Luftkrieg: Atombombenabwurf auf Hiroshima - warum dort?

Für Truman, der bis zu seiner Inauguration keine Kenntnis vom Projekt Manhattan hatte, war die Bombe schlicht eine effektive Waffe. In seinen 1955 veröffentlichten Memoiren beschreibt er seine Entscheidung als Wahl zwischen A-Bombe und Invasion. Falls er die Wahrheit schrieb, sagt das einiges über das intellektuelle Potential des Führers der USA aus.

Nur zu diesem Schnipsel:
Die A-Bombe galt nicht nur Truman schlicht als eine effektive Waffe. Als was auch sonst? Die Stigmatisierung erfolgte erst viel später.
Zum einen unterschätzte man massiv die Gefahren ("duck and cover"),
zum anderen freute man sich über die eigene mächtige Waffe.
Moralische Bedenken entwickelten sich doch erst in späterer Zeit.
 
Nur zu diesem Schnipsel:
Die A-Bombe galt nicht nur Truman schlicht als eine effektive Waffe. Als was auch sonst? Die Stigmatisierung erfolgte erst viel später.

Stimmt. Ich habe Zeitschriften aus den 50.ern gelesen (z.B. Popular Science), in denen mit einer erstaunlichen Oberflächlichkeit vom massiven Einsatz von taktischen Atomwaffen geschrieben wurde. Es gab ja tatsächlich einige mit so kurzer Reichweite, dass sogar die eigenen Truppen notgedrungen betroffen werden mussten. Zivilbevölkerung spielte bei den Überlegungen überhaupt keine Rolle. Die Ausführungen waren jedoch andererseits technisch so korrekt, dass man davon ausgehen kann, dass das Militär die Grundinformationen dazu lieferte. Z.B. ein ausführlicher Artikel über das Bombenabwerfen "über die Schulter".

Zum einen unterschätzte man massiv die Gefahren ("duck and cover"),
zum anderen freute man sich über die eigene mächtige Waffe.
Moralische Bedenken entwickelten sich doch erst in späterer Zeit.

Als man sich bewusst wurde, dass der voraussichtliche Feind auch welche hatte? Nein, das ist übertrieben. Aber ich denke, das moralische Überlegungen auf einer breiteren Basis, tatsächlich erst mit der Friedensbewegung Ende der 60.er aufkamen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stimmt. Ich habe Zeitschriften aus den 50.ern gelesen (z.B. Popular Science), in denen mit einer erstaunlichen Oberflächlichkeit vom massiven Einsatz von taktischen Atomwaffen geschrieben wurde.

Dazu passt ja auch, dass es noch Jahre später Ideen zum zivilen Einsatz von Atombomben gab, etwa um die Rohstoffe der Antarktis auszubeuten, oder auf sowjetischer Seite die Umleitung sibirischer Flüsse ins Kaspische Meer.
 
Man muss hier unterscheiden:

- zwischen dem sorglosen Umgang mit den Folgen des atomaren Einsatzes, bzw. den weitreichenden nuklearen Folgen, so jedenfalls auf der Entscheider-Ebene

- den Erwartungen über die Folgen der Bombardierung als solche, die unzweifelhaft die verheerenden Ausmaße einkalkuliert haben (also die extreme Zahl an Todesopfern). Dies wurde vorher erwartet.

Die Zusammenfassung der scharfen Kritik am Einsatz der Atombomben schlechthin ist die Darstellung von Alperovitz: The Decision to Use the Atomic Bomb and the Architecture of an American Myth. Dort findet man alles auf 1000 Seiten zusammengetragen.

Gegenpositionen gibt es selbstverständlich auch. Sie sind hier auch schon zitiert. Interessant sind Entwicklungen auch bei japanischen Historikern*, die die entscheidende Rolle der Armee als Blockierer der Kapitulation und den Schwenk wegen der Untersuchungskommission klar herausstellen.

"Mehrheitsfähige Bewertungen" (steffen04) spielen hier keine Rolle. Ergebnisse forschungsbasierter historischer Analysen und Bewertungen haben nichts mit heutigen Meinungsumfragen in der Bevölkerung oder unter Journalisten zu tun. Wenn man dagegen zeitgenössische "Meinungen" und nicht moralische Wertungen Jahrzehnte später erfassen will, kann man den scharfen Kritiker Alperovitz zitieren, der die 85% Zustimmung 1946 nach den Abwürfen feststellt (wenn sein Quelle korrekt ist, was ich nicht nachprüfen kann aber mal unterstelle, da er jeden Schnipsel zu der Frage abhandelt).

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*Zum Beispiel Asada: "Conclusion: The above analysis has shown that in August 1945 Japan's peace party made the maximum political use of the atomic bomb to end the war. To them the bomb was "a gift from Heaven," "a golden opportunity," and "a psychological moment" to end the war; they saw the bomb as "assisting" their peace efforts and as a means for the military to save face...
Perhaps no account of Japan's surrender decision is complete without counterfactuals, however risky they may be. This essay has shown that conventional bombing by B-29s alone would not have driven Hirohito to say "we must bow to the inevitable and surrender as speedily as possible." The crucial actor here was the Japanese military, and only the shock of the bombs followed by the Soviet entry could have thrown them off balance and led to surrender-and this narrowly. We must then ask this question: Without the use of the atomic bomb, but with Soviet entry and with continued strategic bombing and naval blockade, would Japan have surrendered before November 1-the day scheduled for the U.S. invasion of Kyushu? Available Japanese data do not provide a conclusive answer."

Asada: The Shock of the Atomic Bomb and Japan's Decision to Surrender- A Reconsideration
PHR 1998, S. 477ff.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Lage war auch die, dass die USA (wenn auch mit erheblichem Aufwand) eine Waffe entwickelt hatten, die in den Händen der Japaner ein Game Changer gewesen wäre. Und man wusste ja definitiv, dass die Japaner selbst frei von Skrupeln waren.
Militärische Logik sagt an der Stelle : Schnell und hart zuschlagen, bevor die anderen auch irgendwas in der Art aus dem Hut ziehen.
 
steffen04 schrieb:
Das sind doch alles keine Gründe, um hunderttausende von Menschen zu töten. Wenn die Nazis ohne jeden materiellen Nutzen zwei Städte eingeäschert hätten, würdest du doch auch nicht posten: Oh, wie hätten die denen denn vertrauen sollen?
Ich halte den Vergleich Nationalsozialisten <-> USA hier für vollkommen fehl am Platze, denn politische, wirtschaftliche wie militärische Rahmenbedingungen und Akteure sind vollkommen andere.

steffen04 schrieb:
Jetzt stellt sich mindestens mir die Frage: wozu überhaupt eine Landung? Man hätte die Japaner schlicht ignorieren können. Die saßen ohne Schiffe und Flugzeuge auf ihren Inseln. Die Besetzung der Inseln war sicher ein schöner Abschluß eines opferreichen Feldzugs – aber um Himmels Willen doch keine militärische oder historische Notwendigkeit!
Ignorieren wie die Westalliierten Norwegen oder die Kanalinseln in Europa? Ich halte es für nicht durchführbar, Japans Truppen nach deren Zurückdrängung auf die Hauptinseln von jetzt auf gleich in einen Sitzkrieg zu zwingen. Die Isolation des japanischen Volkes vom Rest der Welt (Und somit auch von der Lebensmittelzufuhr und dem Welthandel) hätte zehn-, wenn nicht gar hunderttausenden von ihnen das Leben gekostet und den Krieg um Monate, vielleicht sogar um Jahre verlängert.

Wäre die japanische Regierung am Retten von Menschenleben interessiert gewesen, hätte sie den Frieden zu jenen Bedingungen angenommen, zu denen er ihr angeboten worden war. Ein Separatfriede stand nicht in Aussicht, ebensowenig eine Besserung der Kriegslage. Stattdessen war man bereit, weiter einen aussichtslosen Krieg fortzuführen, gleichwohl dies den Untergang ganzer Städte und den Tod des eigenen Volkes bedeutete. Hiroshima und Nagasaki setzten den Weg fort, den die Amerikaner mit ihren Flächenbombardements auf japanische Großstädte bereits beschritten hatten, das Ausradieren weiterer Städte war der japanischen Regierung mehrfach angedroht worden. Und obwohl man wusste, den US-Luftangriffen nichts mehr entgegensetzen zu können, um die eigene Zivilbevölkerung und die Kriegsindustrie zu schützen, wählte man den Kampf. Weshalb sollte ein solches diktatorisches Regime sich also auf einen Frieden einlassen, wenn alle Angriffe auf dessen Hoheitsgebiet gestoppt werden?

Meiner Meinung nach geht es bei dieser Diskussion nicht primär um die Frage: War oder ist der Einsatz von Atombomben gegen Japan moralisch vertretbar gewesen.
Sondern darum, ob nicht die japanische Regierung ganz und gar verantwortungslos gehandelt hat, nicht einen Frieden zu allen Bedingungen anzunehmen, um weitere Zerstörung und somit großes Leid vom japanischen Volk abzuwenden.
 
hätte zehn-, wenn nicht gar hunderttausenden von ihnen das Leben gekostet und den Krieg um Monate, vielleicht sogar um Jahre verlängert.

Wäre die japanische Regierung am Retten von Menschenleben interessiert gewesen, hätte sie den Frieden zu jenen Bedingungen angenommen, zu denen er ihr angeboten worden war.

Guter Hinweis!

Das Weiterlaufen des Krieges - auch das Ausspielen der Karte der UdSSR lief in Japan seit Mai 1945 auf Hochtouren - hätte die Blockade der Inseln (Plan der Navy), weitere Bombardierungen (Plan der Airforce) auch unter Verzicht von Olympic bzw. Majestic (Landung/Invasion) gebracht. Die Blockade hätte zu hohen Opfern im Winter 45/46 geführt (Nahrungsmittel waren ohnehin mehr als bereits halbiert wegen der katastrophalen Missernte 1945 und weitgehenden Ausfalls der Fischerei).

Völlig richtig ist auch der Hinweis auf die hartnäckige, bis August 1945 ausschlaggebende Verweigerung der Kapitulation durch die Kaiserliche Armee, die diesen Krieg 1937 losgetreten hatte und auf die letztlich die Angriffsforderung 1941 gegen die USA zurückzuführen war (dies war nicht die Marine).

Literatur zu den innerjapanischen Entscheidungsvorgängen habe ich oben gepostet.
 
Amerikanische Historiker sind nun der Auffassung, dass zumindest der Abwurf auf Nagasaki aus strategischer Sicht überflüssig gewesen sei, weil die Japaner bereits bereit zur Kapitulation waren, es nur noch darum ging, den Tenno "zu retten". Die amerikanische Führung hätte das gewusst und hätte die Chance genutzt, nachdem man in Hiroshima eine Uranbombe abgeworfen hatte, in Nagasaki noch eine Plutoniumbombe abzuwerfen, um deren Wirkung zu testen. Hiroshima und und vor allem Nagasaki wären demnach "einfach" zwei Testgelände gewesen.
 
Letztlich hängt die Beurteilung an der Frage, wie die innerjapanischen Konstellationen zur Kapitulation einzuschätzen sind.

Das werten Historiker unterschiedlich, wie an dem Beispiel Hasegawa (oder Alperovitz) und dem oben zitierten Asada sehr gut sichtbar wird.

Das Problem dabei ist, dass sich diese Strömungen mischen und man die Einflussmöglichkeiten bewerten muss. Oben ist herausgearbeitet, dass es im Kriegsrat insbesondere die japanische Kaiserliche Armee war, die massiv die Fortsetzung des Krieges beeinflusste, während die aus dem Pazifik fast weggefegte Marine friedenswillig war. Die Armee war es auch, für die nach Einstellung ihres separaten Atomprogrammes "feststand", dass die Superbombe für die USA auf absehbare Zeit nicht machbar sei würde, und auf die die Schockwirkung der Untersuchungsgruppen am meisten wirkten (zusammen mit dem schnellen Zusammenbruch in der Mandschurei). Die Frage hängt damit an der Wertung, ob an der Armee vorbei ein Friedenschluss überhaupt machbar war.

Die Historikermeinungen stehen sich hier konträr bzw. uneinheitlich gegenüber, ebenso wie man nicht von "den Japanern" in dieser verwickelten Lage im August ausgehen kann. Scherer "zieht" hier einseitig die Fraktion um Alperovitz und Hasegawa. Entschieden ist der Streit keineswegs.
 
Militärische Notwendigkeit oder symbolische Drohgebärde, das ist im Prinzip die Kernfrage.

Drei Bombenangriffe (J. Costello: The Pacific War 1941-1945, S. 675)
- Tokyo: 9-10.März 1945, normale Bomben, 83.973 Tote
(mit einem Verlust von 14 !!!!! B-29)
- Hiroshima 6. August 1945, Atombombe, 70.000 Tote
- Nagasaki 8. August 1945, Atombombe, 20.000 Tote

Bereits die Gegenüberstellung der Zahlen macht deutlich, dass die japanischen Städte dem traditionellen Bombardement nicht gewachsen waren und verheerende Schäden eintraten (vgl. ebd. S. 549).
....
(Hervorhebung durch mich)

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit der Symbolik über die reine Drohgebärde hinaus.
(es ist ja auch ohne kostbare Atombombe möglich mindestens gleiche Schäden zu verursachen.)

Nitze vertritt in einem Interview 1986 die Ansicht, dass die Atombombe den Japanern eine Entschuldigung für ihre Kapitulation gab. Dass sie nach einem Ausweg gesucht hätten um den Krieg halbwegs ohne Gesichtsverlust zu beenden. usw..
 
Nitze vertritt in einem Interview 1986 die Ansicht, dass die Atombombe den Japanern eine Entschuldigung für ihre Kapitulation gab. Dass sie nach einem Ausweg gesucht hätten um den Krieg halbwegs ohne Gesichtsverlust zu beenden. usw..

Die These hat zwei Seiten. Zum einen war Admiral Yamamoto von Beginn an deutlich, dass es sich nicht um einen Krieg handeln würde, der mit einem "Siegfrieden" beendet wird, sondern als "Abnutzungskrieg" die Bereitschaft Amerikas zum Friedensschluss herbeiführen soll.

Insofern war aus der Sicht der Marine ein Kompromissfrieden bereits eingeplant.

Diese Sicht repräsentierte einen Teil der Meinung der politischen, militärischen Entscheider in Tokyo.

Die andere Sicht wurde durch die primär kontinental ausgerichtete Vorstellung durch die Armee verkörpert. In dieser Vorstellung war die Idee des "Totalen Kriegs", beispielsweise bei Oberst Ishiwara und anderen sehr ausgeprägt. Und hatte seinen Niederschlag im japanischen Imerialismus in der Mandschurei gefunden.

Vor diesem Hintergrund sind zwei Aspekte zu betrachten, die für die Frage des "Gesichtsverlustes" relevant sind.

1. Für Japan ist erstaunlich, dass in den zwanziger und dreißiger Jahren ein dramatischer Verfall der abstrakten, nicht personenzentrierten Autorität im Militär zu erkennen ist (vgl. K. Singer: Spiegel, Schwert und Edelstein. Strukturen des japanischen Lebens. 1991). Diese Beobachtungen hatte Singer in Japan zwischen 1931 und 1939 gemacht (vgl. ebd. S. 164ff)

Die Streitkräfte zerfielen in kleine Gruppen rivalisierender Netzwerke, die durch persönliche Loyalität aufgrund historisch gewachsener Beziehungen sich verbunden fühlten.

Das trennte sowohl die Armee von der Marine, aber fragmentierte auch beispielsweise die Armee intern, die zudem durch einen starken Generationsgegensatz geprägt war, aus dem sich der Grad der Radikalisierung in Bezug auf den "Totalen Krieg" speiste.

In dieser Situation kam dem "Teno" die zentrale integrierende Funktion zu, die alleine als höchste Autorität in der Lage war, diese antagonistischen Positionen in Japan im Jahre 1945 zu integrieren.

2. Der zweite Aspekt betrifft die kulturelle Dimension und die Frage, was als "Schande" für sich und im Verhalten von anderen wahrgenommen wird.

So schreibt beispielsweise Ruth Benedict (Chrysantheme und Schwer. Formen der japanischen Kultur. 2006) bereits in der Erstveröffentlichung im Jahr 1946, dass es ein ausgeprägtes Schamgefühl in Bezug auf eine Kapitulation bei den Japanern gab.

In diesem Sinne wurde die Kapitulation von Amerikanern mit Verständnislosigkeit und Verachtung betrachtet, da es diametral den japanischen Werten entgegengesetzt war. Die Japaner hatten von den Amerikanern ein Kampf bis zu letzten Mann erwartet, damit es ein ehrenvoller Kampf gewesen wäre (vgl. ebd. S. 43).

Diese Sicht auf eine Schande, die mit der Kapitulation zusammenhing betraf dabei vor allem das Symbol für die Einheit der Nation und fand in der "konstruierten" Identität von "Tenno und der Nation" seinen Ausdruck.

Bei den Verhandlungen zwischen den Amerikanern und den Japanern ging es bei der Frage der "Gesichtswahrung" somit im wesentlichen um die Frage der zukünftigen Rolle des Tenno.

Der ursprüngliche Text, den die Japaner den Amerikanern zugeschickt hatten als "Kapitulation" ging - sehr verklausuliert - von einer weiterhin bestehenden legal abgesicherten Position bzw. Funktion des Tenno als Staatsoberhaupt aus.

Dieses wurd vom State Department erkannt und man bestand darauf, dass im Falle der Kapitulation, die staatliche Autorität auf die Besatzungsbehörden (MacArthur) übergehen würden.

An diesem Punkt mußten die Japaner über ihren "kulturellen" Schatten springen. Ob die Atomwaffen die Bereitschaft bei den "Hardlinern" erhöht haben, halte ich für unwahrscheinlich. Allerdings hat der Abwurf wohl auf den Tenno deutlichen Eindruck gemacht und er hat sich - auch unter Gesichtsverlust - für die Kapitulation entschieden.

Möglichweise war der Abwurf der A-Bombe in seiner Wirkung auf die Japaner an der entscheidensten Stelle am wirksamsten, beim Tenno.
 
Das ist eine völlig zutreffende Schilderung der Mentalität der Akteure.

Nach einer Auffassung ist die Kaiserliche Armee hier der wesentliche Einflussfaktor gewesen. Die Marine war zwar ebenso wie die Politische Spitze beteiligt, spielte aber wegen der vernichtenden Niederlage keine Entscheidungsrolle mehr. Der wesentliche Wendepunkt für die Armee (die gegen die Kriegsgegner USA auch zuvor wenig bis kaum involviert war) in der bereits eingerichteten "Burgenmentalität" und der Hoffnung auf Abnutzung war dann die Existenz der Atomwaffe, die aufgrund des armeeeigenen, mit großen Aufwand weit vorangetriebenen (und gescheiterten) Forschungsprojektes für unmöglich gehalten wurde. Dass die Armee in der "Belagerung" Japans und unter faktischer "Abwesenheit" der Marine (mangels Material) den Ton angab, liegt auf der Hand.

Es gibt in der Quellenlage und den zeitlichen Abläufen Hinweise, dass die sofort nach Hiroshima geschickte Untersuchungsgruppe der Armee hier den entscheidenden Impuls ins Hauptquartier gab, nachdem die zweite Bombe fiel. Dies vertritt so auch eine Strömung unter den Historikern.
 
....Hiroshima und und vor allem Nagasaki wären demnach "einfach" zwei Testgelände gewesen.

Die zweite Bombe (Pu239) über Nagasaki war vorher getestet worden, nach einem ersten Fehlversuch, und hatte im Test bereits die spätere Sprengkraft.
Die erste Bombe (U235) über Hiroshima erfuhr vorher keinen Test.
Man war sich deren Wirkung und Funktion sehr viel sicherer, weil der kritische Zündmechanismus lt. Oppenheimer ein geradezu primitiver ist "It is a very stumpfsinnig [dull] method anyway."
(Köstlich finde ich 'stumpfsinnig method'.)

Physikalisch oder technisch hat es ein solches "Testgelände" eher nicht gebraucht.

Politisch war das ganz bestimmt ein "Testgelände".
 
Zuletzt bearbeitet:
In einem anderen Kontext bin ich auf die starke Zustimmung innerhalb der USA für den realen Einsatz von A-Waffen gestoßen.

Diese Zustimmung galt auch für den Einsatz der A-Waffen über Japan.

So schreibt Curatola, dass Wochen nach dem Abwurf über Nagasaki 85 Prozent der US-Amerikaner den Einsatz über japanische Städte zugestimmt haben!

Lediglich 10 Prozent bewerteten es negativ und 5 Prozent waren unentschieden.

Bereits nachdem der Krieg vorbei war, befürworteten noch nach Monaten immerhin 22,7 Prozent, dass weiter A-Bomben auf Japan hätten geworfen werden sollen.

Diese Sicht der Führbarkeit von atomaren Kriegen setzte sich bis zur Entwicklung der H-Waffen ca. 1958 fort und Trachtenberg bezeichnet es als "Heroic Age" of nuclear war. Es war gekennzeichnet durch die - absurde - Vorstellung in der Spitzenpolitik, dem Militär und der Bevölkerung, dass A-Waffen in einem asymmetrischen Krieg gegen die konventionelle Streitmacht der UdSSR eingesetzt hätten werden können.

Abgesehen davon, dass die entsprechenden Studien, so u.a. Curatola, das Auseinanderfallen zwischen realen operativen Möglichkeiten und den militärischen und politischen Zielen deutlich gemacht haben. Dieser Aspekt wird in einem anderen Thread im Rahmen des KK noch fortgeführt.

Curatola, John M. (2016): Bigger bombs for a brighter tomorrow. The Strategic Air Command and American war plans at the dawn of the atomic age, 1945-1950. Jefferson, North Carolina: McFarland & Company, Inc., Publishers.
Trachtenberg, Mark (1990): American Thinking on Nucelar War. In: Carl G. Jacobsen (Hg.): Strategic power. USA/USSR. [1st publ.]. Basingstoke, London: Macmillan, S. 355–369.
 
Zuletzt bearbeitet:
In einem anderen Kontext bin ich auf die starke Zustimmung innerhalb der USA für den realen Einsatz von A-Waffen gestoßen.

Diese Zustimmung galt auch für den Einsatz der A-Waffen über Japan.

So schreibt Curatola, dass Wochen nach dem Abwurf über Nagasaki 85 Prozent der US-Amerikaner den Einsatz über japanische Städte zugestimmt haben!

Lediglich 10 Prozent bewerteten es negativ und 5 Prozent waren unentschieden.

.... Dieser Aspekt wird in einem anderen Thread im Rahmen des KK noch fortgeführt.

...

Das war eigentlich keine Frage August 1945.
Churchill (Der Zweite Weltkrieg) erinnert sich, dass sich eine solche gar nicht stellte, nachdem die Möglichkeit bestand das Grauen des Krieges zu beenden.
Kurz vorher war zudem ein konventioneller Luftangriff auf Tokyo erfolgt, mit der Folge von mindestens vergleichbaren Opferzahlen zu Hiroshima und Nagasaki.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die US-Airforce ohnehin demonstriert, dass sie japanische Städte in Grund und Boden bomben konnte und auch würde.
Die USA hatten, wie andere auch, riesige militärische Komplexe eben zu solchem Zweck aufgebaut.
Was sie von allen anderen Mächten jedoch unterschied: ein sehr beträchtlicher Teil dieser Anstrengungen richtete sich auf die Atombombe (da noch Spaltungsbombe).
Es wurden Hanford und Oak Rich als gewaltige Industriekomplexe aus dem Boden gestampft, nur um (1945) den Stoff für drei Bomben erzeugen. Der Energieverbrauch, aus dem Stromnetz, dieser Anlagen, wenn ich es recht erinnere, übertraf nach Rhodes, die der gesamten drei führenden Unternehmen der USA zusammen. Ca. 6,5% des Gesamtverbrauchs.
Es wäre ja nach wirtschaftlich-militärischer Logik geradezu widersinnig die Frucht solcher großen Bemühungen nicht ernten zu wollen.
 
Die Japaner wolten doch garnicht kapitulieren..die hatten ihren irren Ketsu-Go Plan den auch der Tenno abgesegnet hatte...und selbst nach den beiden Atombomben wollten noch Hardliner die Radioansprache des Tenno verhindern und weiter kämpfen....

Den Japanern war völlig klar dass sie den Krieg nicht gewinnen konnten aber sie setzten darauf den Alliierten so schwere Verluste bei zu bringen dass diese zu einem Frieden bereit waren ......

Dabei waren sie wirklich bis zum Äußersten bereit :
Am 23. März verfügte das Kabinett zudem die Mobilisierung der gesamten Bevölkerung, das japanische Gegenstück zum „Volkssturm“. Alle Männer im Alter von 15 bis 60 Jahren und alle Frauen von 17 bis 40 Jahren waren betroffen. Allein für Kyushu betrug die Zahl dieser Kämpfer mehr als eine Million.

Da es weder ausreichend Waffen noch Uniformen gab, wurden primitive Stoßwaffen wie Holz- und Bambusstangen verteilt. Dem Schulmädchen Yukiko Kasai wurde eine Ahle ausgehändigt mit den Worten [1]:

Even killing just one American soldier will do. […] You must aim at the enemy’s abdomen.

Der letzte japanische Ministerpräsident sagte nach dem Krieg zu diesem Plan und den Atombomben :

Wenn die Amerikaner in der Lage waren, Japan einfach Stück für Stück zu vernichten, würde es keine Invasion geben. Ohne Invasion war Ketsu-Go sinnlos. Eine Kapitulation war der am wenigsten schlechte Schritt. Nicht alle japanischen Militärs folgten dieser Logik – viele wollten bis zum „ehrenvollen“ Untergang weiterkämpfen. Aber genug, um den Krieg zu beenden. Auch beim Kaiser hatte ein Umdenken stattgefunden.​
https://usaerklaert.wordpress.com/2...en-japan-teil-3-ketsu-go-japans-letzter-plan/

Auch noch interessant :
Am 20. Januar 1945 wurde mit dem Segen des Kaisers die entsprechende strategische Direktive erlassen.

(Erst spät wurde bekannt, dass Hirohito mehr tat als nur formell die Entscheidung abzunicken. In seinen Memoiren, die bis zu seinem Tod 1989 zurückgehalten wurden, bestätigte er, noch bis Juni mit ganzem Herzen diese Strategie unterstützt zu haben. Das ist einer der Gründe für die bis heute auf verschiedene Arten vorgetragene Forderung, Hirohito als Kriegsverbrecher einzustufen.)




 
Zwei neuere Aufsätze:

Francis Pike (2016) THE DEVELOPMENT OF A DEATH CULT IN 1930s JAPAN AND THE DECISION TO DROP THE ATOM BOMB, Asian Affairs, 47:1, 1-31
Online:
http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/03068374.2015.1128682?src=recsys

Zum Medieninteresse der Okinawa-Schlacht und der amerikanischen Verluste:
Sarantakes, Nicholas Evan. Warriors of Word and Sword. The Battle of Okinawa, Media Coverage and Truman's Reevaluation of Strategy in the Pacific
Journal of American-East Asian Relations 23.4 (2016): 334-367.
 
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