Vorabend der Reformation in der Mark Brandenburg

Waterpolo

Mitglied
Wenn vom Vorabend der Reformation in Bezug auf die Mark Brandenburg die Rede ist, wie weit kann zeitlich gesehen der Vorabend dann eingeordnet werden? Gibt es ein bekanntes Datum, bestimmte Eigenschaften, ein Ereignis oder auch ein Herrscherwechsel (vielleicht ab dem Kurfürsten Joachim I.) ab dem sozusagen die Vorgeschichte der Reformation speziell auf dieses Territorium dokumentiert werden kann?

Die Reformation ist ein Ereignis, welches über mehrere Jahre zu erkennen ist. Sollte das Ende des Vorabends dann der Beginn 1517 darstellen oder eher die endgültige Durchsetzung seitens des Herrschers?

Vielen, lieben Dank für hilfreiche Beiträge!

Liebe Grüße,
Waterpolo
 
Die Reformation ist ein Ereignis, welches über mehrere Jahre zu erkennen ist. Sollte das Ende des Vorabends dann der Beginn 1517 darstellen oder eher die endgültige Durchsetzung seitens des Herrschers?
Ich würde die Zeit, wenn die öffentliche Diskussion entbrennt, bis zur Umsetzung als Vorabend bezeichnen. Denn mit der Reformation, d.h. der Durchsetzung durch den Landesherrn ist sie ja noch nicht abgeschlossen. In vielen Ländern war immernoch A) der Weg in die Rekatholisierung oder B) die Fortführung/Überleitung in den Calvinismus offen. Gerade in Brandenburg ist das ja ein wichtiges Thema mit dem Glaubensübtertritt des Herrscherhauses.
 
Da ich mich momentan zwangsläufig ein bisschen mit der Reformation beschäftigen muss, wäre es toll zu erfahren, falls Du etwas von Fachleuten herausbekommst oder mir die übliche Lehrmeinung dazu mitteilen würdest. :)
 
Ich würde die Zeit, wenn die öffentliche Diskussion entbrennt, bis zur Umsetzung als Vorabend bezeichnen. Denn mit der Reformation, d.h. der Durchsetzung durch den Landesherrn ist sie ja noch nicht abgeschlossen. In vielen Ländern war immernoch A) der Weg in die Rekatholisierung oder B) die Fortführung/Überleitung in den Calvinismus offen. Gerade in Brandenburg ist das ja ein wichtiges Thema mit dem Glaubensübtertritt des Herrscherhauses.

Im Fall der Mark Brandenburg haben wir drei Kurfürsten in der Reformationszeit:

Joachim I., Joachim II. und Johann Georg

Die Einführung der Reformation wäre 1539 unter Joachim II. Könnte in diesem Fall das Jahr 1539 als Schlusspunkt des Vorabends genannt werden? Darauffolgend kommt schließlich noch am Ende der Augsburger Religionsfrieden, welcher letztendlich den vorläufigen Schlusspunkt des Reformationszeitalters bildet.
 
Ich würde sagen, ja.

Es ist halt immer die Frage, ob es in einer Region schon vor Luther einen evtl. theologischen Diskurs gibt, der auf Kritik an der existierenden Ausformung der Kirche hinausläuft. In Brandenburg mit seinen überwiegend agrarisch geprägten Ackerbügerstädten kann ich mir sowas, mal die Universitätsstadt Frankfurt ausgenommen, nicht vorstellen. Aber ich bin da auch nicht so sehr in der Materie. Habe nur neulich einen Artikel zur Reformation am Oberrhein gelesen, wo man merkte, dass vor Luther auch schon eine Kritik an der kath. Kirche da war. Die räumliche Nähe zu Wittenberg - kann diese auch Auswirkungen auf die Reformation in der Mark gehabt haben?
 
Wenn vom Vorabend der Reformation in Bezug auf die Mark Brandenburg die Rede ist, wie weit kann zeitlich gesehen der Vorabend dann eingeordnet werden? Gibt es ein bekanntes Datum, bestimmte Eigenschaften, ein Ereignis oder auch ein Herrscherwechsel (vielleicht ab dem Kurfürsten Joachim I.) ab dem sozusagen die Vorgeschichte der Reformation speziell auf dieses Territorium dokumentiert werden kann?

Die Reformation ist ein Ereignis, welches über mehrere Jahre zu erkennen ist. Sollte das Ende des Vorabends dann der Beginn 1517 darstellen oder eher die endgültige Durchsetzung seitens des Herrschers?

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Waterpolo

Ich muss in diesem Zusammenhang zu allererst an Albrecht von Brandenburg denken, der 1513 -gegen kanonisches Recht-im zarten Alter von 23 Erzbischof von Mainz, Administrator von Halberstadt und 1514 auch noch Erzbischof von Magdeburg wurde. Dass Albrecht solche Pfründen besetzen konnte, war nur durch Handsalben möglich. Mit großer Wahrscheinlichkeit fädelte Johannes Zink, der Cheflobbyist der Fugger den Deal ein und versprach Leo X. die Hälfte der Ablassgelder, statt des üblichen Drittels. Um die Riesensummen wieder hereinzubekommen, wurden Ablassprediger losgeschickt, um den Gläubigen Angst vor dem Fegefeuer einzujagen. Offiziell ging es um einen Jubelablass zum Bau des Petersdoms. Der Beginn des Ablasses war auf den 1. August 1514 datiert, der Tag an dem Leo X. Raffaello de Santi als Architekten des Baus ernannte. Der Deal, einem Kirchenfürsten erlaubte, einen Großteil der deutschen Katholiken zu schröpfen, wurde auch von den Zeitgenossen als unerhört empfunden. Alle anderen Ablässe wurden damit ungültig und aufgehoben mit Ausnahme der Pfründen, in denen die Fugger vorher schon exklusive Ablässe kassiert hatten. Kirchenfürsten, die ohne Fuggersche Mitwirkung Sonderablässe gesichert hatten, mussten auf ihre Einnahmen verzichten. Damit auch ja nichts schiegfging, hatte Zink das päpstliche Dekret auf 8 Jahre absichern lassen. 48.236 Fl kostete der Handel Jakob Fugger. Der Wirtschaftshistoriker Aloys Schulte (1857-1941) schrieb darüber: "Dass ein Ablass nicht deutlich den Zweck hatte, den der Antragsteller dabei verfolgte, haben wir oft gesehen, dass aber ein Ablass auf St. Peter lautete, um einem Kirchenfürsten die zur Simonie notwendigen Gelder und das Kummulieren von Bistümern zu erlauben, steht doch ohne Beispiel da".

Unter den Ablasspredigern war der bekannte Dominikaner Johann Tetzel, der u. a. in der Nähe von Wittenberg, in Jüterbog Ablassbriefe verkaufte, einer der wortgewaltigsten. Gewitzt wie ein moderner Vertreter, lockte Tetzel die Gläubigen zur dreifach gesicherten Ablasstruhe. "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt, " predigte Tetzel. Während die frommen Laien ihre letzen Kreuzer investierten, um für sich und Verwandte, selbst Verstorbene Erlösung vor den Höllenqualen zu erwerben, regten sich unter Intellektuellen wie Ulrich von Hutten oder dem Augsburger Domherren Bernhard Adelmann die ersten Kritiker des Ablasshandels.

Als schließlich der damals 34jährige Dr. der Theologie Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, war das der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte. Durch den Buchdruck wurden Luthers Thesen schnell bekannt. Mitglieder seiner Gemeinde hatten in Jüterbog Ablassbriefe von Tetzel gekauft. Tetzel habe gepredigt, selbst wenn einer die Muttergottes geschändet hätte, könne er mit Ablassbriefen Vergebung erlangen.
 
@Scorpio: Würdest du sagen, dass in deinem Fall dieser kurze Zeitraum der Vorabend der Reformation für die Mark Brandenburg widerspiegelt?

Ich würde in der Hinsicht mit dem Zeitraum des Brandenburger Kurfürsten Joachim I. gehen, welcher für das Beharren auf die katholische Religion in der Mark Brandenburg bekannt ist, was z.B. bei seinem Nachfolger Joachim II. schon etwas anders ist, da dieser sich im Zwiespalt befindet, letztendlich aber der Gegenseite einiges gewährt und folglich 1539 die Reformation durch das lutherische Abendmahl einführt.
 
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Es gibt bisher zwei Sichtweisen. Die Politik Joachim I. in Bezug auf die erfolgreiche Karriere Albrecht von Brandenburg - verbunden mit der Finanzierung mithilfe der Ablassbriefe bis zu der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers.

Oder letztendlich die symbolische Einführung der Reformation in Brandenburg 1539 durch den Kurfürsten Joachim II.

Was könnte im Fall der Mark Brandenburg als Vorabend (bzw. Vorgeschichte der Reformation) gezählt werden? Anhand der Definition des "Vorabends", welcher den Zeitraum der Entstehung von Spannungen, welche kurz davor sind zu "eskalieren", beschreibt, würde dementsprechend die Sichtweise mit dem Bruder Albrecht von Brandenburg sehr gut passen und nachvollziehbar sein.

Würde mich über Meinungen freuen, um letztendlich eine ungefähre Einordnung vornehmen zu können.
 
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@Scorpio: Würdest du sagen, dass in deinem Fall dieser kurze Zeitraum der Vorabend der Reformation für die Mark Brandenburg widerspiegelt?

Ich würde in der Hinsicht mit dem Zeitraum des Brandenburger Kurfürsten Joachim I. gehen, welcher für das Beharren auf die katholische Religion in der Mark Brandenburg bekannt ist, was z.B. bei seinem Nachfolger Joachim II. schon etwas anders ist, da dieser sich im Zwiespalt befindet, letztendlich aber der Gegenseite einiges gewährt und folglich 1539 die Reformation durch das lutherische Abendmahl einführt.

Was die Geschichte Brandenburgs angeht, bin ich da nicht so bewandert, um mich allzuweit aus dem Fenster zu lehnen. Der Pfründenschacher Albrecht von Brandenburgs markierte meiner Ansicht nach das Ende des Vorabends. Simonie, Nepotismus und Unzufriedenheit mit den Misständen der Kirche bewegten schon lange die Gläubigen. Jakob Fugger, der die schamlosesten und zynischsten Geschäfte mit der Angst der Gläubigen machte, empfand in seinem eigenen Mikrokosmus selbst Unzufriedenheit und regte sich über, seiner Meinung nach dümmliche Predikten auf. er intervenierte bis zu Leo X. damit ein Magister oder Dr. der Theologie als Pfarrer bei seiner Hauskirche St. Moritz einzusetzen. Fuggers Wunschkandidat Johann Speiser wollte nicht mehr und Johannes Eck wurde dringend in Ingolstadt gebraucht. In seinem Privatbereich mißfiel Fugger der moralische Verfall der Kirche, an dem er selbst mitwirkte. Für sich selbst und seine Frau Sibylle kaufte er Ablassbriefe. Als er dann doch seinen Wunschkandidaten Speiser durchsetzte, ging dieser ironischerweise später zu den Protestanten über.
 
Nicht direkt zu Brandenburg,aber zur Person Albrechts von Brandenburg verweise ich auch hier noch mal auf unsere aktuelle Mainzer Ausstellung
Der Schrei nach Gerechtigkeit-das Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation
Dort gibt es ein Tafelbild auf dem hat sich Albrecht als heiliger Martin darstellen lassen,der seine Habe mit den Armen teilt :D
 
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Ich würde sagen, ja.

Es ist halt immer die Frage, ob es in einer Region schon vor Luther einen evtl. theologischen Diskurs gibt, der auf Kritik an der existierenden Ausformung der Kirche hinausläuft. In Brandenburg mit seinen überwiegend agrarisch geprägten Ackerbügerstädten kann ich mir sowas, mal die Universitätsstadt Frankfurt ausgenommen, nicht vorstellen. Aber ich bin da auch nicht so sehr in der Materie. Habe nur neulich einen Artikel zur Reformation am Oberrhein gelesen, wo man merkte, dass vor Luther auch schon eine Kritik an der kath. Kirche da war. Die räumliche Nähe zu Wittenberg - kann diese auch Auswirkungen auf die Reformation in der Mark gehabt haben?

Auf Nachfrage habe ich mittlerweile erfahren können, dass der Vorabend der Reformation in der Mark Brandenburg bis in die Mitte der 1530er Jahre gesehen werden kann, da die eigentliche reformatorische Bewegung im Kurfürstentum letztendlich erst in den 1530er Jahren begann (und schlussendlich auch mit der Regierungszeit Joachims II.).

Joachim I. gelang es grundsätzlich sehr gut, die Ausbreitung der Reformation an den Grenzen der Mark anzuhalten. Die drei märkischen Bischöfe, die Universität Frankfurt und die Landstände unterstützten die Kirchenpolitik des Kurfürsten. Vor allem gab es keine durchsetzfähigen Reformbewegungen in den lokalen Gebieten, auch wenn es in den vereinzelten Städte evangelische Prediger gab. Die alte Kirche war letztendlich bis zum Tode Joachims I. in der Mark recht stabil.
 
Gibt es verfügbare Quelleneditionen, an denen beispielsweise reformatorische Bestrebungen erarbeitet werden können? Wo könnte ich zeitgenössische Quellen dieser Art finden?

In meinem Fall würde ich gerne für den Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Thesen und der Einführung der Reformation in der Mark Brandenburg 1539 einige "reformatorische" Stimmungsänderungen mithilfe von Quellen nachweisen, wird doch gerade die Mark als "Festung des alten Glaubens" bezeichnet.
 
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