Der Germanicus-Horizont: Kalkriese und ein Brand in Köln 13/14 n. Chr.

@Agricola

Die Münzstätte in Lugdunum gab es spätestens 7 v. Chr.

Die wichtigsten frühkaiserzeitlichen Münzserien, die in Lyon (Lugdunum) geprägt wurden, waren:

Altarserie I: geprägt zwischen 7 - 3 v. Chr. (und ist auch Schlußmünze der Bronzeprägungen in Kalkriese, Haltern und Waldgirmes)

Altarserie II: geprägt ab 10 n. Chr. - fehlt an obigen Plätzen, ist aber im Brandhorizont von Köln und im nach 15/16 n. Chr. von vom Hochwasser zerstörten Lager Augsburg-Oberhausen (reichlich) vorhanden.

Lugdunum war Hauptstadt der drei Gallien und Germanicus befand sich - laut der Annalen des Tacitus im Sommer 14 n. Chr. x-Wochen oder Monate für (Steuer-)Schätzungen in Gallien.
(Der wird sich doch nicht erdreistet haben, die dort als Kleingeld im Umlauf befindlichen Münzen der Lugdunum II-Serie in seiner Portokasse mit an den Rhein gebracht zu haben, oder? ;))

Übrigens:
Gerade in den Regionen des obergermanischen Heeres, die ja ursprünglich (zu Caesars Zeiten) "gallisch" - nicht "germanisch" waren, gab es durchgängig (auch schon vorrömisch) immer enge wirtschaftliche Beziehungen nach Innergallien.
Warum dann ausgerechnet zwischen 10 und 15 n. Chr. das in Innergallien im Umlauf befindliche Kleingeld NICHT zumindest an den Ober- und Mittelrhein gelangt sein soll, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. - Und die in Obergermanien stationierten Legionen waren auch an den Feldzügen unter Germanicus beteiligt.

Sorry, aber ich kann die These, der nur verzögerten Verbreitung der ab 10 n. Chr. geprägten Münzen bei den am Rhein stationierten Legionen, mit denen die Kritiker Kalkriese für eines der Schlachtfelder 15/16 n. Chr. hindiskutieren wollen, nicht nachvollziehen.
Irgendwie fällt mir Ockhams razor dazu ein.

Viele Grüße von
Nemetona
(die bei der Hitze gerade zerfließt)

Hallo Nemetona,

da streitet man sich immer noch. Fest steht, dass der Altar in Lugdunum am 1. August 10 v. Chr. eingeweiht worden ist (Sueton, Claudius 2,1). Da man aber in Oberaden keine Lugdunum-Asse der I. Serie gefunden hatte, gab P. Ilisch zu bedenken, ob man nicht erst 8/7 v. Chr. damit begonnen wurde (P. Ilisch 1991, 148). P. Zanker verwies auf die Tiberius Serien (Ara Providentiae) in Tarraco, welche erst Jahre später nach ihrer Einweihung geprägt wurden (1987).

Grüße
 
Huhu Hermundure,

danke.

Aber ich habe doch gar nicht die Einweihung des Altars in Lugdunum gemeint, sondern den Start der Münzprägungen, die ja nicht zeitgleich mit der Einweihung sein müssen.

Ich hatte auf die Frage von agricola geantwortet, wann die Münzstätte in Lugdunum startete.
Und ein Datum im 1. Jahrzehnt vor unserer Zeitrechnung, dürfte da eigentlich unbestritten sein (was für die übergeordnete Fragestellung relevant ist). Ich denke, dass Du mir bei den +/- Prägezeiträume der Altarserien in etwa zustimmst, oder?

Alles gut.

Viele Grüße

Nemetona
 
(Der wird sich doch nicht erdreistet haben, die dort als Kleingeld im Umlauf befindlichen Münzen der Lugdunum II-Serie in seiner Portokasse mit an den Rhein gebracht zu haben, oder? ;))

Kleingeld war sehr wichtig für Soldaten. Ohne Kleingeld konnte man nicht vernünftig zocken. Mangel an Kleingeld war ein unbedingter Grund einen Kaiser zu stürzen. Ergo musste die Kleingeldversorgung unter allen Umständen aufrecht erhalten werden! ;)
 
Hmmh,

wenn also Germanicus und seine Soldaten mit der 2. Serie der Lyon-Altar-Asse durch Germanien marschiert sind, dann haben die keine Münzen verloren. Zumindest wurden bis heute keine entsprechenden Funde gemacht.

Da man Haltern und Waldgirmes ausgiebig ausgegraben hat, wären - numismatisch gesehen - beide Orte 9 uZ untergegangen. Die Ausgräber der Hessischen Landesarchäologie als auch der Archäologen in NRW liegen also mit ihren Thesen falsch, dass Haltern sowie Waldgirmes noch nach 9 uZ weitergeführt worden sind.

Entweder ist die Datierung des Kölner Brandes falsch oder einige hochkarätige Ausgräber beherrschen ihr Metier nicht.

In dem angesprochenen Sonderheft wird darauf hingewiesen, dass Steuerwesen und die eigentliche Statthalterschaft streng getrennt waren. Varus konnte Recht sprechen, aber keine Steuern erheben. Hier gab es eine Ämtertrennung. Das gilt auch für Germanicus. Die Vorstellung, dass Germanicus sich die nicht vorhandenen Taschen seiner Toga einfach mit Steuergeldern füllt, haut so nicht hin.
 
Hmmh,

wenn also Germanicus und seine Soldaten mit der 2. Serie der Lyon-Altar-Asse durch Germanien marschiert sind, dann haben die keine Münzen verloren. Zumindest wurden bis heute keine entsprechenden Funde gemacht.

Da man Haltern und Waldgirmes ausgiebig ausgegraben hat, wären - numismatisch gesehen - beide Orte 9 uZ untergegangen. Die Ausgräber der Hessischen Landesarchäologie als auch der Archäologen in NRW liegen also mit ihren Thesen falsch, dass Haltern sowie Waldgirmes noch nach 9 uZ weitergeführt worden sind.

Entweder ist die Datierung des Kölner Brandes falsch oder einige hochkarätige Ausgräber beherrschen ihr Metier nicht.

In dem angesprochenen Sonderheft wird darauf hingewiesen, dass Steuerwesen und die eigentliche Statthalterschaft streng getrennt waren. Varus konnte Recht sprechen, aber keine Steuern erheben. Hier gab es eine Ämtertrennung. Das gilt auch für Germanicus. Die Vorstellung, dass Germanicus sich die nicht vorhandenen Taschen seiner Toga einfach mit Steuergeldern füllt, haut so nicht hin.

aus der Erinnerung heraus beruhen die Annahmen über die Aufgabe von Lager Haltern und Waldgirmes aus folgenden Funden und Befunden:

  • Lager Haltern: der Fund von Skeletten, die als Germanen identifiziert worden sind. Hier ist die Vermutung, dass diese bei einer erfolglosen Belagerung ums Leben gekommen sind. In der Überlieferung paßt das zu Aliso, das als einziges Lager rechtsrheinisch nicht nach der Varusschlacht erobert wurde, und danach noch bestand. Wieder wurde es dann Jahre später benutzt.
  • Waldgirmes: es wurden Straßenausbesserungen festgestellt, unterhalb der Schicht wurden Fragmente eines Standbildes gefunden, das vermutlich 9 n. Chr. zerstört wurde.

Zu Haltern/Aliso habe ich schon hier geschrieben, dass es vielleicht noch ein unbekanntes postvarianisches Lager Aliso gibt, das den Namen von dem alten Lager übernommen hat.

Der Weiterbestand von Waldgirmes kann auch so ausgesehen haben, dass nach einer Räumung im Zusammenhang mit der Varuskatastrophe, die Zivilsiedlung wieder aufgebaut werden sollte und damit die Ausbesserungen stattfanden. Da waren vielleicht nur kleinere Bautrupps am Werke, die nicht unbedingt ihre Barschaft verloren haben,

Zu der Ämtertrennung zwischen Steuerwesen und Statthalterschaft: ich bin ein wenig überrascht, denn ich hätte erwartet, dass das Steuerwesen bei der Provinzialverwaltung angesiedelt war. Es gab doch das berühmte Bonmot über Varus (?), dass er arm in eine reiche Provinz ging und reich eine arme Provinz verließ.
 
Huhu Hermundure,

danke.

Aber ich habe doch gar nicht die Einweihung des Altars in Lugdunum gemeint, sondern den Start der Münzprägungen, die ja nicht zeitgleich mit der Einweihung sein müssen.

Ich hatte auf die Frage von agricola geantwortet, wann die Münzstätte in Lugdunum startete.
Und ein Datum im 1. Jahrzehnt vor unserer Zeitrechnung, dürfte da eigentlich unbestritten sein (was für die übergeordnete Fragestellung relevant ist). Ich denke, dass Du mir bei den +/- Prägezeiträume der Altarserien in etwa zustimmst, oder?

Alles gut.

Viele Grüße

Nemetona


Hallo Nemetona,

ich gehe sogar davon aus, dass eine Karenzzeit zwischen Einweihung und Ausgabe vorliegt. Das sieht man auch an den Gaius-Lucius Denaren (B. Sicherl 2012 noch im Druck; M. Barkowski 2010). Diese sind weder in Anreppen (über 500 Fundmünzen bisher), noch Marktbreit vorhanden. In den Denar-Hortfunden in Dalmatien und Pannonien (pro Hort nur 1 bis max. 2 Stück vorhanden) bilden diese die Schlußmünze (Biliĉ 2012). Die Ausgabe wird mittlerweile auf die Jahre 5/6 n. Chr. (in Pannonien; Biliĉ) und 7 n. Chr. (in Germanien - Beginn Statthalterschaft des Varus; Sicherl und Barkowski) hochdatiert.

Grüße
 
Hallo Nemetona,

da streitet man sich immer noch. Fest steht, dass der Altar in Lugdunum am 1. August 10 v. Chr. eingeweiht worden ist (Sueton, Claudius 2,1). Da man aber in Oberaden keine Lugdunum-Asse der I. Serie gefunden hatte, gab P. Ilisch zu bedenken, ob man nicht erst 8/7 v. Chr. damit begonnen wurde (P. Ilisch 1991, 148). P. Zanker verwies auf die Tiberius Serien (Ara Providentiae) in Tarraco, welche erst Jahre später nach ihrer Einweihung geprägt wurden (1987).

Grüße

Das ist richtig.
Ursprünglich ging man wohl wirklich von 10 v.Chr aus wegen der Einweihung des Altars. Und lt Giard sollte die Prägung bis ca. 7 v.Chr. angedauert haben. Meinen Informationen zur Folge war es Johann von Heesch, der aufgrund des Fehlens dieser Münze in Oberaden den Prägebeginn auf 7 v. Chr. gelegt hat. Und wegen des Fehlens des Titels pater patriae geht er davon aus, daß sie 2 v. Chr. nicht mehr geprägt wurden.
 
Huhu,
Hmmh,

In dem angesprochenen Sonderheft wird darauf hingewiesen, dass Steuerwesen und die eigentliche Statthalterschaft streng getrennt waren. Varus konnte Recht sprechen, aber keine Steuern erheben. Hier gab es eine Ämtertrennung. Das gilt auch für Germanicus. Die Vorstellung, dass Germanicus sich die nicht vorhandenen Taschen seiner Toga einfach mit Steuergeldern füllt, haut so nicht hin.

Habe mal gerade mal nicht das Sonderheft sondern "Fischer, Th.(Hrsg.): Die Römischen Provinzen, Stuttgart 2001" herangezogen, um mich noch mal zu vergewissern.

Ja, für die kaiserlichen Provinzen - und die drei gallischen waren kaiserliche - waren Statthalterschaft und Steuereintreibung personell getrennt. In diesen Provinzen gab es neben dem kaiserlichen "Legaten", dem alles Mögliche außer das Finanzwesen unterstand, zusätzlich einen "...procurator [dem Augustus] auf privatrechtlicher Grundlage die Kontrolle des Steuereinzugs und auch die Auszahlung des Soldes an das Heer übertragen [hatte]" (S. 48)

Soweit, so gut und soweit stimmen die Angaben im "Sonderheft".

Aber:
Im "Sonderheft" wird an dieser Stelle der Bericht von Tacitus, Annalen I, 33ff. ausgeblendet (oder unterschlagen?).
In diesen Passagen ist davon die Rede, dass Germanicus sich beim Tode des Augustus' für Schätzungen in Gallien befandt. - Er war also mit Steuerangelegenheiten in Gallien zugange (d.h. in kaiserlichen Provinzen).
Zurück bei den Legionen am Rhein - zahlt er Gelder an die Legionäre aus.
Außerdem schickt er lt. Tacitus, Annalen II, 6 im Spätjahr15 zwei Personen aus, um die Steuererhebung in Gallien durchzuführen.
Das waren alles Aufgaben des "Prokurators" in Gallien.

Das ist doch in dem Zusammenhang sehr interessant.
Es ist zwar - meines Wissens - nichts Schriftliches darüber bekannt, das Germanicus zumindest in den Jahren 14 und 15 n. Chr. als Prokurator in Gallien eingesetzt war, aber sein Handeln in beiden Jahren legt das nahe. (Wenn er diese Befugnisse nicht gehabt hätte, müsste ihm Augustus und erst recht Tiberius ganz gewaltig auf die Finger geklopft haben.)

Interessant ist übrigens, dass die Autoren im "Sonderheft" zwar die Trennung von Legat und Steuer-/Finanzwesen ansprechen (die nur für kaiserliche Provinzen galt) und scheinbar übersehen (oder bewußt verschweigen(?)), dass Germanicus lt. Tacitus Befugnisse bzgl. des Finanz- und Steuerwesens in Gallien gehabt haben muss.
(Komisch. Sonst wird der Tacitus doch immer herangezogen.)

Ich weiß jetzt nicht, wie ich das zu bewerten habe.

Nur mal so und ein schönes Wochenende.

VG
Nemetona

Sorry, noch ein Nachtrag. (In Blau, damit zu viel Rot nicht so einen Alarm macht).
Mir ist beim Lesen meines eigenen Beitrags noch was aufgefallen:

Fischer schreibt davon, dass die Procuratoren in den kaiserlichen Provinzen aufgrund eines privatrechtlichen Verhältnisses mit dem Kaiser die Steuer- und Finanzangelegenheiten regelten.

OK! - Was steht bei Tacitus, Ann. I, 37?
Tacitus hat die Zahlungen an die niedergermanischen Legionen aus seiner und seiner Freunde Reisekasse (also privat) gezahlt.
Wenn der Procurator ein privatrechtliches Verhältnis mit dem Kaiser bzgl. der Steuereinnahmen einer kaiserlichen Provinz hatte, flossen diese Einnahmen erst einmal seine Privatkasse (und erst später (evt. im Winter) hat er mit dem Kaiser in Rom Einnahmen und Ausgaben abgerechnet und der Überschuss floss in die kaiserliche Kasse).
- Macht das Sinn?

 
Zuletzt bearbeitet:
Kleingeld war sehr wichtig für Soldaten. Ohne Kleingeld konnte man nicht vernünftig zocken. Mangel an Kleingeld war ein unbedingter Grund einen Kaiser zu stürzen. Ergo musste die Kleingeldversorgung unter allen Umständen aufrecht erhalten werden! ;)

Huhu Agricola;

In etwa das hatte ich im Hinterkopf. Aber noch ein bisschen mehr. (Ich darf das aussprechen - ich bin eine Frau. ;) )

Zocken war wichtig, außerdem boten die cannabae noch weitere Zerstreuungen für den nicht ausgelasteten "Marcus-Normal-Legionär" in den Regionen am Rhein (gerne auch in Kombination): Z. B.
Trunk (alternativ einheimische cervesia oder vinum) sowie für die, die keine feste Freundin in den umliegenden Wohnquartieren oder Dörfern/Höfen gefunden hatten, ein wenig sexuelle körperliche Betätigung zum Triebabbau gegen Entgelt.

Kleingeld war tatschlich für alles Alltägliche (und Nette) notwendig.

(Wie wenig sich die Menschen doch geändert haben. ;))

Fehlt das Kleingeld, kann "der einfache Legionär ansich" nicht seinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen und wird unzufrieden. - Gebt ihm Kleingeld zum Zocken, Saufen, Fi.ken und er hält Ruhe ... oder schickt ihn in den Krieg (dafür war er ja gedacht, sonst wäre er ja kein Legionär).

Hat Germanicus wohl - falls die schriftlichen Quellen stimmen - so gemacht.

(Ich möchte mich nicht darüber auslassen, welches Menschenbild dahinter stand und was ich persönlich davon halte, aber das ist ja auch nicht die Frage, sondern es geht um eine nüchterne Analyse, was damals möglicherweise gelaufen ist.)

Mal gucken, was da als Antworten kommt.

VG
Nemetona
 
Naja,

natürlich war Kleingeld wirklich wichtig.
Schließlich gab es ja auch Geldwechsler im römischen Reich und die hatten wirklich eine wichtige Aufgabe.
Und wenn man bedenkt, dass Münzen auch geteilt oder gar geviertelt wurden, dann sieht man, wie bedeutent Kleingeld war.

Und schließlich waren all die wichtigen Dinge für den Legionär, wie z.B. ein Laib Brot, ein Becher Wein oder auch Fi**en für Kleingeld zu haben.

Aber konnte die Macht eines Kaisers wirklich bedroht sein aufgrund von mangelnden Kleingeldes? Gab es überhaupt je einen wirklichen Mangel an Kleingeld?

Eigentlich interessanter ist aber die Ausgangsfrage:
Inwieweit lässt sich aufgrund des archäologischen Befundes dieses Brands in Köln ein möglicher Zusammenhang mit Kalkriese herstellen? Meiner Meinung nach spielt ja hier auch nicht das lugdunum I ass die wesentliche Rolle - die finden sich schließlich in Kalkriese. Die spannende Frage ist doch:
Warum finden sich in Kalkriese keine Münzen aus der lugdunum II Serie?
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem angesprochenen Sonderheft wird darauf hingewiesen, dass Steuerwesen und die eigentliche Statthalterschaft streng getrennt waren. Varus konnte Recht sprechen, aber keine Steuern erheben. Hier gab es eine Ämtertrennung. Das gilt auch für Germanicus. Die Vorstellung, dass Germanicus sich die nicht vorhandenen Taschen seiner Toga einfach mit Steuergeldern füllt, haut so nicht hin.

Das ist allgemein richtig, kann aber im Einzelfall falsch sein!

Grundsätzlich führte Augustus in den kaiserlichen Provinzen die Procuratores ein. Für eine oder mehrere Provinzen. Diese Fiskalprokuratoren waren für die Steuererhebung, die Verteilung der Ressourcen (z.B. an den Legatus Augusti pro Praetore und seine Legionen) und die Verwaltung des patrimonium caesaris (z.B. kaiserliche Landgüter) zuständig. Die Prokuratoren berichteten nicht an den Legatus Augusti pro Praetore , sondern an den Kaiser bzw. die zentrale Verwaltung.

In den senatorischen Provinzen war die Steuererhebung Aufgabe des Quaestors. Dort hatte der Patrimonialprokurator bis ins 2te Jhdt. nur die Verantwortung für das patrimonium caesaris. Daneben gab es noch kleinere prokuratorische Provinzen (z.B. Raetia) in denen ein Praesidialprokurator auch die Aufgaben des Statthalters innehatte; also die alte, ungeteilte Gewalt.

In Gallien musste also der Legat der 8 Legionen sein Geld beim Procurator Tres Galliae anfordern. Und sofern die beiden sich in Sachen Korruption nicht einig waren, funktionierte diese Arbeitsteilung und gegenseitige Kontrolle auch.

Es gab aber gerade in den Tres Galliae oft Sonderfälle. Wenn etwa Agrippa oder Drusus als Mitglieder der kaiserlichen Familie mit einem weitreichenden Reorganisationsauftrag unterwegs waren, dann hatten sie Gewalt über den Procurator. Agrippa müsste zu diesem Zeitpunkt auch schon imperium proconsulare gehabt haben, womit er ohnehin Gewalt über Alle in den Provinzen hatte.

Nicht so der einfache Legatus Augustus pro praetore, der kein Imperium hat, sondern nur das Imperium des Kaisers mit einem klar umrissenen Auftrag (provincia) ausübt. In Gallien haben wir 3 kaiserliche Provinzen (Aquitania, Lugdunensis und die Belgica bis zum Rhein), die in der Regel von je einem zivilen Legatus Augusti pro Praetore verwaltet werden. Dazu ein ziviler Procurator Tres Galliae. Daneben haben wir bis zur Gründung der germanischen Provinzen durch Domitian zwei schmale Militärbezirke am Rhein (ohne die späteren Ausbuchtungen nach Westen) mit einem Legatus Augusti pro Praetore, der dort die Legionen führte, und für diesen Militärbezirk auch die statthalterlichen Funktionen (z.B. Rechtssprechng) ausübt anstatt des Statthalters der Belgica. Auch diese erhalten ihre Ressourcen vom Procurator Tres Galliae. Bis Germanicus gab es nur einen Militärbezirk Germanien und oft auch nur einen Statthalter Tres Galliae in Personalunion.

Germanicus hatte meines Wissens erst 17 AD das imperium proconsulare. Aber er war mit Sonderauftrag für alle Tres Galliae als eine Art "Superlegat" unterwegs. Und er war Mitglied der kaiserlichen Familie und Thronfolger. Von daher gehe ich davon aus, daß der Prokurator ihm unterstand, oder dieser, sofern er nicht vollkommen lebensmüde war, sich keiner Anordnung des Thronfolgers widersetzte. Auch wenn er sicher fleißig an Tiberius berichtete.

Es gab also grundsätzlich eine Arbeitsteilung und Kontrolle zwischen Procurator (Steuern, kaiserliches Vermögen) und dem Statthalter (Rechtssprechung, Verwaltung, Kontrolle der Städte, innere und ggf. äußere Sicherheit). Diese ist aber in den Anfangszeiten des Augustus noch nicht voll ausgeprägt und eingeführt. Insbesondere wenn man auf die Sonderkonstruktion Tres Galliae schaut, oder wenn "Superlegaten" aus der kaiserlichen Familie ins Spiel kommen. Wobei es auch bei einem Varus oder Saturninus eine erweiterte provincia gegeben haben könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber konnte die Macht eines Kaisers wirklich bedroht sein aufgrund von mangelnden Kleingeldes? Gab es überhaupt je einen wirklichen Mangel an Kleingeld?

Das mit der Revolte war natürlich scherzhaft gemeint, wie der Smiley ausdrücken sollte. Interessanterweise haben sich die Legionäre nie über Kost und Logie beklagt. Wenn es zu Beschwerden kam, dann wegen der Bezahlung, den Dienstbedingungen insbesondere der gerne verschleppten Pensionierung. und der Ausbeutung durch die Centurionen.

Ein Abendessen oder ein Krug Wein kostete zu diesen Zeiten wohl je 1 As, für 2 Asse mehr gab es die Bedienung obendrauf. Für zusammen 1 Sesterz konnte man sich also einen schönen Abend machen. Gezockt wurde wohl mit Assen oder Quadrans (Viertelassen). Heutzutage wird ja auch gerne "Pfennigskat" gespielt. Wobei der Viertelass im Kaufwert für einfache Güter eher im Bereich des Euro als des Cents liegt.

Der Sesterz sollte also aus Sicht eines Soldaten fast schon kein Kleingeld mehr gewesen sein. Vom Denar gar nicht zu reden. Der Aureus entsprach einem Monatslohn eines Tagelöhners. Etwa vergleichbar mit einem 1000€-Schein. Wobei solche Währungsvergleiche immer schwer hinken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Carolus schrieb:
Zu der Ämtertrennung zwischen Steuerwesen und Statthalterschaft: ich bin ein wenig überrascht, denn ich hätte erwartet, dass das Steuerwesen bei der Provinzialverwaltung angesiedelt war. Es gab doch das berühmte Bonmot über Varus (?), dass er arm in eine reiche Provinz ging und reich eine arme Provinz verließ.
Varus hatte die Rechtspflege inne. Mit dieser Position ließ sich sicherlich einiges machen. Argumente im Prozess wurden vielleicht durch eine großzügige Schenkung einer Prozesspartei an Varus untermauert. Noch besser für die Privatschatulle des Statthalters lief es, wenn beide Prozessparteien mit großzügigen Zuwendungen an den Gerichtsherrn sich zu überbieten versuchten.
Auch die allgemeine Verwaltung bot sicherlich die Möglichkeit, sich die Schatullen zu füllen. Auch heute noch wird in einigen Weltgegenden die Erteilung einer Baugenehmigung ohne Schmiergeld auf St. Nimmerlein verschoben.

Dem Varus wird von Velleius Paterculus vorgeworfen, er hätte die Zeit der Sommerkampagne 9 uZ sinnlos mit Prozessführungen verschwendet. Paterculus wirft ihm nicht vor, dass er für Germanien Steuern eingeführt habe. Paterculus war sowohl zeitlich als auch im wahren Leben am Nächsten dran. Er kannte die Machtprozesse und die Verwaltungsrealität der Zeit. Deshalb dürfte es Paterculus bekannt gewesen sein, wer wirklich die Entscheidungen in Steuerfragen traf. Und das war vermutlich nicht Varus, sondern die Machtzentrale in Rom.
 
Kannst Du das erläutern?

Ich empfinde es genau umgekehrt. 50 Knochen? Also maximal 50 Individuen. Aber mindestens? Da ist doch der Interpretation Tür und Tor geöffnet, wenn man nicht mit DNA-Analyse arbeiten kann. Will ich eine große Schlacht postulieren, dann komme ich auf 50 Personen. Will ich das Ereignis kleinreden, werde ich auf die Anzahl zwei einlassen, wenn man darunter zwei Schädel gefunden hat.

Gerade sehe ich, dass ich da noch eine Frage unbeantwortet gelassen habe.

Gefunden wurden (allein in einer Grube) Hunderte von Knochenfragmenten, die sich mindestens 17 Individuen zuweisen lassen:

DAMALS: Kann man abschätzen, wie viele Tote in den Gruben bestattet wurden?

Wilbers-​Rost: Das lässt sich aufgrund der starken Fragmentierung der Knochen nicht sagen. In einer Grube wurde 17-​mal das gleiche Unterkieferfragment gefunden, hier müssen also mindestens 17 Individuen begraben worden sein. Die Hunderte von Knochenbruchstücken, die darüber hinaus in dieser Grube lagen, können theoretisch von wenigen Toten stammen, sind aber vermutlich auf eine viel größere Zahl von Gefallenen zurückzuführen. Eine konkrete Anzahl können wir daher nicht angeben.
Überblick - DAMALS - Geschichte online


Wie viele Kalkriese-Münzen-und-Knochen-Threads gibt es eigentlich inzwischen?
:nono: :motz:
 
Hallo Emma_66,

die Münzen des Germanicus-Horizont aus dem Katalog J. Heinrichs zum Brandhorizont sind dort fett markiert. Jedoch gibt es in der Germania Magna noch andere Münztypen, welche zwischen 10-15 n. Chr. geprägt worden sind. Ich habe einen kompletten Katalog erstellt (noch nicht publiziert). Leider habe ich im Moment wenig Zeit, da ich zwei andere Texte (späte Kaiserzeit) für eine Neuauflage schreibe.

2018-01-30.png
 
@Emma_66

anbei meine aktualisierte Karte der Fundmünzen des Germanicus-Horizont (Prägezeit 10-15 n. Chr.). Wie man unschwer erkennen kann ist das Ems-Lippe-Gebiet inkl. Kalkriese fundleer. Tacitus schreibt, dass alles zwischen Ems und Lippe verwüstet worden ist. Es gibt aber keine verbrannten Siedlungen (G. Eggenstein; BAW 40; 2001). Oder ist das Gebiet eher wüst geworden? Es sei hier an den Abschreibfehler über das Blutgericht bei Verden an der Aller erinnert.

vastare = verwüsten
vastus = wüst/öde

Genau in jenem Abschnitt zwischen 10/15 n. Chr. tauchen hier bei mir im Saale-Unstrut-Gebiet westgermanische bzw. rhein-weser-germanische Elemente auf. Meine These ist, dass Germanicus diesen germanischen Bewegungen explizit gefolgt ist. Warum sollte Germanicus ausgerechnet dorthin zurückkehren, wo Tiberius in den Jahren 10/12 n. Chr. schon war? Strabon berichtet, dass die Marser sich vor den Römern ins Landesinnere zurück gezogen haben. Aus archäologisch/numismatischer Sicht bleibt nur die Abwanderung aus der Hessischen Senke (Chatten) und der Westfälischen Bucht (Marser, Brukterer). Beide Komponenten habe ich im Gräberfeld von Schlotheim (Konsolidierung). Nehme ich dazu die Barbarisierungen der Gaius-Lucius-Denare vom Typ Taugwitz, wird das Bild noch klarer. Denn dieser Typ kommt nur in Westthüringen, Südniedersachsen und Nordosthessen vor.
 

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Liebe Alle,

der Kolloquiumsband „Phantom Germanicus Spurensuche zwischen historischer Überlieferung und archäologischem Befund“ von Stefan Burmeister und Salvatore Ortisi ist nun veröffentlicht. Es liegen jetzt viele interessante und lesenswerte Beiträge vor, die sich mit der späten Phase der Okkupationszeit beschäftigen. Auch ich habe versucht, die Frage nach dem „Gemanicus-Horizont“ anzugehen. Mein Beitrag liegt als download bei academia.edu.

https://niedersachsen.academia.edu/UlrichWerz/Papers

Viel Spass

Uli Werz


P.S.: Um Literatur von academia herunterzuladen, müsst Ihr Euch dort anmelden, so wie Ihr hier im Forum angemeldet sein müsst, um etwa Kommentare zu verfassen.

Academia ist ein soziales Netzwerk. Es ist kostenlos, nicht mit Werbung verbunden und schadet nicht, da dort noch eine Menge weiterer (numismatischer) Literatur vorhanden ist. So hat z.B. Georges Depeyrot viele der Bände der Rivista italiana hochgeladen. Neue Artikel aus Zeitschriften, die normalerweise nicht einfach zu bekommen sind, sind dort sehr schnell verfügbar.
Eine ausführliche Anleitung, wie man sich anmeldet und warum es sinnvoll ist, findet Ihr hier "Warum academia.edu?" http://www.romanischestudien.de/index.php/rst/article/view/120/331;
 
@UliWerz

Das spätaugusteisch/frühtiberische Münzgeld der Jahre 10 - 17 n. Chr. verteilt sich nun mal anders in der Germania Magna als man es bisher gedacht hatte. "Rechenspielchen" und "Interpretationen" bringen einen da wenig weiter, es zählen allein die Fakten! Zieht man zudem die archäologische Komponente zu Rate, so wird sehr deutlich, warum bisher keine einzige Münze des Germanicus-Horizont im Ems-Lippe-Gebiet gefunden wurde. Diese beruht auf einer massiven Verschiebung rheinwesergermanischer Bevölkerungsteile in Richtung Osten (siehe Karte J. Bemmann - Karte der Grabfunde der älteren Römischen Kaiserzeit in Mitteldeutschland). Das wird auch durch die antiken Quellen bestätigt. So teilt Strabon mit, dass die Germanen, u.a. die Marser ihre Wohnsitze in das Landesinnere verlegt haben. Ferner heißt es bei ihm auch, dass nur sehr wenige, wie ein Teil der Sugambrer, übrig geblieben sind. Das wurde und wird immer noch von vielen Archäologen, Historikern und Numismatikern ignoriert. Es ist nett zu lesen, bringt einen (mich) aber nicht viel weiter.
 
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