Kalter Krieg und nukleare Strategie

hatl

Premiummitglied
Ich mach mal einen Versuch..
..und beginne Mitte des 19. Jhds.:

Schaut man sich die Tötungsfähigkeit durch Bewaffnung im Krimkrieg an, dann hat sich diese zwar etwas gegenüber den Jahrhunderten verändert, aber es gibt noch keine erheblichen Unterschiede etwa zu den Napoleonischen Kriegen .
Das Gewehr und die Kanone werden von vorne gestopft, die Schussfrequenz ist klein, Reichweite und Genauigkeit schlecht. „Schieße nicht bevor Du das Weiße im Auge des Gegners siehst“ gilt noch großteils. (Das Minié-Gewehr taucht erstmals auf.)
Das Pulver bleibt handgemischt mit schwankenden Eigenschaften, und hinterlässt eine rechte Sauerei im Rohr, welche mühsam und sorgfältig entfernt werden muss, bevor man wieder zu Schießen wagen darf. Und es entsteht ein furchtbarer Qualm.

Dann geht das schnell.
Rund zehn Jahre nach dem Krimkrieg haben die Preußen den Hinterlader beim Gewehr (Zündnadelgewehr). Damit erreicht man nicht nur eine mehrfach höhere Schussfrequenz, sondern man kann auch im Liegen laden, und der arme Österreicher muss 1866 stehend stopfen.
Binnen der nächsten rund 30 Jahre, kommt das rauchlose „Pulver“ mit exakter Qualität und fast rückstandsfrei.
Es erscheint die Hinterladerkanone mit Schnellverschluss, die 20 mal pro Minute schießen kann (75mm french gun.. Das ist eine ausgefeilte Maschine, und nicht einfach eine bessere Kanone.)
Die Brisanz-Granate, die wenig vorher entwickelt wurde, wird verschossen. (Bombardierung)
Das Maschinengewehr betritt die Bühne des künftigen Grauens usw..
.. und auch neue Stähle und Schiffspanzerungen, auch neue Antriebsquellen wie Öl.
Informations-, und Transportfähigkeit ( also Logistik ) nehmen ebenso dramatisch zu,.
Die sich zeitlich verdichtende Industrielle Revolution revolutioniert, wenig überraschend, die Militärtechnik und verändert damit auch grundlegend die Erfolgs-Chancen konkurrierender Strategien.

1903 beginnen die ersten Motorflüge.
1911 werden erstmals Flugzeuge militärisch eingesetzt. (Angriff Italiens auf das Osmanische Reich)
Im ersten Weltkrieg wird bereits aus der Luft bombardiert, mit noch wenig Wirkung.
1921 schreibt Giulio Douhet ein beachtetes Grundsatzwerk über den künftigen Luftkrieg:
'der Bomber kommt immer durch' und er kann alle Grenzen sprengen und den Krieg in das Herz des Gegners tragen, so die Vorstellung.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich jedoch die Luftwaffe als nicht entscheidend erwiesen, sondern musste als Teil eines Abnutzungskrieges betrachtet werden.

Nun gibt aber zwei einschneidende technische Entwicklungen, ganz am Ende dieses Krieges von 1939 - 1945, die geeignet sind diese Betrachtung umzukehren:
- Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sind entscheidend im Hinblick auf die Wirksamkeit der Grundgedanken Douhets.
- Die V2 betritt zudem, noch gering an Wirkung, das Theater.
Wiewohl derzeit unerheblich, man kann sie nicht abwehren, weil viel zu schnell, und das wird auch so bleiben.
Nicht 'der Bomber kommt immer durch', sondern nun die Rakete.

Hierzu interessant:
Figes – Crimea -
Stevenson – Armaments And The Coming Of The War -
Douhet – The Command of the Air -
Lawrence Freedman – The Evolution of Nuclear Strategy -
 
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Die sich zeitlich verdichtende Industrielle Revolution revolutioniert, wenig überraschend, die Militärtechnik und verändert damit auch grundlegend die Erfolgs-Chancen konkurrierender Strategien.

Das ist richtig. Es ist aber erst die Entwicklung der A- bzw. der H- Waffen, die das Paradigma von Clausewitz: "der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" in seine Existenzkrise stürzt.

Die Rechtfertigung von Kriegen, gerade auch in Demokratien, basierte auf der Idee, dass durch den Krieg eine bessere Welt erreicht wird. Und die zu erwartenden Opfer gerechtfertigt wären, weil am Ende des Krieges eine bessere Welt errichtet werden kann.

Eine Vorstellung, die für den WW1 und den WW2 - aus amerikanischer Sicht - noch eine gewisse Plausibilität vorhanden war, die sich aber angesichts der "massiven Vergeltung" im Rahmen des Kalten Krieges im atomaren Inferno aufgelöst hatte.

Und deswegen die Frage für die Militärs immer zentraler wurde, wie Kriege wieder führbar werden durch Lokalisierung und durch eine asymmetische Anlage.

In diesem Sinne dem Versuch folgten, das Militär und auch die Nutzung von "Mini-Nukes" wieder als Fortsetzung von Politik instrumentell zu nutzen und somit wieder Clausewitz zu reanimieren.
 
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Und deswegen die Frage für die Militärs immer zentraler wurde, wie Kriege wieder führbar werden durch Lokalisierung und durch eine asymmetische Anlage.

In diesem Sinne dem Versuch folgten, das Militär und auch die Nutzung von "Mini-Nukes" wieder als Fortsetzung von Politik instrumentell zu nutzen und somit wieder Clausewitz zu reanimieren.
Das hatte man sich wohl so gedacht und wirtschaftliche Erwägungen dürften auch eine Rolle gespielt haben.

Die "Mini-Nukes" sind eine besondere Erscheinung der Nuklearrüstung.

( Dazu eine Grafik von Wellerstein:
http://blog.nuclearsecrecy.com/wp-content/uploads/2013/12/yield-to-weight-trends.png
Das ist nicht einfach gleich zu deuten, also mir ging das so..
X-Achse logarithmisch die Sprengkraft (Yield)
Y-Achse logarithmisch das Gewicht der Bombe (mass)
die schräg laufenden Geraden Sprengkraft/Masse-Verhältnis.
Die grauen pfeilartigen gebogenen Ströme zeigen die Tendenz über die Zeit.
Der orangene Bereich bildet den Hauptpool ab, der sich mit der Zeit bildet, ich würd mal sagen bis zu den 80ern.
Dann gibt noch unten links den Strom zu den ganz kleinen ("micro-nukes"?).
.. muss man sich jetzt nicht reinziehen, ich fands aber interessant. :) )

Ein ganzes Arsenal der dosierten Wirksamkeiten entsteht, und auch das, was man unteren Rand die taktische Atomwaffe nennt.
Die aber hat die blöde Nebenwirkung der Senkung der Einstiegsschwelle zur nuklearen Eskalation, mit der Gefahr einen riesigen, wenn nicht globalen, Mitnahmesuizid zu begehen.

Also.., so ein richtiges Gefallen an den "mini-nukes", sprich "taktischen Atomwaffen", hätte der Clausewitz wohl auch nicht gehabt. :D
Sicher keinen Gefallen an der Idee fanden die Physiker des Göttinger Manifests 1957.
Sozusagen eine vorwegenommene Umkehr des Dürrenmatt-Dramas "die Physiker".
:pfeif:
 
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Die Rechtfertigung von Kriegen, gerade auch in Demokratien, basierte auf der Idee, dass durch den Krieg eine bessere Welt erreicht wird. Und die zu erwartenden Opfer gerechtfertigt wären, weil am Ende des Krieges eine bessere Welt errichtet werden kann. ...
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Das ist ja auch eine ebenso wichtige Ebene.
Interessant finde ich das "Zusammenspiel" zwischen;
inkompatiblen Vorstellungen bezüglich der Gestalt der 'besseren Welt',
und dem Erreichen buchstäblich unbegrenzter Vernichtungspotenz.
 
Im Hinblick auf die Vorgeschichte des ersten Weltkriegs haben wir einen „Kult der Offensive“ diskutiert. http://www.geschichtsforum.de/f62/der-kult-der-offensive-48746/
Also inwiefern eine übertriebene Neigung (Kult sogar) darin bestand,
den eigenen militärischen Vorteil darin zu erblicken, als Erster loszuschlagen in einer schnellen und aggressiven Bewegung.
Wie man das auch immer bewerten will, stellte sich jedenfalls heraus, dass der Stand der damals derzeitigen technischen Evolution einer solchen Vorstellung nicht entsprach, sondern die Möglichkeit der Abwehr begünstigte.

Vergleicht man das mit den Gegebenheiten des Kalten Kriegs, dann sieht man grundlegende Unterschiede.
Es ist technisch, und real, nun machbar eine nahezu beliebige Zerstörungskraft beim Gegner zu entfalten, ohne dass diesem eine Möglichkeit einer Abwehr zur Verfügung steht.
Und es gibt auch keine Zweifel an dieser Tatsache.
 
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Der so genannte "Sputnikschock"

Oktober 1957 ist es soweit: der erste künstliche Trabant umkreist die Erde.
Das Ding wiegt gut 80 kg und macht „Tschirp“ im niedrigen MHz-Bereich und gibt damit 21 Tage lang Kunde seiner Existenz und seiner Befindlichkeit (Eigentemperatur und Innendruck .. das wars, mehr kommt nicht.)
Die mediale Welle ist Ost wie West ungeteilt hoch, und die Bahn des Sputnik wird mittels Richtantennen mit großer Spannung verfolgt.

Aber warum spricht man im Westen von einem „Schock“ (welcher für den Ostblock kein solcher war)?
Der Begriff impliziert ja, dass man sich etwas ganz Unerwartetem von großer Wucht ausgesetzt sieht, welches zu einer vorübergehenden Starre führt.

Im Sinne des Unerwarteten kann es wohl kein „Schock“ gewesen sein, denn sowohl die USA als auch die UDSSR hatten im Rahmen des „Geophysikalischen Jahres“ innerhalb dieses Zeitraums einen künstlichen Trabanten angekündigt.

Und wenn man auf die „(Schock-) Starre“ abheben will, dann sieht man hier, wie da, ja keine Erstarrung, außer der Tatsache, dass kurze Zeit staunende Mäuler offen standen.

Wo liegt denn da das Problem, und was hat das mit dem Kalten Krieg zu tun?
 
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Der Schock lag weniger im Unerwarteten als in der Größenordnung der potentiellen Folgen.
Festzustellen das man mitten im kalten Krieg im Nuklearzeitalter in einer Schlüsseltechnologie im Hintertreffen ist, ist schockierend. Man weiß ja nicht ob die Kluft sich wieder schließt oder nur weiter vertieft.
 
Oktober 1957 ist es soweit: der erste künstliche Trabant umkreist die Erde.
.........
Wo liegt denn da das Problem, und was hat das mit dem Kalten Krieg zu tun?

Der „Sputnik-Schock“ ist eine interessante Episode, die die unterschiedlichen Dimensionen und die Dynamik des Konflikts im Rahmen des „Kalten Krieges“ verdeutlicht.

Der Kalte Krieg war vor allem ein Konflikt unterschiedlicher politischer Systeme, die jedes für sich den Anspruch auf eine monopolartige Stellung hatte und umfaßte deutlich mehr Dimensionen wie das militärische Wettrüsten. Es war die Frage nach der grundsätzlichen Überlegenheit zu beantworten und die Indikatoren für die „Überlegenheit“ bezogen sich auf alle Bereiche einer vergleichbaren „Performance“. Dazu zählen die militärische und die technologische Leistungsfähigkeit, aber auch der Bereich des Sports.

Es waren aber auch grundsätzlich Bilder rivalisierender und teilweise antagonistische Weltbilder in Bezug auf die Interpretation der Moderne (7, S. 39ff)

Die Information zu den sowjetischen ICBM wurden dem Westen bereits in 1956 durch Chruschtschow während eines Besuchs in London im April geliefert (4. S. 238ff). Diese Darstellung der Existenz einer sowjetischen Langstreckenrakete wurde durch einen erfolgreichen Start einer ICBM – eine R-7 - (verantwortlich: Korolev) am 21. August 1957 unterstrichen und es folgten am 7. September und dann am 4. Oktober weitere ICBM-Starts. Der letzte Start wurde als orbitaler Flug inszeniert – als „Sputnik“ – und seine Aufgabe war die demonstrative zur Schau Stellung der führenden Rolle der UdSSR bei der Entwicklung von Raketenantrieben (ebd. S. 238). Der Start erfolgte auch, weil Korolev während einer Konferenz in Washington Hinweise meint erhalten zu haben, dass die USA nur wenige Tage vor dem Start einer eigenen ICBM entfernt waren (3, Pos. 2979)

Insgesamt war diese Entwicklung in einen kritischen historischen Kontext eingebunden, der im Jahr 1956 in der Ungarn- und der Suezkrise die Großmächte direkt berührt hatten (vgl. z.B. 5). Vor diesem Hintergrund des Rüstungsvorsprungs im Bereich der Entwicklung von ICBM`s, so die Vermutung von Chruschtschow, wäre ein Einlenken vor allem in der Suezkrise von Seiten der Franzosen und Engländer nicht denkbar gewesen. (2, S. 243)

Gleichzeitig war von Eisenhower (1957) der „Gaither Report“ angefordert worden, um die strategische Situation der USA vor diesem Hintergrund zu bewerten. Nicht zuletzt da die UdSSR in 1957 zwei neue Bomber, den „Bison“ und den „Bär“ in ihr Arsenal aufgenommen hatte(vg. z.B. 1. S. 154)

Durch die Entwicklung der sowjetischen ICBM ergab sich für die USA nach dem – angeblichen - „Bomber-Gap“ Anfang der fünfziger Jahre das Risiko eines „ICBM-Gaps“. Die Folge für die USA wären durchaus ernst gewesen, da bei einem – theoretischen und angenommenen – Monopol der UdSSR bei ICBM die USA das Ziel für einen atomaren Erstschlag durch die UdSSR hätte werden können.

Die Folge war eine dramatische und auch chaotische Initiierung von neuen Rüstungsprogrammen in den USA, auch als Folge einer fast hysterischen Reaktion durch die publizierte Öffentlichkeit. In diesem Sinne sagte A. Dulles: „Sputnik came as no great surprise to him“ and thanked the Soviets for having dramatized their ability. Americans, he believed, need such periodic „shock treatment“ (8, S. 215). Diese Situation prägte die Sicht in den USA für eine längere Zeit (6, S. 691). Und es war vor allem ein JFK als Präsidentschaftskandidat, der die Republikaner kritisierte, dass sie es zugelassen haben, dass eine derartige - angebliche - „bedrohliche Situation“ hat entstehen können. (6, S. 692) Und erklärt auch, dass er als Präsident im Zuge der Kuba-Krise auf einer patriotischen Strömung reitend, den Konflikt beurteilte und eskalieren ließ.

Um die Glaubwürdigkeit gegenüber seinen Nato-Partner zu gewährleisten versprach Eisenhower, entsprechende IRBM in Nato-Ländern zu statonieren, um die Glaubwürdigkeit der atomaren Abschreckung gegen einen konventionellen Angriff sicher zu stellen. (9, S. 377)

Die inneramerikanische Diskussion zur angeblichen Unterlegenheit bei derBewaffnung mit ICBM wurde wiederum durch die Sowjets - mit Blick auf die Weltmeinung - mit Genugtuung aufgenommen wurde, da sie zur Kenntnis nahmen, dass die USA ihre Unterlegenheit bei der Entwicklung von Langstreckenraketen öffentlich eingestanden haben und dramatisch inszenierten.

Diese Situation um den „Sputnik-Schock „ kann als der eigentliche Startpunkt angesehen werden für den Hyper-Rüstungswettlauf bei strategischen Waffensystemen zwischen den USA und der UdSSR zwischen 1960 und ca. 1985.

Und zumindest für die sechziger Jahre erreichte die UdSSR durch ihre „staatlichen Errungenschaften“ – auch im Rüstungsbereich - eine internationale Position, die die „Systemrivalität“ offen hielt und eine Konvergenz beider Systeme für möglich gehalten wurde (wie auch im GF bereits diskutiert) .

Verwendete Literatur
1.Bacevich, Andrew. J. (2009): The Long War. A New History of U.S. National Security Policy since World War II. Columbia: Columbia University Press.
2.Combs, Jerald A. (2012): The history of American foreign policy from 1895. 4th ed. Armonk, N.Y., London, England: M.E. Sharpe, Inc.
3.Fursenko, Aleksandr; Naftali, Timothy J. (2006): Khrushchev's cold war. The inside story of an American adversary. 1st ed. New York: Norton.
4. Gaddis, John Lewis (1997): We Now Know. Rethinking Cold War History. Oxford, New York: Oxford University Press
5.Heinemann, Winfried; Wiggershaus, Norbert Theodor (1999): Das Internationale Krisenjahr 1956. Polen, Ungarn, Suez. München: R. Oldenbourg
6.Herring, George C. (2008): From colony to superpower. U.S. foreign relations since 1776. New York: Oxford University Press
7.Hopf, Ted (2002): Social construction of international politics. Identities & foreign policies, Moscow, 1955 & 1999. Ithaca: Cornell University Press.
8.Leebaert, Derek (2003): The Fifty-Year Wound. How America’s Cold War Victory Shapes Our World: Little, Brown.
9.Zubok, V. M. (2009): A failed empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev. . Chapel Hill: University of North Carolina Press
 
Zuletzt bearbeitet:
Gleichzeitig war von Eisenhower (1957) der „Gaither Report“ angefordert worden, um die strategische Situation der USA vor diesem Hintergrund zu bewerten. Nicht zuletzt da die UdSSR in 1957 zwei neue Bomber, den „Bison“ und den „Bär“ in ihr Arsenal aufgenommen hatte(vg. z.B. 1. S. 154)

Ein ganz interessantes (längeres) Pdf beschäftigt sich aus der amerikanischen Sicht mit dem Jahr 1957 und den Rahmenbedingungen für den "Gaither"-Report.

Im Kern kam dieser geheime Report zu folgendem Ergebnis, so Snead in seiner "Introduction":

"The Gaither committee members viewed these defense measures—ranging from a missile system to defend the continental United States to the construction of shelters to protect the population from radioactive fallout—and the maintenance of sufficient strategic forces to launch military strikes against Soviet targets as essential for the preservation of U.S. security. They concluded that in the case of a surprise Soviet nuclear attack, the United States would be unable to defend itself with any degree of success."

(Unter "Dateien" den Link anklicken und downloaden)

The Gaither committee, Eisenhower, and the Cold War
 
Der Schock lag weniger im Unerwarteten als in der Größenordnung der potentiellen Folgen.
Festzustellen das man mitten im kalten Krieg im Nuklearzeitalter in einer Schlüsseltechnologie im Hintertreffen ist, ist schockierend. Man weiß ja nicht ob die Kluft sich wieder schließt oder nur weiter vertieft.

Das Problem war weniger, dass man in den USA fürchtete technologisch ins Hintertreffen zu geraten, sondern dass neue Technologie den Zustand der eigenen Unverletzlichkeit beenden würden.
Denn mit der ICBM wäre dann auch die UDSSR zu einem Erstschlag fähig, und nicht nur die Amerikaner.
Und so ist der Sputnik der Spatz der vom Dach pfeift, dass die strategischen Karten neu gemischt werden.
 
Das Problem war weniger, dass man in den USA fürchtete technologisch ins Hintertreffen zu geraten, sondern dass neue Technologie den Zustand der eigenen Unverletzlichkeit beenden würden.
Denn mit der ICBM wäre dann auch die UDSSR zu einem Erstschlag fähig, und nicht nur die Amerikaner.
Und so ist der Sputnik der Spatz der vom Dach pfeift, dass die strategischen Karten neu gemischt werden.

Die Frage stellt sich, wie man diese Aspekte der Wahrnehmung und der Verbreitung des Sputnik-Schocks von den tatsächlichen Auswirkungen trennt, die sich als politisch-militärische Folge identifizieren lassen?
 
Um das noch am Stichwort der "Unverletzlichkeit" zu erläutern:

Ein rüstungspolitischer Aspekt ist natürlich die nun einsetzende Spirale, wobei der Sputnik-Schock die Diskussion des "missile gap" (Auswirkung: Trägersysteme) nach sich zog, und den Wettlauf um die Sprengköpfe und ihre Dislokation (Uboote hatten wir im anderen Thema diskutiert).

Eine weitere Konsequenz - sozusagen nach innen - ist der angesprochene Wahn um die "fall-out-shelter", was bei der Bevölkerung und somit "innenpolitisch" ankam.

Außenpolitisch war damit die Phase (auch nach dem Koreakrieg) beginnender isolationistischer Bestrebungen sofort beendet, da man sich von der Vorstellung der Unverletzlichkeit amerikanischen Territoriums im Kalten Krieg verabschieden konnte.

Im Verhältnis USA/Nato war das 3. strategische Konzept (MC 14/2 and MC 48/2 in 1955) überholt. Die Vorstellung der Verletzbarkeit der USA durch sowjetische ICBM kam ebenfalls in den europäischen Nato-Ländern an, mit gravierenden Folgen:

hier musste nun befürchtet werden, dass die USA künftig wegen der Erreichbarkeit ihres Territoriums durch sowjetische Nuklearwaffen "zögern" würden, das NATO-Arsenal einzusetzen. Diese Perzeption muss vor dem Hintergrund verstanden werden, dass man dem Warschauer Block eine beachtliche konventionelle Überlegenheit beimaß, und nun das "Gegengewicht" amerikanischer atomarer Drohung ausgehebelt würde. Damit setzten - sozusagen als Schatteneffekt - auch Überlegungen ein, wie die klare konventionelle Unterlegenheit anders kompensiert werden könnte (konventionelle Rüstung, konventionelle Strategien, taktische Atomwaffen auf dem konventionellen "Schlachtfeld").

Diese Überlegung halt natürlich für den europäischen Schauplatz, aber ebenso für den Rest der Welt: wie mit lokalen Blockkonflikten umgehen (vom Mittleren Osten bis Fernost, Konflikte in Folge der Dekolonisierung Afrikas, etc)?
"The key question was how the West should respond to Soviet threats that were geographically and strategically limited in scope. Atomic weapons might not be the appropriate response to a limited Soviet provocation, such as blocking access to West Berlin."

Als Konsequenz kann man bis NSAM 40 schauen: die NATO müsse limitierte Konflikte führen können, darauf besser vorbereitet sein als für den "all-out-war"), übergeleitet bis in die Doktrin des flexible response als Korrektur der "massiven Vergeltung". Ebenso in die Reihe gehört die französische Wahrnehmung, dass die ein völlige Abstützung auf die anglo-amerikanische Atomstreitmacht und der Gegenschlagkonzepte unzureichend sei (wenn dieses Bedrohungspotenzial im konventionellen Krieg durch die Verletzbarkeit des US-Territoriums unglaubwürdig wird). Die Entwicklung kann man daher auch unter dem Aspekt zuspitzen, dass der Zusammenhalt des NATO-Bündnisses selber unter der neu bewerteten strategischen Lage auf den Prüfstand kam (drohende Entkopplung des europäischen Schauplatzes von den USA, vergleichbar der Zäsur und europäischen Befürchtungen vor dem NATO-Doppelbeschluss und der Spirale bei den Mittelstreckenraketen).

Als das ist gut mit der obigen Bemerkung beschrieben , dass die strategischen Karten in dieser Phase völlig neu gemischt worden sind.
 
Konflikt politischer Systeme

Der „Sputnik-Schock“ ist eine interessante Episode, die die unterschiedlichen Dimensionen und die Dynamik des Konflikts im Rahmen des „Kalten Krieges“ verdeutlicht.

Der Kalte Krieg war vor allem ein Konflikt unterschiedlicher politischer Systeme, die jedes für sich den Anspruch auf eine monopolartige Stellung hatte und umfaßte deutlich mehr Dimensionen wie das militärische Wettrüsten. Es war die Frage nach der grundsätzlichen Überlegenheit zu beantworten ........
Es waren aber auch grundsätzlich Bilder rivalisierender und teilweise antagonistische Weltbilder in Bezug auf die Interpretation der Moderne (7, S. 39ff)
....
Das ist sicher richtig.
Man kann das noch etwas zuspitzen:
Die westlich-amerikanische Seite war in ihrer Wahrnehmung davon geprägt, dass die Sovietunion eine Macht sei, die das Ziel habe die gesamte Welt zu versklaven und die sich zudem nur durch Expansion am Leben erhalten könne, da sie sonst an inneren Widersprüchen scheitern müsse.
(NSC-68 vom April 1950)
Auch der Gaither-Report von 1957 beschreibt die UDSSR als aggressiv und expansiv.
Zwar werden diese und andere Reports mit ihren Übertreibungen („thread inflation“ -Rhodes) nicht immer ernst genommen, dennoch wird den Aufrüstungsempfehlung im Wesentlichen gefolgt,
und es entwickelt sich auch eine bemerkenswerte Paranoia (Red Scare, McCarthyism).

Auf der anderen Seite finden sich ähnliche ungünstige Vorstellungen über den Widersacher.
Da ist zunächst bemerkenswert, dass der Versuch der kapitalistischen Länder die sozialistische Gesellschaft gewaltsam zu zerstören im Gründungsmythos der UDSSR enthalten ist (Voijtech Mastny).
Jede Allianz westlicher Länder, so die Wahrnehmung, würde schließlich zum Ziel haben die Sovietunion zu zerstören,
indes bestünde die Hoffnung, dass die Kapitalisten nun unvermeidlich in eine innere Krise gerieten und sich gegenseitig zerfleischten. Als Stalin 1953 stirbt haben sich die Bündnisse der westlichen Welt als stabil erwiesen und der ersehnte Kollaps des ideologischen Gegenspielers ist ausgeblieben.
Die Wahrnehmung einer vom Feind ausgehenden Gefahr vertieft sich.

Nun wäre das vielleicht nichts Besonderes und man könnte beiderseits zu Tagesordnung übergehen, wenn es nur nicht die verflixte Atombombe gäbe.
(Oppenheimer gebraucht 1953 das vielzitierte Bild von zwei giftigen Scorpionen die in einer Flasche eingesperrt sind und sich gegenseitig töten können, unter dem Risiko selbst getötet zu werden und malt damit vorausschauend ein Bild des Zustands der sich bald entwickeln sollte)

Daher ist mE die Vorstellung „Der Kalte Krieg war vor allem ein Konflikt unterschiedlicher politischer Systeme“ durchaus fraglich, denn die militärische Dynamik, die sich aus der überaus schnellen technologischen Entwicklung ergab, könnte ja ausreichend sein für einen Kalten Krieg.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund sich rasch steigendern Möglichkeiten eines Überraschungsangriffs.

Hierzu Lawrence Friedman – The Evolution of Nuclear Strategy – Seite 153-154:
"Kissinger warnte [1960 in der Foreign Affairs] … dass Maßnahmen der Selbstverteidigung für die andere Seite 'nicht unterscheidbar sein könnten vom Wunsch einen Überraschungsangriff zu starten'. Die Struktur strategischer Streitkräfte 'könne zur Instabilität führen, unabhängig der Absichten der beiden Seiten'.
Solche Befürchtungen waren nicht neu. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, so wurde weithin angenommen, sei durch zusätzliche Spannungen beschleunigt worden, die durch das Rennen um die erste Mobilisierung hervorgerufen wurden. Es entwickelte sich eine Sicht auf den Kalten Krieg als eine Folge eher von gegenseitiger Furcht und Misstrauen, als objektiver Interessenskonflikte.
… Der Kalte Krieg wurde nun als sich selbsterhaltend betrachtet.“

Und das ist auch ein bemerkenswerter Aspekt des „Sputnik-Schocks“, den Du recht zutreffend als „interessante Episode“ bezeichnest.
Es ist eben nicht mehr ohne weiteres zu unterscheiden:
zwischen einem politischen Konflikt,
und einer Eigendynamik der Feindseligkeiten.

Verwendete Quellen:
Richard Rhodes – Arsenals of Folly -
Lawrence Freedman – The Evolution of Nuclear Strategy
Vojtech Mastny - NATO in the Beholder’s Eye: Soviet Perceptions and Policies, 1949-56
NSC-68
Gaither-Report
 
Das ist sicher richtig.
Man kann das noch etwas zuspitzen:
Die westlich-amerikanische Seite war in ihrer Wahrnehmung davon geprägt, dass die Sovietunion eine Macht sei, die das Ziel habe die gesamte Welt zu versklaven und die sich zudem nur durch Expansion am Leben erhalten könne, da sie sonst an inneren Widersprüchen scheitern müsse.
(NSC-68 vom April 1950)
Auch der Gaither-Report von 1957 beschreibt die UDSSR als aggressiv und expansiv.
Zwar werden diese und andere Reports mit ihren Übertreibungen („thread inflation“ -Rhodes) nicht immer ernst genommen, dennoch wird den Aufrüstungsempfehlung im Wesentlichen gefolgt,
und es entwickelt sich auch eine bemerkenswerte Paranoia (Red Scare, McCarthyism)....


Es wäre zu ergänzen, dass die Paranoia sich nicht nur auf die sowjetische Wühlarbeit bezog sondern allgemeines Misstrauen widerspiegelte.
Tatsächlich teilten viele Bewohner der "westlichen Welt" die Vorstellung vom "Reich des Bösen" nicht, sondern sahen im Sozialismus ein echtes Alternativkonzept. Man träumte wohl einfach von einer gerechten Welt für alle, ohne Unterdrückung. Kapitalismus vermittelt sich zwar durch die Konsumoptionen sinnlich, taugt aber als Gesellschaftsutopie nicht wirklich gut.
Utopische Welten wie sie in der Science Fiction gezeichnet wurden hatten viel mit idealisierten Vorstellungen vom Sozialismus gemein:
Geld spielt keine Rolle, jeder arbeitet nur um die Welt zu verbessern etcpp. Auf die Spitze getrieben in der deutschen Serie "Raumpatrouille", deren Held zwar einen amerikanischen Namen und den Charme eines deutschen Wehrmachtsleutnants aus einer Fünfziger-Jahre-Schnulze hatte, sich aber ständig mit dem Politoffizier an Bord (ebenfalls eine positiv gezeichnete Figur) auseinandersetzen musste. Die Welt der "Trekkies" ist auch eine in der Zahlungsmethoden und Preise keine Rolle spielen.

Der kalte Krieg war auch ein Krieg um die Köpfe und Herzen, und eine technologische Unterlegenheit hatte Symbolwert in der Frage welches das "bessere" System sei.
 
Hierzu Lawrence Friedman – The Evolution of Nuclear Strategy – Seite 153-154:
"Kissinger warnte [1960 in der Foreign Affairs] … dass Maßnahmen der Selbstverteidigung ...
Nachtrag:
Sorry, der Autor heißt Freedman, die Zitierung ist eine Übersetzung durch mich.
 
...

Im Verhältnis USA/Nato war das 3. strategische Konzept (MC 14/2 and MC 48/2 in 1955) überholt. Die Vorstellung der Verletzbarkeit der USA durch sowjetische ICBM kam ebenfalls in den europäischen Nato-Ländern an, mit gravierenden Folgen:

hier musste nun befürchtet werden, dass die USA künftig wegen der Erreichbarkeit ihres Territoriums durch sowjetische Nuklearwaffen "zögern" würden, das NATO-Arsenal einzusetzen. Diese Perzeption muss vor dem Hintergrund verstanden werden, dass man dem Warschauer Block eine beachtliche konventionelle Überlegenheit beimaß, und nun das "Gegengewicht" amerikanischer atomarer Drohung ausgehebelt würde. Damit setzten - sozusagen als Schatteneffekt - auch Überlegungen ein, wie die klare konventionelle Unterlegenheit anders kompensiert werden könnte (konventionelle Rüstung, konventionelle Strategien, taktische Atomwaffen auf dem konventionellen "Schlachtfeld").
....
(Hervorhebung durch mich)

Danke Silesia für den Hinweis auf das Dokument welches Mai 1957 in einer überarbeiteten Form angenommen und in Kraft gesetzt wird.
Wie Du sagst ging man hier von einer deutlichen Überlegenheit der konventionellen Streitkräfte der UDSSR aus und hielt es deshalb für angebracht im Falle eines allgemeinen Krieges in Europa sofort Nuklearwaffen einzusetzen, unabhängig davon ob die Sovietunion solches als erste tun würde.
"Since NATO would be unable to prevent
the rapid overrunning of Europe unless NATO immediately
employed nuclear weapons both strategically and tactically,
we must be prepared to take the initiative in their use.
14. In case of general war, therefore, NATO defense depends upon
an immediate exploitation of our nuclear capability, whether or not
the Soviets employ nuclear weapons.
"

Eine interessante Frage wäre, inwiefern eine Überlegenheit der konventionellen Streitkräfte der UDSSR tatsächlich gegeben war, vor dem Hintergrund, dass mindestens zeitweise offenkundig übertriebene Einschätzungen existierten.
Hierzu Mastny auf PDF-Seite 7:
"Whatever Moscow's perceptions and plans, they hardly warranted NATO's dire
estimates of “Soviet Strength and Capabilities,” compiled annually since 1951 from mainly US and British intelligence sources.144 These credited the Soviet army of supposedly 175 combat-ready divisions with the capacity to perform superhuman feats: massive surprise assaults launched simultaneously against Western Europe and Scandinavia, the British Isles and the Balkans, Italy and Turkey, the Near and Middle East, even Canada and the United States, particularly Alaska and the Aleutian Islands―all this while retaining enough reserve to defend the home territory.145"
 
Daher ist mE die Vorstellung „Der Kalte Krieg war vor allem ein Konflikt unterschiedlicher politischer Systeme“ durchaus fraglich, denn die militärische Dynamik, die sich aus der überaus schnellen technologischen Entwicklung ergab, könnte ja ausreichend sein für einen Kalten Krieg.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund sich rasch steigendern Möglichkeiten eines Überraschungsangriffs.

Da würde ich Dir nach wie vor widersprechen wollen und der Technologie eher die Rolle eines dynamisierenden Faktors zuschreiben wollen, aber in einer nachgeordneten Funktion. Und dem ideologischen Konflikt die zentrale Bedeutung zuerkennen wollen. Allerdings gab es Interaktionswirkungen zwischen den beiden Aspekten.

Der Kalte Krieg war vor allem ein Krieg rivalisierender Ideologien, die auf die gegenseitige physische und ideologische Terminierung des Gegners abzielten. Eine Sicht eines weltanschaulichen Vernichtungskriegs, der in dieser Ausschließlichkeit und Konsequenz durch das "Vorbild" des Eroberungs- und Vernichtungskrieg von Hitler in Russland bereits einen Archetyp gefunden hatte und somit denk-, planbar- und auch in der Theorie durchführbar geworden ist.

Damit ähnelte dieser Kalte Krieg in seinen Zielen - der Vernichtung der antagonistischen Ideologie bzw. Religion - eher den Zielen mittelalterlichen Kreuzzüge und grenzt sich deutlich gegen die Kabinettskriege bis zum 1. WW ab.

Unabhängig davon kann man sich sehr wohl einen Rüstungswettlauf vorstellen, der im wesentlichen immer wieder durch die Einsatzbereitschaft neuer Technologien angeheizt wird. Eine Möglichkeit, die sich beispielsweise im Verhältnis zwischen den USA und China aktuell andeutet. Allerdings stellt sich auch in diesem Fall die Frage, welche Interessen überhaupt zu einer Konfrontationsposition führen und wieso keine alternativen kooperativen Lösungsformen akzeptabel erscheinen (vgl. dazu beispielsweise das neueste Buch von Copeland)

https://books.google.de/books?id=mJr1AwAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=copeland,+dale&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=copeland%2C%20dale&f=false

Eine interessante Frage wäre, inwiefern eine Überlegenheit der konventionellen Streitkräfte der UDSSR tatsächlich gegeben war, vor dem Hintergrund, dass mindestens zeitweise offenkundig übertriebene Einschätzungen existierten.

Eine interessante Frage, die auch massiv auf die politische Diskussion innerhalb der Bundesrepublik in den siebziger Jahren und in den folgenden Jahren bis ca. 1985 verweist. Es wurden von offizieller Seite sehr hohe Zahlen an - beispielsweise - Panzern (aus der Erinnerung ca. 50.000) für den WP genannt.

Und es war vor allem ein H. Schmidt, der in seinen Büchern dieser Sichtweise widersprochen hatte. Im Kern wurde seine Argumentation durch die späteren Arbeiten von beispielsweise Mastny (A Carboard Castle?) bestätigt. Dabei verwies Schmidt frühzeitig auf die deutlichen inneren Widersprüche im WP und die damit zusammenhängende Funktion der Roten Armee als politisches Stabilisierungsinstrument hin. Insgesamt hielt er den WP, trotz eines numerisch beachtlichen Potentials, im militärischen Sinne nicht für überlegen, ohne das vorhandene Potential zu beschönigen.

Eine etwas andere Sicht, die die Bedrohung durch den WP anders gewichtet hatte, nahm beispielsweise J. Erickson (Zum Frühstück in München) vor. Der das militärische Potential als dennoch potentiell bedrohlich einschätzte und die Interaktionswirkung zwischen konventioneller Bedrohung und A-Waffen stärker thematisierte.

Insgesamt, so das Ergebnis der Analyse von Bialer (The Soviet Paradox) fielen seit der siebziger Jahre die militärischen Möglichkeiten der UdSSR und die wirtschaftlichen Potentiale zunehmend auseinander.

Und es zeigte sich auch im Rahmen des KSZE-Prozesses, dass es der UdSSR nicht gelingen würde, die militärische Hegemonie in Europa auf dem Wege von Abkommen und Verhandlungen in eine legalisierte Hegemonie zu verwandeln (vgl. z.B. Wettig: Frieden und Sicherheit in Europa. Probleme der KSZE und der MBFR).
 
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Da würde ich Dir nach wie vor widersprechen wollen und der Technologie eher die Rolle eines dynamisierenden Faktors zuschreiben wollen, aber in einer nachgeordneten Funktion. Und dem ideologischen Konflikt die zentrale Bedeutung zuerkennen wollen. Allerdings gab es Interaktionswirkungen zwischen den beiden Aspekten.

Der Kalte Krieg war vor allem ein Krieg rivalisierender Ideologien, die auf die gegenseitige physische und ideologische Terminierung des Gegners abzielten. ….

Thane, das ist ja gewiss plausibel und einleuchtend.
Dies konnte jedoch nur solange gelten als der KK kein heißer Krieg wurde, was gottseidank nicht geschah.
Denn es kann ja nicht übersehen werden, dass diese Gefahr tatsächlich bestand, und diese sich nicht mehr einfach auf die Rivalität grundsätzlich verschiedener Gesellschaftsentwürfe zurückführen lässt. Hier scheint mir eher das gegeben zu sein was Stimson bereits 1945 in einem Memorandum für Truman so beschreibt:
„Die Welt in ihrem gegenwärtigen Zustand des moralischen Fortschritts, verglichen mit dem der technischen Entwicklung, wäre letztlich die Geisel dieser Waffe. Mit anderen Worten, die moderne Zivilisation könnte komplett zerstört werden.“
(The
 world
 in
 its
 present
 state
 of
 moral
 advancement
 compared
 with
 its
technical
 development

would
 be
 eventually
 at
 the 
mercy 
of
 such
 a 
weapon.
 In 
other 
words, 
modern
 civilization
 might be completely
 destroyed.
)

(ich habe das bei einem anderen, aus meiner Sicht eng verwandten, Thema, zitiert http://www.geschichtsforum.de/f328/kleine-geschichte-der-atombombe-45542/index4.html#post762320)

Es scheint mir also auch plausibel, dass die reale Kriegsgefahr sich nicht mehr ohne weiteres von der überaus schnellen technischen Evolution (wir können es auch schlicht "Entwicklung" nennen) trennen lässt, ebenso wenig wie der KK von einer tatsächlich drohenden Apokalypse, die sich wiederum schwerlich hervorgehoben aus einem Systemkonflikt ableiten lässt.
Das mit dem 'dynamisierenden Faktor' kann man ja nur solange als nachrangig betrachten, als dieser nicht zur Katastrophe führt.

Eine Nebenbemerkung:
In diesem Sinne hat es mich fasziniert, dass in der Geschichtsschreibung in Zeiten des KK eben dieser Aspekt, beim Versuch den Ausbruch des WW1 zu verstehen, bedeutend war:
Van Evera – Cult of Offensive - , Stevenson – War by Timetable? The Railway Race before 1914
-, und Trachtenberg -The Meaning of Mobilization in 1914-
stellen eben diesen Zusammenhang in der Vor- bzw. Nachbetrachtung her.
McMeekin weist in einem Vortrag darauf hin, dass die Art mit der sich, die von ihm bewunderte, Barbara Tuchman in ihrem Buch „Guns of August´“ (August 1914 – nach wie vor sehr empfehlenswert) sich mit dem Thema beschäftigt, durch die Situation des KK beeinflusst war.
Du selbst hast darauf hingewiesen, dass Kennedy durch dieses Buch Tuchmans beim Umgang mit der Kuba-Krise sehr erheblich positiv beeinflusst wurde.

(Jedenfalls Danke Dir, Silesia, und auch Matze, für eine Art der Diskussion die wirklich Spass macht, sofern man dabei einen solchen haben kann.:))
 
Damit ähnelte dieser Kalte Krieg in seinen Zielen - der Vernichtung der antagonistischen Ideologie bzw. Religion - eher den Zielen mittelalterlichen Kreuzzüge und grenzt sich deutlich gegen die Kabinettskriege bis zum 1. WW ab.

Die Interaktion von Technologieentwicklung/Rüstungsentwicklung und der ideologischen Grundlage der Konfrontation hattest Du beschrieben.

Den Gedanken kann man nicht nur als Treiber der Technologie/Rüstung beschreiben, sondern ggf. auch - was auf den ersten Blick überraschend klingen mag - als limitierenden Faktor der Konfrontation.

Fest steht,

- dass ohne Zweifel ab Ende der 1950er jeweils ein sicher terminierendes Potenzial verfügbar war, was - soweit die Fakten - allerdings ...

- nie ausgelöst bzw. "ausprobiert" wurde (auch wenn man "dicht dran" war, Versehen mal außer Acht gelassen, und Hinweis auf Kuba-Krise).

Die Frage ist, ob sich hier der von Dir beschriebene ideologische Konfrontations- und Vernichtungswille nicht im dem Sinn durch die Rüstungs- und Bedrohungsspirale verändert worden ist, dass es vorrangig nicht um dem "Sieg" in der ideologischen Konfrontation ging, sondern um "Überleben" der eigenen Seite in der Rüstungsspirale.

Die Frage ist, ob der "Treiber" hier in eine andere Richtung wirkte, These: die atomare Überrüstung wurde mindestens seit den 1960ern nicht betrieben, um eines Tages den Erstschlag "zu sichern", sondern um den "Zweitschlag" mit 100%iger Sicherheit zu gewährleisten.

Im Sinne von @hatls Darstellung sozusagen: der Kult der Defensive. Rationalitäten über das Ausmaß des "Puffer-Potenzials" für den sicheren Zweitschlag nach einem Erstschlag kann man dabei ebenfalls außer Acht lassen. Der "Kult der Defensive" wurde in dieser Spirale wieder zu einer Bedrohung der ganz eigenen Art.
 
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