten sahen Demokratien wie die USA vor dem Sezessionskrieg die Gleichheit der Bewohner des Landes unter anderen Blickwinkeln. Schwarze waren zuerst nicht einmal Menschen sondern Gegenstände, auch später noch minderwertig (Apartheit), bis in die heutige Zeit.
In Europa lebten die Menschen mehr als 2000 Jahre lang in Autokratische Regierungsformen, kannten gar nichts anderes. Die frühen Demokratien der Zwischenkriegszeit waren ebenfalls mit der heutigen Demokratien nicht zu vergleichen. Es war nicht verpönt Hetzreden gegen die politischen Mitbewerber zu führen, mit einem Knüpel zu einer Demo zu gehen um diesen als Argumentverstärker einzusetzen, oder gleich mit Schusswaffen das Feuer auf Gegendemonstranten zu eröffnen. Kann man sich heute kaum vorstellen, dass dies vor einer Bundeswahl so abgehen würde, aber in den 30er normal.
Das die Leute daher wenig Empathie für die Demokratie empfanden und anderen Regierungsformen a la Faschismus oder Kommunismus eine Chance gaben, hat einerseits mit diesem anderen Umfeld zu tun, und andererseits gab es kein geschichtliches Vorwissen, über welches wir heute verfügen (Unser Wissen über den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und all den Gräueltaten).

Der Faschismus baute in seiner Grundidee auf eine Naturelle Begründung seiner Ideologie auf (Das Recht des Stärkeren aus dem Tierreich), während wir heute eine sehr Geistliche Ideologie als moralische Grundlage betrachten (Das Schwache ist schützenswert und muss von den Starken verteidigt und unterstützt werden).
So wie wir heute (basierend auf unserer Sichtweise von Moral) es unverständlich finden, dass die Menschen in den 30er es zugelassen haben, dass Minderheiten unterdrückt werden, genauso hätten die Menschen aus den 30er es befremdlich gefunden, wenn man ihnen von Quotenregelungen (Frauen, Ethnien, Menschen mit Behinderungen, usw) bezüglich Arbeitsplätzen erzählt hätte. Es ist also der Kontext der Lebensumstände, des geschichtlichen Vorfelds und Vorwissens und der Mangel an schlechten Erfahrungen mit dem Horror Faschistischer Regime, welches die Menschen offen gegenüber deren Auftstieg gelassen hat.
 
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