MA-Stadt: lange Haare unerwünscht?

Panzerreiter

Aktives Mitglied
Ich habe vor langer Zeit mal irgendwo eine mittelalterliche Stadtverordnung gesehen, in der es u.a. hieß, das "Burschen [oder "Gesellen"] mit langem Haar" und ähnliche Gestalten in der Stadt nicht erwünscht seien.

Nun kann ich mich leider nicht mehr an die genaue Verordnung erinnern (welche Stadt, von wann, exakter Wortlaut). Ich werd halt doch langsam alt und vergesslich. Um ehrlich zu sein, letzteres war ich schon immer :grübel:

Kann mir da jemand mit besserem Gedächtnis vielleicht weiterhelfen?
 
Wäre mir neu, eigentlich waren Lange Haare unter Männer im Mittelalter sehr geläufig. Das Männer nur kurze Haare tragen im Gegensatz zu den Frauen ist eigentlich eher ein Produkt der Neuzeit und setzte sich erst richtig im 19. Jahrhundert durch.
 
Im Jahr 1244 wurden im bayerischen Landfrieden neben dem Waffenverbot auch andere Verordnungen erlassen, die sich mitunter auf die Haartracht der Bauern ausdehnten. Langes Haar, so wie es die Vornehmen trugen, verbot man den ihnen. Die Bauern sollten ihre Haare bis zu den Ohren kurzgeschnitten halten.
Nach höfischer Art trugen die Ritter ihr Haar hingegen zumeist lang und bis über die Ohren herabwallend. Schon seit dem Frühmittelalter galt kurzes Haar eher als Kennzeichen bäuerlicher bzw. unfreier Bevölkerungsgruppen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Soweit ich weiß galt schon in der Antike kurzes Haar oder gar glatzköpfig geschorenes Haar als Erkennungszeichen für Sklaven. Daher auch die Tonsur bei Geistlichen sie symbolisert die Unterwerfung.
 
Hallo! Ich kann zwar leider keine Quellen nennen - allerdings hab ich erst letzte Woche in meiner VO gehört, dass es unüblich war als Mann lange Haare zu haben, denn das würde bedeuten, dass sie Frauenherzen haben.

Wahrscheinlich gibt es vor allem in Kleiderverordnungen Quellen, da da ja auch die Haarbedeckung der Frau vorgeschrieben ist.

Dass es unüblich war, wird wohl daran liegen, dass die Eitelkeit besonders in Bezug auf die Haare als verteufelt galt (darum durften eben nur die Prostituierten das Haar eitel zur Schau stellen)
 
Wenn ich hier vom "Mittlalter" rede, ist das zugegebenermaßen sehr dehnbar. Waren immerhin rund tausend Jahre. In diesen hat sich die Haarmode sicherlich das ein oder andere Mal geändert. Trugen beispielsweise die Merowinger es nach germanischer Sitte noch lang (da nach germanischer Lehrmeinung die Kraft des Mannes in den Haaren lag), so machten kurz darauf die Karolinger einen kompletten Schwenk und trugen ihrerseits das Haar kurz - wohl nicht zuletzt, um sich einerseits von den Merowingern zu distanzieren und andererseits der Kirche anzunähern.

Jenseits des Frühmittelalters im Allgemeinen und der Franken im Besonderen fangen meine Kenntnisse jedoch an zu verwischen. Ist halt einfach nicht mehr meine Lieblingszeit... :red:

Besagte Verordnung müsste, sofern mich mein langsam verkalkendes Gedächtnis nicht trügt (was natürlich durchaus sein kann) aus dem Spätmittelalter stammen, möglicherweise sogar erst Renaissance.
Sinngemäß bezieht sie sich auf die damalige Version der Hippies, die man wohl in der Stadt nicht haben wollte. Die in dieser Verordnung negativ besetzten langen Haare sind also wohl nicht in Form gepuderter Perücken oder einer mehr oder weniger gepflegten Adelslocke zu suchen, schon eher in ungepflegter Strähnemähne und da auch, ich vermeine, mich zu entsinnen, gezielt auf junge Männer gerichtet.
Vielleicht war der Verweis auf die Haare auch eher an einer untergeordneten Stelle der Verordnung, so als Erkennungsmerkmal neben anderen.
Wie gesagt, ist ewig her und hab ich mir damals nicht gezielt gemerkt, weil eigentlich nicht meine Zeit. Nur neulich hätt ich's mal gebraucht, da hätt's gut in eine Diskussion gepasst.
 
Hallo! Ich kann zwar leider keine Quellen nennen - allerdings hab ich erst letzte Woche in meiner VO gehört, dass es unüblich war als Mann lange Haare zu haben, denn das würde bedeuten, dass sie Frauenherzen haben.

Wahrscheinlich gibt es vor allem in Kleiderverordnungen Quellen, da da ja auch die Haarbedeckung der Frau vorgeschrieben ist.

Dass es unüblich war, wird wohl daran liegen, dass die Eitelkeit besonders in Bezug auf die Haare als verteufelt galt (darum durften eben nur die Prostituierten das Haar eitel zur Schau stellen)

In der Islamischen Welt galt das Männer mit langen Haaren Feminin waren und das kurze Haar eine Art Männlichkeitskult waren. Für das mitteleuropäische Mittelalter galt das allerdings nicht. Hier lebte die garmanische Tradition fort wo sogar Männer mit langen Haaren deutlich in der Mehrheit waren. Lediglich Unfreie(Leibeigene und Hörige) trugen kurze Haare. Somit war es eher eine Schande für einen Mann oder eine Frau wenn sie kurzes Haar trugen weil es zeigte das sie von "niederer" Herkunft waren. Freie hingegen trugen ihr Haar lang. Kurzes und Langes Haar galt nicht als Zeichen von Weiblichkeit/ Männlichkeit sondern vielmehr deutete es auf deen Stand hin wie es sich im Mittelalter auch in der Kleiderordnung ausdrückte. Zumindestens in Mitteleuropa im Mittelmeergebiet weiss ich es nicht genau.
 
Also nachdem ich jetzt eine ausführliche Surfsession durch IMAREAL / Digitale Bildsammlung hinter mir habe - es war wohl die meiste Zeit über soetwas wie ein Topfschnitt, der vorne kürzer und hinten länger war.
Mit langen Haaren werden dann wohl Haare über die Schulter bezeichnet.

Wenn du es aus einer genauen Zeit wissen willst, kannst du ja bei oberem Link die Zeit eingeben, die du haben willst. Die Seite ist relativ ergiebig, auch wenn sie noch nicht fertig zu sein scheint - und man muss auch immer zwischen den ganzen religiösen Darstellungen suchen. Aber wer suchet, der findet dort :)
 
In der Islamischen Welt galt das Männer mit langen Haaren Feminin waren und das kurze Haar eine Art Männlichkeitskult waren.

Das kann ich nicht ganz glauben. Die andalusischen Quellen berichten uns, dass der Dichter und Musiker Ziryab, der, als er Bagdad verlassen musste nach Córdoba ging, die Bagdader Mode in al-Andalus einführte. Und dazu gehörten eben auch lange Haare.
 
Ok, dann ist wohl eine Definition von langhaarig fällig.
Im Kontext des Mittelalters finde ich nicht, dass schulterlange Haare lange Haare sind.

Aber ich nehme an wir sind uns alle einig, dass die Haarlänge des Mannes nicht länger als schulterlang war?
 
Zumindest zeigen viele mittelalterliche Darstellungen nur so langes Haar. Auch die Darstellung von Albrecht Dürers "Karolus Magnus" zeigt schulterlanges (vielleicht ein wenig längereres) Haar.
Das bringt mich wiederum auf zwei weitere Aspekte...
1. Wo wir grade bei "Royals" sind, sollen nicht auch Childebert III und Dagobert II, die Haare abgetrennt worden sein, als symbolischen Raub ihrer Königswürde?
2. Das Selbstbildnis von Albrecht Dürer im Pelzrock zeigt ihn meiner Meinung nach mit Haaren, die eindeutig über die Schultern hinausgehen...Ob das jetzt zu was hinführt bezweifele ich allerdings...

Ein ganz praktischen Vorteil hatte langes Haar allerdings, möchte ich mal behaupten, man konnte es wohl, wenn man älter wurde, über die kahlen Stellen frisieren beziehungsweise die Denkerstirn ein wenig verstecken.

Eventuell ging die Verordnung in die Richtung gebräunte Haut = Bauer der auf dem Feld arbeiten musste; helle Haut = jemand der es sich im Schatten gut gehen lassen konnte, ergo kurze Haare = jmd weniger mächtiges; lange Haare = jmd mächtiges
 
Ich erinnere mich an Beschwerden europäischer Adeliger über Ihresgleichen in den Kreuzfahrerstaaten dass sie sich dort die Haare lang wachsen ließen wie die Weiber.
Weis aber nicht mehr woher genau ich das hab.
 
1. Wo wir grade bei "Royals" sind, sollen nicht auch Childebert III und Dagobert II, die Haare abgetrennt worden sein, als symbolischen Raub ihrer Königswürde?
Für die Merowinger war die lange Mähne noch ein Statussymbol, die nachfolgenden Karolinger distanzierten sich bereits davon, ließen es sich aber nicht nehmen für sie unnötige Merowingerkönige zu scheren und zu demütigen und die Entmachtung sichtbar zu machen.
Insofern Ja, damit hast Du recht, es ist aber nicht beispielhaft für das gesamte Mittelalter.
 
Besagte Verordnung müsste, sofern mich mein langsam verkalkendes Gedächtnis nicht trügt (was natürlich durchaus sein kann) aus dem Spätmittelalter stammen, möglicherweise sogar erst Renaissance.
Sinngemäß bezieht sie sich auf die damalige Version der Hippies, die man wohl in der Stadt nicht haben wollte. Die in dieser Verordnung negativ besetzten langen Haare sind also wohl nicht in Form gepuderter Perücken oder einer mehr oder weniger gepflegten Adelslocke zu suchen, schon eher in ungepflegter Strähnemähne und da auch, ich vermeine, mich zu entsinnen, gezielt auf junge Männer gerichtet.
Gepuderte Haare mit Perücken kenne ich auch eher erst ab dem 17.Jh., also weit weg vom Mittelalter.

2. Das Selbstbildnis von Albrecht Dürer im Pelzrock zeigt ihn meiner Meinung nach mit Haaren, die eindeutig über die Schultern hinausgehen...Ob das jetzt zu was hinführt bezweifele ich allerdings...
Vielleicht waren diese langen Haare italienisch beeinflusst. Dürers "Selbstbildnis mit Landschaft" entstand bspw. 1498. Es zeigt Dürer schon mit den langen Haaren, auch wenn er Venedig erst nach 1500 besuchte. Ich glaube, dass die Mode mit den langen Haaren aus Italien kam, habe ich mal irgendwo gelesen. Auch sowas wie Haarnetze für Herren kamen daher im späten 15.Jh. auf.
Vielleicht wollte man in einer besonders prüden Stadt etwas gegen Modegecken tun.
 
Wenn ich hier vom "Mittlalter" rede, ist das zugegebenermaßen sehr dehnbar. Waren immerhin rund tausend Jahre. In diesen hat sich die Haarmode sicherlich das ein oder andere Mal geändert. Trugen beispielsweise die Merowinger es nach germanischer Sitte noch lang (da nach germanischer Lehrmeinung die Kraft des Mannes in den Haaren lag), so machten kurz darauf die Karolinger einen kompletten Schwenk und trugen ihrerseits das Haar kurz - wohl nicht zuletzt, um sich einerseits von den Merowingern zu distanzieren und andererseits der Kirche anzunähern.

Und man trug gerne (Oberlippen-)Bart.
Es gibt wohl nichts was sich schneller ändern lässt als die Haartracht.
Die Mode ist recht schnell und Tendenzen lassen sich innerhalb von 100 Jahren, anhand von Darstellungen erkennen.
Die Ottonen scheinen schon eher wieder auf längeres Haar gestanden zu haben, oft mit Vollbart. :yes:
 
Nun ja, wen mag es wundern ... =)
Die Mode wurde eine Leidenschaft, die jedes Land und jeden Stand in Europa ergriff. Bei dieser Entwicklung sah sich der Adel natürlich immer mehr seiner Modeexklusivität beraubt. So erfährt man in einer Verordnung König Karls VII. von Frankreich († 1461) folgendes: "Es ist dem König vorgestellt worden, daß von allen Nationen der Erde keine so entartet ist, keine so veränderlich, so unmaßend, so maßlos und unbeständig in der Kleidung wie die französische, und daß man vermittelst der Kleider nicht mehr den Stand und Rang der Leute erkennt, ob sie Prinzen sind oder Edelleute oder Bürger oder Handwerker, weil man es duldet, daß jeder nach seinem Vergnügen sich kleidet, Mann wie Frau, in Gold- und Silberstoff, in Seide oder Wolle, ohne Rücksicht auf seinen Stand zu nehmen." (in: Erika Thiel, ebenda, S. 122/123)
und
Der Bischof Musculus aus Frankfurt schrieb im Jahre 1555 dazu folgendes: "Unsere jungen Kumpanen lassen den Latz vorn mit dem Höllenfeuer und dem Lappen über die Maßen groß machen, so daß der Teuffel darin sitzt und zu allen Seiten hinausschaut, allein zum Ärgernis und bösen Beispiel, ja zur Verlockung und Verführung armer, wahnsinniger und unschuldiger Mädchen." (in: Erika Thiel: Geschichte des Kostüms, Berlin 1980, S. 170).
und weiter
In einer Kleiderordnung aus Speyer im Jahre 1356 wurde das Tragen von ungewohnten Haartrachten, üppigen Kopftüchern, Hutverzierungen, auffälligen Lappen an den Ärmeln, Zaddeln an Mützen und Schuhen, eng geschnürten Kleidern, großen Halsausschnitten, die die Schultern nicht mehr bedeckten, Schnabelschuhen und bei den Männern von Röcken, die so kurz waren, daß man die Knie sehen konnte, unter Strafe gestellt.

Will heissen Verordnungen zur Haartracht gab es da, wo die Geistlichkeit bestimmten Ideen folgte und/oder vor allem in Städten, wo sich der Adel mehr gegen Bürgertum und gemeines Volk absetzen wollte. Bevorzugte der Adel langes Haar, galt kürzeres fürs Volk und umgekehrt ...
Dabei ging der Magistrat bisweilen recht geschickt vor und argumentierte damit, dass die Putzsucht vor allem der Frauen, später aber auch der jungen Männer imstande war die Familie zu ruinieren, wenn sie sich zu sehr in eine Extravaganz stürzten, die ihnen nicht zustand.
 
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Mit der Putzsucht hat ja nicht das Magistrat angefangen, sondern wurde ja schon von Berthold von Regensburg sehr stark propagiert - vor allem auch über die Haare. Dass man Frauen, die sie eitel zur Schau stellen die Haare herunterreißen und verbrennen sollte.

Ich glaub, grad weil die Eitelkeit die größte Sünde der Frau war (weil sie durch Verführung Macht über den Mann gewinnen und so die althergebrachte Ordnung umwerfen konnte), war es einfach weibisch als Mann längere Haare zu haben (und mit länger mein ich wieder mehr als schulterlang)
 
Eine andere Frage, die aber vielleicht hier ganz gut passt.

Wenn ich mir die Porträts aus dem Spätmittelalter / Frührenaissance ansehen, fällt mir immer wieder auf, dass die Haarfarbe der Porträtierten oft unterschiedlich ist. Hat das etwas mit dem Lichtverhältnissen damals zu tun oder gab es dafür andere Gründe?
 
Die "Roundheads" im 17. Jhdt in England haben sich mit ihrer knappen Haartracht ebenfalls von den blaublütigen abgegrenzt.
„Sie tragen ihre Haare nur ein wenig länger über ihre Ohren, weshalb es aufkam all jene, die gewöhnlich mit ihrer Schreierei Westminster aufsuchten, mit dem Spottnamen Rundkopf zu rufen.“
Tja, bei den deutschen Kommunisten in den 70ern galten dann wieder lange Haare als bürgerlich ;)
 
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