Die Gründung Roms

@ Augusto:
Zumal man Rom nicht flächendeckend umgegraben hat, erschließt sich mir nicht, wieso man davon ausgehen sollte, dass Hügel, auf denen man frühe Besiedlungsspuren gefunden hat, in ihrer gesamten Ausdehnung in geschlossener Bauweise besiedelt gewesen sein sollen.
Das steht wohl ausführlich im verlinkten Buch, das aber, wie gesagt, nur ausschnittsweise online verfügbar ist. Mein Verständnis ist, daß davon ausgegangen wird, Grabfelder seien außerhalb des Siedlungsbereichs, aber nicht allzuweit von ihm entfernt, angelegt worden. Die Verlegung der Grabfelder, von denen einige gefunden wurden, über die Zeit gibt also indirekt Aufschluß über die Ausdehnung des Siedlungsbereichs. Die Frage, wie weit die fraglichen Hügel jeweils besiedelt waren, beantwortet der Autor über Mindest- und Höchstflächen für die einzelnen Epochen, die ich jeweils beide zitiert habe.
Was "geschlossene Bauweise" angeht: Bei solcher wären sehr viel höhere Bevölkerungszahlen zu erwarten. Nehmen wir 25 m² Durchschnittsgröße pro Haus, und Bebauung dicht an dicht, mit jeweils einem 1-2m breiten Gang/ Weg alle zwei Häuser, so passen auf den Hektar etwa 300 Häuser - á 7 Bewohner macht das 2.100 Ew/ ha, das Zehnfache des von mir angenommenen bzw. im Buch zitierten Werts. 200 EW/ha lassen also durchaus Raum für mehr als nur den einen oder anderen Hausgarten und/oder Schafsweide/ Schweinekuhle, und fürs pecus gabs ja ausreichend Marschland auf dem späteren Marsfeld.
Um eine Einwohnerschaft von 10.000 oder sogar 20.000 Menschen ernähren zu können, müsste die Stadt entweder bereits über ein entsprechendes Territorium verfügt haben oder etwas produziert haben, was sie gegen Lebensmittel handeln konnte. (..) Rom müsste also entweder bereits im 10. Jhdt. eine Regionalmacht oder eine bedeutende Handelsstadt gewesen sein. Für beides gibt es meines Wissens keine Hinweise.
Oh, ich dachte, es sei allgemein bekannt gewesen, daß die Salinen an der Tibermündung die größten an der tyrrhenischen Küste waren (vgl. Via Salaria). Spurensuche ist da schwierig, weil vieles schon dem antiken Ausbaui Ostias zum Opfer fiel. Salz war natürlich, gerade bei der Konzentration der italischen Landwirtschaft auf Viehzucht, aber auch zur Fischkonservierung, hoch gefragt und wurde schon in der Bronzezeit weit gehandelt.
Daneben kontrollierte Rom den wichtigen Übergang an der Tiberinsel. Westlich davon wurde es sumpfig/ marschig, nach Osten hin bergig. Somit verlief die Hauptstraße entlang der tyrrhenischen Küste durch Rom, und der Tiber erschloß zusätzlich den Weg nach Umbrien und weiter über den Appenin nach Nordosten. Es gibt europaweit nicht allzuviele Orte, die eine ähnliche verkehrsgeographische Gunstlage wie Rom haben. Die, die dazu noch auf gefragten Rohstoffen sitzen, kann man bald an zwei Händen abzählen (Salzburg, Halle/ Saale, Innsbruck/ Hall, Heilbronn, Krakau, Carnac, Melos [Obsidian] fallen mir so auf Anhieb ein, dazu kommt wohl u.a. noch der eine oder andere Ort in Andalusien und in den Karpaten).
Wenn sich da nicht schon früh ein proto-urbanes Handelszentrum entwickelt - wo sonst?
 
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Nachtrag zum vorangegangen Post: Im unten verlinkten Buch findet sich (S. 130ff) eine Diskussion der Salinen an der Tibermündung. Dort kam es nach der Hafenanlage Ostias zu starker Verlandung und mehrfacher Verschiebung des Tiberlaufs, die die Identifikation alter Salinen problematisch macht. Die Rolle des Salzhandels für die römische Wirtschaft haben schon antike Autoren dargestellt - wie weit er zeitlich zurückreicht, ist jedoch noch unklar. Via Campana (von campus salinarium) und das Forum Boiarum (Viehmarkt) zeigen die wichtige Rolle von Salz- und Viehhandel (->Salzwiesen!) für das frühantike Rom. Salz- und Viehhandel fanden traditionell am gleichen Platz statt, da Viehhalter Salz für die Tiere, und auch für Käseproduktion nachfragten.
Der Tiber hat wohl ürsprünglich ein Delta gebildet, das direkt westlich von Rom begann (Fig. 26). Somit war Rom der westmöglichste Punkt für den Tiberübergang - die Lage ist vergleichbar mit der von Arles an der Rhone.
https://books.google.de/books?id=hQ0oAAAAQBAJ&pg=PA132&lpg=PA132&dq=Rome+salt+bronze+age&source=bl&ots=0i-L9WBQrL&sig=cS-puyaeaZiAg4IB09msXlVLV_Y&hl=de&sa=X&ved=0CEUQ6AEwBWoVChMI15KJkonyxwIVRAksCh1SbAwL#v=onepage&q=Rome%20salt%20bronze%20age&f=false
Eine detailliertere Rekonstruktion der spätbronzezeitlichen Tiberlagunen findet sich in nachfolgendem Artikel. Dieser diskutiert in der Folge archäologische Befunde zur spätbronzezeitlichen Salzgewinnung an der Küste etwa 50km südlich Roms, und verknüpft sie mit Befunden zu starker doritiger Siedlungsverdichtung und sozialer Differenzierung im Bronzo finale (ab 12. Jhd. v. Chr.?), sowie Belegen für Metallverarbeitung und Funden kalabrischer/aegaeischer Keramik.
Salt production on the Tyrrhenian coast in South Lazio (Italy) during the Late Bronze Age: its significance for understanding contemporary society | Peter Attema - Academia.edu
From the Casale Nuovo excavations, it follows that we have to read Bronze Age salt production in a local setting of artisan activities and trading contacts (as the region itself has no metal ores) as well as overseas exchange contacts (as the imported pieces of pottery from South Italy suggest). In the theoretical framework of the Roman School of protohistory, this would indicate the presence of persons in settlements as Casale Nuovo who would have controlled such artisan activities, and by implication that vertical mobility took place in late Bronze Age society.(..) On account of the few imports of Aegean pottery we dispose of now, it becomes clear that Bronze Age South Lazio was not as isolated as once was thought.(..)
Already in the Recent Bronze Age, settlements in the Alban Hills were located in naturally defended positions along the rim of the crater,with a distance between them of ca. 7 km. In the following period of the Bronzo Finale (..) settlement density increased dramatically and social competition became evident in the form of cremation burials.
Zum archäologischen Befund merken sie an
When in the later Iron Age and Archaic period in Central Italy major polities in Etruria and Lazio become a reality, such as Vulci, Tarquinia, Rome itself and Satricum, to name a few, we archaeologically seem to lose track of saltmaking, while we must postulate a substantial leap in population numbers to have taken place and therefore an increase in the scale of salt production. Can it be that during this period solar evaporation in salt beds had replaced briquetage as a more efficient way to produce the quantities of salt needed to sustain the growing urban and rural population of Etruria and Lazio (..)?
Wiewohl also das Ausmaß der direkt von Rom kontrollierten Salzproduktion im Tiberdelta unklar bleibt, ist die Stadt geographisches Zentrum einer sich in der späten Bronzezeit entwickelnden spezialiserten und interregional/ international vernetzten "Salzökonomie" entlang der Küste von Etrurien und Latium. Davon dürfte es sich gut haben leben lassen...
 
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Berechnungsversuche mit verschiedenen Ergebnissen gab es schon davor. Bereits im 3. Jhdt. datierte der Historiker Lucius Cincius Alimentus die Gründung Roms in das 4. Jahr der 12. Olympiade (= 729 v. Chr.), Quintus Fabius Pictor in das 1. Jahr der 8. Olympiade (= 748 v. Chr.). Cato datierte sie im 2. Jhdt. auf 432 Jahre nach dem trojanischen Krieg. (Da der Fall Trojas traditionell auf 1183 v. Chr. datiert wurde, wäre das 751 v. Chr.). Dionysios von Halikarnassos datierte dann im 1. Jhdt. die Gründung in das erste Jahr der siebenten Olympiade, als in Athen Charops sein erstes Jahr als Archon amtierte, also 752 v. Chr. Durchgesetzt hat sich schließlich die Datierung des berühmten Gelehrten Varro, wonach Rom am 21.4.753 v. Chr. gegründet wurde.

Sag ich doch: Die Jahreszahl wurde im 1.Jh. berechnet. ;) Wer vereinfacht, verfälscht auch immer...

Das Problem, wie sich die angeblich vom Arkader Euander gegründete Vorgängerstadt Pallantium zum späteren Rom verhalten haben soll, wurde von den antiken Autoren nie so richtig gelöst.
Auch ansonsten gab es Sagen darüber, dass Rom schon einmal vor der Gründung durch Romulus existiert habe. Es wurde berichtet, Rom sei zwar kurz nach dem trojanischen Krieg gegründet worden, aber wieder verödet, und wurde schließlich 15 Generationen später von Kolonisten aus Alba unter der Führung von Romulus und Remus wiederbesiedelt.

Ich bezog mich nicht auf Pallantium. Soweit ich mich erinnere, soll es 2 von Sagengestalten besiedelte Höhlen, sowie Hütten der Hirten gegeben haben.
 
Ich habe mir lange überlegt, ob ich das folgende posten soll. Die Ortsbezeichnungen in Rom sind aber auch Quellen. Ich habe einfach zusammengestellt, was ich dazu irgendwann gehört oder gelesen habe und in Lexika finden konnte. Die Zusammenstellung ist schon ein paar Jahre alt. Dementsprechend hoffe ich auf Kritik.


Palatium:


Die Endung '-tium' bezeichnet einen Ort. Was 'Pala-' bedeutet ist umstritten.
Die erste Silbe kommt auch lang vor, daher kann man, wie man es früher zumindest in Schulbüchern oft tat, von 'palo, -avi, -atum' (mit Pfählen versehen) ableiten: Mit Pfählen versehener Ort.
Eine Ableitung von 'palus' (Sumpf, Schilf), wie ich es schon mal irgendwo gelesen habe, kommt nicht in Frage, da sich das 'u' hätte erhalten müssen. Und die Ableitung von 'palea' (Spreu) als Dreschplatz hätte zu Palitius führen müssen.


Germalus:


Ursprünglich bezeichnete Palatin den südöstlichen Teil des Hügels und Germalus eine vortretende Spitze. Ein Tempel des Romulus stand hier. Daher mag der Name von 'Germen', 'Keim' abgeleitet sein.


Velia:
Sattel zwischen Palatin und Esquilin. Der Tempel von Venus und Roma liegt dort. Vielleicht kommt der Name von 'velum', da sich der Sattel wie ein 'Tuch' ausdehnte? (Ja, da rate ich.)


Kapitol:


Laut Sage fand man hier den Kopf des Königs Aulus Vulcentanus und verballhornte den Namen mit dem Begriff für Kopf (Caput-auli; Kopf des Aulus) zu 'Capitolium'. Allerdings bestand der Hügel aus zwei Kuppen, zwischen denen eine kleine Senke lag. Die südliche Kuppe wurde Capitolium genannt, die nördliche arx, Burg. Der Hügel war ja die Fluchtburg Roms. Heute ist man sich nicht einmal sicher, aus welcher Sprache der Name 'Capitol' stammt. Er kann sich auch einfach auf Jupiter als Haupt der Götter beziehen, der dort in einem Tempel verehrt wurde. Der alte Georges definiert Capitolium als Namen dieses Tempels, der auf den Berg übertragen wurde. Vor Bau des Tempels wurde der Berg 'mons tarpeia' genannt, nach Tarpeia, einer Frau, die der Sage nach vom tarpejischen Felsen, einer Richtstätte im Süden des Berges zu Tode gestürzt wurde, als sie den feindlichen Sabinern Zugang zur Burg gewährte.


Quirinal:


Soll, wie gesagt nach den Sabinern genannt sein. Als Gott bekam Romulus den Namen Quirinus. Wurden hier zwei Gründungsheroen vereint? Quirinalis collis kann auch Berg des Quirinus bedeuten. Dann bezöge der Name sich auf den Tempel des Quirinus. Doch wurde der Hügel auch einfach Quirinus genannt.


Viminal:
Hier wird es konkreter. Der Name bezieht sich auf Flechtwerk aus Weiden oder die Weiden selbst. Daher liegt die Annahme nahe, dass dort ursprünglich Weiden wuchsen, die wahrscheinlich zum Flechten genutzt wurden.


Esquilin:
Der Name soll laut Georges aus 'ex' und 'colere' zusammengesetzt sein und soviel wie Aussiedlung bedeuten, also auf eine späte Besiedlung hinweisen.


Fagutal:
Ausläufer des Esquilin auf dem eine dem Juppiter heilige Buche stand. 'Fagus' heisst 'Buche'.

Oppius:
Er soll nach den Oppiern benannt sein.

Cispius:
Er soll nach einem Personennamen benannt sein.


Caelius:
Die Erhebung soll nach einem Anwesen der Caelier benannt sein. Vom Stamm her könnte es auch von Erhebung oder Himmel abgeleitet werden.


Aventin:
Der Aventin soll nach Aventinus, einem König von Alba aus der Sage benannt sein. 'Avena', allerdings mit langem e, heisst 'Hafer'. 'Aveo' heißt 'gesegnet sein'. Ich tippe auf den Diana-Tempel. Oder doch lieber der Ceres-Tempel für die Haferernte?


Wie gesagt, hoffe ich auf Meinungen und Korrekturen hierzu. Insbesondere habe ich den neuen Georges nicht zu Rate gezogen. Ich sollte ihn endlich mal bestellen.
 
@ Augusto:
Zumal man Rom nicht flächendeckend umgegraben hat, erschließt sich mir nicht, wieso man davon ausgehen sollte, dass Hügel, auf denen man frühe Besiedlungsspuren gefunden hat, in ihrer gesamten Ausdehnung in geschlossener Bauweise besiedelt gewesen sein sollen. Außerdem muss eine Bevölkerung natürlich auch ernährt werden können bzw. ist eine mögliche Bevölkerungsgröße abhängig von der verfügbaren landwirtschaftlichen Produktion. Um eine Einwohnerschaft von 10.000 oder sogar 20.000 Menschen ernähren zu können, müsste die Stadt entweder bereits über ein entsprechendes Territorium verfügt haben oder etwas produziert haben, was sie gegen Lebensmittel handeln konnte. Gegen ein großes Territorium spricht schon, dass Latium und seine Umgebung gerade in der römischen Frühzeit mit einer relativ hohen Zahl an Städten übersät war, was die mögliche Größe der einzelnen Städte entsprechend einschränkt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die alte römische Landwirtschaft relativ stark auf Viehzucht (die wohl nur in extensiver Form ausgeübt werden konnte) fokussiert gewesen sein dürfte. Man denke nur daran, dass im lateinischen Wort "pecunia" für "Vermögen" das Wort "pecus" für "Vieh" steckt. Auch in den Mythen zur römischen Frühzeit spielte Viehraub durch oder gegen benachbarte Städte eine Rolle. Rom müsste also entweder bereits im 10. Jhdt. eine Regionalmacht oder eine bedeutende Handelsstadt gewesen sein. Für beides gibt es meines Wissens keine Hinweise.
diese o.a. hohen, eher riesigen Bevölkerungszahlen widersprechen auch späteren Zensuszahlen.
 
Die Bevölkerungszahlen aus der Stadtfläche zu inferieren ohne präzise Angaben über die Dichte und Art der Babauung zu kennen, ist unseriös: Berlin und Paris haben z.B. ungefähr dieselbe Fläche und Paris hat mehr als die dreifache Einwohnerzahl.

Wenn man eine vollkommen verlassene antike Stadt ausgräbt und Angaben über die Bebauung über einen representativen Anteil der Fläche ermitteln kann, können Schätzungen aufgestellt werden. Bei Rom kann man jedoch auf Grund jahrhundertlanger Überbauung nur kleinste Ausschnitte ausgraben, ohne dass man wissen kann, wie es dazwischen aussah. Es gab auch Städte mit weitläufigen Stadtmauern die innerhalb dieser, große Freiflächen hatten in denen Landwirtschaft betrieben werden konnte oder in Krisenzeiten das Vieh untergebracht wurde.
 
Die Bevölkerungszahlen aus der Stadtfläche zu inferieren ohne präzise Angaben über die Dichte und Art der Babauung zu kennen, ist unseriös: .
Nicht doch - es ist Standardpraxis seit spätestens 1950, sieh hier:
http://www.arts.cornell.edu/jrz3/PopulationHQ.pdf
Berlin und Paris haben z.B. ungefähr dieselbe Fläche und Paris hat mehr als die dreifache Einwohnerzahl.
Du vergleichst Äpfel mit Birnen, sprich territoriale Ausdehnung mit Siedlungsfläche. Berlin hat sehr viel Wasserflächen auf seinem Territorium, die die Werte verzerren. Natürlich muß man vor Anwendung von Durchschnittswerten erst mal die effektive Siedlungsfläche kennen. Da habe ich Werte aus einer meiner Ansicht nach recht sorgfältigen Untersuchung zugrundegelegt.
Wenn man eine vollkommen verlassene antike Stadt ausgräbt und Angaben über die Bebauung über einen representativen Anteil der Fläche ermitteln kann, können Schätzungen aufgestellt werden.
So die Bebauung mit Steinfundament erfolgte, ja. Grubenhäuser, und solche wurden bislang im vorantiken Rom gefunden, rotten innerhalb von 20-30 Jahren weg und werden ersetzt. Da wird es für den besten Ausgräber schwer, zu unterscheiden, welche Pfostensetzung wann erfolgte, d.h. ob zwei Häuser gleichzeitig nebeneinander standen, oder das zweite das erste ersetzte.
Bleiben zwei Alternativen: Bevölkerungszahl hochrechnen/ schätzen, oder gar nichts darüber wissen.
Es gab auch Städte mit weitläufigen Stadtmauern die innerhalb dieser, große Freiflächen hatten in denen Landwirtschaft betrieben werden konnte oder in Krisenzeiten das Vieh untergebracht wurde.
Dazu gehörte Rom sicher nicht - Landwirtschaft auf dem Hügel macht wenig Spaß, abgesehen vom Weinbau, aber der war zur fraglichen Zeit in italien wohl noch weitgehend unbekannt. Das Vieh weidete natürlich unten am Tiber, an Feuchtwiesen mangelte es da ja wahrlich nicht. Das spätere Forum Boiarum lag auch am Tiber im Tal - das macht für Viehmarkt sowieso Sinn (die Tiere sind durstig), und deshalb werden es wohl auch schon die "Alten" so gehalten haben. Friedhöfe außerhalb der Siedlungszone sind Grundannahme der Siedlungsabschätzung. Große Verwaltungsgebäude gab es spätbronzezeitlich/ früheisenzeitlich wohl auch noch nicht. Für was braucht man dann Platz auf den Hügeln, außer für Wohnen, Hausgarten, Schweinestall, etwas Gewerbe, vielleicht Salzlager, eventuell Fluchtraum fürs Vieh (das aber notfalls auch auf einem der "freien" Hügel untergebracht werden kann)?
Table 1 Im obigen Link listet die in der Vergangenheit von diversen Autoren angenommen Siedlungsdichten, mit einer Bandbreite von 100-1.000 Ew/ha, auf. Die Studie nahm Überprüfung am Beispiel des archäologischen Befunds für den eisenzeitlichen Tell-en-Nasbeh nördl. Jerusalem vor. Die Siedlung hatte 3,2 ha ummauerte Fläche, davon waren aber nur 1,7 ha. effektiv besiedelbar, der Rest wurde von der Doppelumwallung und Lagerflächen eingenommen. Die detaillierte Schätzung belief sich auf 900 +/-100 Ew, entspricht ca. 300 Ew/ha ummauerte Fläche, und gut 500 Ew/ha effektiver Siedlungsfläche. Eine ähnliche Größenordnung (550 Ew/ha) ermittelt die nachfolgende Studie (S. 139ff) für das bronzezeitliche Ugarit.
http://uir.unisa.ac.za/bitstream/handle/10500/13257/thesis_kennedy_tm.pdf?sequence=1
Klar, das frühe Rom war kein Ugarit - aber das spiegelt sich ja auch in der von mir übernommenen Annahme A. Cazzellas von einer Dichte von 200 Ew/ha wieder. Ein Haithabu (100 Ew/ha) war es aber wohl allemal. Daß wir es schon in der späten Bronzezeit mit einer "richtigen" Stadt zu tun hatten, zeigen die 35 ha Siedlungsfläche im 13. Jhd. v.Chr. Ugarit und Haithabu brachten es jeweils nur auf etwa 25 ha.
 
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Hallo Augusto, kannst du deine eigene Quelle aus Posting 13 noch einmal überprüfen:
meiner Ansicht nach wird für die Mittlere Bronzezeit eine Bevölkerung von 200 Personen auf dem Kapitol angenommen, die Größe des Siedlungsgebiets hast du richtig mit 7 bis 14 ha angegeben.
Kontrastieren möchte ich deine Aussage aber mit den Grabfunden, die erst soweit mir bekannt ab dem 8./7.Jahrhundert BC eine größere soziale Differenzierung erkenen lassen (Kolb, Die Geschichte der Stadt in der Antike), während vorher nur ein relativ armes eisenzeitliches Hirten - und Bauernleben nachweisbar ist. Es gibt auch dann erst öffentliche Plätze oder (religiöse und politische) Gebäude, wichtige Voraussetzung, um eine gemeinsame Organisation und Zentralisierung erkennen zu lassen. Erste Anzeichen sind sicher eine Befestigung des Kapitol. Manche Forscher tun sich schwer die keltischen Oppida Städte zu nennen, ud sprechen lieber von Zentralort, Städte müssen bestimmte Funktionen erfüllen, um als Stadt bezeichnet zu werden - Rom erschie mir bisher in seiner Frühzeit mehr eine Ansammlung von Dörfern, oder wie Bringmann schrebt von Hüttensiedlungen (Geschichte der römischen Republik) - weit entfernt, "Hauptstadt der Welt" zu sein.... auch keltische frühe Oppida haben manchmal mehr den Charakter zusammengefasster Gutshöfe, dementsprechend wenig dicht ist die Bebauung, da sind Grubenhäuser zum Spinnen und Weben von Wolle, Speichergebäude, Werkstätten, Wohnhäuser und Stallungen, Brunnen und Tongruben. Eine Stadt ist das alleine noch nicht.
 
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Hallo Augusto, kannst du deine eigene Quelle aus Posting 13 noch einmal überprüfen:
meiner Ansicht nach wird für die Mittlere Bronzezeit eine Bevölkerung von 200 Personen auf dem Kapitol angenommen, die Größe des Siedlungsgebiets hast du richtig mit 7 bis 14 ha angegeben.
Nee, lies Du noch mal nach. Die 200 Personen stammen von einem anderen Autor, A. Cazella, der lediglich von 1 ha Siedlungsfläche ausging. Die entsprechende Dichte, 200 Ew/ha, bildete dann auch Ausgangspunkt meiner Abschätzung.
Das Buch stellt Cazellas These von 1 ha Siedlungsfläche die eigene Ermittlung von 7-14 ha. entgegen. Der Rest ist 1x1.
Niedrige Dichte will ich gar nicht bezweifeln, aber die Fläche machts, und die war schon in der frühen Eisenzeit enorm.
Als Illustration habe ich mal zwei Bilder beigefügt, die meine ungefähre Vorstellung vom spätbronzezeitlichen / früheisenzeitlichen Rom wiedergeben. Die Hausgrößen in Bild 1 passen einigermaßen, das Dachmaterial natürlich nicht. Auch dürften wir in Bild 1 deutlich über 200 EW/ha Bevölkerungsdichte haben. Bild 2 ist der Zentralmarkt. Beide Bilder stammen aus Bahir Dar, der drittgößten "Stadt" Äthiopiens. Vor zehn Jahren hatte sie zwei asphaltierte Straßen, und ein akzeptables Hotel.
 

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Ach so, sorry, das war mir entgangen. Derzeit lese ich aus Zeitgründen leider nur sporadisch mit.
 
Ist ja nicht schlimm, nur dass Du Dich nicht wunderst, wenn wenige antworten.

Und zur Zeit freut es mich, dass die viel geschmähten Quellen etwas mehr recht hatten, als die so gestrenge Wissenschaft.
 
Oh, ich dachte, es sei allgemein bekannt gewesen, daß die Salinen an der Tibermündung die größten an der tyrrhenischen Küste waren
Wiewohl also das Ausmaß der direkt von Rom kontrollierten Salzproduktion im Tiberdelta unklar bleibt, ist die Stadt geographisches Zentrum einer sich in der späten Bronzezeit entwickelnden spezialiserten und interregional/ international vernetzten "Salzökonomie" entlang der Küste von Etrurien und Latium. Davon dürfte es sich gut haben leben lassen...
Das beantwortet nicht, ab wann Rom (bzw. seine Vorgängersiedlung) die Tibermündung eigentlich kontrollierte. Der römischen Überlieferung zufolge kam die Tibermündung erst unter König Ancus Marcius (spätes 7. Jhdt.) fest unter römische Kontrolle, als er Ostia anlegte. (Für ein so hohes Alter Ostias gibt es allerdings keine archäologischen Belege.) Es gibt keinerlei Belege, dass Rom bereits im 10. Jhdt. die Küste oder irgendwelche Fernstraßen kontrolliert hätte.
 
Das beantwortet nicht, ab wann Rom (bzw. seine Vorgängersiedlung) die Tibermündung eigentlich kontrollierte. Der römischen Überlieferung zufolge kam die Tibermündung erst unter König Ancus Marcius (spätes 7. Jhdt.) fest unter römische Kontrolle, als er Ostia anlegte. (Für ein so hohes Alter Ostias gibt es allerdings keine archäologischen Belege.) Es gibt keinerlei Belege, dass Rom bereits im 10. Jhdt. die Küste oder irgendwelche Fernstraßen kontrolliert hätte.

Eine kleine römische, "maritime Kolonie" Ostia wird aufgrund der in Mauern verwendeten Steine und der Keramiken zT erst auf das 4. Jhdt. datiert, ggf. in Verbindung mit des auch in antiken Quellen wohl erwähnten Außenpostens in Korsika, sowie einiger Angriffe seefahrender sizilischer Griechen.

Davor datierte archäologische Funde stehen wohl nicht stichhaltig in Verbindung mit Rom.

Die "städtische Formierung" wird auch archäologisch anhand der veränderten Gebäude zT auf die Mitte des 7. Jhdt. datiert, im Kontext der veränderten latinischen Stadtformationen in der Archäologie Italiens.

Für Archäologie und antike Quellen in einer schönen Zusammenführung: Forsythe, From Prehistory to the First Punic War - A critical History of Early Rome, 2005.

Für die Zeit vor Mitte des 7. Jhdt. gibt es eben die genannten Einschätzungen, so auch die Siedlungsplätze auf dem Gebiet des heutigen Roms, als Scharnier überregionaler Handelswege. Mengen- und Zeitgerüste und Bedeutungen einzelner Lokalitäten und Wege sind da aber schwer ableitbar, beruhen wohl eher auf Schätzungen und Plausibilitäten als auf Nachweisen.

U.a. zum Salz:

Belotti et. al.: The Tiber river delta plain (central Italy): Coastal evolution and implications for the ancient Ostia Roman settlement
http://hol.sagepub.com/content/21/7/1105.short

Zum Hafen:

Goiran et. al.: Geoarchaeology confirms location of the ancient harbour basin of Ostia (Italy)
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0305440313003087
 
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Könnte das nicht ganz einfach "Ur-" bedeuten?
Also Palatium = Ur-ort

Ich bin sprachlich nicht sonderlich begabt, aber mir ist aufgefallen daß bei der griechischen Urbevölkerung um Pelasgoi handelt. Es wäre hier eine Namensähnlichkeit vorhanden.
Dass die Pelasger die Urbevölkerung gewesen sein sollen, bedeutet doch nicht, dass sich das auch in ihrem Namen wiederspiegeln muss. (Insbesondere dann nicht, wenn sie tatsächlich ein reales Volk waren.)

Eine kleine römische, "maritime Kolonie" Ostia wird aufgrund der in Mauern verwendeten Steine und der Keramiken zT erst auf das 4. Jhdt. datiert, ggf. in Verbindung mit des auch in antiken Quellen wohl erwähnten Außenpostens in Korsika, sowie einiger Angriffe seefahrender sizilischer Griechen.
Lediglich Theophrastos von Eresos (4. Jhdt. v. Chr.) berichtet im 5. Buch, 8. Kap., seines Werkes über die Pflanzen, dass (wobei er das Ereignis nicht datiert) angeblich Römer mit 25 Schiffen eine Expedition nach Korsika gemacht hätten, um dort eine Stadt zu gründen. Der Plan sei jedoch aufgegeben worden. Die ganze Geschichte liest sich recht abenteuerlich und wird auch von Theophrastos nur als Gerücht wiedergegeben. Außerdem war Korsika in einem der römisch-karthagischen Verträge zu neutralem Gebiet erklärt worden.
 
Ähnlich wie silesia hätte ich auch gesucht, wenn ich Zeit hätte, ob einerseits Rom tatsächlich eine Einflusszone bis zur Tibermündung und damit Zugriff auf Salz hatte, und inwieweit eine städtische Formierung nachweisbar ist.
Meiner Ansicht nach, und da teile ich bisher die Einschätzung von Silesia, lässt sich eine städtische Differenzierung erst ins 7./6.Jahrhundert BC nachweisen. In Bringmann "Geschichte der römischen Republik" (Beck, 2002) steht im ersten Kapitel dies präzise
"Unter Stadt ist hier nicht die amorphe Masse von Einzel - und Streusiedlungen verstanden, die sich seit dem 10.Jahrhundert (anscheinend schon früher, Bitu) über die Hügel verteilten, sondern die Organisation der Bürgerschaft um einen religiösen und politischen Mittelpunkt, der einen sichtbaren Niederschlag in Gestalt von öffentlichen Bauten, wie Tempeln, Versammlungsstätten und Amtsgebäuden, sowie Brücken, Entwässerungsanlagen und Wegen gefunden hat. Diese Überreste hat die Archäologie entdeckt und in das späte siebte und frühe sechste Jahrhundert datiert. Zuerst wurde die überschwemmungsgefährdete Senke zwischen Capitol, dem dem Cermalus und der Velia durch umfangreiche Erdbewegungen, die nach Berechnungen der Archäologen 10000 m³ umfaßten, zugeschüttet, planiert und mit einer Pflasterung aus Tonerde und Kieselsteinen versehen. ....An der Stelle, wo die von der Tibermündung ausgehende Salzstraße das Stadtgebiet berührte, entstand der älteste Handels - und Verkehrsmittelpunkt, das Forum Boarium" (Bringmann, S.10)
Augusto, eine städtische Verdichtung würde auf eine sich entwickelnde soziale Differenzierung schließen lassen, Handwerkerviertel, von Menschen, die keine landwirtschaftliche Produktion mehr betreiben, in späterer Zeit eine "Proletarisierung" der städtischen Bevölkerung. Du hast oben eine äthiopische Stadt als Beispiel genommen, wenn nicht konkrete archäologische Funde (ja, Pfostenlöcher ;) ) vorliegen, ist dies theoretisch.
Schau dir mal unten eine Rekonstruktion anhand der Funde von Manching an, eines der flächenmäßig größten zentralkeltischen Oppida, die Stadtstrukturen erkennen lässt, und daher trotz einer Größe von 380 Hektar und 7,2 km Stadtmauer nur 5000 bis 10000 Einwohner hatte.
Da das früheisenzeitliche Rom auch noch mit diversen ungünstigen Siedlungsvorausetzungen zu kämpfen hatte, der Kapitol ist z.B. sehr steil, die Täler waren versumpft, und mussten erst planiert und entwässert werden, kann meiner Ansicht nach von einer Siedlungshöchstfläche nur schwer hochgerechnet werden, wieviele Menschen dort lebten - oder gibt es bronzezeitliche Funde, die dies beweisen? Mein Englisch ist nicht so gut um wissenschaftliche Texte richtig zu verstehen, vielleicht kannst du die Forschungsergebnisse zur Bronzezeit kurz darstellen und zusammenfassen.

Oppidum Manching, eine Sicht:
 

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Lediglich Theophrastos von Eresos (4. Jhdt. v. Chr.) berichtet im 5. Buch, 8. Kap., seines Werkes über die Pflanzen, dass (wobei er das Ereignis nicht datiert) angeblich Römer mit 25 Schiffen eine Expedition nach Korsika gemacht hätten, um dort eine Stadt zu gründen. Der Plan sei jedoch aufgegeben worden. Die ganze Geschichte liest sich recht abenteuerlich und wird auch von Theophrastos nur als Gerücht wiedergegeben. Außerdem war Korsika in einem der römisch-karthagischen Verträge zu neutralem Gebiet erklärt worden.

Das ist mir schon klar:

Theophrastus’ allusion to a colonization attempt in Corsica (Historia Plantarum 5.8.2) cannot be dated or assessed.
Hoyos, A Companion to the Punic Wars, S. 147

The 350s or 340s B.C. also might be the chronological context in which we should place an attempted Roman settlement of Corsica mentioned by the Greek philosopher Theophrastus (Hist. Plant. 5.8.2). If historical, this expedition must have been dispatched sometime before Theophrastus’s death c. 285 B.C., and his wording suggests that it had occurred some time ago.
Forsythe, Early Rome, S. 279

Ob die Geschichte einen wahren Kern hat, oder Ausschmückung darstellt, darauf kam es mir auch nicht an. Vielleicht - "Besides these official activities implementing a rudimentary naval policy" (Forsythe, S. 303) - ist es nur der Kontext der Absichten mit dem Ausbau Ostias, römischen Einfluss auch auf Korsika anzustreben. Ob die Expedition realisiert wurde, wissen wir mangels (bislang fehlender entsprechender) archäologischer Nachweise aus der Zeit nicht.

Welche faktische Bedeutung die angesprochene Neutralität Korsikas tatsächlich hatte, ist archäologisch auch zweifelhaft:
Corsica and — for different reasons — even Malta were not central to Punic power in the western Mediterranean.
Hoyos, S. 49. Die Neutralität scheint für Rom bedeutsamer gewesen zu sein als für Karthago.

Jedenfalls gab es, archäologisch nachgewiesen, bereits zuvor etruskische Einflüsse auf Korsika, auch parallel und konkurrierend zu den punischen. Die Lage machte es dann sicher für die maritime Entwicklung Roms - Ostia - interessant.
 
Egal wie groß Rom wann war, wer das Kapitol besetzte, beherrschte die Tiberquerung und damit zwei wichtige Handelswege. Damit hatte diese Stelle schon vor Gründung Roms überregionale Bedeutung. Es sei denn, man fasst den Begriff 'Region' größer, als ich es hier tue...
 
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