Konflikt und Gewalt durch komplexere neolithische Gesellschaften?

Stand so in einem Deiner Zitate weiter oben.
Dass "Gewalt lediglich auf fehlende Hierarchien zurückzuführen" zu sei, steht da nicht, das ist von Dir.

Die spezifische Form der Trichterbecher wird teilweise damit erklärt, daß die Auswölbung im unteren Teil des "Trichters" Braurückstände (abgestorbene Hefe etc.) effektiv zurückhielte.
Das leuchtet ein.
 

Anhänge

  • 340px-Weizenbier.jpg
    340px-Weizenbier.jpg
    21,3 KB · Aufrufe: 561
Zwar dreht sich dieser Faden um das Neolithikum, aber als Exkurs scheinen mir auch die Funde mesolithischer, auf Pfähle gesteckter Schädel im schwedischen Motala erwähnenswert. Ob es sich hier um einen speziellen Bestattungsritus, oder um Kampftrophäen, vielleicht zur Abschreckung ("Hier beginnt unser Fischereirevier") aufgestellt, handelte, ist unklar.
Schweden: Gepfählte Schädel geben Rätsel auf - Spektrum der Wissenschaft
 

Anhänge

  • Ancylussee[1].jpg
    Ancylussee[1].jpg
    111,7 KB · Aufrufe: 580
Es bringen alle Gesellschaften Konflikt und Gewalt hervor.
Die Frage wäre da doch eher wie das hoch Ausmaß der Gewalt, speziell die Mordrate *, im betrachteten Zeitraum war. Dies im Vergleich zu vorher und auch nachher.

* Mordrate heißt, Anzahl der durch einen Artgenossen zu Tode gebrachten Menschen
pro Tausend Mitbewohner und Jahr.
Nehmen wird das mal als Definition für Mordrate (homicide).
Das ist naheliegend. Denn würde ein fiktiver Archäologe der fernen Zukunft einen Weltkriegssoldaten ausbuddeln und eine menschengemachte Kugel in seinem durchlöcherten Schädel finden, dann würde er eben diese Zuordnung machen, .. sofern er keine juristische Bewertung vornimmt :)

Die (Gesamt) Todesrate (death rate) beträgt in UK im Jahr 1999 12 (pro Tausend und Jahr) und Mordrate (homicide) 0,01. [1 Tabelle 6.3 – Quellenbezug WHO] Danach wäre hier die Wahrscheinlichkeit einem Mitmenschen zum Opfer zu fallen in diesem Jahr 1:1200.
(Das ist ja auch schon schwierig, denn ein ungewiss großer Teil der verübten Morde bleibt unentdeckt, aber 10x so viele werden es wohl nicht werden)
Ein sehr grobe Schätzung („very rough estimate“ - gleiche Tabelle) gibt die Mordrate im neolithischen Frankreich 5000-2000 BC mit 1,4 (pro Tausend und Jahr) an, aber nicht die Todesrate insgesamt.
(Hier nimmt Clark Bezug auf „Guilaine und Zammit 2005“.)
Angenommen, der neolithische Franzose wurde nicht 80, wie der Brite heute, sondern nur 20.
Dann müsste seine (Gesamt) Todesrate bei 48 liegen statt bei 12, falls der neolithische Franzose eine vergleichbar konstante Bevölkerung aufwiese.
Damit betrüge die Wahrscheinlichkeit für diesen einem Mord zum Opfer zu fallen 1:32.
Sagen wir mal grob, das ist das Vierzigfache des gegenwärtigen Risikos.

Es gibt neben der erwähnten sehr groben Schätzung auch noch Erhebungen zu den sogenannten „forager societies“ oder „modern hunter-gartherer societies“ über die entsprechenden Todesursachen. Die kommen ganz schlecht weg: Ermordungsrisiko ungefähr 1:5. (gleiche Quelle)

Damit wäre anhand „moderner“ Jäger-Sammler Gesellschaften zu vermuten, dass diese sich auch damals nicht im positiven Sinn von der nachfolgenden Gesellschaftsform unterschieden.
Das ist zwar alles recht weich, aber härter wird es möglicherweise auch nicht werden.

[1] Gregory Clark – A Farewell to Alms S. 124 ff
 
Zwar dreht sich dieser Faden um das Neolithikum, aber als Exkurs scheinen mir auch die Funde mesolithischer, auf Pfähle gesteckter Schädel im schwedischen Motala erwähnenswert. Ob es sich hier um einen speziellen Bestattungsritus, oder um Kampftrophäen, vielleicht zur Abschreckung ("Hier beginnt unser Fischereirevier") aufgestellt, handelte, ist unklar.
Schweden: Gepfählte Schädel geben Rätsel auf - Spektrum der Wissenschaft
man könnte auch noch das grausige "Massaker" von Herxheim (Pfalz) erwähnen Herxheim
 
Es bringen alle Gesellschaften Konflikt und Gewalt hervor.
Die Frage wäre da doch eher wie das hoch Ausmaß der Gewalt, speziell die Mordrate *, im betrachteten Zeitraum war. Dies im Vergleich zu vorher und auch nachher. (..) Angenommen, der neolithische Franzose wurde nicht 80, wie der Brite heute, sondern nur 20.
Dann müsste seine (Gesamt) Todesrate bei 48 liegen statt bei 12, falls der neolithische Franzose eine vergleichbar konstante Bevölkerung aufwiese.
Damit betrüge die Wahrscheinlichkeit für diesen einem Mord zum Opfer zu fallen 1:32.
Sagen wir mal grob, das ist das Vierzigfache des gegenwärtigen Risikos.
Einige technische Anmerkungen zu ideser Kalkulation:

  1. Etwa die Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung wird durch Säuglings- und Kindersterblichkeit bedingt. D.h., der "neolithische Franzose" wurde, sofern er das 6. Lebensjahr erreichte, im Durchschnitt 40 Jahre alt, was sich auch mit den Grabbefunden deckt. [Anderswo hatte ich vor längerer Zeit eine entsprechende Analyse für die Römerzeit verlinkt - durchschnittliche Lebenserwartung um 30 Jahre, nach Erreichen des 6. Lebensjahrs etwa 60 Jahre.]
    Lässt man das damals wie heute schwer nachweisbare Phänomen Kindstötung außen vor, so ist die Mordrate tendenziell altersabhängig. Eifersuchts-/Bezeehungsdelikte als häufigste Tötungsursache werden oberhalb von, sagen wir 45 Jahren, doch eher rar. Ähnliches gilt für Sexualdelikte mit Tötungsfolge. Will sagen - die von Dir vorgenommene "Lebensalterkorrektur" wirft technisch diverse Probleme auf. Eigentlich sollten neolithische Tätungsraten mit heutigen Tötungsraten an unter 40-jährigen verglichen werden - ob es da belastbare Zahlen gibt, habe ich nicht geprüft.
  2. Was die neolithische Gesamtbevölkerung als Grundgesamtheit angeht, gibt es diverse Unsicherheitsfaktoren: Vgl. "Frostige Volkszählung" für das Jungpaläolithikum, aber auch weiter oben zu fehlenden Grabfunden, und die mit viel "Pi mal Daumen" verbundene Frage nach typischen Haushaltsgrößen (Groß- oder Kleinfamilie, Anzahl überlebender Kinder, unverheiratete Onkel/ Tanten etc.). Ich denke auch, dass, bei vielfach belegten Siedlungsabbrüchen und Neueinwanderung, ein Mittelwert über drei Jahrtausende nur begrenzt aussagekräftig ist.
  3. Vor dem Hintergrund oft unterrepräsentierter, in einigen Kulturen (z.B. Ertebölle, Michelsberger Kultur) fast völlig fehlender Grabfunde stellt sich die Frage, wie weit nicht "Begräbnisse" bzw. Verscharren gewaltsam Getöteter einen nur bedingt verallgemeinbaren Sonderfall darstellen.Herxheim ist ein Beispiel - hier spricht einiges für Zweitbestattung an einem zentralen Ort, ähnlich wie wir es aus Katakomben und Gebeinhäusern kennen, wobei für einen (kleineren) Teil des Herxheimer Fundguts Menschenopfer/ Kannibalismus enrnsthaft in Betracht zu ziehen ist. Aber eigentlich fehlt uns noch ausreichende Kenntnis der Begräbnissitten jungneolithischer Kulturen, um aus den Funden offenbar gewaltsam Getöteter hochzurechnen.
  4. Schließlich geht der Vergleich mit heutigen Mordraten teilweise fehl. Nimmt man Kriegstötungen mit dazu, werden die Raten sehr viel höher. Aus der Erinnerung meine ich, für Frankreich im 19. Jhd. etwas über eine gewaltsame Tötungsrate von 9% gelesen zu haben - da gehen natürlich insbesondere die Napoleonischen Kriege massiv mit ein. Gemessen daran war das Neolithikum dann doch noch ziemlich friedlich.
Will sagen: Individuelle Gewalt, z.B. unter Alkoholeinfluß bei Vollmond am Lagerfeuer, gab es wohl zu jeder Zeit und in jeder Kultur. Ob wir hier je für das Neolithikum belastbare Zahlen werden ermitteln können, halte ich für fraglich (man denke nur an die heutigen Schwierigkeiten, Leichen von Mordopfern aufzuspüren).
Ein zweiter Aspekt, und um den geht es hier im Faden ja primär, ist soziale, also in/ von Gruppen ausgeübte Gewalt. Solche mag auch im Mesolithikum schon vorgekommen sein (Motala, Ofnethöhlen), aber für das Neolithikum häufen sich entsprechende Befunde. Eine erste Zuspitzung findet sich zum Ende der LBK, also vor gut 7.000 Jahren, mit Anzeichen von Opferritualen/ Kannibalismus (Herxheim), sowie der gewaltsamen Ausrottung ganzer Siedlungen (Massaker von Talheim, Schöneck-Kilianstädten, Massaker von Schletz).
Vor gut 5.000 Jahren kam es zur militärischen Konfrontation zwischen der aus der Trichterbecher-Kultur (Norddeutschland/ SW-Skandinavien) hervorgegangenen Bernburger Kultur und der danubisch geprägten Salzmünder Gruppe, die etwa 3.100 v.Chr. mit dem Verschwinden letzterer endete. Die Salzmünder Gruppe hatte eigenartige Begräbnisriten, die möglicherweise auf Menschenopfer hindeuten. Nicht allzulang danach kam es an der gleichen "Frontlinie" (allerdings mit wohl teilweise anderen Kontrahenten) zum Massaker von Eulau. Ich persönlich ordne auch Ötzi in diesen Kontext (Expansion kupferverarbeitender Gruppen [Badener Kultur] von unterer/mittlerer Donau nach Mitteleuropa) ein; zeitlich paßt er allemal.
Wie weit die beiden anderen großen Kulturbrüche der mitteleuropäischen Jungsteinzeit (Ende Rössener Kultur und Lengyel-Kultur beide ca. 4.300 v. Chr., Ende Michelsberger Kultur ca. 3.700-3.500 v. Chr.) ebenfalls mit Perioden erhöhter sozialer Gewalt, vielleicht sogar (Bürger-)Kriegen einhergingen, ist, auch mangels hinreichender Grabfunde, noch weitgehend ungeklärt. Für Michelsberg gibt es zumindest einzelne Anzeichen (Brandspuren) in diese Richtung, und beide Kulturbrüche gingen mit genetischen Änderungen (wohl durch Einwanderung) einher.
Ich persönlich denke aber auch, daß Epidemien (insbesondere Grippe) stark zu den Kulturbrüchen beigetragen haben und letztlich wohl hauptverantwortlich für das genanalytisch belegte Aussterben der frühen Bäuerinnen (und, soweit die noch spärlichen Analysen neolithischer yDNA schon Schlüsse zulassen, der frühen Bauern) sind. Auch Epidemien können massive Änderungen des Sozialverhaltens hervorbringen, und sollten bei der Einordnung von Phänomenen wie Kannibalismus/ Menschenopfer (Kontaktabbruch zwischen benachbarten Siedlungen sowieso) nicht außer Acht gelassen werden. Das Thema "Epidemien im Neolithikum" gehört aber wohl in einen eigenen Faden [Frage an die Moderation: Gibt es solchen schon?].
 
Selbstverständlich gab es seit dem frühen Neolithikum auch "Befestigungen", zum Teil massiver und aufwändiger Art.

Beinahe erstaunlich empfinde ich die allerdings nicht frühneolithische sondern bereits chalkolithische (kupfersteinzeitliche) Siedlung von Los Millares. Abgesehen davon, dass diese über mehrere Mauerringe und ich will mal sagen eine Art Akropolis verfügt (keine Verwechslung mit der Nekropole, für die Los Millares eigentlich bekannt ist), ist der fortifikatorische Fortschritt, den Los Millares zeigt schon bemerkenswert: Eine begehbare Mauer mit bastionsartigen Ausbauten:

Los_Millares_MS08_dibujo_reconst.1_texto_web.JPG

Die Befestigungen von Los Millares sind, was die fortifikatorische Evolution anbelangt, m.E. erstaunlich weit fortgeschritten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dank für die verlinkten Hinweise.

Wenn man von den frühesten Nachweisen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen ausgeht, und den Bogen über Neolithikum bis zur Bronzezeit schlägt, dann ergibt sich doch folgendes Muster:

Größere Gruppen und Besiedlungen, komplexere Strukturen mit hierarchischen Ordnungen, "reiche Plätze" (als Konsequenz längerer und größerer Besiedlung) und andererseits steigende Mobilität in Handel und Migration (vermutlich mit dem Nebeneffekt größerer Gruppen von Angreifern) führen zu komplexeren "Befestigungsstrukturen", sozusagen eskalierend von simplen "Zugangskontrollen" (in einfachen Wällen) bis hin zu aufwändigen und massiveren Befestigungsstrukturen (die auch mit der Dauer der Besiedlung anwachsen).
 
Belege für Kriegführung als Teil der menschlichen Zivilisation erden auch im Neolithikum gefunden.

Lawrence Keeley (War befor Civilization, 1996) schätzt, dass 15-25 Prozent der Männer von Wildbeuter- und Sammlergesellschaften an den Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen starben. Ein sehr hoher Prozentsatz, der auch weit über dem späterer, staatlich organisierter Zivilisationen wie etwa Uruk oder Stadtstaaten in China und Indien lagen.

In der der aktuellen Ausgabe (Winter 2015C, der zitierte Artikel ist Aufmacher) des Quarterly Journal of Military History verortet Wayne Lee (University of North Carolina) in seinem Artikel „When did Warfare beginn?“ erste Befestigungen in Catalhöyük, Anatolien und Tell Maghzaliyah, Iran (etwa 7500 bis 5500 b.C.). Die Siedlung Hacila in der Nähe von Catalhöyük sei mehrmals niedergebrannt und jedesmal stärker befestigt wieder aufgebaut worden.

Lee beschreibt drei Massengräber mit möglichen Kriegstoten:
Talheim, bei Heilbronn, 34 Tote, etwa 7.000 Jahre alt
die Ofnet-Höhle in Bayern, etwa 8.500 Jahre alt
Jebel Sahaba, Sudan, etwa 13.000 Jahre alt, 59 Tote

Weitere Belege für kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Menschengruppen sieht er in Funden in

Tell Maghzaliyah, Irak 9.000 v. Chr.
Jericho, Israel 10.000 v. Chr.
Gough' s Cave, England 14.700 v. Chr.
Ler Rois-Höhle, Frankreich 35.000 bis 30.000 v. Chr.(Neandertaler und moderne Menschen)
Shanidar, Irak 45.000 bis 35.000 v. Chr. (Neandertaler, getötet von Speeren unter Nutzung einer Speerschleuder – damit wahrscheinlich von einem modernen Menschen)
El Sidron, Spanien 50.000 v. Chr.(Neandertaler)

Wenn ich das richtig sehe beschreibt er hier Fälle von organisiertem Kannibalismus, die er als Ziel und Folge von Kriegszügen deutet: grosse Zahl von Toten, extreme Gewaltanwendung, Bandbreite der Opfer (Männer, Frauen, Kinder)


Zum Artikel : Lee versucht zu belegen, dass Krieg und Zivilisation zwei Seiten einer Medaille sind. Kooperation und Altruismus ermöglichen friedlichen aber eben auch militärischen Fortschritt und sind damit doppelt verstärkende evolutionäre Faktoren.

Er sucht weiter nach Gründen für die tiefsitzende Ethnozentrizität im Menschen und glaubt, diese auch in der sehr alten Tradition der Kriegführung finden zu können.
Wow, vielen lieben dank für die mühe der auflistung. Habe es mit viel Interesse gelesen!

Ach so nochwas: was sagt ihr zu der these, dass krieg eigentlich vor schaffung von überproduktion (also durch zucht und anbau) eher sinnlos war bzw nicht zielführend? zu großes risiko leer austzugehen, also lieber zeit nutzen zum nahrungssammeln.
und nächste these die ich las: dass sklaven erst sinn machen ab zeitpunkt der überprod. weil diese ja dann erstmals mehr prod. als sie zum überleben benötigen. ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach so nochwas: was sagt ihr zu der these, dass krieg eigentlich vor schaffung von überproduktion (also durch zucht und anbau) eher sinnlos war bzw nicht zielführend? zu großes risiko leer austzugehen, also lieber zeit nutzen zum nahrungssammeln.

Es braucht keinen Produktionsüberschuss, um vorteilhafte Stellen ("Gute" Jagdgebiete, zuverlässige Wasserstellen*, reiche Sammel-oder Fischgründe etc) verteisigen zu wollen. Allgemein ist es für nicht-seßhaften Wildbeuter natürlich leichter, einem Konflikt durch Weiterziehen auszuweichen, als seßhafte lebenden Menschen. Gründe für (auch gewaltsam ausgetragene) Konflikte kann es schon lange vorher gegeben haben.

* Wie in 2001, wie balkanese sagt ;)

und nächste these die ich las: dass sklaven erst sinn machen ab zeitpunkt der überprod. weil diese ja dann erstmals mehr prod. als sie zum überleben benötigen. ?

Sklaverei macht mE nur Sinn, wenn man die Sklaven überwachen und so deren Arbeitskraft ausnutzen kann; für nicht-seßhafte Wildbeuter also schwierig. Die Aufnahme von "Fremden" in die eigene Sozialgruppe mag es immer gegeben haben, auch mit (zumindest anfangs niedrigem Status), aber das läuft eher auf eine "Adoption" hinaus als auf das, was ich unter Sklaverei verstehe.

Mal eine These: Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen gab es "schon immer". Solche kennen sogar unsere nächsten Verwandten im Tierreich. Ab dem Zeitpunkt, ab dem dr Mensch über effektive Mittel zum Töten seiner Mitmenschen verfügte, kann es auch zu Massakern kommen; also der Tötung mehrer Menschen gleichzeitig bis hin zur Dezimierung/Ausrottung besagter "anderer Gruppe", im Gegensatz zu Gewaltaten an einzelnen Individuen. Wie häufig das vorkam ist eine andere Frage (wie gesagt ist es für Nicht-Seßhafte oft einfacher/sicherer, auszuweichen, wenn eine solche Gefahr besteht).

Mit der Seßhaftigkeit verstärkte sich diese Tendenz: Höhere Bevölkerungsdichte und weniger Platz zum Ausweichen; größere Angewiesenheit auf den Wohnort als Lebensgrundlage; verbesserte Möglichkeit zur Anlage von Vorräten bzw der Anhäufung von Werten und damit einhergehende Begehrlichkeiten. Mit der ebenfalls mit der Seßhaftigkeit einhergehenden Verbesserung der Bautechnik entstanden aber auch bessere Möglichkeiten zur Verteidigung, mE insbesondere als sicherer Rückzugsort.

In Jericho gibt erste Steinbauten, die als Verteidigungsanlagen gedeutet werden können, im 9. Jahrtausend. Diese Deutung ist nicht notwendigerweise richtig, aber möglich. Siedlungen wie Catal Hüyük aus dem 8. Jahrtausend bieten einen recht großen Schutz (gegen Tiere, aber auch evtl Angreifer), da sie feste Steinwände mit Zugängen ausschließlich über das Dach vereinen. Aber auch das ist Interpretation.

Eindeutige Befestigungsanlagen wie Los Millares hängen mE mit dem mit der Metallverarbeitung intensivierten Handel zusammen (und natürlich der weiteren Entwicklung der Technik und der fortschreitenden Arbeitsteilung, für die der Handel aber auch eine Bedingung ist). Durch den Metallabbau bzw die -verarbeitung und dem Handel mit diesen wertvollen Produkten nahm die Konzentration von Reichtum an konkreten Orten zu, was für die Bewohner auf der einen Seite angenehm war (wer ist nicht gerne reich...), aber auch gefährlich. Erst die "Freizeit" durch die Möglichkeit, viele notwendige Bedürfnisse durch Handel zu stillen, machte es es möglich, umfassende Burganlagen mit Mauern, zahlreichen Türmen etc zu errichten, und die gleichzeitige Bedrohung, das andere dieses Reichtums habhaft werden wollen (über die Leichen der Vorbesitzer), machte es auch sinvoll bzw notwendig.
 
Sklaverei macht mE nur Sinn, wenn man die Sklaven überwachen und so deren Arbeitskraft ausnutzen kann; für nicht-seßhafte Wildbeuter also schwierig.

Ein Sklave muss nicht 24 Stunden am Tag beaufsichtigt werden. Mir fallen zwar auch immer zuerst Plantagen, Galeeren, Arenen etc ein. Im amerikanischen Süden beispielsweise haben aber auch arme weiße Familien einen Sklaven gehalten, der natürlich nicht beaufsichtigt werden konnte.

Zur Vermeidung von Aufständen und Flucht gab es aber ein ausgeklügeltes System der Nachbarschaftshilfe: Aufgebote aus Freiwilligen, professionelle Sklavenjäger, Hundeführer bis hin zu Anwälten, die erfolgreich entflohene Sklaven selbst aus dem Norden wieder zurückklagten etc... Ich nehm an, bei Kelten und Wikingern sah das ähnlich aus.

Hier zwei aktuellere Beispiele von Sklavenhaltung bei nicht sesshaften Völkern;
Die Tuareg waren/sind Nomaden und sollen heute noch Sklaven halten (Iklan).

In diesem Artikel aus der "Welt" wird über schwarze Sklaven bei Prärieindianern berichtet. US-Geschichte: Auch die Indianer hielten sich schwarze Sklaven - DIE WELT

Zum Verständnis früher Formen der Sklaverei ruhig auch mal den Wiki-Beitrag "Sklaverei bei den Indianern Nordamerikas" lesen. Der ist zwar sehr knapp gehalten, bietet aber ein paar ganz nette Links.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wikingische Anwälte hätten schon einen gewissen Reiz. :winke:

Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass nomadisch lebende Clans (die ja häufig in recht vielschichtigen Autoritätsgefügen lebten) auch so etwas wie Sklaven oder eben unfreie Mitglieder mit geringeren Rechten kannten. Einzeln hatte ein Mensch ja ohnehin nur geringe Überlebenschancen, also musste man diese vielleicht nicht einmal besonders beaufsichtigen. Ein Haussklave in Rom stand ja zB auch nicht immer unter Beobachtung, sondern wurde eher von "unsichtbaren (inneren und äußeren) Ketten" gehalten.
 
Bestes Bsp. die bis heute gelebte Praxis bei den Twareg. Sklaven und Herren unterscheiden sich v.a. anhand des Rechts zu reiten und dass der Herr Herr über Leben und Tod ist sowie des Mehr bzw. Weniger an "Freizeit". Ansonsten leben sie in denselben Zelten, essen dasselbe Essen, teilen dasselbe Leben. Teilen klingt jetzt ein wenig verharmlosend, das ist aber so nicht gemeint.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Vermeidung von Aufständen und Flucht gab es aber ein ausgeklügeltes System der Nachbarschaftshilfe: Aufgebote aus Freiwilligen, professionelle Sklavenjäger, Hundeführer bis hin zu Anwälten, die erfolgreich entflohene Sklaven selbst aus dem Norden wieder zurückklagten etc... Ich nehm an, bei Kelten und Wikingern sah das ähnlich aus.

Vermutlich. Sind aber alles keine nicht-seßhaften Wildbeuter. Ein Beispiel für eine solche Sklaven-haltende Gruppe würde mich überzeugen, viehzüchtende Nomaden oder seßhafte Ackerbauern tuen das nicht. ;)

Hier zwei aktuellere Beispiele von Sklavenhaltung bei nicht sesshaften Völkern;
Die Tuareg waren/sind Nomaden und sollen heute noch Sklaven halten (Iklan).

In diesem Artikel aus der "Welt" wird über schwarze Sklaven bei Prärieindianern berichtet. US-Geschichte: Auch die Indianer hielten sich schwarze Sklaven - DIE WELT

Am interessantesten (in dieser Hinsicht) könnte der Verweis auf Sklavenhaltung bei den Ureinwohnern des amerikanischen Nordwestens sein. Zumindest in manchen Gebieten wurde der Ackerbau mWn erst mit den Europäern eingeführt, vorher überwog der Nahrungswerwerb durch Jagd, Fischfang, Sammeln. Durch die sehr günstigen Bedingungen waren aber auch diese Menschen mWn durchaus seßhaft. Passt also auch nicht.
 
Vermutlich. Sind aber alles keine nicht-seßhaften Wildbeuter. Ein Beispiel für eine solche Sklaven-haltende Gruppe würde mich überzeugen, viehzüchtende Nomaden oder seßhafte Ackerbauern tuen das nicht. ;)
Am interessantesten (in dieser Hinsicht) könnte der Verweis auf Sklavenhaltung bei den Ureinwohnern des amerikanischen Nordwestens sein. Zumindest in manchen Gebieten wurde der Ackerbau mWn erst mit den Europäern eingeführt, vorher überwog der Nahrungswerwerb durch Jagd, Fischfang, Sammeln. Durch die sehr günstigen Bedingungen waren aber auch diese Menschen mWn durchaus seßhaft. Passt also auch nicht.

Die Cambridge History of Slavery hat einen guten Artikel in Band III zum präkolumbianischen Nordamerika.
 
Am interessantesten (in dieser Hinsicht) könnte der Verweis auf Sklavenhaltung bei den Ureinwohnern des amerikanischen Nordwestens sein. Zumindest in manchen Gebieten wurde der Ackerbau mWn erst mit den Europäern eingeführt, vorher überwog der Nahrungswerwerb durch Jagd, Fischfang, Sammeln. Durch die sehr günstigen Bedingungen waren aber auch diese Menschen mWn durchaus seßhaft. Passt also auch nicht.

Im Kulturareal Nordwestküste war aufgrund des im Überfluß vorhandenen Nahrungsangebots eine seßhafte Lebensweise ohne Ackerbau möglich. Ebenso gab es eine soziale Hierarchie, die ein ganzes Stück über den Unterschied Sklave - Freier hinausging (zb erbliches Häuptlingstum, allerdings wurde über die mütterliche Linie vererbt - Erbe war nicht der Sohn des Häuptlings, sondern der Sohn der Schwester des Häuptlings).

Beispiel für sklavenhaltende Wildbeuter sind die Völker aus diesem Kulturareal daher nicht - ebenso wenig wie übrigens der schlicht grottige sowie arg tendenziöse Artikel aus der "Welt" über eine Sklavenhaltung bzw schwarze Sklaven bei den *Prärieindianern* berichtet. Oder seit wann gehören die Cherokee in das Kulturareal Plains oder Prärie? Also ein recht unterirdischer Artikel plus Rezeptionsproblematik ergibt unterm Strich nicht mehr als eine deplazierte Gerüchteküche. Bei Wikipedia würde man sowas wohl als "TF" (= Theoriefindung) bashen...
 
Vermutlich. Sind aber alles keine nicht-seßhaften Wildbeuter. Ein Beispiel für eine solche Sklaven-haltende Gruppe würde mich überzeugen, viehzüchtende Nomaden oder seßhafte Ackerbauern tuen das nicht. ;)

Niemand kann beweisen, dass irgendwelche nicht-sesshaften Wildbeuter Sklaven hielten. Keine Schrift und die Knochen von Herr und Knecht sind sich halt arg ähnlich.

Wir haben oben Beispiele gebracht, dass Nomaden (Tuareg) und Wildbeuter (Northwest-Indians) in der Neuzeit Sklaven hielten.

Es ist also mindestens möglich, dass auch nomadisierende Wildbeuter Sklavenhalter waren.

Aber du hast natürlich recht: Beweise sind das nicht.
 
Am interessantesten (in dieser Hinsicht) könnte der Verweis auf Sklavenhaltung bei den Ureinwohnern des amerikanischen Nordwestens sein.

Ein Beitrag zum selben Thema: Indian Slavery and Slaves - Handbook of American Indians, 1906

Der Artikel geht von deiner These aus, dass eine Gesellschaft einen bestimmten Organisationsgrad erreicht haben muss, um sich Sklaverei leisten zu können. Der Autor widerlegt die These dann aber mit Beispielen von sklavenhaltenden Gesellschaften "those status is far below that of civilization".

Dieser Artikel http://www.georgiaencyclopedia.org/...ogy/english-trade-deerskins-and-indian-slaves beschäftigt sich mit dem Sklavenhandel unter Indianern und zwischen Indianern und europäischen Siedlern im Osten der USA/Kanada zwischen 1550 und 1700.

Auch ein Beispiel für Gesellschaften, die noch recht mobil waren


Long story short: die Geschichte der Sklaverei reicht weit zurück. Vielleicht haben sich die alten Neandertaler schon Sapiense als Lastenträger gehalten oder andersrum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Ergänzung zu dem oben verlinkten und schwer verrissenen Artikel aus der Welt noch ein paar Links zum Thema sklavenhaltende Indianer im Westen im 19.Jahrhundert:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sklav...ersklavung_von_Afroamerikanern_durch_Indianer

Rassismus: Enkel der Sklaven bei Indianern unerwünscht - DIE WELT

https://de.wikipedia.org/wiki/Cherokee#Status_der_Nachkommen_von_ehemaligen_Sklaven

Mit Sucheinstellung English und den Schlagworten Slavery Indians kommt man schnell auf noch mehr Links.
 
Zurück
Oben