Offenbarung des Johannes

Skorpion war wie eine große Armbrust und hat Bolzen direkt verschossen

Ob die Beschreibung stimmt, ist dabei nicht wirklich wichtig.

Es geht mehr um das Bild der Belagerung, den Namen, und die Frage, ob sich so "etwas" mit oder ohne zutreffende technische Beschreibung zeitgenössisch bis zu einem prophetischen Schreiber verbreitet haben kann, der daraus ein "Bild" verwendet.
 
Frühchristliche Apokalyptik: Hirt des Hermas

Aus einem Beitrag vom 13. 6. 2011:
Um Johannes richtig einzuordnen, solltest du dich mit jüdischer/frühchristlicher Apokalyptik beschäftigen. Der "Hirt des Hermas" gehört auch in diese Kategorie...


... ich erblickte ein riesengroßes Tier, einem Meerungeheuer ähnlich, aus dessen Munde kamen feurige Heuschrecken. An die hundert Fuß war es lang, und sein Kopf war wie ein Bottich (?)
...
Wie ich nun in seine Nähe kam, da streckte sich das riesenhafte Untier am Boden aus und tat nichts anderes, als daß es seine Zunge herausstreckte, ja es rührte sich überhaupt nicht, bis ich an ihm vorüber war. Und vier Farben trug das Tier auf seinem Kopf: schwarz, rot wie Feuer und Blut, golden und weiß. Als ich an dem Tier vorbei und etwa dreißig Fuß weitergegangen war, siehe, da begegnete mir eine Jungfrau, geschmückt wie eine Braut, die aus der Kammer tritt, ganz in Weiß, mit weißen Schuhen, bis zur Stirne verschleiert und mit einer Mitra als Kopfbedeckung; auch hatte sie leuchtendes Haar. Ich erkannte sie von den früheren Gesichten her: Es war die Kirche.


zit. nach: Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Band 2 "Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes" (Tübingen 1997)


Von den Möglichkeiten, wen oder was die Himmelsfrau verkörpern könnte (Israel, Kirche, Maria, indirekt auch Eva), ist Nr. 2 mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Gänze auszusortieren.

Der "Hirt des Hermas" legt eher das Gegenteil nahe: Die "Braut des Lammes" kann in frühchristlicher Sicht sowohl für das 'Gottesvolk Israel' bzw. die 'Tochter Zion' wie auch für die Kriche stehen.

Nett ist der Beitrag zur Vierfarbenlehre, diesmal ganz ohne Pferde und mit der Variante "Gold". :)
 
Frühchristliche Apokalyptik: Petrusoffenbarung

Die Petrusoffenbarung gehörte neben dem Hirt des Hermas und der Johannesoffenbarung zu den beliebtesten frühchristlichen Schriften mit apokalyptischem Inhalt.

... Und am Tage der Entscheidung des Gerichtes Gottes werden alle Menschenkinder vom Osten bis zum Westen vor meinem Vater, dem ewig Lebendigen, versammelt werden, und er wird der Hölle gebieten, daß sie ihre stählernen Riegel öffnet und alles, was in ihr ist, zurückgibt. Und den wilden Tieren und Vögeln wird er gebieten, daß sie alles Fleisch, was sie gefressen haben, zurückgeben, indem er will, daß die Menschen (wieder) sichtbar werden; denn nichts geht für Gott zugrunde, und nichts ist ihm unmöglich, da alles sein ist. Denn alles (geschieht) am Tage der Entscheidung, am Tage des Gerichtes mit dem Sprechen Gottes, und alles geschieht, wie er die Welt schafft, und alles, was darin ist, hat er geboten, und alles geschah; ebenso in den letzten Tagen, denn alles ist Gott möglich, und also sagt er in der Schrift: 'Menschenkind, weissage über die einzelnen Gebeine und sage zu den Knochen: Knochen zu den Knochen in Glieder, Muskel, Nerven, Fleisch und Haut und Haare darauf.' Und Seele und Geist soll der große Urael auf Befehl Gottes geben. Denn ihn hat Gott bestellt bei der Auferstehung der Toten am Tage des Gerichtes.


Im orthodoxen Judentum geht es aber - ganz im Sinne der jüdischen Apokalyptik - um die Auferstehung des biologischen Leibs, siehe auch Ezechiel 37.

Ezechiel gilt im Christentum ebenso als heilige Schrift wie im Judentum, auch daraus lässt sich kein Gegensatz konstruieren.

Wie man im Frühchristentum Ezechiel 37 verstand, zeigt der Ausschnitt aus der Petrusoffenbarung.
Da wird Ezechiel ganz "naturalistisch" gedeutet. Damit der "biologische" Leib am Tag der Auferstehung wieder zusammengesetzt werden kann, müssen sogar die Aasfresser das verspeiste Fleisch wieder zurückgeben. :S
 
Heute gehe ich auf 1) die Domitian-Datierung und 2) den Mythos der 'Verbannung' des Johannes ein. Es folgen in Bälde Beiträge über das Erster-Reiter-Thema und den Exaltationszustand des Johannes.

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Dass die Offb in der Ära des Domitian verfasst wurde, geht auf Irenäus´ Behauptung in Haer. 5,30,3 (ca. 180 CE) zurück, die von Eusebius in Hist. Eccl. 3,17–18 (um 325 CE) aufgegriffen und mit weiteren Behauptungen ergänzt wird. Domitian, so Eusebius, habe zahlreiche römische Bürger ohne Gerichtsverfahren zum Tode verurteilen oder in die Verbannung schicken lassen und ihr Vermögen beschlagnahmt; auch habe er, Nero nachahmend und anders als sein Vater Vespasian, die Verfolgung von Christen veranlasst. Weiter behauptet Eusebius, dass laut einigen römischen Historikern Flavia Domitilla, eine Nicht des Flavius Clemens, zusammen mit anderen "Christen" zur Strafe für ihr angebliches christliches Bekenntnis auf die Insel Pontia verbannt worden wären.

Dazu folgendes:

Domitians Ruf als grausamer Despot – wie von Eusebius rezipiert – verdankt sich seiner pejorativen Charakterisierung in den nach Domitians Tod entstandenen Werken von Tacitus, Plinius d. J. und später – in Tacitus´ Nachfolge – Sueton. Das von den Senatoren Tacitus und Plinius bewusst verzeichnete Bild des Kaisers sollte den übernächsten Nachfolger Domitians, Trajan, motivieren, den vom ´Schurken´ Domitian und seinen Vorgängern an den Rand gedrängten Senat stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden. Dass Domitian despotisch herrschte und seine letzten Regierungsjahre von Tumulten begleitet waren, lässt sich historisch nicht belegen, eher weist einiges auf das Gegenteil; so stärkte er z.B. die Rechte der Provinzen gegenüber der römischen Elite.

Eine Christenverfolgung unter Domitian wird bei keinem römischen Historiker auch nur im Ansatz erwähnt. Für seine diesbezügliche Behauptung muss Eusebius auf Statements christlicher Autoren aus späterer Zeit zurückgreifen, was in Anbetracht des Mangels an außerchristlichen Zeugnissen von zweifelhaftem geschichtswissenschaftlichem Wert ist. So hat Melito von Sardis (laut Eusebius Hist. Eccl. 4,26,9) Ende des 2. Jh. CE in einem Schreiben an Marc Aurel – Trajan und wohl auch Hadrian ´vergessend´ – Nero und Domitian als "die einzigen Kaiser" bezeichnet, die das Christentum bis dato verfolgt hätten. Wenig später schrieb Tertullian (Apol. 5) an die römischen Magistrate über Nero, dieser hätte als erster gegen das gerade entstandene Christentum gewütet und Domitian ihm darin nachgeeifert. Beide Behauptungen dienten dem Zweck, den Kaiser bzw. die römischen Magistrate von der Schutzwürdigkeit des Christentums zu überzeugen. An anderer Stelle (Hist. Eccl. 30,20,7) schränkt Eusebius dahingehend ein, dass die Verfolgung unter Domitian weniger ausgeprägt verlaufen sei als unter Nero, sich dabei auf Tertullian stützend, der in Apol. 5 Domitian zugesteht, aufgrund seiner (im Vergleich zu Nero vermeintlich höheren) Intelligenz die Verfolgung bald widerrufen und allen Verbannten die Rückkehr erlaubt zu haben.

Eusebius´ Behauptung, Flavia Domitilla sei wegen eines christlichen Bekenntnisses auf die Insel Pontia verbannt worden, steht im Widerspruch zu Cassius Dio (in 67,14,2), der eine wegen 'Gottlosigkeit' verbannte Jüdin namens Flavia Domitilla, Ehefrau des Flavius Clemens, erwähnt. Dass Cassius Dio im frühen 3. Jh. CE zwischen Juden und Christen zu unterscheiden wusste, kann kaum bezweifelt werden. Die einzige ´christliche´ Person, die Eusebius namentlich als angebliches Verfolgungsopfer von Domitian nennen kann, war also nicht christlich, sondern jüdisch.


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In Zweifel gezogen werden kann dagegen die allgemein verbreitete Annahme einer Verbannung des Johannes auf die Insel Patmos. Diese Annahme geht auf Eusebius´ Interpretation folgender Stelle zurück:

(Offb 1,9)
Ich Johannes, der auch euer Bruder und Mitgenosse an der Trübsal ist und am Reich und an der Geduld Jesu Christi, war in der Insel, die da heißt Patmos, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses Jesu Christi.

Eusebius deutet den letzten Teilsatz, insbesondere das "um des Wortes Gottes willen" (διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ), als Hinweis auf eine Verbannung aufgrund der Predigeraktivitäten des Johannes. Textimmanent ist diese Deutung gerechtfertigt, da Johannes die gleiche Formel in Offb 6,9 und 20,4 im Kontext der Hinrichtung von Christen gebraucht. Dennoch lassen sich schwerwiegende Gegenargumente nennen:

1)
Gemäß römischem Recht war die Verbannung auf eine Insel das ´Privileg´ der Oberschicht, während niedriger Situierte ・ bei gleicher Vergehensschwere – zu Minenarbeit oder zum Tode verurteilt wurden (siehe z.B. Tacitus Ann. 4,30). Johannes war sicher kein Mitglied der Oberschicht und auch kein römischer Bürger, woraus folgt, dass er im Falle einer Anklage hingerichtet worden wäre.

2)
Patmos wird in keiner römischen oder anderen Quelle als Verbannungsort erwähnt. Wie ich vor Wochen schon andeutete, gab es auf dieser Insel ein reichhaltiges kulturelles Leben incl. Wagenrennen. Eine Verbannung an einen Ort mit dieser hohen Lebensqualität hätte ihrem Zweck als abschreckende Bestrafung widersprochen. Dafür geeignete Verbannungsinseln waren z.B. Amorgos und Kinaros.

Alternativ zu Eusebius´ Interpretation, die aus genannten Gründen unrealistisch erscheint, gibt es zwei andere Möglichkeiten, Offb 1,9 und das dazugehörige 1,10 zu deuten. Zuerst ein Blick auf 1,10:

Ich war im Geist an des Herrn Tag, und hörete hinter mir eine große Stimme als einer Posaune...

Der erste Teilsatz (ἐγενόμην ἐν πνεύματι ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ) bezieht sich auf einen exaltierten mentalen Zustand, in dem sich Johannes während eines Aufenthaltes auf Patmos am jährlich von allen damaligen Christengemeinden gefeierten Tag der (geglaubten) Auferstehung des Christus befand. Das Thema des prophetisch-exaltierten Zustandes will ich in einem anderen Beitrag ausführlich behandeln, für den Moment nur so viel: Es war bei frühchristlichen Gemeindeversammlungen nicht unüblich, mehrere dafür begabte Personen durch bestimmte Techniken, vor allem rituellen Gesang (siehe Eph 15,18-19), zu vermeintlich prophetischen Äußerungen zu stimulieren, die vom Rest der versammelten Gemeinde gedeutet wurden, siehe z.B. 1 Kor 14,26 f.:

26 Wie ist es denn nun, liebe Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeglicher Psalmen, er hat eine Lehre, er hat Zungen, er hat Offenbarung, er hat Auslegung. Lasst alles geschehen zur Besserung! 27 So jemand mit Zungen redet, so seien es ihrer zwei oder aufs meiste drei, und einer um den andern; und einer lege es aus. 28 Ist aber kein Ausleger da, so schweige er in der Gemeinde, rede aber sich selber und Gott. 29 Weissager aber lasset reden zwei oder drei, und die andern lasset richten.

Plausibel sind also folgende, im Unterschied zur Verbannungstheorie nicht mit unauflöslichen Widersprüchen belastete Deutungen des Aufenthaltes von Johannes auf Patmos entweder als

a)
Daueraufenthalt in einer lokalen christlichen Gemeinde

oder

b)
temporärer Besuchsaufenthalt bei dieser Gemeinde als Wanderprediger aus Anlass des 'Tages des Herrn' (jährliche Auferstehungsfeier),

wobei Johannes an diesem Tag im Rahmen einer gemeindeüblichen prophetischen ' Sitzung' in einen besonders exaltierten Zustand geriet, der ihn zur nachträglichen Niederschrift seiner 'Offenbarung' anregte.
 
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Folgende Fragen möchte ich erneut stellen, um dem Thread einen Drehwurm bezüglich der Datierung und des Verfassers ersparen, wo auch immer ergehockt hat, verbannt oder nicht verbannt:

Meinen Fragestellungen zugrundeliegende Prämissen, die bislang in diesem Thread meines Wissens auch nicht angezweifelt wurden:

Die Apokalypse wurde vor dem Hintergrund von Christenverfolgungen geschrieben. (Unter welchem Kaiser ist für meine Überlegungen nicht von Belang.)

Das Christentum duldet keine anderen Gottheiten und muss in seinem Entstehungsprozess diesbezüglich konsequent sein.

1. In welchem Zusammenhang steht der Text mit dem römischen do ut des?

2. An welchen Stellen wird deutlich, dass das Christentum gegenüber anderen Gottheiten intolerant ist, nicht bereit ist Jupiter zu opfern?

3. Wie verträgt sich dieser Anspruch mit der römischen Toleranz gegenüber nichtrömischen Gottheiten?

4.
Warum wird das geschlachtete Lamm immer wieder hervorgehoben? Hängt es damit zusammen, dass die junge christliche Gemeinschaft sich noch abgrenzen muss vom jüdischen Kult? Ist der Text deshalb so drastisch formuliert, dass der Weg zum Heil, zur Vereinigung der Gemeinschaft mit dem himmlischen Jerusalem am Schluss des Textes, nur über das Lamm (Jesus) führt?

5. Inwieweit ist es unter den Gesichtspunkten dieser Fragestellungen möglich, dass der Autor (nennen wir ihn einen Seher, damit keine Diskussion über die Identität des Verfassers entbrennt) zur Untermauerung seiner Intention Anleihe bei nicht christlichen Gottheiten macht?
 
5. Inwieweit ist es unter den Gesichtspunkten dieser Fragestellungen möglich, dass der Autor (nennen wir ihn einen Seher, damit keine Diskussion über die Identität des Verfassers entbrennt) zur Untermauerung seiner Intention Anleihe bei nicht christlichen Gottheiten macht?

Was spricht dagegen, ihn weiterhin Johannes zu nennen? :confused:
 
Was spricht dagegen, ihn weiterhin Johannes zu nennen? :confused:
Da die Identität des Verfassers umstritten ist und sich die frommen Kreise streiten, ob Joh Ev identisch mit Joh Apk ist oder gar ein ganz anderer Verfasser hinter Apk steht, habe ich mich entschlossen - um einer fruchtlosen Diskussion über den Verfasser vorzubeugen - ihn einen Seher zu nennen. Diese Diskussion würde nur einen weiteren Drehwurm gebären, vielleicht in apokalyptischen Farben :D :devil:
 
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Ich kenne nur die vom Verfasser des Johannesevangelium selbst geschaffene Illusion, Johannes Evangelista sei der Apostel, der Verfasser der Offenbarung wird doch eigentlich vom Apostel/Evangelisten durch den Namenszusatz von Patmos geschieden.
 
Ich kenne nur die vom Verfasser des Johannesevangelium selbst geschaffene Illusion, Johannes Evangelista sei der Apostel
, der aber in meiner Erinnerung beispielsweise von Benedikt XVI nicht widersprochen wird, muss das aber noch nachlesen.

Besser ist es aber, wir vertiefen das nicht, weil wir dann wieder ins Theologische rutschen...
 
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Nun, selbst wenn er gewissermaßen ex cathedra geschwiegen hätte, wäre das für die historische Betrachtung sicher nicht bindend.:D

Soweit man die Theologie beiseite lässt, herrscht wohl anders als vor hundert Jahren Einigkeit, dass die Autoren nicht identisch sind. Außerdem werden Meinungen vertreten, dass die Offenbarung auch von mehreren Autoren stammen könnte, oder - wenn schon von einem - aus Teilen unterschiedlicher Entstehungszeitpunkte zusammengesetzt worden ist. Schließlich ist zu beachten, dass uns bekanntlich der Originaltext fehlt, Überlieferungen überbrückt haben könnten, und schließlich einige textliche Unterschiede im Vergleich beim bekannten Schriftmaterial bestehen.

Also Theologie beiseite: Nur eifrige Weltanschauungen - wie oben im thread bestens anschaulich - reduzieren den bunten Strauß von Möglichkeiten auf jeweils eine angeblich "richtige" Erklärung.
 
Das Römische Reich war prinzipiell tolerant gegenüber Religionen und adaptierte fremde Kulte, sofern die Staatskulte von diesen respektiert wurden und solange sie nicht gegen das verstießen, was die Römer unter "öffentlicher Ordnung und innerer Sicherheit" verstanden. Kulte mit blutigen (Menschen)Opferriten wie der der Druiden wurden durchaus verboten und bekämpft.
Ausweisungen von bestimmten Volks- und Berufsgruppen oder von Anhängern nicht anerkannter Kulte konnten durchaus auch Menschen treffen, die nicht Angehörige der Reichsaristokratie waren. Juden wurden schon vor dem Edikt des Claudius ausgewiesen oder vertrieben. Paulus wohnte, will man der ApG Glauben schenken, bei einem Ehepaar Aquila und Priscilla (?), die davon betroffen waren. Tiberius ließ Kleidung und Kultgeräte von Jüdischen und ägyptischen Kulten beschlagnahmen und zog Juden zur Armee ein, um sie in Gebieten mit unangenehmen Klima zu stationieren. Obwohl er selbst ein Faible für Astrologie und Thrasyllus hatte, ließ Astrologen aus der Stadt und Italien ausweisen Sueton, Claudius Kap 25, Suet, Tiberius Kap. 36) Auch Schauspieler, die das Pech hatten, das Missfallen eines Kaisers zu erregen, wurden gerne aus Italien ausgewiesen. Nero war dabei noch relativ generös, ein Atellanendarsteller, der pantomimisch auf die Vergiftung Claudius- die Atellana war eine Art S- der mit Gebärden auf die Vergiftung des Claudius Claudius und den arrangierten Bootsunfall der jüngeren Agrippinas anspielte, wurde nur mit Ausweisung aus Italien bestraft. Die Atellana war eine nach der Stadt Atella benannte Standup- Comedy mit festen Charakteren. Domitian und andere Herrscher ließen auch bestimmte Philosophen ausweisen.

Wenn mit der Ankunft des Antichristen in der Apokalypse auf einen römischen Kaiser angespielt wird, ist eigentlich nur ein Bezug auf Nero einigermaßen plausibel. Dass einige von Domitian exekutierte Persönlichkeiten tatsächlich Christen waren oder mit dem Christentum sympathisierten, ist möglich, für eine organisierte vom Hof gesteuerte Christenverfolgung unter Domitian gibt es keine zuverlässigen Quellen und erst recht keine außerchristlichen, während die neronische Christenverfolgung von Sueton und Tacitus überliefert ist. Örtliche Statthalter besaßen wie die Pliniusbriefe zeigen, einen eine recht großen Ermessensspielraum besaßen, und lokale Verfolgungen geschahen auf ihre Iniative. Das konsequente Festhalten am Christentum im schlimmsten Fall zur Exekution führen konnte, obwohl sich Trajan dagegen aussprach, dass nach Christen gezielt gefahndet werden sollte (conquerendi non sunt) und anonyme Anzeigen verwarf. Diese widersprüchliche Rechtslage begünstigte einerseits die Ausbreitung des Christentums, konnte aber auch zum Martyrium führen.
 
Nun, selbst wenn er gewissermaßen ex cathedra geschwiegen hätte, wäre das für die historische Betrachtung sicher nicht bindend.:D

Soweit man die Theologie beiseite lässt, herrscht wohl anders als vor hundert Jahren Einigkeit, dass die Autoren nicht identisch sind. Außerdem werden Meinungen vertreten, dass die Offenbarung auch von mehreren Autoren stammen könnte, oder - wenn schon von einem - aus Teilen unterschiedlicher Entstehungszeitpunkte zusammengesetzt worden ist. Schließlich ist zu beachten, dass uns bekanntlich der Originaltext fehlt, Überlieferungen überbrückt haben könnten, und schließlich einige textliche Unterschiede im Vergleich beim bekannten Schriftmaterial bestehen.

Also Theologie beiseite: Nur eifrige Weltanschauungen - wie oben im thread bestens anschaulich - reduzieren den bunten Strauß von Möglichkeiten auf jeweils eine angeblich "richtige" Erklärung.

Dass der Text aus Teilen unterschiedlicher Entstehungszeit zusammengesetzt wurde, erscheint, zumindest mir plausibel. Der Text ist vor dem historischen Hintergrund des jüdischen Krieges und der neronischen Christenverfolgung entstanden. Erstaunlich finde ich, dass der Verfasser der sich auf die Propheten beruft, gar nichts über die Zerstörung des Tempels sagt. Die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels war eine historische Zäsur, das Ereignis, nach dem sich die Wege von Judentum und Christentum endgültig trennten. In den synoptischen Evangelien, von denen das älteste, das Markusevangelium im Allgemeinen auf nach 70 n. Chr. datiert wird, sagt Jesus die Zerstörung des Tempels voraus. (Mt 24 1-2, Mk 13, 1-2, Lk 21, 5, 20-25. Johannes von Patmos hat wunderbare, geradezu an Hieronimos Bosch erinnernde Visionen, und spricht in Apk 11 davon, dass die heilige Stadt und damit kann nur Jerusalem gemeint sein, verwüstet wird, aber mit der Zerstörung des Tempels ist Fehlanzeige. Was soll Johannes da groß ausmessen, wenn da außer Ground Zero nichts mehr zum Vermessen ist?
 
Soweit man die Theologie beiseite lässt, herrscht wohl anders als vor hundert Jahren Einigkeit, dass die Autoren nicht identisch sind.

Nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung: Die sachlichen Gründe für diese Einigkeit sind schon seit allerfrühester Zeit bekannt, auch in theologischen Kreisen:

"Dass das Johannesevangelium und die Apokalypse nicht denselben Verfasser haben können, hat schon im 3. Jahrhundert der alexandrinische Bischof Dionysius mit überzeugenden Gründen festgestellt, denen kaum etwas hinzuzufügen ist." (Klaus Wengst)

Im Detail nachzulesen hier: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel53-25.htm

(Klang auch in dieser Diskussion schon an: http://www.geschichtsforum.de/f30/offenbarung-des-johannes-38682/index2.html#post635875[/QUOTE])


Da die Identität des Verfassers umstritten ist und sich die frommen Kreise streiten, ob Joh Ev identisch mit Joh Apk ist oder gar ein ganz anderer Verfasser hinter Apk steht, habe ich mich entschlossen - um einer fruchtlosen Diskussion über den Verfasser vorzubeugen - ihn einen Seher zu nennen.

Der Verfasser nennt sich selbst Johannes. Ich sehe keinen Grund, diesen Namen zu tabuisieren.

(Zwar gab es schon vor Dionysius eine Art Verschwörungstheorie, die in der Offenbarung eine Fälschung des Kerinth sehen wollte. Die Unhaltbarkeit dieser These hat Dionysius aber ebenfalls gut erkannt.)
 
Domitian

Die einzige ´christliche´ Person, die Eusebius namentlich als angebliches Verfolgungsopfer von Domitian nennen kann, war also nicht christlich, sondern jüdisch.

Für Domitians Zeit eine klare Grenze oder gar einen "Widerspruch" zwischen "christlich" und "jüdisch" zu konstruieren, ist Nonsens.

Dass Cassius Dio im frühen 3. Jh. CE zwischen Juden und Christen zu unterscheiden wusste, kann kaum bezweifelt werden.
Und wo soll hier bitte das Argument sein?

Cassius Dio konnte nicht ins späte 1. Jahrhundert zurückreisen, um sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Vielmehr war er auf Quellen aus früherer Zeit angewiesen. Und wenn seine Quelle keine Information lieferte, ob die Jüdin Flavia Domitilla Christin war oder nicht, dann konnte Cassius Dio hier auch keine Unterscheidung vornehmen.In diesem Zusammenhang möchte ich auf die alte Diskussion http://www.geschichtsforum.de/f30/juden-bzw-christenverfolgung-unter-domitian-46561/ hinweisen. Im übrigen schließe ich mich Scorpio an:

Dass einige von Domitian exekutierte Persönlichkeiten tatsächlich Christen waren oder mit dem Christentum sympathisierten, ist möglich, für eine organisierte vom Hof gesteuerte Christenverfolgung unter Domitian gibt es keine zuverlässigen Quellen und erst recht keine außerchristlichen, während die neronische Christenverfolgung von Sueton und Tacitus überliefert ist.
Chan schrieb:
Domitians Ruf als grausamer Despot – wie von Eusebius rezipiert – verdankt sich seiner pejorativen Charakterisierung in den nach Domitians Tod entstandenen Werken von Tacitus, Plinius d. J. und später – in Tacitus´ Nachfolge – Sueton. Das von den Senatoren Tacitus und Plinius bewusst verzeichnete Bild des Kaisers sollte den übernächsten Nachfolger Domitians, Trajan, motivieren, den vom ´Schurken´ Domitian und seinen Vorgängern an den Rand gedrängten Senat stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden.
Schon klar, aber die christliche Tradition übernahm durchaus nicht 1:1 die vorgegebenen Charakterisierungen der Kaiser, sondern leistete sich ihre eigenen "Verzeichnungen"*. Da kommt Domitian verglichen mit anderen "Verfolgern" sogar noch gut weg, immerhin wird mehrfach betont, er habe die Verfolgung der Kirche eingestellt. Tertullian hast Du ja selber erwähnt; ähnliches berichtet die von Hegesipp/Eusebius überlieferte Legende.



*
Detlef Liebs formuliert das - etwas überspitzt - folgendermaßen:

"Trajan war bei den Christen der dritte Verfolger. Der in Ethos und Praxis besondere Rechtlichkeit an den Tag legende Kaiser Mark Aurel zählte als der vierte, während der Nichtsnutz Commodus wegen seiner christlichen Konkubine gut davon kam. Septimius Severus, der erste Soldatenkaiser, aber für das Recht sehr engagiert, war der fünfte Verfolger, während sein Sohn und Nachfolger, der skrupellos mordende Caracalla, bei den Christen keine schlechte Presse hatte. Schlecht kamen vielmehr um den Fortbestand des Reichs so verdiente Kaiser wie Decius davon, der siebte Verfolger, Aurelian, der neunte, und zumal Diokletian, der zehnte. Der brutale Machtmensch Konstantin dagegen war und ist für die meisten Christen beinahe ein Heiliger."
 
*[/B] Detlef Liebs formuliert das - etwas überspitzt - folgendermaßen:

"Trajan war bei den Christen der dritte Verfolger. Der in Ethos und Praxis besondere Rechtlichkeit an den Tag legende Kaiser Mark Aurel zählte als der vierte, während der Nichtsnutz Commodus wegen seiner christlichen Konkubine gut davon kam. Septimius Severus, der erste Soldatenkaiser, aber für das Recht sehr engagiert, war der fünfte Verfolger, während sein Sohn und Nachfolger, der skrupellos mordende Caracalla, bei den Christen keine schlechte Presse hatte. Schlecht kamen vielmehr um den Fortbestand des Reichs so verdiente Kaiser wie Decius davon, der siebte Verfolger, Aurelian, der neunte, und zumal Diokletian, der zehnte. Der brutale Machtmensch Konstantin dagegen war und ist für die meisten Christen beinahe ein Heiliger."
Da passt der gute alte Marx wie die Faust auf's Auge: "Das Sein bestimmt das Bewusstsein.":devil:
 
In Zweifel gezogen werden kann dagegen die allgemein verbreitete Annahme einer Verbannung des Johannes auf die Insel Patmos.

Das kann in Zweifel gezogen werden und wurde auch verschiedentlich in Zweifel gezogen.
Der Text spricht ja auch nicht direkt von Verbannung. Textzusammenhang und Wortlaut zeigen aber zumindest, "dass Johannes sich nicht freiwillig nach Patmos begeben hat, sondern dass sein Aufenthalt dort gezwungenermaßen erfolgte und dass dieser unfreiwillige Ortswechsel durch seine Wirksamkeit als messiasgläubiger Prophet verursacht war." (Klaus Wengst)

In Zweifel gezogen werden kann außerdem auch jede ex cathedra verkündete, aber durch nichts begründete These.
Zum Beispiel ziehe ich die folgende These in Zweifel:
Johannes war sicher kein Mitglied der Oberschicht und auch kein römischer Bürger




Alternativ zu Eusebius´ Interpretation, die aus genannten Gründen unrealistisch erscheint, gibt es zwei andere Möglichkeiten, Offb 1,9 und das dazugehörige 1,10 zu deuten.
Diese beiden Möglichkeiten werden durch den Text nicht gedeckt.

Ich wüsste mindestens noch eine plausible, in der Literatur öfter vertretene Alternative* - blendest Du die mit Absicht aus?

Der erste Teilsatz (ἐγενόμην ἐν πνεύματι ἐν τῇ κυριακῇ ἡμέρᾳ) bezieht sich auf einen exaltierten mentalen Zustand, in dem sich Johannes während eines Aufenthaltes auf Patmos am jährlich von allen damaligen Christengemeinden gefeierten Tag der (geglaubten) Auferstehung des Christus befand.
Jährlich?
κυριακὴ ἡμέρα ist spätestens ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. die Bezeichnung für den Sonntag. Der findet bekanntlich einmal in der Woche und nicht nur einmal im Jahr statt.


Nähere Informationen zum Sonntag siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonntag


Jedenfalls ist "Tag des Herrn" seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein feststehender Begriff, "clearly and consistently used of Sunday" (Beale).
Sollte die Offenbarung in einer Zeit entstanden sein, in der der wöchentliche "Tag des Herrn" noch nicht bekannt war, müsste sie konsequenterweise wohl eher relativ früh zu datieren sein. :D












* Die These, Johannes sei wegen der Wagenrennen nach Patmos gereist, meine ich aber nicht...
 
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Wir können den Verfasser selbstverständlich weiterhin Johannes nennen. Was ich vermeiden wollte, sind Drehwurmdiskussionen, sehe aber, dass der Verfasser der Apk nicht dazu einlädt. :fs:
 
[...] Erstaunlich finde ich, dass der Verfasser der sich auf die Propheten beruft, gar nichts über die Zerstörung des Tempels sagt. Die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels war eine historische Zäsur, das Ereignis, nach dem sich die Wege von Judentum und Christentum endgültig trennten. In den synoptischen Evangelien, von denen das älteste, das Markusevangelium im Allgemeinen auf nach 70 n. Chr. datiert wird, sagt Jesus die Zerstörung des Tempels voraus. (Mt 24 1-2, Mk 13, 1-2, Lk 21, 5, 20-25. Johannes von Patmos hat wunderbare, geradezu an Hieronimos Bosch erinnernde Visionen, und spricht in Apk 11 davon, dass die heilige Stadt und damit kann nur Jerusalem gemeint sein, verwüstet wird, aber mit der Zerstörung des Tempels ist Fehlanzeige. Was soll Johannes da groß ausmessen, wenn da außer Ground Zero nichts mehr zum Vermessen ist?

Meinst du die Vermessung in Kap 21? Das findet mW bereits nach dem Millennium des Friedens statt. Außerdem wird zu Beginn (21, 1f.) darauf hingewiesen, dass es sich um eine überirdische Stadt handelt: "Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen".

Vielleicht hat die Stadt für Johannes nur teilweise etwas mit dem Jerusalem seiner Zeit zu tun? In V. 22 weist er ja sogar darauf hin, dass in der Stadt kein Tempel mehr ist. Das war für antike Verhältnisse sicher beinahe unvorstellbar, da es in den meisten Städten ja sehr viele Tempel gab und die Philosophen auch immer wieder darauf hinwiesen, dass jedes Volk seine Götter habe.

Der Vergleich hinkt sicherlich, aber diese "Heilige Stadt" scheint mir fast etwas von einem Utopia zu haben. Vielleicht hätte da der Hinweis auf den realen Tempel aus Sicht des Johannes nicht mehr so gut gepasst? Der Tempel war ja im Diasporajudentum wohl auch nicht so zentral wie in Israel selbst.
 
Meinst du die Vermessung in Kap 21? Das findet mW bereits nach dem Millennium des Friedens statt.

Ich weiß nicht, warum Scorpio nicht antwortet, aber er bezieht sich ausdrücklich auf Apk 11. Die Stelle lautet:

Dann wurde mir ein Messstab gegeben, der aussah wie ein Stock, und mir wurde gesagt: Geh, miss den Tempel Gottes und den Altar und zähle alle, die dort anbeten! Den Hof, der außerhalb des Tempels liegt, lass aus und miss ihn nicht; denn er ist den Heiden überlassen. Sie werden die heilige Stadt zertreten, zweiundvierzig Monate lang.

Die Stelle liest sich so, als würde der Jerusalemer Tempel noch existieren. Der äußere Vorhof und der Rest der heiligen Stadt werden den Heiden überlassen und zertreten. Bezüge zu den Ereignissen des Jüdischen Krieges sind zu erkennen, so hofften die Zeloten bis zuletzt, der Tempel würde durch Gottes Eingreifen verschont werden:
459 Uebrigens wird auch dieser Tempel hier von dem, der ihn zu seinem Wohnsitz erwählt hat, sicher gerettet werden. An der Seite eines solchen Bundesgenossen spotten auch wir aller deiner Drohungen, die nothwendig leere bleiben müssen; denn das letzte Wort hat immer Gott!“
https://de.wikisource.org/wiki/Juedischer_Krieg/Buch_V_10-13
285 Die Schuld an ihrem elenden Tode trug ein falscher Prophet, der gerade an diesem Tage dem Volke in der Stadt feierlich erklärt hatte, es sei Gottes Wille, dass sie auf die Tempelhallen hinaufsteigen sollten, um dort die Wunderzeichen seiner rettenden Allmacht zu erfahren.
https://de.wikisource.org/wiki/Juedischer_Krieg/Buch_VI_4-10

Die Textstelle, so verstehe ich Scorpio, muss auf eine Zeit zurückgehen, als der Jerusalemer Tempel noch existierte.
 
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